The Last of Us Part 1 - Test, Action-Adventure, PC, PlayStation5
Als Naughty Dog das „von Grund auf neu entwickelte“ Remake von The Last of Us auf dem Summer Game Fest offiziell ankündigte, waren Gerüchte einer grundlegenden Überarbeitung des PS3-Klassikers schon seit mehr als einem Jahr im Umlauf. Und längst wurde von Kritikern eigentlich alles gesagt, was zu solch einem Remake vorab gesagt werden konnte "zu teuer und zu unnötig" etwa, "Muss man das gleiche Spiel noch ein drittes Mal veröffentlichen?" oder "Das PS4-Remaster von The Last of Us doch immer noch ein hübsches Spiel, oder nicht?" Ja, schon. Aber eben auch nicht.
Ein Meilenstein, neu aufgebaut
2013 war The Last of Us das unerwartete Meisterstück von Naughty Dog und Neil Druckmann. In einer von einem mutierten Cordyceps-Pilz verheerten Welt, überleben die letzten Menschen in umkämpften Quarantänezonen und Siedlungen, während zombiehafte Infizierte die Überreste der Zivilisation durchstreifen. In dieser finsteren Stunde trifft der von Verlust gezeichnete Joel auf die junge Ellie, die durch ihre Immunität die vielleicht letzte Hoffnung auf die Rettung der Menschheit ist.
Die Hochglanz-Apokalypse
Kurz: The Last of Us Part 1 erreicht spielend das Niveau des technisch beeindruckenden Part 2 – liefert die prächtigen Bilder aber in zuverlässigen 60 Frames pro Sekunde bei dynamischer Auflösung bzw. 30 FPS im Fidelity-Modus in 4k aus. Besitzer von TVs mit 120hz-Displays oder VRR-fähigen Panels erhalten sogar die Möglichkeit, die Framerate-Begrenzung zu deaktivieren oder im Fidelity-Modus auf bis zu 40FPS zurückgreifen zu können. Das ist technisch ein ordentlicher Schritt nach vorne, von dem das gesamte Spiel profitiert.
Tatsächlich hat mich sogar etwas überrascht, mit welcher Wucht mich die Geschichte von Ellie und Joel nochmal getroffen hat. Zugegeben: ich gehöre nicht zu denen, die dieses Abenteuer jedes halbe Jahr nochmal erleben, aber ich erinnere mich noch sehr gut an meine Emotionen beim ersten Mal. Und es ist vielleicht mein eigener Reifeprozess, der mich heute auf manche Dinge etwas anders blicken lässt, als noch 2013 - oder eben die zeitlose Qualität dieser postpandemischen Tour de Force, die The Last of Us auch 2022 noch zu einem erzählerischen Meilenstein macht. Vom aufwühlenden Beginn bis zum dramatischen Ende, von den Straßen Bostons bis zum Krankenhaus der Fireflies, hat mich dieses Abenteuer trotz aller Vorbereitung erneut völlig kalt erwischt. Und dabei sind es vor allem die kleinen Zwischentöne in der Performance von Ellie und Joel, die für mich den Unterschied machen.
Nochmal, mit Gefühl
Lineare Designer-Level
Trotzdem sind die Level immer noch klasse: Ruhige Erkundung wechselt sich mit Schleich- und Shooter-Passagen ab, von denen letztere meist in recht eindeutig erkennbaren Arenen abspielen. In überwucherten Straßenzügen, Hotels, Dörfern oder Abwasserkanälen geht es mal gegen Infizierte, bei denen die blinden „Clicker“ die größte Gefahr darstellen, und mal gegen menschliche Banden und Soldaten. Und klar ist auch: Hier ist Part 2 dem Vorgänger mit größeren Gebieten, mehr Variation und größerer Dynamik deutlich überlegen.
Spielmechanischer Fortschritt
Denn auch mechanisch wurde Part 1 an den unheimlich knackigen Shooter des Nachfolgers angeglichen. Einerseits wird damit das Zielen deutlich präziser, andererseits haben Bogen, Pistolen, Schrotflinte und co. das herrliche Gewicht und die brachiale Trefferwirkung, die ich in Part 2 lieben gelernt habe. Vor allem der Bogen wird als leises Tötungswerkzeug erheblich aufgewertet – egal ob gegen Infizierte oder gegen Menschen. Auch der nach wie vor eine Taste limitierte Nahkampf profitiert von brachialer Wucht und neuen Animationen, etwa wenn Joel die Schädel von Infizierten zertritt.
Im gleichen Moment ist es aber sehr schade, dass die Entwickler nicht den ganzen Weg gegangen sind, denn die aus Part 2 bekannten Elemente wie Hinlegen, Robben, aus dem Liegen schießen oder auch das aktive Springen wurden nicht implementiert. Selbst eine Ausweich-Taste gibt es nicht, sodass ich mich nicht elegant unter Klicker-Attacken wegducken kann. Das ist bedauerlich und limitiert The Last of Us Part 1 etwas zu sehr auf sein spielerisches Skelett von 2013, auch wenn mir die Shootouts und Schleichpassagen trotzdem richtig viel Spaß machen.
Sammeln und Basteln
Zurückgelassen
So sehr mich diese Szenen berühren und so begeistert ich auch bin, wie gerade dieser tolle DLC vom visuellen Upgrade der Charaktere profitieren, bin ich doch gerade von der Einbindung von Left Behind etwas enttäuscht. Anstatt nämlich den Aufwand zu investieren aus The Last of Us und Left Behind wirklich „Part 1“ zu machen, also eine nahtlose Erfahrung zu bieten, wähle ich den DLC schnöde im Hauptmenü aus. Klar, das war im PS4-Remaster auch so, aber für ein Vollpreis-Remake hätte ich mir wenigstens die Option gewünscht, Left Behind im Spiel eingebettet zu erleben. Immerhin geben das die Cutscenes für Einstieg und Ende sogar einigermaßen her, selbst ohne größeren Aufwand.
Sehr schade ist auch, dass der Factions-Multiplayer fehlt. Sicher, Naughty Dog bastelt schon lange an einem Standalone-Mehrspielertitel, der vermutlich 2023 erscheinen soll. Trotzdem hat Factions der Zeit standgehalten – und wäre bestimmt auch 2022 eine echte Bereicherung für die komplette The-Last-of-Us-Erfahrung gewesen.
Zugänglichkeit und PS5-Features
Dazu kommt natürlich die PS5-Premiumbehandlung. Es gibt quasi keine Ladezeiten, dafür aber aktive Trigger, die das Gewicht und den Abzug der Waffen simulieren. Auch das haptische Feedback des Dualsense wird genutzt, bleibt dabei aber recht subtil. Anders als z.B. bei Astros Playroom werden viele Effekte nur als Hintergrund-Untermalung eingesetzt, etwa wenn sich bei einem Tresor die richtige Zahl etwas anders anfühlt als alle anderen. Außerdem unterstreicht der Controller neuerdings die Cutscenes – laut Naughty Dog ist dies als zusätzliche Information für Gehörlose gedacht, die so etwas mehr Emotion aus den Dialogen mitnehmen können.
Fazit
Dank dieses Remakes ist The Last of Us gealtert wie ein guter Wein. Wirklich alles – von der Kulisse über die Spielmechaniken, von der KI bis zu den Zugänglichkeitsoptionen – ist wesentlich besser als 2013 und ein klarer Generationssprung. Part 1 ist ein mehr als zeitgemäßes Spiel mit einer nach wie vor großartigen und emotionalen Geschichte. Allerdings weist das Remake mit Blick auf den fehlenden Mehrspieler-Modus, den Verzicht auf neue Bewegungsvarianten und die mit geringstmöglichem Aufwand vorgenommene Einbindung von Left Behind an einigen Stellen leider nicht die allerletzte Konsequenz auf, die ich Naughty Dog eigentlich zugetraut hätte. Trotzdem ist The Last of Us Part 1 in allen Belangen so viel besser als das PS4-Remaster und so viel näher an der ursprünglichen Vision von The Last of Us, dass jeder, der dieses einmalige Abenteuer mit Joel und Ellie noch nicht kennt, unbedingt diese Variante spielen sollte. Alle anderen müssen sich allerdings entscheiden, ob ihnen dieses ausgezeichnete Upgrade eines legendären Spiels wirklich die stolzen 80€ wert ist, die Sony für The Last of Us Part 1 aufruft.
Pro
- Charaktere für die Ewigkeit
- gut erzählte Geschichte
- wahnsinnig gutes Voiceacting (englisch)
- tolle Kulisse
- starker Sound
- gutes Mechanik-Upgrade
- Left Behind ebenfalls überarbeitet
- Zugänglichkeitsoptionen
- Umsetzung von DualSense-Features
Kontra
- Left Behind nicht in die Story integriert
- Bewegungsoptionen (Hinlegen, springen etc.) nicht integriert
- Factions-Multiplayer fehlt
- Sony-Vollpreis (80¤) ist teuer
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