Company of Heroes 3 - Test, Taktik & Strategie, PC
Ich weiß jetzt nicht, womit ihr gerechnet habt, aber ich musste mich beim ersten Start von Company of Heroes 3 vergewissern, das richtige Spiel aus meiner Steam-Bibliothek aufgerufen zu haben – so wenig hat sich verändert. Aber zunächst für alle, die nicht wie ich seit 2006 immer wieder in die Weltkriegs-Schlachten abtauchen: Company of Heroes ist klassische Echtzeit-Strategie. Aus der Draufsicht scheuche ich Infanterie, Fahrzeuge und Panzer über die Karte, betreibe rudimentären Basenbau, rüste meine Trupps auf und versuche, die Feinde von der Karte zu drängen.
Company of Heroes bleibt Company of Heroes
Die Reihe – und damit auch Teil 3 – glänzt seit Beginn mit einem Deckungssystem für die Infanterie, die auch mechanisch im Zentrum des Spiels steht. Es gibt leichte und schwere Deckung, in der ich meine Männer gezielt platzieren kann – vom Granattrichter bis zur Betonmauer. Gebäude können betreten und ebenfalls als Deckung genutzt werden, während Artillerie und Panzer den Schutz effektvoll mit ihren Granaten zerlegen können. Dazu kommt, dass meine Trupps im Rang aufsteigen und ich sie bei Verlusten per Tastendruck zum Hautquartier zurückbeordern kann, um sie mit neuen Rekruten zu versorgen. So bleibt der Rang erhalten, der ihre Kampfkraft und Überlebensfähigkeit deutlich erhöht.
Strategie, so als wäre es 2013
Grundsätzlich hat sich am Spielablauf aber eigentlich gar nichts verändert. Das geht so weit, dass selbst die Kamera nach zehn Jahren CoH-Pause immer noch viel zu nah am Geschehen klebt, ohne mir echte Übersicht zu bieten. Das ist vermutlich Absicht, da man kleine, intensive Gefechte zwischen einzelnen Trupps und Fahrzeugen inszenieren möchte. Es nervt mich aber genau wie 2013, dass sich so für mich wirklich gar keine Übersicht über die Karte einstellen will. Hätte man hier nicht eventuell das Herauszoomen auf eine Taktik-Map als Kompromiss einbauen können?
Stillstand auf hohem Niveau
Kurz: Ich verstehe nicht, warum man nicht einfach Company of Heroes 2 fortführt, sondern ein neues, aber gleichzeitig extrem ähnliches Spiel veröffentlicht. Gibt es denn wirklich keine neue Idee, wie man diese Art der Strategie frisch inszenieren könnte
Okay, doch – im kleineren Rahmen gibt es sie. Die größte Neuerung für Solo-Kommandeure dürfte die taktische Pause sein. Mit dem Druck auf die Leertaste wird das Gefecht angehalten und ich kann meinen Soldaten gemütlich neue Befehle erteilen, Ziele für Spezialfähigkeiten festlegen oder Bauaufträge vergeben. Das ist nett, funktioniert gut und entschleunigt den Spielablauf an der einen oder anderen Stelle gezielt. Aber sind wir mal ganz ehrlich: Ein echtes Killer-Feature sieht anders aus, zumal es im wichtigen Multiplayer-Part keine Rolle spielt.
Taktik? Pause!
Apropos Multiplayer: Der ist vermutlich im Hinblick auf die Langlebigkeit das wichtigste Element des ganzen Spiels, kam im Test aber etwas zu kurz. Ich konnte zwar ein paar Matches absolvieren, die stabil liefen, gewohnt stressig waren und mir alles abverlangten. Belastbare Aussagen zu Balance der Fraktionen oder gar der unterschiedlichen Kommandeursfähigkeiten kann ich allerdings nicht treffen. Zudem war der Ranked-Modus natürlich noch nicht freigeschaltet. Auf Basis meiner knappen Erfahrung sollte der Multiplayer allerdings technisch klargehen. Alles weitere wird sich erst in den Wochen und Monaten nach Release zeigen.
Eine echte Enttäuschung
Nur: Die Kampagne liefert nicht. Zunächst mal ist der Story-Strang viel zu kurz und endet abrupt mit der Einnahme von Tobruk 1942. Die folgenden Rückzugsgefechte, die verlorene Schlacht bei El Alamein und die unabwendbare Niederlage der Achsenmächte 1943 werden in einer schnöden Zwischensequenz abgehandelt. Es gibt von Anfang an keinen echten Überblick über den Verlauf der italienisch geführten Invasion, die im Desaster endete, keine Übersicht über Frontverlauf und Distanzen. Und: Es gibt keinerlei Einsicht in die Gedankenwelt der deutschen Soldaten, die sehr weit weg von zuhause in der glühenden Sonne von Libyen, Tunesien, Ägypten und Algerien einen völlig sinnlosen Kampf führen. Das ist schwach, wenn man denn schon eine deutsche Perspektive dieses Konfliktes einnehmen möchte. Die knappen Briefings springen ohne erkennbaren Zusammenhang atemlos von Schauplatz zu Schauplatz, bei denen Rommel dann die eine oder andere heißherzige Ansprache hält. Das Problem ist, dass Relic hier kaum Kontext zum Schauplatz liefert, was ich richtig schwach finde.
Inhaltlich zu oberflächlich
Beim Missionsdesign verlässt sich die knapp sechs- bis achtstündige Kampagne auf altbekannte Archetypen: Mal muss erobert, mal verteidigt werden. Mal dringe ich mit Panzertruppen auf einen Flugplatz vor, mal muss ich britische Minengürtel durchbrechen. Mal habe ich eine Basis und viele Rohstoffe, mal nur wenige Trupps zur Verfügung. Das funktioniert alles gut, die Skripte sitzen und viele Missionen sind dynamisch inszeniert, etwa wenn ein Gegenangriff erfolgt oder nicht enden wollende Panzerwelle auf meine Stellungen zurollen. Trotzdem findet sich kaum eine neue Idee – all das hat man so oder so ähnlich längst in den Vorgängern an West- und Ostfront gesehen. Selbst auf eine Abwandlung der Kälte-Mechanik aus Company of Heroes 2 wurde verzichtet, was sich im heißen Wüstensand sicher angeboten hätte. Ist das richtig schlecht? Nein. Aber so herausragend ist es sicher auch nicht.
Immerhin macht mir das Afrikakorps spielerisch Spaß, denn die mechanisierten Verbände der Wehrmacht mit aufgesessener Infanterie, Panzer-Stoßtruppen und hervorragenden Front-Mechanikern werden gut umgesetzt. Alle Panzergrenadiere können z. B. ihre Fahrzeuge reparieren, die Infanterie darf auf den Kampfpanzern mitfahren und es stehen historisch einigermaßen korrekte Fahrzeuge wie etwa das Sturmgeschütz 3, Ausführung D zur Verfügung. Zudem gibt es spezielle Bergefahrzeuge, die eigene, aber auch abgeschossene feindliche Panzer wieder flott machen können. Zusätzlich können über Kommandofähigkeiten auch italienische leichte Panzer, Ingenieure oder Feldhaubitzen angefordert werden, sodass beide Achsenmächte der Nordafrika-Kampagne auch auf dem Schlachtfeld vertreten sind. US-Truppen gibt es hier übrigens noch nicht, diese landeten erst im November 1942 im Rahmen der Operation Torch in Nordafrika.
Spielerisch ordentlich
Insgesamt wirkt die Story-Kampagne von Company of Heroes 3 wenig durchdacht und wie ein überhastet entworfenes Anhängsel, welches dem Thema nicht gerecht wird. Ja, die Missionen sind überwiegend unterhaltsam und das Afrikakorps als Fraktion ist mechanisch abwechslungsreich gestaltet. Insgesamt wäre hier aber viel mehr drin gewesen – denn auch in puncto Anspruch fühlt sich Nordafrika eher wie ein ausgedehntes Tutorial an.
Auf nach Bella Italia
Die Systeme sind dabei aber ungleich ausgefeilter als in den Ardennen: Auf einer großen Strategiekarte, die mit Städten, Häfen, Flugplätzen und Befestigungsanlagen aufwartet, bewege ich rundenweise alliierte Kompanien. Diese teilen sich nicht nur in US-Truppen und Britische Kräfte auf, sondern besitzen auch noch weitere Spezialisierungen – die Briten führen etwa indische Artillerie oder Panzerverbände ins Gefecht, während die Amerikaner Luftlandetruppen oder Sonderkommandos über die Karte bewegen. Genau wie im Gefecht muss ich auf der Übersichtskarte auf Rohstoffe und Einheitenlimit achten.
Abteilung marsch!
Innerhalb der Kompanien kann ich dann auch noch sogenannte Abteilungen ausbilden, die meinen Einheiten neue Spezialfähigkeiten verleihen, indem die Kampfgruppen u. a. mit Artillerie oder Infanterie aufgestockt werden. Dann kann ich zum Beispiel Artilleriestellungen errichten oder feindliche Kompanien durch Umzingelung bewegungsunfähig machen. Außerdem können meine Kampfgruppen Befestigungsanlagen errichten. Zudem gewinnt jede Kompanie im Echtzeit-Gefecht an Erfahrung, die in einem Fähigkeitenbaum in Einheiten-Upgrades, neues Kriegsgerät oder Spezialfähigkeiten umgemünzt werden kann. So darf ich etwa meine Trupps direkt befördert aufs Schlachtfeld rufen, meiner Panzer-Kompanie den Zugriff auf Churchill-Tanks ermöglichen oder die Artillerie-Fähigkeit verbessern. Die Upgrades bieten viele Möglichkeiten, was die Kampfkraft meiner Truppen deutlich verstärkt.
Doch das war’s immer noch nicht mit Anpassungsmöglichkeiten: In Italien konkurrieren Generäle von US-Truppen und Briten um meine Aufmerksamkeit. Immer wieder kann ich mich entscheiden, welche taktische Marschrichtung ich einschlagen möchte – meist geht es dabei um die Wahl zwischen schnellen Vorstoß oder der systematischen Sicherung meiner Versorgungsrouten. Auch werden immer wieder Nebenaufgaben eingestreut, etwa wenn ich eine abgeschossene Bomber-Besatzung hinter feindlichen Linien retten muss. Die Loyalität der Generäle gibt mir passive Upgrades für meine Truppen – dazu kommt der italienische Widerstand, der mir ebenfalls immer mal wieder neue Ziele setzt. Die Mechanik ist interessant, da sie den Verlauf der Kampagne immer wieder verändert und Ziele abseits der Hauptroute setzt.
Loyalität ist alles
Einzigartige Missionen und repetitive Gefechte
Das ermüdet mit der Zeit, auch weil sich die KI auf dem normalen Schwierigkeitsgrad wirklich nicht besonders schlau anstellt. Das gilt auch für die Strategiekarte, auf der die KI zu passiv agiert und offensichtliche Schwachstellen nicht mit aggressiven Vorstößen ausnutzt. Immerhin spiele ich durch die Varianz zwischen den Kompanien aber immer wieder mit anderen Subfraktionen, habe unterschiedliche Einheiten und Fähigkeiten zur Verfügung. Trotzdem fühlen sich die Gefechte nach 15 Stunden irgendwann repetitiv an. Klar, viele der Schlachten könnten auch simuliert werden, allerdings stelle ich mich im Feld oft besser an, als es der errechnete Ausgang suggeriert. Zudem gibt es oft Bonus-Belohnungen, die eine manuelle Ausführung der Schlachten lukrativer machen.
Auch technisch zeigt sich die Italien-Kampagne manchmal etwas wankelmütig. Zwar ist die Strategiekarte schick aufgemacht, die mittelitalienische Landschaft mit ihren schroffen Bergen, kleinen Dörfchen und dem strahlend blauen Wasser der Adria ist gut getroffen, aber bei Effekten und Strukturen wäre sicher noch mehr Detailverliebtheit drin gewesen – erst recht, wenn man sich die Karte von Total War Warhammer 3 anschaut. Gleichzeitig leidet die Strategie-Ansicht unter Performance-Problemen – das Spiel kommt hier auch auf durchschnittlich leistungsfähigen Systemen mit Ryzen 5 3600 und GeForce RTX 3070 gerne mal an seine Grenzen, obwohl gerade eigentlich kaum etwas auf dem Bildschirm passiert. Das ist merkwürdig und wird hoffentlich in einem baldigen Patch ausgebügelt.
Performance-Probleme
Fazit
Company of Heroes 3 ist ein ganz merkwürdiges Spiel: Streichen wir die quatschige Story-Kampagne, die für mich kaum mehr ist als ein ausgedehntes Tutorial, bleibt mit Multiplayer und Italien-Feldzug richtig gute Echtzeit-Strategie, die sich beinahe genauso anfühlt wie und etwas besser aussieht als der fast zehn Jahre alte Vorgänger, der immer noch aktiv gespielt wird. Die mechanischen Neuerungen bleiben im Detail der Fraktionen verborgen, die sich dadurch immerhin angenehm frisch und neu anfühlen – wäre das hier eine Company of Heroes 2 Erweiterung. Ja, die Italien-Kampagne bietet einige coole Kniffe, ich frage mich nur, ob man hier nicht eher auf eine prozedurale Map-Generierung hätte zurückgreifen sollen, um die immergleichen Gefechte gegen die KI auch nach dutzenden Stunden interessant zu halten. Und selbst der visuelle Sprung hält sich in Grenzen. Ja, alles sieht besser aus, die Effekte knallen mehr, die Physik ist deutlich überzeugender und die Einheiten sind detaillierter, aber das ist ja mit dem zeitlichen Abstand auch irgendwie zu erwarten. Und ja, Company of Heroes 3 spielt sich wirklich richtig gut. Ich hätte mir von Relic nur deutlich mehr Mut zum Wandel gewünscht. Die darbende Echtzeit-Strategie hätte einen neuerlichen AAA-Schub wie 2006 dringend gebraucht.
Pro
- brachial inszenierte Echtzeit-Strategie
- gewohnt starke Trupp-Taktik
- gute Kulisse mit viel Effekt-Bombast ...
- viel Umfang
- interessante Italien-Kampagne mit 4X-Flair
- vier Fraktionen
Kontra
- zu kurze, inhaltlich schwache Story-Kampagne
- kaum spielerische Änderungen zum Vorgänger
- ... bei der der Sprung zum Vorgänger dennoch größer sein könnte
- viele repetitive Gefechte in Italien
- wankelmütige Performance auf der Strategiekarte
- KI ist auf "normal" nicht besonders gefährlich
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Zum Start sind bei Company of Heroes 3 keine Mikrotransaktionen vorhanden. Allerdings sind alle Grundlagen für kaufbare Skins oder Kommandeure vorhanden.
- Es gibt keine Käufe.