Sonic Frontiers - Test, Plattformer, PC, PlayStation4, XboxOne, Switch, XboxSeriesX, PlayStation5
Ähnlich wie Link begibt sich auch der blaue Blitz in eine fremde Welt: Dort warten Relikte einer uralten, aber technisch fortgeschrittenen Zivilisation auf ihre Entdeckung. Ganze fünf weitläufige Inseln voller Hüpfpassagen und Kämpfe kann Sonic frei erkunden – mit allerlei Sammelkram, Rätseln, Herausforderungen und gigantischen Bossen. Das Freischalten und Aufleveln einiger Fähigkeiten wie in RPGs gehört neuerdings ebenfalls zum Abenteuer. Zusätzlich gibt es etliche Portale freizuschalten, hinter denen sich klassische "Cyberspace"-Levels auf vorgegebenen Wegen verstecken, sowohl in 2D als auch in 3D.
Erfrischende Wildnis?
Die Umsetzungen für Switch, PS4 und Xbox One dürften auch die PC-Version und Nextgen-Fassungen für PS5 und Xbox Series X|S ausgebremst haben. Sicher, es handelt sich um riesige offene Welten mit angenehm weiten Horizonten – trotzdem ahnte ich Schlimmes, als ich von der nicht wirklich zeitgemäßen Grafik auf der ersten Insel begrüßt wurde. Auch Sonics Freunde wie Amy oder Knuckles wirken etwas verdattert, als ich sie in halb digitalisierter Form auf der Inselwelt vorfinde. Ähnlich wie Dr. Eggman sind sie nicht ganz freiwillig im Cyberspace gefangen, der mit Portalen und antiker Technik verbunden zu sein scheint...
Der Fluch alter Technologie
Unterhaltsame Sammelwut
Kleine Erkundungen über Rampen am Rande werden fast immer belohnt. Die neuen Gegner zeigen sich ebenfalls kreativ. Manche frühstücke ich im Vorbeigehen ab, etwa einen stampffreudigen Bumper. Oder ich klettere mit Sonics moderner Zielhilfe an einem sich aufplusternden Ballon-Gegner empor. Auf Knopfdruck zischt der blaue Blitz wieder blitzschnell zu einem anvisiertem Ziel. Eigentlich einfach, aber ohne passendes Timing kann natürlich trotzdem einiges schieflaufen.
Ein wilder Ritt
Weniger ausgefeilt wirken manche der Zwischenbosse wie ein fliegender Metall-Tintenfisch. Er besitzt zwar einen hübsch spiegelnden Schweif, auf dem ich ihn in der Luft mit meiner Boost-Kraft hinterherjage – genau diese Spiegelungen nehmen mir aber zur falschen dynamischen Tageszeit die Sicht. Gelegentlich verheddert sich Sonic auch in der Umgebung und peilt ein falsches Ziel an. In den Bossämpfen gegen die Giganten wird der Mangel an Feinschliff noch deutlicher: Beim Emporklettern an ihren Beinen zucken Sonic und die Kamera schon mal wild herum, so ziehen sich die ohnehin etwas zähen Gefechte weiter in die Länge.
Manche der oben genannten Probleme sind allerdings beabsichtigt. Mit besseren Werten bringt Segas blauer Blitz die fetten Blechkäfer deutlich schneller zur Strecke. Die schläfrigen Urahnen wurden nicht nur für ihre Nickerchen auf der Karte installiert: Im Gegenzug für Sammelobjekte wie gerettete Winzlinge machen sie Sonic stärker, schneller oder verpassen ihm mehr Kapazität für die lebensrettenden Ringe. So lässt sich der eben noch knifflige fliegende Tintenfisch plötzlich deutlich schneller vermöbeln. Für mehr Feintuning können vergebene Geschwindigkeitspunkte sogar zur Ringkapazität umgeleitet werden – oder auch umgekehrt.
Leveln und abstimmen
Eine schöne Neuerung ist auch der "Cyberloop": Er schwächt nicht nur manche Gegner und farmt lebensrettende Ringe, sondern deckt auch versteckte Objekte auf. Verdächtig anmutende Dinge sollte man am besten einfach mal umkreisen statt sie schulterzuckend links liegen zu lassen. So offenbaren sich viele kleine Rätsel und Herausforderungen. Als alter Heimcomputer-Fan hat mir vor allem die Hommage ans uralte Schafehüten gefallen – statt blökender Weltraumschafe treibe ich hier allerdings fliehende Steinknirpse über Minenfelder. Andere Aufgaben sind an noch ältere physische Puzzles wie das Brettspiel Solitär angelehnt.
Geschickte Verstecke
Selbst in den 2D-Passagen wirkt das bruchstückhafte Level-Design wie hingeschludert, zudem wiederholen sich klassische Sonic-Themen wie Green Hill oder fluffige Wolkentürme zu häufig. Letztendlich habe ich mich durchgequält, um die nötigen Schlüssel für Ringe oder eine perfekte Wertung einzusacken – Spaß kam dabei aber nicht im Ansatz auf. Sonic Generations setzte den Mix beliebter 2D- und 3D-Levels seinerzeit deutlich routinierter um. Mein Tipp für einen Nachfolger wäre, die Macher von Sonic Mania für die "Cyberspace"-Levels zu engagieren und sich dabei auf klassische 2D-Abschnitte zu konzentrieren. Die an Mania beteiligten Teams verstehen schließlich etwas von Sonics "schwungvoller Schwere" – und wie sie einen passenden Flow erschafft.
Grottige Cyberspace-Levels
Zwischendurch gibt es immer wieder Anspielungen auf Sonics Vergangenheit: Beim Bosskampf gegen einen Metalldrachen umkreisen ihn beispielsweise die Raketen wie im Kinofilm aus dem Jahr 2020. Sogar Big the Cat aus Sonic Adventure hat einen Gastauftritt mit Angel-Minispiel. Auch ein Wasserfall auf der ersten Insel weckt Erinnerungen an den Dreamcast-Klassiker. Schade nur, dass die Musikuntermalung hier deutlich langweiliger ausfällt als in den "Lost Ruins". Im Jahr 1998 ging mir der archaische Singsang zwar schnell auf die Nerven, mit meinem rosaroten Hörgerät des Jahres 2022 vermisse ich solch exzentrisch-charakteristischen Besonderheiten aber.
Die Nostalgie lässt grüßen
Immerhin einige Musikstücke lassen auch diesmal aufhorchen. Wenn sich der mutierte Super Sonic zu einem Bosskampf gegen einen Giganten aufschwingt, wird er von energischem Gitarrengeknüppel angefeuert, das mich spontan an Eikes Musikgeschmack erinnerte. Der Großteil der Tracks klingt hingegen reichlich unmotiviert, teils sogar depressiv. Die räumliche Abmischung kann schon eher überzeugen. Manchmal muss ich sogar anhand von Geräuschen versteckte Objekte orten. Nett!
Nur 30 Bilder pro Sekunde?
Fazit
Das Sonic Team hat es tatsächlich geschafft: Im Großen und Ganzen ist das neue offene Konzept aufgegangen und beschert der Serie endlich wieder ein spielenswertes Jump-n-Run. Die freie Erkundung der großen Inseln ist sogar das unterhaltsamste Element. Beim rhythmisch orchestrierten Sprinten, Springen und Bekämpfen der fantasievoll attackierenden Gegner kam ich schnell in diesen typischen entspannten Rhythmus, der dem Aufdecken neuer Kartenabschnitte einen gewissen Suchtfaktor verleiht. Selbst die an Rollenspiele angelehnte Fleißarbeit wie das häufige Aufleveln störte mich als Fan klassischer Plattformer nicht wirklich. Ganz anders sieht das bei den lieblos zusammengeklatschten Cyberspace-Levels auf vorgegebenen Wegen aus, die auch seitliche 2D-Passagen bieten. Steuerung und Physik sind in diesem Spiel einfach nicht für eine feste Kamera gemacht. Die Kämpfe gegen fette Bosse präsentieren sich etwas besser, sie zählen aber ebenfalls eher zu den Schwachpunkten. Die störenden Kamera-Kapriolen halten sich zwar in Grenzen, Sega hätte dem Team trotzdem noch mehr Zeit für Feinschliff gönnen sollen. Auch der omnipräsente Grafikaufbau hätte sich so ausmerzen lassen, zumal die Kulisse ohnehin nicht gerade modern wirkt. All diese Macken spielen aber zum Glück nur eine untergeordnete Rolle. Das Kernstück des Spiels – die neue Erkundung – macht schließlich überraschend viel Spaß! Mit etwas mehr Fokus aufs Wesentliche hätte Sega aber noch deutlich mehr aus dem Konzept herausholen können!
Pro
- motivierende Erkundung offener Inseln
- cool aneinandergereihte Sprungpassagen
- kreativ designte Robo-Monster
- abwechslungsreiche Angriffsmuster der Gegner
- motivierend versteckter Sammelkram
- unterhaltsame Rätsel, z.B. zum Freischalten der Karte
- aus der Ferne ergeben sich hübsche Panoramen
- je nach Spielstil grob 20 Stunden Umfang
- angemessene Zahl freischaltbarer Attacken und levelbarer Fähigkeiten
Kontra
- grottige holprige "Cyberspace"-Levels mit fester Kamera
- nervige Perspektiv
- und Steuermacken in den Bossfights
- Texturen und Oberflächen aus der Nähe sehr unscharf
- häufiger Grafikaufbau schon in mittlerer Entfernung
- fader Soundtrack mit wenigen charakteristischen Melodien
- kein HDR, obwohl die Kulisse wie dafür gemacht ist
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Die "Digital Deluxe Edition" mit zwei Schatzkisten stattet Spieler zu Beginn mit mehr Skill-Punkten und Freischalt-Objekten aus. Später sind DLCs wie ein Crossover mit Monster Hunter geplant, das kosmetische Kostüme und Minispiele für Buffs mit sich bringt.
- Käufe können minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.