Wild Hearts - Test, Action-Adventure, PlayStation5, XboxSeriesX, PC
Die japanischen Entwickler von Omega Force sind im Westen eigentlich nur durch die Musou-Spiele der Dynasty-Warriors-Reihe bekannt geworden. Dabei hat das Studio bereits zweimal versucht im Genre der Monsterjäger-Spiele eine Pranke in die Tür zu bekommen. Die beiden Teile der Toukiden-Serie (2013/2016) sind den meisten Spielern zwar unbekannt, dennoch gelang hier ein wenigstens mittelmäßiger Aufschlag. So war bei den Fans der Wunsch nach einem dritten Teil recht groß und immer wieder bekräftigte Omega Force, dass es schon bald ein Wiedersehen geben könnte. Unter einer neuen, grammatikalisch deutlich anschmiegsameren Bezeichnung, kommt mit Wild Hearts nun das Spiel, dass einerseits von der bisherigen Erfahrung des Teams profitieren soll, und auf der anderen Seite einen Neuanfang darstellt.
Wer ist dieser Toukiden?
Wenn alles klappt, wollen die Entwickler dieses Spiel zu einer neuen Marke und einem weiteren Standbein für den Mutterkonzern Koei Tecmo aufbauen. Auch Electronic Arts ist an dem Wagnis beteiligt, unter dem hauseigenen Label EA Originals wurde Omega Force tat- und geldkräftig unter die Arme gegriffen, um das Projekt verwirklichen zu können. Eingerahmt vom kürzlich erfolgten Release von Monster Hunter Rise für Playstation und Xbox und dem schon sehr bald folgenden Addon Sunbreak, muss es Wild Hearts nun gelingen, den Namen zum Programm zu machen und bei Monsterjägern für einen schnelleren, gar wilden Herzschlag zu sorgen.
Ist man im Team weniger allein?
Nur wenn alle Teilnehmer einer Jagd-Party am exakt gleichen Punkt der Hauptgeschichte sind, wird auch der Fortschritt in eben dieser für alle gespeichert. Am Anfang noch relativ gut machbar, ist es im späteren Spielverlauf eine mühsame Angelegenheit, höchste Ich-spiele-ohne-meine-Party-nicht-die-Story-weiter-Disziplin ist gefragt. Wild Hearts macht so den Eindruck, als ob es eher gedacht wäre, dass jeder Spieler allein in der Hauptgeschichte für das eigene Vorankommen sorgt und seine Freunde nur verzweifelt herbeiruft, wenn es mal wieder besonders schwierig wird. Warum auch das letztlich keine gute Idee ist, wird später erläutert.
Immerhin entschädigt die gebotene, wenn auch niedrig aufgelöste Darstellung der verschiedenen Spielumgebungen für erste Verzückung. Wenn man zu dritt über eine riesige Wiese rennt, rechts und links die Kirschbäume sanft im Wind wiegen und man in der Ferne die Pagoden der Stadt sehen kann, kommt echtes Forscher-Feeling auf. Natürlich gibt es an allen Ecken Erze, Pflanzen, Hölzer, Wurzeln, kleine Tiere und noch viel mehr einzusammeln, was mit einem Druck auf L2 auch schnell erledigt ist. Besonders die Darstellung kleiner Eichhörnchen, Füchse, Echsen, Hasen und Vögel zeugt von der großen Detailverliebtheit, mit der die Entwickler zu Werke gegangen sind. Das optisch wirklich hübsche Gesamtbild kommt leider jedoch oft ins Stottern – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Dann gibt es immer wieder unangenehme Ruckeleinlagen und die Beleuchtung fängt an zu spinnen – von schlabbrigen Matsch-Texturen hier und da ganz zu schweigen.
Bunte, hübsche Welten
Ohne jetzt hier groß die Spoiler-Keule zu schwingen und genau zu erklären, welche Viecher in den vier verschiedenen Biomen, Frühling, Sommer, Herbst und Winter, warten, sorgen die meisten von ihnen in den ersten Stunden für den sehnlich erwarteten, frischen Wind im Genre. Die Darstellung kann bis auf ein paar hakelige und hüftsteife Animationen nur als absolut gelungen bezeichnet werden, einige Attacken entlocken dem Jäger-Trupp sogar lautes Gelächter. Wenn der Biber auf seinem mit Wasser gefüllten Schwanzende wie auf einem Wasserball herumhopst, ist das schon wirklich sehr sehr lustig und nett anzusehen. Leider ist die Monsterauswahl nicht sehr groß, die Entwickler sprechen zwar von "über 20", zieht man hier noch die verschiedenen Varianten gleicher Monster ab, ist das Angebot im Vergleich zur Konkurrenz schon etwas dünn. Das ist aber nicht das einzige Problem, das MH-Veteranen sauer aufstößt: Im Kern, wie es aus zahllosen Kämpfen recht einfach ersichtlich ist, fehlt es den Monstern an Persönlichkeit. Sie wirken nicht wie lebendige, denkende Wesen, sondern eher wie mittelschwere und dann noch schwerer zu bezwingende Boss-Gegner aus einem Spiel der Dark-Souls-Reihe. Eine Attacke folgt der nächsten und die Aggro liegt immer nur auf einem Spieler zur Zeit. Daraus folgt...
Monströs gute Monster?
Den Monstern in Wild Hearts ist es nicht möglich, mitten im Angriff umzuschalten, um sich einen anderen Spieler der Truppe vorzuknöpfen. So muss man im Kampf eigentlich nur darauf achten, wann man selbst nicht im Fokus ist, um ein paar Treffer anbringen zu können. Das geht dann reihum und raubt den Kämpfen einiges an Überraschungen und den Monstern an echten Eigenheiten. Dazu kommt, dass die Wesen in Wild Hearts nach einer gewissen Zeit zwar auch geschwächt wirken können und humpelnd davonrennen – nur um dann noch im gleichen Kampf wieder einmal derart voll aufzudrehen, als ob das Scharmützel gerade erst begonnen hat. Auch dieser Punkt wirkt sehr beliebig und lässt kaum Rückschlüsse auf den wirklichen Gesundheitszustand des Monsters zu – das ist allerdings ein sehr wichtiger und fast unabdingbarer Teil der Monster-Jagd. Verfällt das Biest in Rage, wird das optisch zwar toll inszeniert, wenn es zehnmal in einem Kampf passiert, wird es auf die Dauer eher langweilig – was auch daran liegt, dass viele der Auseinandersetzungen deutlich zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Nerviges Aggro-Ping-Pong
Das liegt auch daran, dass sich die Monster selbst bei großen und schweren Angriffen ihrerseits, unfair eindrehen können und den Spieler noch treffen, wenn er schon sehr weit nach rechts oder links ausgewichen ist. So stellt es sich also auf die Hinterbeine, um mit seinem ganzen Gewicht auf den Jäger zu krachen. Dabei kann man sehr einfach beobachten, wie sich das Monster auf sehr unrealistische Weise selbst in dieser Position mitdreht – und dann doch noch einen schmerzhaften Angriff landen kann. Ein weiteres Ärgernis sind die Status-Effekte, die sich die Jäger natürlich einfangen können. Wirft das Monster mit Schlaf, Feuer, Eis oder Gift um sich, gibt es keinen Trank, der diesen ungeliebten Malus aus der Welt schafft und es wird noch schlimmer: Kollege ist eingeschlafen? Dann muss er warten, bis sich die Schlaf-Leiste geleert hat, ihn mit einem Schlag aufzuwecken, ist nicht möglich. Kurios wird es, wenn er Feuer gefangen hat. Dann helfen weder Rollen noch ein Bad im Gewässer, um den nagenden Flammen Einhalt zu gebieten. Das kann man als Entwickler sicher besser und galanter lösen. Der recht hohe Schwierigkeitsgrad und einige, damit einhergehende Kritikpunkte werden jedoch von einer Innovation maßgeblich und äußerst positiv beeinflusst: den Karakuri.
Am Anfang war die Kiste
Oft es ist im hektischen Kampf so, dass sich der Spieler aus Versehen verdrückt oder nicht genügend Material für ein bestimmtes Objekt in der Tasche hat. Dann kommt nur Murks raus oder das Objekt steht halbfertig herum – einem anderen Jäger aus der Truppe ist es dann unverständlicherweise nicht möglich, das Konstrukt zu vervollständigen. Muss man nicht verstehen. Dennoch sind die Karakuri nicht nur der zentrale Teil der Story von Wild Hearts, sondern sorgen definitiv für mehr Lust als Frust. Der Talentbaum für das Erlernen der unterschiedlichen Varianten ist derart riesig, dass geneigten Jägern schnell klar wird, dass die Erarbeitung des kompletten Setups weit mehr als 100 Stunden beanspruchen dürfte.
Natürlich gilt in Wild Hearts die exakt gleiche Prämisse, wie bei Monster Hunter: Immer schwieriger zu
besiegende Monster töten (das Fangen ist hier nicht möglich), um sich nach und nach mit den erbeuteten Teilen eine immer bessere Rüstung und durchschlagskräftigere Waffen bauen zu können. Und nicht nur die erwähnten Entwicklungs-Zweige der Karakuri nehmen kaum ein Ende, auch bei Waffen und Ausrüstung werden selbst nach mehr als 50 Stunden noch so viele Fragezeichen angezeigt, dass es eher schauerlich als erfreulich ist. Aber warum so viele Möglichkeiten bei einer doch recht überschaubaren Anzahl von Monstern? Das liegt nicht zuletzt daran, dass Monster im Spiel in verschiedenen Alarm-Zuständen warten und ausgewählt werden können. Dabei hat jeder Zustand einen eigenen Weg im Talentbaum, auch die neuen Elementar-Versionen bereits oft besiegter Ausgangsmonster sind hier Teil der Entwicklung. Ein guter Trick, um das dünne Gegnerfeld zu kaschieren, hier wurde an vielen Stellen aber deutlich übertrieben. Die Dinge, die zu tun sind, arten massiv aus. Rüstungen können gar nicht verbessert werden, bei Waffen muss für mehr Druck immer eine neue Variante her. Richtig schlimm wird es beim Housing und beim Essen:Von allem zu viel?
Unterwegs eingesammelte Wurzeln, Kräuter und Fleischbrocken bringen mehr Lebensenergie, stärkere Verteidigung und viele weitere nützliche Effekte. Die Nahrung lässt sich zusätzlich noch einlegen, fermentieren oder trocknen und ist nach kurzer Wartezeit noch etwas effektiver. Also müssen neben Zelt, Feuerstelle, Schmiedetisch noch weiterer Apparaturen aus dem Karakuri-Menü (Einwegglas, Holzfaß, Trockungs-Ständer) herbeigezaubert werden. Wenn das schon alles wäre. Später kommen verschiedene Schreine für die kleinen, einsammelbaren Holzwesen, Käfige für Tiere und scheinbar unendlich viele weitere Einrichtungsmöglichkeiten hinzu. Die schiere Anzahl treibt selbst erfahrenen Jägern den Schweiß auf die Stirn, wenn man bedenkt, dass mehr als acht Lager in der Spielwelt mit diesen Vorteilen ausgestattet sein wollen. Vieles davon ist zwar nicht unbedingt notwendig, doch den ein oder anderen Bonus kann und will man sich für den späteren Spielverlauf natürlich nicht entgehen lassen. Hier wäre es wünschenswert gewesen, wenn die Entwickler etwas fokussierter an die Sache herangegangen wären – besonders das Crafting wirkt lange nicht so durchdacht und ist deutlich weniger motivierend, als beim Platzhirschen Monster Hunter.
Fazit
Toukiden 3, äh, Wild Hearts muss sich zwar einige Kritikpunkte gefallen lassen, dennoch wartet hier frisches, weitgehend empfehlenswertes und meist spaßiges Futter auf gestählte Monster-Jäger. Neben der Optik, die technisch nicht immer die beste Figur macht aber insgesamt schon recht nett anzusehen ist, nervt auf Dauer nur das eintönige Aggro-Management der Monster. Im Einzelspieler-Modus sind einige Gegner fast nicht zu machen, da sich das Ungetüm pausenlos auf die Spielfigur konzentriert und unentwegt eine Attacke nach der nächsten raushaut. Das raubt den eigentlich toll gemachten Monstern die dringend notwendige Glaubhaftigkeit und eine scheinbare Persönlichkeit. Bis sich die Viecher wiederholen, gibt es aber bei der hier gebotenen Scheusal-Riege eine Menge zu sehen, zu stauen und zu lachen. Auch am Einsatz der unterschiedlichen Waffen, den schnellen Kombos und der zackigen Bewegung der Spielfigur gibt es absolut nichts zu meckern. Bei der Sammelei und dem Crafting haben es die Entwickler aber ein wenig übertrieben – dazu ist es trotz ausufernder Talentbäume im Kern doch recht flach und einfallslos. Hinzu kommen schmerzlich vermisste Quality-of-Life-Features und ein teilweise unnötig hoher, weil schlecht ausbalancierter Schwierigkeitsgrad, der oft in deutlich zu zeitraubenden Kämpfen mündet. Für den ersten Aufschlag, der eigentlich der dritte ist, hat Omega Force sicherlich trotzdem einen guten Grundstein für weitere technische und spielerische Verbesserungen, viel mehr Monster (weitere sollen in den kommenden Monaten kostenlos folgen) und einen etwaigen Nachfolger gelegt. Um sich mit Monster Hunter zu messen, fehlt noch ein gutes Stück. Die kreativen Karakuri sollten sich die Designer bei Capcom allerdings auch mal genauer angucken, das ist genau die Art von Neuerung, die hier seit Jahren überfällig ist und das größte und mit Abstand beachtenswerteste Spielspaß-Pfund von Wild Hearts darstellt.
Pro
- vier große Spielgebiete
- innovative Karakuri
- stellenweise hübsche Optik
- sehr lange Spieldauer
- 8 Waffen damit unterschiedlicher Handhabung
- lustige und wuchtige Monster-Animationen...
Kontra
- ... die stellenweise hüftsteif wirken
- ungewohnt lange Ladezeiten
- technische Probleme
- nur wenige Monster
- Monster agieren wenig "lebensecht"
- unausgegorenes Crafting-System
- schlecht balancierter SKG
- Monster können nur getötet werden
- Karakuri-Bedienung ab und zu hakelig
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