Sable - Test, Action-Adventure, XboxSeriesX, XboxOne, PlayStation5, PC

Sable
27.12.2022, Matthias Schmid

Test: Sable

Die Wüste lebt

Sable (ab 22,49€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) ist ein sandiger Action-Adventure-Traum ohne Kämpfe, für mutige Forscherinnen und neugierige Hobby-Archäologen. Das Open-World-Erkundungsabenteuer, mit Anleihen von The Legend of Zelda und Outer Wilds, gibt es – nach dem 2021er Release für PC und Xbox – seit kurzem für die PlayStation 5. Im Test verraten wir euch, warum ihr diesem ungewöhnlichen Titel eine Chance geben solltet.

Eine maskierte Person, die klettert wie Link in Breath of the Wild, eine geheimnisvolle Wüstenwelt in Pastellfarben und das Herumdüsen mit einem an Star Wars erinnernden Gleiter. Dieses vielversprechende Bild zeichnete der Enthüllungstrailer der E3 2018 von Sable, dann zogen – verkürzt gesagt – ein paar Jährchen samt Verschiebungen ins Land und im letzten Jahr erschien das Abenteuer dann, dezent verbuggt und ruckelig, für PC und Xbox. Das überwiegend positive Medienecho war rasch verhallt, hier auf 4Players ging uns der Test im September 2021 gar durch die Lappen. Das möchte ich nun unbedingt nachholen: Ich hatte Sable zunächst auf dem PC gezockt und dann – gerade nachgeschaut! – 2.891 Minuten damit auf der Xbox Series X verbracht. Das sind übrigens knapp 50 Stunden, obendrein gab es volle 1.000 Gamescore-Punkte – zum Schluss verhinderte nur ein fieser Kletterbug bei Erklimmen der "Seven Sisters"-Gipfel, dass ich dieses wundervolle Spiel bis zum letzten Nebenquest auspressen konnte. Ende November ist nun die Fassung für PlayStation 5 erschienen – der perfekte Grund für mich, erneut ins Land Midden zu reisen…

Nachholbedarf

Farbige Flächen dominieren das Bild, auch hier im Inneren eines Zelts. Die Gefühle der sprechenden Personen werden, zwischen den eigentlichen Dialogzeilen, ebenfalls in Textform wiedergegeben.
Die erste Ernüchterung folgt auf den Fuß: Denn auch auf der Sony-Konsole geht die Framerate schon im ersten kleinen Tempel deftig in die Knie – sogar noch mehr als ich es auf der Xbox Series X erlebt hatte. Das ist komplett unverständlich und zeigt leider, dass das kleine Team um Creative Director Gregorios Kythreotis und Technik-Chef Daniel Fineberg mit den kraftvollen Konsolen leider nicht so umgehen kann wie es andere Indie-Studios hinbekommen. In den Außenarealen ist der Bildraten-Schluckauf deutlich weniger heftig, die Kameraschwenks sind flüssig und in spielerischer Hinsicht ist dieses technische Manko zu keinem Zeitpunkt problematisch. Mich hat es nicht daran gehindert, Sable in vollen Zügen zu genießen – ich denke nur, ihr solltet es wissen! Bugs und Glitches sind mir auf der PS5 erfreulicherweise nicht begegnet, davon gab es – vor allem auf PC – in den Tagen nach dem Release 2021 reichlich, doch schon ein paar Wochen später ließ sich das Spiel, etlichen Ungereimtheiten bei der Kamera zum Trotz, anständig durchspielen.

Wer möchte beim Anblick dieses Screenshots nicht sofort loscruisen?
Worum es in Sable geht, wollt ihr wissen? Das erzähle ich gern: Im Zentrum der Handlung steht die Heranwachsende Sable – sie lebt in einer kleinen, von Sandwüste umgebenen Siedlung und soll bald den Ritus des "Gleitens" beginnen. Dies markiert in jener Kultur den Übergang von der Jugend zum Erwachsenenalter – ein junger Mensch geht, einen SciFi-Motorgleiter unter dem Hintern, auf eine spirituelle Selbstfindungsreise, erkundet die verschiedenen Regionen, verdient sich seine erste Meriten und findet am Ende der Reise im Idealfall seinen Platz in der Welt. Ich lenke Sable in Third-Person-Sicht durch die Welt, lerne mit ihr zunächst das Klettern – geht auf Kosten eurer Ausdauerleiste wie in Breath of the Wild – und das sanfte Herabgleiten, um größere Distanzen zwischen Häusern oder in Felsschluchten zu überbrücken. Hüpfen, kraxeln, emporsteigen, schweben werde ich in den kommenden Stunden reichlich – es gibt keinerlei Kämpfe im Spiel, alle Haupt- und Nebenquests laufen auf Dialoge, Bringdienste, Sammelaufgaben, das Suchen und Finden oder eben akrobatische Klettereinlagen hinaus. Ich habe diese fehlende Actionkomponente zu keinem Zeitpunkt vermisst, aber auch hier gilt – wie vorhin bei den Ruckeleinlagen –, ihr solltet es zumindest wissen.

Zelda ohne Kämpfe?

Sable kann mithilfe einer Lichtkugel langsam zu Boden gleiten - perfekt um längere Distanzen in der Luft zu überbrücken. Im Hintergrund sehen wir Sables Heimatdort.
Nach knapp zwei Stunden voller Mini-Ausflüge, einem Besuch im Käfernest und wirklich schön geschriebenen Dialogen (leider ohne Sprachausgabe, dafür jetzt auch mit deutschen Texten) besteigt Sable ihren persönlichen Gleiter: Es hat etwas Magisches, wenn man damit über die sanften Dünen der Spielwelt cruist und nur den Horizont (oder eine senkrecht aufragende Bergkette) als Grenze hat. Ähnlich wie in Breath of the Wild sind eurem Entdeckerdrang kaum Grenzen gesetzt – könnt ihr einen Ort sehen, dann könnt ihr auch fast immer dorthin gelangen. Euren Gleiter dürft ihr in den folgenden Stunden mit neuen Bauteilen aufbrezeln sowie auf Knopfdruck rufen, woraufhin er mit sanft schnurrendem Motor heransaust. Das ruft einem schon ziemlich Agro-Vibes ins Gedächtnis (Agro ist das treue Ross in Shadow of the Colossus) und auch ansonsten erinnert das Spielgefühl vielfach an das PlayStation-Kultspiel. Denn man fühlt sich einsam in Sable, und trotzdem wohl. Die Weite und Leere der Welt tragen ebenso zu einem unvergleichlichen Erlebnis bei wie die an Karawansereien und Beduinenlager erinnernden Siedlungen mit ihren schrulligen Händlern und Bewohnern.

Um am Ende des Spiels entscheiden zu können, welchen Weg Sable im Leben einschlagen will, muss sich die junge Frau Abzeichen verdienen. Je nach erledigtem Quest belohnen euch Händler, Kartograph, Soldatin und oder die Schraubergilde mit einer Plakette – habt ihr drei von einer Art beisammen, könnt ihr im Zelt des mysteriösen Maskenmachers vorbeischauen. In solchen Momenten kommt das fantastische, mystisch angehauchte Setting von Sable besonders gut rüber: Mit vergleichsweise wenigen Worten und einem überschaubaren Set an Schauplätzen und handelnden Personen entwerfen die Spielmacher eine glaubhafte, greifbare, aber immer geheimnisvoll bleibende Welt mit eigenen Riten, Regeln und Traditionen. Das führt dazu, dass man sich als Spieler nur allzu gern darin verlieren möchte.

Wundersame Wüstenwelt

Foto-Modus: Wer ein wenig Zeit mitbringt, der macht traumhafte Ingame-Fotos.
Die Einsamkeit der Wüste paaren die Macher mit gestrandeten Technik-Relikten – auf einem Raumschiffsfriedhof klettert man in die stählernen Bäuche abgestürzter Weltallkreuzer, um Funksprüche aus einer fernen Vergangenheit anzuhören. Andernorts erkundet Sable verwunschene Ruinen über und unter der Erde. Zu meinen persönlichen Highlights gehört der Besuch in einem Tagebau für riesige Kristalle: Unter den zuckenden Blitzen eines Gewitters krallen sich dort riesenhafte Roboter an die Felswände – von den Arbeitern erfahre ich nur, dass die Minen-Mechs ihren Dienst aus unerfindlichen Gründen eingestellt haben. Nicht nur in solchen Momenten wird deutlich: Sable bewahrt sich stets ein gehöriges Maß an Zauber und Geheimnissen, auch wenn man viele Stunden lang zwischen orientalisch anmutender Wüstenstadt und schaurigem Kaktuswald hin- und hergepilgert ist. Auch die Bekanntschaft mit einer Art freundlichem Riesen-Axolotl, der einen bittet, seine in der Spielwelt verstreuten Eier zu finden, möchte ich nicht missen, diese Aufgabe ist – wie vieles in Sable – kein spielmechanischer Meistergriff, unterm Strich fühlt sich aber alles richtig und ein bisschen wichtig an.

Raumschiff-Wracks und riesige (Wal?) Skelette sind in der Landschaft verteilt – da kann man schon mal einen Außenposten reinbauen...
Dank seiner, wie oben erwähnt, schön formulierten Dialoge fühlt sich Sable – noch mehr im englischen Original, durchaus aber auch in der deutschen Übersetzung – modern, warmherzig und inklusiv an. Die allermeisten Figuren schlagen freundliche Töne an, man fühlt ernst genommen und willkommen, ohne dass es jemals platt oder kitschig wirkt. Selbst eine mysteriöse, anfangs wortkarge Kriegerin, die man mehrfach im Spiel trifft, oder die tendenziell nervigen Kinder, die Sable mit Versteckspielen foppen, schließt man auf die ein oder andere Weise schnell in sein Herz. Überhaupt ist Sable eine Art Wohlfühl-Spiel: Weil man, abseits von falschen Sprüngen, nicht bestraft wird, nicht scheitern und sterben kann, sondern nach jedem Quest und nach jedem Ausflug wieder ein bisschen schlauer ist. Sables Ausdauerleiste wächst mit dem Spielfortschritt an, so dass rasch längere und vor allem höhere Klettertouren möglich sind, hier erkennen Link-Fans eine weitere Parallele zum famosen Breath of the Wild.

Warme Worte

Geheimnisvoll: Was lange Zeit vor eurem Leben in der Welt von Sable passiert, bleibt ein Mysterium – ihr könnt nur ein paar Puzzleteile davon finden.
Eine nicht übermäßig genau, aber doch ordentliche virtuelle Karte hilft bei der Übersicht, zudem kann man in der Landschaft ferne Punkte markieren, die dann im Kompass angezeigt werden und leichter erreicht werden. Sable ist übrigens, trotz Open-World-Ansatz, viel viel kleiner als ein Horizon: Forbidden West oder Assassin's Creed Odyssey, auch das verkorkste Biomutant oder Ghost of Tushima bieten mehr Landfläche zum Erkunden. Wer mit überbordend üppigen, offenen Welten so seine Probleme hat, dem muss also nicht bang sein – man kann Sable auch in 15 oder 20 Stunden wunderbar abschließen. Zum Beispiel, wenn man vor allem wegen der hübschen Optik reinschnuppern möchte. Für mich war nämlich schon nach dem ersten Trailer klar, dass ich diesen Titel unbedingt spielen – weil er so pittoresk und traumgleich aussieht, weil mich das Artdesign an Comic- und Manga-Klassiker von Moebius bis Nauscaä erinnert. Mein Versäumnis, mir das offizielle Artbook zum Spiel zu holen, kann mit dem Foto-Modus ein bisschen wiedergutmachen – der wurde in den Steam- und Xbox-Versionen im Juni gratis nachgereicht und ist auf PS5 von Beginn an verfügbar. Wenig überraschend gelingen mir damit im Nu Schnappschüsse, die ich mir gerne in Postergröße über die Wohnzimmercouch hängen würde…

Fazit

Mich beschleicht das Gefühl, die Entwickler haben Sable nur für mich gemacht: Ich bin beim Anblick des wüsten Landes jedes Mal aufs Neue schockverliebt, ich schätze den sehr freien Open-World-Ansatz, lausche gern dem sanften Soundtrack und bin fasziniert von der Mystik dieses Spielwelt. Wie in Breath of the Wild ist es ein Hochgenuss sich das virtuelle Abenteuerland Stück für Stück durch Wandern, Klettern und Gleiten zu erschließen – da verzeihe manche spielmechanisch drögen Quests, die nicht optimale Karte oder das nur oberflächliche Gleiter-Customizing. Technisch merkt man dem Action-Adventure die zusätzliche Zeit seit dem Xbox- und PC-Release nur bedingt an – das Gros der Bugs wurde beseitigt, dafür ruckelt es noch immer spürbar. Sable war mein Lieblingsspiel im Jahr 2021 – und ich gratuliere allen PlayStation-Besitzern, dass sie dieses Indie-Juwel nun endlich nachholen können. Wer virtuell den Archäolgen mimt, wer es liebt, zu entdecken und erforschen, der könnte mit Sable ins Schwarze treffen – bei mir hat’s geklappt, versucht es ruhig auch.

Pro

  • einfallsreiches Weltendesign
  • geheimnisvolle Kultur
  • warmherzige Dialoge
  • Klettern und Gleiten fühlt sich gut an
  • witzige, interessante Haupt- und Nebenfiguren
  • frei, offene Welt, die an keiner Stelle zu groß ist
  • Herumfahren mit einem schicken Gleiter
  • entspannter Soundtrack
  • motivierende Sammelaufgabe
  • betörende Grafik
  • jetzt mit Foto-Modus

Kontra

  • deutlich sichtbares Ruckeln, v.a. in Innenräumen
  • ein paar spielmechanische lahme Quests
  • virtuelle Karte nicht immens komfortable
  • nicht für Actionfans geeignet
  • keine Sprachausgabe

Wertung

XboxSeriesX

Märchenhaftes Abenteuerspiel in einer betörenden offenen Spielwelt zwischen Studio Ghibli, Star Wars und Zelda – trotz technischer Stotterer ein echter Action-Adventure-Geheimtipp.

PlayStation5

Märchenhaftes Abenteuerspiel in einer betörenden offenen Spielwelt zwischen Studio Ghibli, Star Wars und Zelda – trotz technischer Stotterer ein echter Action-Adventure-Geheimtipp.

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