Hi-Fi RUSH - Test, Action-Adventure, XboxSeriesX, PC

Hi-Fi RUSH
30.01.2023, Eike Cramer

Test: Hi-Fi RUSH

Ein echter Überraschungshit

Mit Hi-Fi Rush (ab 26,99€ bei GP_logo_black_rgb kaufen) haben Tango Gameworks in der vergangenen Woche überraschend eine knallbunte Hommage an klassische Character-Action im Stil von Devil May Cry veröffentlicht. Die actionreichen Auseinandersetzungen werden mit Rhythmusspiel-Elementen verbunden - und stehen im harten Kontrast zum böse-blutigen Horror vom Studio-Aushängeschild The Evil Within steht. Das Ergebnis erinnert auf den ersten Blick an Jet Set Radio oder Sunset Overdrive und begeistert mit Charme, Charakter und guten Ideen. Weshalb sich Hi-Fi Rush direkt in unser Herz gegrooved hat, lest ihr im Test.

Ich nehme euch an dieser Stelle direkt die Spannung: Hi-Fi Rush ist für mich der erste Hit des Jahres. Und das liegt vor allem an der zentralen Spielmechanik der ansonsten eher klassischen Charakter-Action, die mich ab der ersten Minute mitreißt. Schläge, Kombos und Finisher, die mit ihren Verkettungen, Sprüngen & Co. direkt aus Devil May Cry stammen könnten, werden von Protagonist Chai nämlich auf den Beat von treibenden Rocksongs absolviert, die den Flow des gesamten Spiels bestimmen. Treffe ich mit meinen leichten und schweren Attacken den Beat oder pariere Schläge der Robo-Übelwichte im Rhythmus erhalte ich Boni in der Auswertung und kann Folge-Finisher auslösen, die ebenfalls auf den Takt ausgelöst werden können. Außerdem wird jeder Treffer auf dem Beat mit Applaus und einem Gitarrenlick belohnt. Was ist das nur für eine großartige, für eine tolle Idee – die gleichzeitig so naheliegend ist, dass ich mich frage, wieso noch nie jemand vorher darauf gekommen ist.

Eine richtig gute Idee

Schläge, Attacken und Paraden passieren ausschließlich auf den Zählzeiten der Songs, wobei ich leichte Angriffe auf jede, schwere Angriffe nur auf jede zweite Zählzeit ausführen kann. Durch diese klare Strukturierung werden Kombo-Timings oder Paraden herrlich eindeutig, da alles auf dem Beat passiert. Gleichzeitig bin ich natürlich auch Sklave des Metronoms – verlässt mich mein Taktgefühl, klappt im Kampf gar nichts mehr. Praktisch: Ich kann eine visuelle Hilfe einblenden, die mir im Stil klassischer Rhythmusspiele bei der Orientierung in der Musik weiterhilft.

Ordentlich zur Sache: Die Effekte sind ebenso stark in Szene gesetzt wie Charaktere und Umgebung.
Und nicht nur der Kampf ist rhythmusbasiert: Die kompletten Level, von Beleuchtung bis Lavafontänen oder Plattformen bewegen sich im Takt, ja sogar die Laufanimation des Charakters ist auf den Beat der Rocksongs abgestimmt, bei denen sich Eigenkompositionen während der Level sich mit Nummern von Nine Inch Nails, Prodigy & Co. abwechseln, welche in Bosskämpfen für mehr dramatische Dynamik sorgen. Das ist richtig cool, da so ein einmaliger Groove im Spiel entsteht, der sich durch alle Spielelemente, von der Prügelei bis zur Platforming-Passage zieht.

Die trotteligen Wach-Bots von Vanderlay stehen zwischen Chai und den Bossen des Tech-Konzerns.
Aber Moment – worum geht es eigentlich in Hi-Fi-Rush? Der durch eine Verletzung am Arm körperlich eingeschränkte Möchtegern-Rockstar Chai gerät durch unglückliche Umstände (und durch aktive Hilfe fieser Konzernchefs) in die Fänge des Tech-Riesen Vandelay. Anstatt aber wie erhofft als Freiwilliger im Projekt Armstrong mit neuem Körperteil endlich zum Gitarrenhelden aufzusteigen, droht ihm im Anschluss die Zwangsarbeit in der Müllsortierung. Allerdings gerät ein MP3-Player mit in die Operation, die sich mit seinem Körper verbindet.

Ein Robo-Arm, eine Gitarre, ein MP3-Player

Chai und seine Umwelt reagieren plötzlich auf den Beat der auf dem Gerät gespeicherten Songs – und der junge Rock-Fan muss sich mit einem Schlagwerkzeug in Form einer Flying V seinen Weg durch Vandelay-Roboter und den Vorstand des Konzerns prügeln, um von der Insel des Techriesen zu entkommen. Gleichzeitig gibt es aber auch noch ein Vandelay-KI-Geheimprojekt namens SPECTRA, das dringend aufgehalten werden muss. Chai ist ein trotteliger Gernegroß, der weder versteht, was mit ihm passiert, noch die Tragweite seiner Handlungen wirklich einordnen kann. Durch den generell eher lockeren Ton von Hi-Fi Rush fällt das aber nicht negativ auf, die absurden Dialoge und bescheuerten Situationen tragen eher zum großen Spaßfaktor dieser knallbunten Rhythmus-Klopperei bei.

Auf seiner Flucht trifft Chai auf die schusskräftige Hackerin Peppermint und ihre knuffige Robo-Katze 808. Die heißt nicht nur wie die legendäre Drum-Machine Roland TR-808 sondern macht auch nur Geräusche des berühmtesten Drum-Computers aller Zeiten. Eine tolle Hommage – und ein wirklich unheimlich herziger Sidekick. Peppermint kann – genau wie weitere, im Spielverlauf dazukommende Verbündete – per Tastendruck im Kampf von mir hinzugerufen werden, um etwa die Schilde von Vandelay-Bots zu zerbröseln.

Action mit knuffiger Robo-Katze

Die kleine Robo-Katze 808 ist ein sehr herziger Sidekick.
Außerdem kann Peppermint mit ihren Knarren Schalter in der Umgebung aktivieren und mir so Zugang zu neuen Arealen ermöglichen. Außerdem ist sie die Upgrade-Beauftragte, die Chai im Versteck zwischen den Missionen mit neuen Kombos, Spezialattacken oder Buff-Implantaten versorgt. Letztere machen Attacken effizienter oder sorgen für mehr Lebensenergie aus Healthpacks.

Nicht nur der Kampf, auch der generelle Spielablauf von Hi-Fi Rush orientiert sich nachhaltig am Vorbild Devil May Cry. Grundlegend teilt sich die Action in die Erkundung von Leveln und Kampfarenen auf. Die Erkundung schließt dabei kleinere Platforming-Passagen, Mini-Rätsel und Quick-Time-Events im Rhythmusspiel-Stil mit ein, während die Kämpfe meist in mehreren Phasen in kleineren Arenen absolviert werden. Das funktioniert gewohnt gut und fordert im späteren Spielverlauf mit variantenreichen Feinden. Mal muss zunächst ein Schild von Peppermint ausgeschaltet, mal erst eine Reihe von Attacken pariert werden, bevor Chai Schaden an den Robo-Kollegen anrichten kann. Das ist cool – nicht zuletzt, weil gerade die Paraden unheimlich befriedigend sind.

Das Comic-Geschwister von Devil May Cry

Sieht überladen aus, funktioniert hervorragend. Auch das HUD zeigt sich erfreulich stilsicher.
Schon die Standard-Abwehr im Kampf funktioniert dank der Beat-Bindung unheimlich zuverlässig – noch cooler wird es aber, wenn Chai eine Spezialattacke abwehrt und dann selbst mit einem Konter-Finisher zurückschlägt. Hierfür muss meist eine Attacken-Reihe abgewehrt werden, die mit einem Vorzähler den Groove und die Anzahl der Feind-Schläge ankündigt. Kann ich dann alle Angriffe parieren, teilt Chai im Gegenschlag heftig aus. Eine unheimlich gelungene Mechanik, die genau in der richtigen Dosis zur Anwendung kommt. Generell sind die Feindbegegnungen durch die Spielstruktur natürlich eher vorhersehbar und in gewissem Maße eingeschränkt, entfalten durch ihren Arena-Stil aber auch eine schweißtreibende Dynamik.

Genau wie im Vorbild kann Chai übrigens auch seine Lebens- und Energieleiste (die brauche ich für das Auslösen der explosiven Spezialattacken) mit mehrteiligen Sammel-Items aufwerten, zudem finden sich neben der Zahnrad-Währung sowie Gesundheits- und Energie-Items auch Upgrade-Bauteile in den Levels, die sich in Buff-Implantate umwandeln lassen.

Auch Nebenfiguren wie die Hackerin Peppermint werden charakterstark inszeniert.
Zum Schluss noch ein kurzes Wort zum großartigen Stil von Hi-Fi Rush, das mit einer wunderbaren Cel-Shading-Kulisse glänzt. Ich habe selten ein Spiel erlebt, in dem 2D-Comicsequenzen so nahtlos in die 3D-Spielgrafik übergegangen sind wie bei Hi-Fi Rush. Der Look der völlig überladenen Umgebung ist so stark, das Artdesign so herausragend konsequent und die Figuren so wunderbar charakterstark entworfen und animiert, dass ich gar nicht anders kann als dieses Spiel vom ersten Moment an ins Herz zu schließen.

Stilsicher ohne Ende

Von den trotteligen Vandelay-Bots und der drahtigen Peppermint über die Super-Bösewichte des Konzern-Vorstandes bis hin zur unfassbar herzige Robo-Katze 808: Ich liebe den Look und die Attitüde dieses quietschbunten Abenteuers. So muss Cel-Shading aussehen!

Fazit

Ey Bethesda, was ist das denn für ein Überraschungshit? Die unheimlich stilsichere Genre-Verquickung Hi-Fi Rush begeistert mit rhythmusbasiertem Kampf der Geschmacksrichtung Devil May Cry und verzückt mit witziger Story sowie einmalig charmantem Look. Dieses charakterstarke Action-Adventure mit guter Basis-Mechanik und genialem, spielerischen Twist ist für mich das bisher beste Spiel von Tango Gameworks, auch wenn gerade bei Leveldesign oder Bewegungs-Groove noch mehr drin gewesen wäre. Trotzdem sind die schweißtreibenden Beat-Duelle mit Vandelay-Bots, die guten Bosskämpfe und die humorvollen Dialoge eine farbenfrohe und mehr als willkommene Spaß-Ladung im grauen, norddeutschen Januar. Ach, und Microsoft: Falls noch mehr Spiele dieser starken Qualitätsliga bei euch in Entwicklung sind – ihr wisst, wo ihr mich findet.

Pro

  • tolle Verbindung aus Action und Rhythmusspiel
  • starke, stilsichere Kulisse
  • charmante Charaktere
  • grundsolider Action-Kern
  • coole Bosse
  • unterhaltsame Story
  • leichter, lustiger Tonfall
  • gutes Kampfsystem
  • Katze kann gestreichelt werden

Kontra

  • im Kern sehr nach an DMC und Co.
  • starres Gerüst aus Erkungsabschnitten mit Kampfarenen
  • Leveldesign manchmal etwas zu simpel
  • Bewegungsgeschwindigkeit etwas langsam
  • Soundtrack könnte prominenter sein

Wertung

PC

Unterhaltsam, innovativ, stilsicher und charakterstark. Der Action-Musikspiel-Mix Hi-Fi Rush ist die Art Spiel, für die das das Wort "Überraschungshit" erfunden wurde.

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Kommentare
USERNAME_10000053

Wirklich einfach ein tolles Spiel!

vor einem Jahr
Affe1234

Der Hammer ist dieses Spiel. Hab anfangs etwas gezögert es zu spielen, mittlerweile bin ich beim Vorletzten Boss. Sehr abwechslungsreiche Levels, mit viel Plattformen. Leider auch nicht einfach, aber faire Checkpoints. Bis jetzt ein sehr starker Anfang für MS. Redfall im März usw. Langsam bewegt sich bei MS etwas, hoffe ich.
Redfall kommt im Mai.

vor einem Jahr
gEoNeO

Der Hammer ist dieses Spiel. Hab anfangs etwas gezögert es zu spielen, mittlerweile bin ich beim Vorletzten Boss. Sehr abwechslungsreiche Levels, mit viel Plattformen. Leider auch nicht einfach, aber faire Checkpoints. Bis jetzt ein sehr starker Anfang für MS. Redfall im März usw. Langsam bewegt sich bei MS etwas, hoffe ich.

Zuletzt bearbeitet vor einem Jahr

vor einem Jahr
grisu_de

Allein der Vergleich mit Jet Set Radio reicht mir, um... na ja, um es mir im Gamepass auf meine Box zu laden. Tja, so richtige Superlative sind da jetzt nicht mehr drin, aber jsr war dermaßen cool damals, dass ich mir das eibfach geben muss.

vor einem Jahr
Höpi

Als etwas älterer Zocker freue ich mich sehr, dass es noch außergewöhnliche Spielkonzepte gibt, die begeistern und auch entsprechend in Tests gewürdigt werden. Genau solche Spiele, die nicht nur den Einheitsbrei liefern, waren es immer, die besonderen Spaß gemacht haben - ja, das Hobby für mich ausgemacht haben - und meist in besonderer Erinnerung geblieben sind. Das Ding werde ich auf jeden Fall mal ausprobieren. Gleichzeitig freue ich mich, dass es nach der Zeit auch für meine Box mal wieder etwas Exklusives gibt.

vor einem Jahr