Forspoken - Test, Action-Adventure, PlayStation5, PC
Nur noch ein kleiner Schritt und das Leben der 21-jährigen Alfre Holland würde ein Ende finden. Die einzigen Konstanten in ihrem bisherigen Leben sind regelmäßige Besuche bei der Jugendrichterin, Raufereien mit den Gangs im New-Yorker-Problemstadtteil Hell’s Kitchen und eine kleine, schimmlige Behausung. Hier leistet zwar wenigstens Katze Homer etwas Beistand, das ändert jedoch nichts daran, dass Frey, so der Spitzname des Waisenkinds, keinen Ausweg mehr sieht. Doch gerade, bevor sie zum Sprung vom Hausdach ansetzt, wird sie von einer magischen Energiewelle durchdrungen, die ihren Ursprung in einem scheinbar achtlos abgelegten Armreifen findet. Als sich Frey den Schmuck überstreift, wird sie sofort an die Handschellen erinnert, die sie schon oft vor Gericht tragen musste. So gibt sie dem Armreifen den Namen Cuff und wird nur Sekundenbruchteile später in ein lilafarben schimmerndes Dimensionstor gesogen.
Güldener Lebensretter
In Cipal warten nach ihrer Ankunft einige Aufgaben auf Frey, die der Spieler erst einmal abspulen muss, um dann endlich in die Weiten von Athia entlassen zu werden: Neben Gesprächen mit den Bewohnern und dem über ihre Ankunft aufgebrachten Klerus, gilt es Ziegen zu füttern, Katzen zu jagen oder sich in der Bibliothek Bücher über die Geschichte des Reiches durchzulesen – das ist nicht optional und schmerzt noch mehr, wenn vor praktisch jeder Handlung eine ca. dreisekündige Schwarzblende eingeschoben wird, die den Spielablauf empfindlich bremst. Es wird aber noch besser, denn der Armreif von Frey ist ein echtes Plappermaul und gibt in feinstem British English (bei englischer Sprachausgabe) seinen Senf zu praktisch jeder Aktion der Protagonistin. Das große Problem, das sich durch den gesamten Spielverlauf von Forspoken (ab 13,99€ bei
Die Stadt des Gameplay-Grauens
Erschwerend kommt hinzu, dass die Gesichter von Personen, die beim Gespräch nicht in eine vergrößerte Dialog-Ansicht gezogen werden, nur mit sehr wenigen Details aufwarten können. Befindet sich ein Gesprächspartner mehr als vier Meter weit weg, ist das Gesicht kaum noch zu erkennen. Und selbst in den Zwischensequenzen wird eine glaubwürdige Lippensynchronität in den meisten Fällen schmerzlich vermisst. Befinden sich dann noch mehrere Personen gleichzeitig in einer Szene, schreit auch das nach dem Performance-Doc. Denn dann sehen einige Gesichter fast so detailarm und texturlos aus, als hätte der Spieler Vaseline auf seinen Bildschirm geschmiert. Diese technischen Unzulänglichkeiten und seltsamen Design-Entscheidungen erzeugen also bereits einen schalen Geschmack im Mund, noch bevor der Spieler endlich das ausprobieren darf, worauf er sich schon seit den ersten Trailern zu Forspoken freut: Die Erkundung der halboffenen Spielwelt per Turbo-Magie!
In Cipal konnte Frey erfahren, dass vier mächtige Zauberinnen das Land in ihren eisernen Griff halten und dafür sorgen, dass die lebensbedrohliche Seuche immer weiter voranschreiten kann. So ist das erste Ziel von Frey die Burg der Feuermagierin Tanta Silas. Das ist zwar ziemlich weit weg, aber Frey hat dank ihres Armschmucks nicht nur ein paar krachende Erd-Zauber am Start, sie kann sich auch mit sehr hoher Geschwindigkeit durch die Spielumgebung bewegen und per Parcours-Manöver ganz lässig über Stock und Stein turnen. Das erste von vier optisch unterschiedlichen Spielgebieten ist nur scheinbar eine riesige offene Welt. Vielmehr ist es ein großes Areal, dass aber von hohen Steinwänden eingerahmt wird, die verhindern sollen, dass sich der Spieler an Orten wiederfindet, an denen er zu Beginn des Spiels noch nichts verloren hat. Das frustet ob der augenscheinlich gebotenen Freiheit ein bisschen – besonders das Aufprallen aus großer Höhe ist aufgrund einer bis zum Ende des Spiels fehlenden Fähigkeit – ein unangenehmer Bruch während der High-Speed-Raserei.
Sonic lässt grüßen
Alle Zauber verfügen über einen Cooldown. Der ist bei den Angriffs- und Verteidungs-Maßnahmen sehr kurz,
recht lange hingegen braucht die Superattacke, die per gleichzeitigem Druck auf L2 und R2 ausgelöst wird. Dann werden besonders große Gegneransammlungen effektvoll von Wurzelwerk in die Höhe geschleudert, von gewaltigen Lava-Explosionen eingeäschert oder von einem wütenden Tsunami fortgespült. Leider wird die kostbare Superattacke aber in der Hektik des Geschehens gerne mal aus Versehen ausgelöst – der Einsatz einiger Heiltränke und ein langes Warte-Fenster sind dann die Folge. Im Laufe des Abenteuers bekommt Frey nach und nach zusätzlich zu den Erd-Zaubern die Macht über Feuer, Wasser und Blitze. Jedes Element verfügt dabei über einen Talent-Baum, der vom Spieler nach und nach ausgebaut werden kann und muss. Für einen wirksameren Einsatz der verschiedenen Magie-Maßnahmen gilt im gesamten Spiel das Schere-Stein-Papier-Prinzip: Wenn nicht auf den ersten Blick, dann geben die Monster per Scan preis, auf welches Element sie besonders empfindlich reagieren. Zu Beginn hat der Spieler noch keine sehr große Auswahl, muss also auch Gegner mit unpassenden Zaubern legen – was etwas länger dauert und für weniger Punkte in der eingeblendeten Abrechnung nach dem Kampf sorgt.Haste makes waste
Ist den Entwicklern die Zeit oder das Geld ausgegangen, oder gar beides? Die hastig zusammengekloppten und immer gleichen Nebenschauplätze (natürlich samt sekundenlanger Schwarzblenden bei bestimmten Aktionen) verursachen schon nach den ersten Spielstunden ein Gefühl des langweiligen Abarbeitens. Echte Überraschungen erlebt der Spieler hier leider zu keiner Zeit.
Immerhin kann die technische Umsetzung der Fortbewegung und der Umgebung oft begeistern. Hier lassen Luminous-Engine und PS5 im Tandem ordentlich die Muskeln spielen: Beim Test des Performance-Modus mit VRR und einer offenen Framerate bis zu 120 Hz, saust Frey ohne erkennbare Ruckler oder aufploppende Felsen und Gebäude durch die Gegend und vermittelt das Gefühl von Geschwindigkeit und unendlicher Macht. Tiefenzeichung, Qualität der Texturen und feine Partikeleffekte im Kampf sind mit Abstand der faszinierendste Teil von Freys Abenteuer. Dazu gehören natürlich auch die nicht vorhandenen Ladezeiten beim Aufrufen eines Spielstands oder der Schnellreise. Warum der Spieler dann aber während des doch eigentlich recht zackigen Spielverlaufs zum sekundenlangen Verweilen in Schwarzblenden oder Gesprächen gezwungen wird, wissen wohl nur die Entwickler selbst.
Technik, die (manchmal) begeistert
Das gilt auch für die unrühmliche Wortwahl der Hauptfigur. Es gab wohl noch niemals vorher ein Videospiel, in
dem jeder dritte Satz eine F-Bombe enthält. Das wird besonders für Streamer lustig, denn YouTube kennt bei der Monetarisierung von Beiträgen mit dem F-Wort bekanntlich kaum Gnade. Aber auch der geneigte Spieler wundert sich, denn der Einsatz von Fäkalsprache macht das Spiel a) zu keiner Zeit besser und b) hätte es auch ohne ganz hervorragend funktioniert. Das F-Wort entfährt jedoch auch das ein oder andere mal dem Spieler, wenn er sich in den angeblich mystischen Labyrinthen, die ihren Namen nicht verdient haben, durch erst einen Raum mit kleinen Gegnern, dann einen mit etwas größeren und dann einem Boss-Raum quälen muss, um am Ende immer im exakt gleichen Raum einen neuen Umhang einzusammeln. In diesen Lieblos-Dungeons gibt es zwar die mit Abstand eindrucksvollsten und endlich mal bildschirmfüllenden Bosse, die sind jedoch praktisch texturlos und verfügen – wie ihre kleinen Vertreter – über hüftsteife und unglaubwürdige Animationen. Auch hier wäre deutlich mehr Aufwand wünschenswert gewesen.Fazit
Kann ein Spiel von stellenweise fantastischer Technik leben, die durch viele, dümmliche Design-Entscheidungen, schlaffen Gegner-Animationen und einem recht monotonen Spielablauf ab absurdum geführt wird? Aufgrund einer netten Story samt keckem Twist, den wirklich beeindruckenden Roben der vier Boss-Zauberinnen – für die Vivienne Westwood und Thierry Mugler sicherlich auf ihrer Wolke applaudieren – ist das eine knappe Kiste. Denn Open-World haben alle Spieler inzwischen besser – allerdings kaum in schnellerem Tempo – gesehen. Dazu kommen noch kleinere Nervereien wie das Anvisieren, das bei geflügelten Gegnern für Kopfschmerzen sorgt, wenige verschiedene Gegner-Varianten samt hüftsteifer und immer gleicher Animationen und monoton verlaufender Kämpfe, die immerhin oft wuchtig wirken und eine Menge Augenzucker bieten. Die F-Bomben bei der Wahl der englischen Sprachausgabe sind ein weiteres Fragezeichen, genauso wie die wirklich qualvollen Abschnitte in der einzigen Stadt des Spiels. Am Ende wird Forspoken die Spieler, die es nach rund 25 Stunden mehr oder weniger ernüchtert ins Regal stellen, nicht sehr lange im Gedächtnis bleiben. Das ist aufgrund des stellenweise erkennbar hohen Entwicklungsaufwands nicht nur schade, sondern auch eine verpasste Chance. Denn eine neue und hochgehandelte Marke für Hersteller Square Enix wird Forspoken in dieser Form sicherlich nicht. Als mittelmäßiges Actionspiel, das kaum einen Spieler vom Hocker reißen wird, geht es aber gerade noch durch.
Pro
- flüssige und stellenweise beeindruckende Optik
- netter Story-Twist
- gute Kleidungs-Physik
- hübsche Partikel-Effekte
Kontra
- uninspirierte Spielwelt ohne Überraschungen
- schlaffe Monster-Animationen
- unnötige Schwarzblenden
- F-Bomben ohne Unterlass
- repetitive Aufgaben
- ständige Bevormundung des Spielers
- nerviger Soundtrack
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