Forspoken - Test, Action-Adventure, PlayStation5, PC

Forspoken
23.01.2023, Boris Connemann

Test: Forspoken

Dauerlauf mit Hindernissen

Wenn Heldin Frey mit einem Affentempo durch die Pampa düst, um ein riesiges Reich vor dem Untergang zu retten, stehen für den Spieler zahlreiche Kämpfe gegen Monster, Sammelaufgaben und Abarbeiten der Wegpunkte auf der Übersichtskarte auf dem Programm. Wie viel Spaß macht das neue Open-World-Actionspiel mit kleinen Rollenspielelementen der Macher von Final Fantasy 15?

Nur noch ein kleiner Schritt und das Leben der 21-jährigen Alfre Holland würde ein Ende finden. Die einzigen Konstanten in ihrem bisherigen Leben sind regelmäßige Besuche bei der Jugendrichterin, Raufereien mit den Gangs im New-Yorker-Problemstadtteil Hell’s Kitchen und eine kleine, schimmlige Behausung. Hier leistet zwar wenigstens Katze Homer etwas Beistand, das ändert jedoch nichts daran, dass Frey, so der Spitzname des Waisenkinds, keinen Ausweg mehr sieht. Doch gerade, bevor sie zum Sprung vom Hausdach ansetzt, wird sie von einer magischen Energiewelle durchdrungen, die ihren Ursprung in einem scheinbar achtlos abgelegten Armreifen findet. Als sich Frey den Schmuck überstreift, wird sie sofort an die Handschellen erinnert, die sie schon oft vor Gericht tragen musste. So gibt sie dem Armreifen den Namen Cuff und wird nur Sekundenbruchteile später in ein lilafarben schimmerndes Dimensionstor gesogen.

Güldener Lebensretter

In Cipal warten lange Gespräche und langweilige Aufgaben.
Auf der anderen Seite angekommen, blickt sich Frey verwundert um, kann aber nicht verhindern, dass sich das Tor wieder schließt und findet sich dann in einer wundersamen Welt wieder: Willkommen im Königreich von Athia! Oder besser: Was davon übrig ist. Denn ihre ersten Schritte führen sie durch verfallene Gebäude, überwucherte Burg-Ruinen und geben erst spät den Blick auf eine weiße Stadt am Horizont frei. Freys erstes Ziel ist dann auch diese Stadt und nach einem unsanften und unfreundlichen Empfang, erfährt sie, dass sie sich im Reich Athia aufhält und die Menschen in der Festung der Stadt Cipal Schutz vor einer unbekannten Bedrohung suchen, die bereits zahlreiche Opfer gefordert hat. Nicht nur viele Bewohner des Reiches sind dem Wahnsinn verfallen, auch die Tierwelt ist in den letzten Jahren komplett durchgedreht. Hirsche, Steinböcke, Krokodile und weitere Wesen, haben sich in Monster verwandelt, die nur noch entfernt an das Ausgangsmaterial erinnert und nun genauso gefährlich, wie angriffslustig und tödlich sind.

In Cipal warten nach ihrer Ankunft einige Aufgaben auf Frey, die der Spieler erst einmal abspulen muss, um dann endlich in die Weiten von Athia entlassen zu werden:  Neben Gesprächen mit den Bewohnern und dem über ihre Ankunft aufgebrachten Klerus, gilt es Ziegen zu füttern, Katzen zu jagen oder sich in der Bibliothek Bücher über die Geschichte des Reiches durchzulesen – das ist nicht optional und schmerzt noch mehr, wenn vor praktisch jeder Handlung eine ca. dreisekündige Schwarzblende eingeschoben wird, die den Spielablauf empfindlich bremst. Es wird aber noch besser, denn der Armreif von Frey ist ein echtes Plappermaul und gibt in feinstem British English (bei englischer Sprachausgabe) seinen Senf zu praktisch jeder Aktion der Protagonistin. Das große Problem, das sich durch den gesamten Spielverlauf von Forspoken (ab 13,99€ bei kaufen) zieht, ist die Tatsache, dass Frey in rund 50 Prozent der Fälle am Boden festgenagelt ist. Als Faustregel gilt hier: Wenn Cuff story-relevante Dinge vom Stapel lässt, dann darf der Spieler in diesen 60 bis 180 Sekunden keinen einzigen Schritt tun. Was zur Hölle!?

Die Stadt des Gameplay-Grauens

Erschwerend kommt hinzu, dass die Gesichter von Personen, die beim Gespräch nicht in eine vergrößerte Dialog-Ansicht gezogen werden, nur mit sehr wenigen Details aufwarten können. Befindet sich ein Gesprächspartner mehr als vier Meter weit weg, ist das Gesicht kaum noch zu erkennen. Und selbst in den Zwischensequenzen wird eine glaubwürdige Lippensynchronität in den meisten Fällen schmerzlich vermisst. Befinden sich dann noch mehrere Personen gleichzeitig in einer Szene, schreit auch das nach dem Performance-Doc. Denn dann sehen einige Gesichter fast so detailarm und texturlos aus, als hätte der Spieler Vaseline auf seinen Bildschirm geschmiert. Diese technischen Unzulänglichkeiten und seltsamen Design-Entscheidungen erzeugen also bereits einen schalen Geschmack im Mund, noch bevor der Spieler endlich das ausprobieren darf, worauf er sich schon seit den ersten Trailern zu Forspoken freut: Die Erkundung der halboffenen Spielwelt per Turbo-Magie!

In Cipal konnte Frey erfahren, dass vier mächtige Zauberinnen das Land in ihren eisernen Griff halten und dafür sorgen, dass die lebensbedrohliche Seuche immer weiter voranschreiten kann. So ist das erste Ziel von Frey die Burg der Feuermagierin Tanta Silas. Das ist zwar ziemlich weit weg, aber Frey hat dank ihres Armschmucks nicht nur ein paar krachende Erd-Zauber am Start, sie kann sich auch mit sehr hoher Geschwindigkeit durch die Spielumgebung bewegen und per Parcours-Manöver ganz lässig über Stock und Stein turnen. Das erste von vier optisch unterschiedlichen Spielgebieten ist nur scheinbar eine riesige offene Welt. Vielmehr ist es ein großes Areal, dass aber von hohen Steinwänden eingerahmt wird, die verhindern sollen, dass sich der Spieler an Orten wiederfindet, an denen er zu Beginn des Spiels noch nichts verloren hat. Das frustet ob der augenscheinlich gebotenen Freiheit ein bisschen – besonders das Aufprallen aus großer Höhe ist aufgrund einer bis zum Ende des Spiels fehlenden Fähigkeit – ein unangenehmer Bruch während der High-Speed-Raserei.

Sonic lässt grüßen 

Um in der Open-World zu bestehen, müssen die Nägel hübsch und der Mantel glatt sein.
Neben dem eigentlichen Ziel offenbart die Karte der Spielumgebung noch sehr viele Nebenaufgaben, die zur Verbesserung von Freys Fähigkeiten oder zum Erlangen neuer Ausrüstung dienen. Denn neben dem magischen Armreif kann sich Frey mit unterschiedlichen Umhängen, Amuletten und einer Nagellackierung wappnen. Die sorgen dann etwa für mehr Gesundheit, einen Tick mehr Bumms beim Zaubern oder erhöhter Resistenz gegen verschiedenste negative Effekte, wie Gift, Benommenheit oder weitere. An einem kleinen Icon auf der Map ist zu erkennen, was das flinke Mädel an welche Stelle der Karte einsacken kann, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt werden. Das bedeutet fast immer einen Kampf gegen verschiedene Monster. Per R1-Taste ruft der Spieler dafür ein Kreismenü auf und wählt den Zauber aus, der dann per R2-Taste auf die Gegner geschleudert wird. Das Pendant auf der linken Seite des Gamepads ist für Hilfs-Zauber wie magische, den Gegner kurz lähmende Ranken, Schutzschilde oder magische Helfer für den Kampf reserviert.

Alle Zauber verfügen über einen Cooldown. Der ist bei den Angriffs- und Verteidungs-Maßnahmen sehr kurz,

Die Effekte beim Zaubern können eine Zeitlang begeistern.
recht lange hingegen braucht die Superattacke, die per gleichzeitigem Druck auf L2 und R2 ausgelöst wird. Dann werden besonders große Gegneransammlungen effektvoll von Wurzelwerk in die Höhe geschleudert, von gewaltigen Lava-Explosionen eingeäschert oder von einem wütenden Tsunami fortgespült. Leider wird die kostbare Superattacke aber in der Hektik des Geschehens gerne mal aus Versehen ausgelöst – der Einsatz einiger Heiltränke und ein langes Warte-Fenster sind dann die Folge. Im Laufe des Abenteuers bekommt Frey nach und nach zusätzlich zu den Erd-Zaubern die Macht über Feuer, Wasser und Blitze. Jedes Element verfügt dabei über einen Talent-Baum, der vom Spieler nach und nach ausgebaut werden kann und muss. Für einen wirksameren Einsatz der verschiedenen Magie-Maßnahmen gilt im gesamten Spiel das Schere-Stein-Papier-Prinzip: Wenn nicht auf den ersten Blick, dann geben die Monster per Scan preis, auf welches Element sie besonders empfindlich reagieren. Zu Beginn hat der Spieler noch keine sehr große Auswahl, muss also auch Gegner mit unpassenden Zaubern legen – was etwas länger dauert und für weniger Punkte in der eingeblendeten Abrechnung nach dem Kampf sorgt.

Das Zusammentreffen mit den Boss-Zauberinnen ist treffend in Szene gesetzt.
Natürlich ist es ratsam, auf dem Weg zum Zielpunkt möglichst viele Nebenaufgaben zu absolvieren. Auch der Besuch der kleinen Rasthäuser dient nicht nur zur Freischaltung eines neuen Schnellreisepunktes. Mit den richtigen Materialien kann Frey hier neue Heiltränke brauen oder ihre Ausrüstung verbessern. Auch ein kurzes Schläfchen im bereitgestellten Bett ist drin. Leider versagt dann die sonst sehr beeindruckende Physik von Freys Umhang komplett, denn dieser clippt beim Nickerchen vollständig und unschön durch die Schlafgelegenheit. Zudem haben alle kleinen Rasthäuser das exakt gleiche Layout, das gilt leider auch für fast alle anderen Nebenschauplätze, die der Spieler auf der Reise zum Hauptziel besuchen kann und soll. Dieser Umstand nimmt der Spielwelt mehr, als man annehmen möchte. Das Gefühl von Einzigartigkeit oder einer Umgebung, die anhand bestimmter Gebäude selber eine eigene Geschichte zu erzählen in der Lage ist, geht ganz und gar flöten. Besonders in der Post-Elden-Ring-Ära ist auch das Abarbeiten von Markierungen auf der Karte, die völlig wahllos in der Gegend platziert wurden, ein heftiger Dämpfer, wenn es um die Faszination geht, die von einer offenen Spielwelt eigentlich ausgehen sollte.

Haste makes waste

Ist den Entwicklern die Zeit oder das Geld ausgegangen, oder gar beides? Die hastig zusammengekloppten und immer gleichen Nebenschauplätze (natürlich samt sekundenlanger Schwarzblenden bei bestimmten Aktionen) verursachen schon nach den ersten Spielstunden ein Gefühl des langweiligen Abarbeitens. Echte Überraschungen erlebt der Spieler hier leider zu keiner Zeit.

Immerhin kann die technische Umsetzung der Fortbewegung und der Umgebung oft begeistern. Hier lassen Luminous-Engine und PS5 im Tandem ordentlich die Muskeln spielen: Beim Test des Performance-Modus mit VRR und einer offenen Framerate bis zu 120 Hz, saust Frey ohne erkennbare Ruckler oder aufploppende Felsen und Gebäude durch die Gegend und vermittelt das Gefühl von Geschwindigkeit und unendlicher Macht. Tiefenzeichung, Qualität der Texturen und feine Partikeleffekte im Kampf sind mit Abstand der faszinierendste Teil von Freys Abenteuer. Dazu gehören natürlich auch die nicht vorhandenen Ladezeiten beim Aufrufen eines Spielstands oder der Schnellreise. Warum der Spieler dann aber während des doch eigentlich recht zackigen Spielverlaufs zum sekundenlangen Verweilen in Schwarzblenden oder Gesprächen gezwungen wird, wissen wohl nur die Entwickler selbst.

Technik, die (manchmal) begeistert

Das gilt auch für die unrühmliche Wortwahl der Hauptfigur. Es gab wohl noch niemals vorher ein Videospiel, in

Die Boss-Gegner in den lahmen Labyrinthen verfügen nur über eine einfarbige, einfallslos Textur.
dem jeder dritte Satz eine F-Bombe enthält. Das wird besonders für Streamer lustig, denn YouTube kennt bei der Monetarisierung von Beiträgen mit dem F-Wort bekanntlich kaum Gnade. Aber auch der geneigte Spieler wundert sich, denn der Einsatz von Fäkalsprache macht das Spiel a) zu keiner Zeit besser und b) hätte es auch ohne ganz hervorragend funktioniert. Das F-Wort entfährt jedoch auch das ein oder andere mal dem Spieler, wenn er sich in den angeblich mystischen Labyrinthen, die ihren Namen nicht verdient haben, durch erst einen Raum mit kleinen Gegnern, dann einen mit etwas größeren und dann einem Boss-Raum quälen muss, um am Ende immer im exakt gleichen Raum einen neuen Umhang einzusammeln. In diesen Lieblos-Dungeons gibt es zwar die mit Abstand eindrucksvollsten und endlich mal bildschirmfüllenden Bosse, die sind jedoch praktisch texturlos und verfügen – wie ihre kleinen Vertreter – über hüftsteife und unglaubwürdige Animationen. Auch hier wäre deutlich mehr Aufwand wünschenswert gewesen.

Fazit

Kann ein Spiel von stellenweise fantastischer Technik leben, die durch viele, dümmliche Design-Entscheidungen, schlaffen Gegner-Animationen und einem recht monotonen Spielablauf ab absurdum geführt wird? Aufgrund einer netten Story samt keckem Twist, den wirklich beeindruckenden Roben der vier Boss-Zauberinnen – für die Vivienne Westwood und Thierry Mugler sicherlich auf ihrer Wolke applaudieren  ist das eine knappe Kiste. Denn Open-World haben alle Spieler inzwischen besser – allerdings kaum in schnellerem Tempo – gesehen. Dazu kommen noch kleinere Nervereien wie das Anvisieren, das bei geflügelten Gegnern für Kopfschmerzen sorgt, wenige verschiedene Gegner-Varianten samt hüftsteifer und immer gleicher Animationen und monoton verlaufender Kämpfe, die immerhin oft wuchtig wirken und eine Menge Augenzucker bieten. Die F-Bomben bei der Wahl der englischen Sprachausgabe sind ein weiteres Fragezeichen, genauso wie die wirklich qualvollen Abschnitte in der einzigen Stadt des Spiels. Am Ende wird Forspoken die Spieler, die es nach rund 25 Stunden mehr oder weniger ernüchtert ins Regal stellen, nicht sehr lange im Gedächtnis bleiben. Das ist aufgrund des stellenweise erkennbar hohen Entwicklungsaufwands nicht nur schade, sondern auch eine verpasste Chance. Denn eine neue und hochgehandelte Marke für Hersteller Square Enix wird Forspoken in dieser Form sicherlich nicht. Als mittelmäßiges Actionspiel, das kaum einen Spieler vom Hocker reißen wird, geht es aber gerade noch durch.

Pro

  • flüssige und stellenweise beeindruckende Optik
  • netter Story-Twist
  • gute Kleidungs-Physik
  • hübsche Partikel-Effekte

Kontra

  • uninspirierte Spielwelt ohne Überraschungen
  • schlaffe Monster-Animationen
  • unnötige Schwarzblenden
  • F-Bomben ohne Unterlass
  • repetitive Aufgaben
  • ständige Bevormundung des Spielers
  • nerviger Soundtrack

Wertung

PlayStation5

Die stellenweise beeindruckende Technik, stolpert über fragwürdige Design-Entscheidungen, eine uninspirierte Spielwelt und ein nur optisch spannendes Kampfsystem

Echtgeldtransaktionen

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Kommentare
batsi84

Okay, ich habe "In Tantra We Trust" gelesen. Den Slogan bekomme ich jetzt nicht mehr aus dem Kopf

vor einem Jahr
LeKwas

Forspoken kriegt ein Prequel-DLC, 'In Tanta We Trust' ist der Name, Release ist 23. bzw. 26. Mai.

https://www.play3.de/2023/03/29/forspok ... teht-fest/

vor einem Jahr
LeKwas

Das Studio hinter dem Spiel, Luminous Productions, wird anscheinend dichtgemacht und die Leute andernorts bei Square Enix eingegliedert, der Vorgang soll zum 1. Mai abgeschlossen sein.
https://www.hd.square-enix.com/eng/news ... nt_EN.html

Zuletzt bearbeitet vor einem Jahr

vor einem Jahr
Scorcher

7/10?? So gut??

Nach dem ich jetzt bei anderen Tests quergelesen habe, habe ich den Eindruck die alte 4Players hätte dem Spiel irgendwas um die 50% gegeben
jörg hätte 53 gegeben - und das zu recht fürchte ich. mit grafikblendern konnte der nie!
Jörg war nur gut für die historischen oder mythologischen Hintergründe....er hat das Spiel nie wirklich als bewertet .. da ging einiges in die Hose damals....da waren alle anderen tester mehr wert in ihrer Meinung....dem musste man schon ähnlich sein um seine Tests zu verstehen ...

vor einem Jahr
Todesglubsch

Gab es anfänglich.
Also da war ich wohl auf den falschen Seiten unterwegs. Wie gesagt, ich hab eher ne vorsichtige Skepsis wahrgenommen, weil neue IP und von Square Enix. Vielleicht sind die Skeptiker auch irgendwann einfach weitergezogen und mit der Demo wieder zurückgekommen.

Das Gehibbel um Dead Space oder Calisto Protocol hab ich da schon eher wahrgenommen.

vor einem Jahr