High On Life - Test, Shooter, XboxSeriesX, PC, XboxOne

High On Life
20.12.2022, Matthias Schmid

Test: High On Life

Ein Shooter der lustigen Art

High on Life (ab 25,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen), der Alien-Ego-Shooter mit den sprechenden Waffen, ist endlich draußen. Im Vorfeld machte das Spiel vor allem dadurch von sich reden, dass es aus der Feder des Rick & Morty-Schöpfers Justin Roiland stammt. Im Test überprüfen wir daher nicht nur, wie sich die Ballerei spielt, sondern sprechen auch darüber, ob die Gags zünden.

Das durchgeknallte, kampf- und puzzlelastige VR-Spiel Trover Saves the Universe (83% im 4P-Test) sorgte für vergleichsweise wenig Aufsehen – High on Life, der neue Titel von Justin Roilands Spielestudio Squanch Games, spielt in dieser Hinsicht schon mal zwei Klassen höher. Im Juni dieses Jahres freuten sich viele Zocker über den Enthüllungstrailer, der das Xbox-Showcase gleich noch ein Stück bunter und wilder wirken ließ. Bunte Farben, schräge Aliens, das Versprechen auf Ricky & Morty-Humor und vor allem die sprechenden Knarren machten mich sofort neugierig – und natürlich musste auch ich an den 2005er Xbox-Shooter Oddworld: Strangers Vergeltung denken. Schon damals schlug man sich mit sprechender Armbrust-Munition herum, die ulkigen Tierchen waren das Aushängeschild des gelungenen Titels. High on Life erinnert mit seinem schrillen Alien-Setting und den handelnden Figuren irgendwie an den Spirit von College-Filmen oder Hauspartys der 90er Jahre. Dazu gesellt sich die Tatsache, dass es heutzutage kaum hochwertig aussehende Ego-Shooter gibt, die so deutlich von der Standardformel abweichen – allein deswegen wirkt High on Life ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Im Jahr 2004, auf PS2, Cube und Xbox, hätte ich mich nicht so staunend nach einem derartigen Spiel umgedreht…

Altmodisch & derb

Wer hat Lust auf den Film "Tammy and the T-Rex" von 1994? Im Wohnzimmer des Spiels könnt ihr euch den Streifen komplett geben.
Zu diesem Ansatz gesellt sich wirklich derber, zotiger Humor, der vor allem Fans von eben Rick & Morty oder South Park zum Glucksen bringen dürfte. Es hagelt Flüche und Beschimpfungen, viele Gags drehen sich um Drogen oder um Körperfunktionen und -flüssigkeiten – dazu haben die sprechenden Knarren so richtig Bock aufs Töten. Wer damit nicht warm wird und gar keine Lust auf einen Shooter hat, wo einem die Waffen permanent ein Ohr abkauen, der mache bitte einen großen Bogen um High on Life. Ihr solltet nämlich nicht nur dessen kreischbunten Look abkönnen, sondern auch wirklich Freude mit Dauerbeschallung, Chaos und stressigen Figuren haben. Könnt ihr das ab, dann hereinspaziert – mir hat diese Komponente des Spiels viel Freude bereitet. Ich fand es lustig, dass mein Haus in eine Alien-Welt gewarped wird und sich dort ein unflätiger Ex-Kopfgeldjäger mit Handycap auf meiner Couch breitmacht, um nonstop meine Schwester zu beleidigen. Obendrein gibt es witzige Meta-Gags, wie z. B. nervige Werbeeinblendungen im Helm meines Bounty-Hunter-Anzugs, und ein paar Features direkt aus Absurdistan: Im örtlichen Kino kann man sich den 90er-Jahre-Horrorfilm Demon Wind anschauen und auf der HD-Glotze im Wohnzimmer – das als eine Art Laber- und Missions-Hub fungiert – läuft die Horror-Komödie Tammy and the T-Rex, mit Denise Richards (Starship Troopers, James Bond 007 – Die Welt ist nicht genug) und Paul Walker (Fast & Furious). In voller Länge!

Cooles Design, Teil 1: Einige Areale in High on Life sind wild, bunt und laut!
Früh im Spiel lernt ihr den ersten sogenannten "Gatlian" kennen – das sind sprechende Knarren! Kenny labert, brabbelt, schimpft, erklärt, verhandelt, beleidigt. Ohne Ende! Selbst wenn euch der Humor taugt, könnte euch das zu viel werden – immerhin kann man im Optionsmenü die Kommentar-Häufigkeit herunterdrehen. Schießen kann Kenny zum Glück auch: Er ist eine Standard-Laserpistole mit einer zweiten Feuerfunktion, die Feinde für kurze Zeit in der Luft schweben lässt. Hoffentlich habt ihr Spaß mit Kenny, denn ihr werdet eine ganze Zeit lang nur mit ihm unterwegs sein.

Sagt Hallo zu Kenny!

Bisschen hüpfen oder nachdenken? Gelegentlich müsst ihr nicht springen, sondern zielgenau schießen, um den Weg freizumachen.
Mich hat das ziemlich gestört: Denn mal ehrlich, in welchem anderen Ego-Shooter ist man zwei, drei Stunden lang nur mit einer eher schwachen Pistole unterwegs? Genau! Aus Gründen! Gesellt sich dann die Ballerbraut Sweezy (nur echt mit Wimpern!) zum Waffenrad, wird es etwas abwechslungsreicher: Sweezy erinnert stark an den Needler aus Halo, mit der zweiten Funktion bringt man in Feinden steckende Projektile zum Explodieren – und eine Zeitblase hat sie auch noch am Start. Welche die restlichen Knarren sind, das will ich euch an dieser Stelle nicht verraten – doch seid vorgewarnt, dass ihr fast das komplette Spiele mit nur vier Totbringern bestreiten werdet. Das geht wegen der teils kreativen Zusatzfunktionen (Ansaugen, Feinde kontrollieren) noch in Ordnung – ich hätte mir aber dennoch eher so zehn Knarren gewünscht. Auch weil die Spielwelt und die Kämpfe eigentlich nach zwei, drei Wummen verlangen, die mehr Power und eine höhere Schussfreqenz bieten. Kurzum: Die Shoot-Outs fühlen sich gut an, mir mangelte es jedoch an richtig ratternden Waffen und an Vielfalt.

Ziemlich gelungen finde ich dagegen das sich stetig erweiternde Bewegungsrepertoir: Ich lerne seitliches Ausweichen, schnelles Rutschen nach vorn, eine sehr praktische Peitsche (mit der ich an vielen Ankerpunkten herumschwinge), kann irgendwann ein Jetpack nutzen oder vertikal an manchen Wänden hochgehen. Als Jump'n'Run wäre High on Life trotzdem kein Hauptgewinn – dazu sind die Plattform-Passagen nicht kreativ genug –, als Teilaspekt innerhalb eines Shooters sind das Movement und die damit verbundenen Hüpfpassagen aber ein Pluspunkt.

Schon cool: Die Waffen sind stark designt und labern euch zu. Kann aber auch anstrengend sein!
Die Struktur von High on Life geht so: Zum Palavern oder Einkaufen kehrt man immer wieder auf einen Alien-Marktplatz zurück – die regelmäßige Upgrade-Tour im Shop, mit zwei sehr unfreundlichen Verkäufern und 100 Dingen, die alle NICHT zum Verkauf stehen, ist immer ein Spaß. Im eigenen Wohnzimmer nimmt man dann an einem Terminal Kopfgeld-Aufträge an, die stets das Liquidieren eines Alien-Gangsterbosses erfordern. Flugs geht es per Warp-Portal in die jeweilige Welt, die Wege sind meist kurz. Wohl auch deshalb fühlt sich High on Life in puncto Spielwelt relativ beschränkt an: Es geht zwar auf einen Minen-Planeten, in Alien-Slums mit Giftseen oder zur Verkäufseröffnung eines Bong-Shops – ich hätte mir aber mehr begehbare Innenräume, weitere Szenarien und abgefahrenere Welten erwartet. Hier war, nach vielen trotteligen bis rüden Aliens und noch mehr Kalauern, wohl nicht mehr genügend Kreativität übrig…

Die Fights in High on Life sind selten genial, machen aber durchweg Laune. Hier seht ihr die Zeit-Bubble von Knarrendame Sweezy in Aktion.
High on Life ist kein "Kehre in alle Bereiche zigmal zurück"-Spiel, hat aber ein paar Metroidvania-Anleihen: Auch weil die reine Zahl an Szenarien recht überschaubar ist, besucht man die Schauplätze erneut, um dann z. B. per endlich erhaltenem Jetpack ein neues Untergebiet zu erkunden. Auch dieser Aspekt reiht sich – wie das reine Shootergefühl – in die Rubrik "gelungen, aber kein Knaller" ein. In spielerischer Hinsicht plätschert High on Life großteils so vor sich hin, man freut sich schon über das Experimentieren mit den Sekundär-Funktionen der Gatlians, darf aber keine Kreativ-Ungetüme à la Insomniacs Waffenkunde oder der Gravity Gun von Half-Life 2 erwarten. Vielmehr werden bekannte Konzepte – wie der Halo-Needler oder das Biorifle aus Unreal – nett variiert und kombiniert. Auch die Upgrades im Alien-Krämerladen fallen zu brav aus, hier hätte ich mir wildere Gadgets als Gesundsheitsupgrades oder einen größeren Munitionsbeutel erhofft. Kleine Höhepunkte sind die Bosskämpfe: Vor allem weil sich die Macher Mühe beim Designen der Arenen gaben und man mehrfach Ballern mit Plattform-Einlagen fix und gekonnt kombinieren muss.

Shootervania?

Cooles Design, Teil 2: Die Aliens im Spiel sind mal hässlich, mal schrullig, mal fies, mal total durch den Wind. Und ihr könnt sie in manchen Dialogen und Szenen von ganz nahem bewundern.
High on Life beschäftigt euch, je nach Erkundungsdrang und Schwierigkeitsgrad, 8 bis 15 Stunden lang, das Spiel läuft auf der Xbox Series X seit einem Post-Launch-Patch mit fast immer stabilen 60 Bildern pro Sekunde. Glitches und Bugs können mal vorkommen, sind aber dann immer gewollt und werden in Kombination mit einem Jokus serviert. Musikalisch könnt ihr euch auf funky Alien-Tunes einstellen, die manchmal absichtlich überhaupt nicht zur wilden Balleraction passen. Suboptimal finde ich auf der Xbox das Ducken per "Steuerkreuz nach unten" – im Optionsmenü des Spiels lässt sich dieser Ausrutscher leider nicht korrigieren.

Fazit

Hatte ich Spaß mit High on Life? Ja, schon. Doch das gute Gefühl der ersten Stunde – mit ihren vielen heftigen Gags und der aufgebauten Spannung, was da wohl noch alles an Waffen und Welten auf mich zukommt – konnte das Spiel leider nicht aufrechterhalten. Zu lange war ich mit einer schnöden Pistole unterwegs, zu wenig brachial finde ich auch die späteren Knarren im Spiel. Die Ballereien habe ich trotzdem gerne bestritten, in die Shootergeschichte eingehen werden sie aber nicht – auch weil die Gegnervielfalt überschaubar ist und nervige Varianten mit Wuselfaktor oder Eingrabe-Taktik dabei sind. Die größten Pluspunkte sind für mich der derbe Humor – schaltet ruhig deutsche Untertitel zu, wenn euch die temporeiche englische Sprachausgabe überfordert – und der Mut, im Jahr 2022 einen Shooter zu veröffentlichen, der in puncto Grafik, Setting und Ballermänner (plus -frauen) so richtig aus der Reihe tanzt. High on Life ist nicht besonders gut, langweilig ist es aber ganz sicher auch nicht.

Pro

  • unverbrauchtes Setting
  • sackweise Gags unter der Gürtellinie
  • ulkige Waffen mit Gesicht
  • ein paar coole Sekundär-Funktionen
  • Erkunden der Hubwelt macht Laune
  • flüssige Bildrate, saubere Optik
  • Herumschwingen fühlt sich super an
  • interessante Bosskämpfe

Kontra

  • Ballergefühl ist nur ordentlich
  • zu wenig verschiedene Waffen
  • überschaubare Gegnervielfalt
  • Welten dürften ruhig abgefahrener sein
  • Gelaber & Humor bisweilen schon anstrengend

Wertung

XboxSeriesX

Bunter, wilder Alien-Ego-Shooter mit sprechenden Knarren – der grobe Humor trifft ins Schwarze, der spielerische Kern ist nur so mittelgut.

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Kommentare
Pentanicks

Sehr schön, werde ich bestimmt anspielen.
Genau so hat ein gutes neues Jahr auszusehen!

vor einem Jahr