Red Matter 2 - Test, Adventure, OculusRift, ValveIndex, OculusQuest, VirtualReality
Schon Teil 1 des stimmungsvollen Weltraum-Adventures kitzelte Erstaunliches aus der Quest. Für Red Matter 2 hat der spanische Entwickler Vertical Robot die Unreal Engine massiv modifiziert, um technisch eins drauf zu setzen. Ob matt angelaufene Metallbohlen oder feinste Kratzer auf dem Glas: All das lässt die Technik-Puzzles in Red Matter 2 in VR richtig plastisch wirken, während ich staunend durch den glühenden Maschinenpark spaziere.
Die ultimative Grafikdemo?
Auch Protagonist Sasha wirkt zu Beginn seines Abenteuers noch überwältigt. Da die Handlung direkt an Teil 1 anknüpft, lassen sich Spoiler leider nicht vermeiden. Wer zuerst den Vorgänger nachholen möchte, sollte also nicht weiterlesen. Oder sich im Netz ein wenig schlau über die Geschichte machen, da die zugrundeliegenden Wendungen aus Teil 1 Neulinge überfordern könnten. Nach wie vor befindet sich die Welt in einem fiktionalen kalten Krieg zwischen der der westlich anmutenden Atlantic Union und dem russisch angehauchten Volgravia. Nachdem Sashas Bewusstsein aus einer Simulation befreit und in den Körper eines Wachmanns transferiert wurde, begibt er sich auf die Suche nach dem geflüchteten Stas Volkov. Der verletzte Kollege hat gerade noch einen Notruf sowie diverse Videobotschaften absetzen können.
Stimmungsvolle Schleichtouren
Die ungewisse Inszenierung sorgt von Anfang an für einen angenehmen Nervenkitzel. Das liegt nicht nur an der roten Materie, deren Nebenwirkungen mir immer wieder heftige Halluzinationen bescheren. In meinen Visionen überzieht das begehrte Forschungsobjekt bereits komplette Raumstationen mit seinen Wucherungen. Beim Lesen verstreuter Botschaften wird klar, dass auch diverse Wissenschaftler ihre Bedenken bei der Erforschung hatten.
Tolle Vertonung, allerdings nicht auf Deutsch
Bei der Erkundung macht sich die gelungene, knackig präzise Steuerung bezahlt. Wie in der Realität halte ich zwei Bewegungs-Controller in der Hand, sie dienen in der Spielwelt als Multifunktionswerkzeuge. An ihrer Spitze gibt es nicht nur eine Funzel oder einen Scanner zur Übersetzung volgravischer Texte, auch ein paar praktische Greifhaken ragen vorne aus dem Controller: Mit ihnen kann ich alles Mögliche anfassen, aufheben, vor den Augen drehen oder montieren. Es fühlt sich fast so an, als würde ich in einem echten Raumanzug stecken – ob ich nun an Schaltern drehe oder einen schützenden Rollcontainer vor mir herschiebe. Ein überaus gelungener Trick in VR, den andere Entwickler ruhig aufgreifen sollten!
Faszinierend haptische Puzzles
Erstaunlich ist auch, wie motivierend die Technik-Puzzles ausbalanciert wurden: Nach kurzer Untersuchung der Umgebung und ein paar Experimenten mit der Technik geht mir meist nach wenigen Minuten ein Licht auf. Bei Physik-Rätseln muss ich sogar ein wenig um die Ecke denken, weil Objekte aus der Umgebung kreativ miteinander kombiniert werden. Da es nur ein kleines Inventar am Handgelenk gibt, verzettele ich mich nicht so leicht wie im VR-Zeitreise-Adventure Wanderer. Auch räumlich fokussieren sich die Puzzles stärker auf den gerade aktuellen Bereich.
Analoge Technik-Monster
Das Design der wuchtigen Apparaturen ist stark von der Science Fiction der 60er und 70er Jahre inspiriert. Das Funkeln in den schummrigen Korridoren zieht mich an wie eine Elster. Besonders hübsch geraten sind die abwechslungsreichen Reflexionen, die plastischen Glanzeffekte machen verschrammte Metallstreben oder speckige Kunststoffbügel beinahe schon greifbar. Komme ich ihnen zu nahe, weichen sogar die Metallfinger meiner Greifhaken zur Seite aus, statt im Objekt zu versinken. Das lässt die Welt gerade in VR äußerst authentisch wirken!
Bei manchen Elementen wie Lasern oder Monitoren kommt sogar auf der Quest 2 Raytracing zum Einsatz. Vor einem organischen 3D-Drucker etwa bricht sich mein Scanner-Strahl gleich mehrfach in Echtzeit in der Glasverkleidung. Ein beeindruckendes Schauspiel! Nicht einmal im faszinierend anderweltlichen SciFi-Puzzlespiel Form (zum Test) gibt es derart viele wunderhübsche Panoramen! Auch der dramaturgisch geschickt eingestreute Orchester-Soundtrack trägt seinen Teil zur Stimmung bei.
Raytracing! Auf der Quest 2!
Einsteiger sollten sich übrigens bewusst sein, dass es kein modernes Hilfe-System wie etwa in The Room VR: A Dark Matter (zum Test) gibt. Wer auf dem Schlauch steht, muss sich wohl oder übel selbst durchbeißen oder im Netz nach einer Lösung suchen. Nicht nur aus diesem Grund erinnert das Spielgefühl ein wenig ans altmodische VR-Remake des Adventure-Klassikers Myst (zum Test). Auch die die abgeschiedene Kulisse und die mysteriösen Maschinen verströmen ein ähnliches Spielgefühl. Wer ein mechanisches Puzzle-Abenteuer alter Schule für VR sucht, bekommt mit Red Matter 2 insgesamt ein deutlich runderes Gesamtpaket als mit dem teils übertrieben kniffligen Myst-Remake.
Mysteriöser als Myst?
Extrawurst für PC-VR
Fazit
Red Matter 2 ist die ultimative Antwort auf Mark Zuckerbergs hässlichen Avatar-Tweet . Das Science-Fiction-Adventure beweist, wie unglaublich stimmungsvoll Quest-2-Kulissen aussehen können, wenn sich fähige Entwickler nur richtig Mühe geben. Neben einem stilvollen Retro-Design mit Unmengen plastischer Spiegelungen kommt mancherorts sogar Raytracing zum Einsatz! Hinter der hübschen Fassade steckt außerdem ein richtig gutes, rund acht Stunden langes Adventure. Die mysteriös inszenierte, professionell vertonte Geschichte (leider nicht auf deutsch) hat mich von Anfang an in eine andere Welt versetzt. Eine Welt, in der mich erfreulich clevere Physik- und Technik-Puzzles erwarteten. Wer Spaß am Reparieren und Manipulieren fremdartiger Technik hat, kommt hier noch mehr auf seine Kosten als im Spiel Form von Charm Games. Schade, dass der Feinschliff in der zweiten Spielhälfte stark nachlässt und dann sogar Bugs den Spielfluss stören. Mit etwas mehr Entwicklungszeit hätte Red Matter 2 zu einem echten VR-Klassiker werden können, der sogar Lone Echo 2 Konkurrenz gemacht hätte! Doch auch in dieser Form sollten sich Quest-2-Besitzer dieses VR-Spiel nicht durch die Lappen gehen lassen. Das gilt auch für die SteamVR-Umsetzung für Index und Rift, die sich natürlich auch per Drahtlos-Verbindung auf der Quest 2 spielen lässt. Die Umsetzung für den Spielerechner hat noch ein paar grafische Details und Effekte mehr zu bieten. Das abgeschiedene Spielgefühl ist aber auf beiden Plattformen grandios!
Pro
- die mit Abstand hübschesten Kulissen für Quest 2
- Glanzeffekte und Raytracing machen die Welt greifbar
- ausgefeilte Technik- und Mechanik-Puzzles
- intuitiv umgesetzte, immersive Steuerung
- angenehm haptische Bedienung mit Greifarmen
- spannend inszenierte Erzählung
- professionelle Vertonung (nur Englisch und Spanisch)
- unterhaltsame Erkundung mit Jetpack-Hüpfern
- übelkeitsarme Umsetzung mit vielen Komfortoptionen
- kleine aber ansehnliche grafische Extras für SteamVR
Kontra
- einige Bugs in der zweiten Spielhälfte
- spätere Puzzles sind schlechter ausbalanciert
- fade (und glücklicherweise seltene) Schießereien
- keine deutsche Vertonung (deutscher Text wird nachgereicht)
Echtgeldtransaktionen
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