Wo Long - Fallen Dynasty - Test, Rollenspiel, PlayStation4, XboxOne, XboxSeriesX, PC, PlayStation5, PlayStation4Pro
Eines kann man der Team-Ninja-Entwicklungsabteilung von Publisher Koei Tecmo sicherlich nicht vorwerfen: Mit insgesamt drei spielbaren Demos haben die Japaner ihr neues Schnetzel-Epos schon recht früh zum Ausprobieren vorgestellt und damit eine breite Brust bewiesen. So muss kein Spieler die Katze im Sack kaufen oder weiß gar nicht, was ihm im Spielverlauf blühen könnte. Im Kern wissen Kenner der Nioh-Serie natürlich sowieso, was in Wo Long: Fallen Dynasty zu erwarten ist – dass als Titel dennoch nicht Nioh 3: China Edition gewählt wurde, sorgt nach ausgiebiger Spielzeit für Fragezeichen. Zwar kommt Wo Long aufgrund einiger Design- und Mechanik-Entscheidungen bedingt auch für Genre-Neulinge in Frage, ob das gleich eine gänzlich neue Marke rechtfertigt, ist aber nur teilweise nachvollziehbar.
Den kenne ich doch?
Leichter Schlag, schwerer Schlag, Ausweichen, Blocken. Die typische Abfolge im Leben einer Soulslike-Spielfigur. Der namenlose Held in Wo Long verfügt auch über die Fähigkeit, gegnerische Angriffe mit perfektem Timing zu kontern – auch das ist hinlänglich bekannt, nahm in den Spielen der Ninja-Gaiden-Erfinder aber noch niemals zuvor eine derart zentrale Rolle ein. Nur per Parry können die verschiedenen großen, kleinen und ganz großen Gegner in einen Schockzustand versetzt werden, der eine krachende Superattacke ermöglicht, welche den Lebensbalken des Fieslings empfindlich tangiert. Das gilt umgekehrt natürlich auch in ähnlicher Form: Schnödes Blocken oder das Verpeilen eben dieser Maßnahme lässt den orangefarbenen Balken unterhalb der eigenen Gesundheitsanzeige stetig ansteigen. Ist er voll, sieht auch der Freiheitskämpfer Sterne und bietet dem Gegner ein großes Fenster für meistens endgültige Hiebe. Zum Glück sorgen in Anzahl und Wirkungsgrad auflevelbare Heiltränke für Linderung – zu Beginn des Spiels stehen dem Spieler allerdings nur drei läppische Schlückchen des Drachen-Gebräus zur Verfügung.
Du sollst parieren!
Der Weg bis zum ersten Boss ist bis auf einen etwas zu moralgestärkten Tiger relativ locker machbar – ihr kennt
das Spiel: Gegner möglichst einzeln anlocken, draufhauen, parieren, Drops einsammeln und ...der nächste bitte! Die paar Soldaten und Zombies sind kein Hindernis, ein unterwegs aufgegabelter CPU-Mistreiter hilft, so es seine Augenbinde zulässt. Ah! Da hinten, das ist doch ganz sicher die Arena des ersten Bosses. Also noch fix den Speicherpunkt aktiviert und rein da. Doch, was ist das? In den ersten fünf Versuchen segnet der Spieler schneller das Zeitliche, als er „Wo Long“ sagen kann. Hier haben die Entwickler also ganz bewusst den ersten Türsteher platziert, der es dem Spieler förmlich einprügeln soll, wie und wann mit dem Parier-Manöver zu verfahren ist. Das ist aufgrund des viel zu einfachen Vorspiels im Dorf schon eine echte Hürde, ungeduldige Naturen bekommen bereits an dieser frühen Stelle ihr Fett weg.Ist die erste Anspannung verflogen und der wehrhafte Bursche nach zahlreichen Versuchen besiegt, gibt es gleich mehrere Gründe zur Freude. So kann der Spieler von nun an auf Wunsch einen Online-Koop-Partner herbeirufen – und das ganz ohne den ungeliebten, weil komplett unnötigen Einsatz von Tassen, Kräutern, Pflanzen oder sonstigem Sammelkram. Zudem kann das komplette Spiel (bis auf die Dojo- und Herausforderungseinsätze in der Hubwelt) nahtlos und ohne Rausschmisse mit einem Freund absolviert werden – eine ganz klare Verbesserung zu allen Koop-Varianten, die es bisher in einem Soulslike zu erleben und zu erleiden gab. Der nächste Grund zum Jubeln ist ein netter, mechanischer Kniff, der in Wo Long Einzug hält: das Moralsystem. Jeder Gegner trägt über seinem Kopf eine Zahl, die anzeigt, wie hoch seine Moral ist. Liegt der eigene Wert ein, zwei Punkte darunter, ist ein Sieg schwieriger zu erringen, aber machbar. Bei zehn oder mehr Punkten Unterschied, ist ein von Erfolg gekröntes Unterfangen praktisch aussichtlos.
Die Moral von der Geschicht
Neben dem Einsatz verschiedenster Hieb- und Stichwaffen, spielt in Wo Long auch die Zauberei eine große Rolle: Die Sprüche und damit einhergehenden Spezialfähigkeiten sind in die Sparten Feuer, Wasser, Blitz, Holz und Erde aufgeteilt. Beim Aufleveln und Einsetzen der erspielten Seelen, die von gefallenen Gegnern gewonnen werden, stehen dem Spieler also auch verschiedene Talentbäume zur Auswahl, mit denen die so erkauften magischen Spezialangriffe auf die Buttons gelegt werden können. Je mehr Punkte in einer Sparte vergeben wurden, desto durchschlagskräftiger sind Attacken wie Blitzgewitter, Feuerbälle, aus dem Boden schießende Stacheln und vieles mehr. Auch die freundlichen Helfer-Dämonen, die nicht nur in Notsituationen eine große Hilfe sind, orientieren sich an den genannten Elementen und belohnen den Einsatz vieler Punkte in die passende Sparte mit Zauberkräften, Attacken oder kurzzeitigen Buffs – bei nicht wenigen Bosskämpfen stellt das Herbeirufen der hilfreichen Geister natürlich das Zünglein an der Waage dar.
Sching, Schang, Schong
Und weil die Japaner, das Messer-Stein-Schere-Papier-Prinzip augenscheinlich so sehr lieben, ist der Einsatz des
passenden Gegen-Elements bei Endbossen, die mit Blitzen, Feuer, oder Erdbrocken um sich werfen, noch einmal extra-wirksam. Wie oft der Spieler die Geister herbeirufen kann, wird über einen Cooldown gesteuert. Ist das Feld voll, kann gezündet werden – wie schnell es sich füllt, hängt von den Parier-Künsten und der Art der Waffe ab, die der Spieler führt. Als Faustregel gilt hier: Je schwieriger es ist, mit einer Waffe zu parieren, desto schneller füllt sich das Feld für das Herbeirufen des Helfer-Dämons bei erfolgreichem Parry. Mit einem simplen Trick, den wir in den Tipps zum Einstieg erwähnen, sind viele, äußerst brenzlige Situationen, deutlich besser zu meistern.Während der Spieler also alleine, im Online-Koop, mit CPU-Begleitung oder mit beiden Helfer-Arten durch verschiedene Umgebungen wie schummrige Tempelanlagen, blutgetränkte Schlachtfelder, felsige Labyrinthe, nur scheinbar verträumte Gärten und weitere, Nioh-typische Umgebungen stapft, wird von besiegten Gegnern Kram eingesammelt. Viel Kram, mehr Kram und dann noch mehr Kram. Schon nach ein bis zwei Spielstunden ist der bodenlose Rucksack prall gefüllt – wenn es nur nicht so viele Doubletten wären. Fünf gelbe Turban-Bandanas, zehn Offiziers-Rüstungen, acht baugleiche Beinschoner – soweit das Auge reicht, reihen sich neben sechs Hämmern noch drei Kriegskeulen und neun verschiedenen Doppelklingen ein. Nioh-Kenner wissen um das wirklich nervige Problem der stundenlangen Haushaltsführung abseits der Einsätze und auch in Wo Long machen die Entwickler keinen Hehl daraus, dass ihnen nichts Besseres einfällt, um den Spieler an Geld und Materialien für den Kauf, Herstellung und Verbesserung der Ausrüstung zu bringen.
Ich mülle dich zu!
Nicht nur die recht durchschnittliche Optik, auch die dahinterliegende Technik, ist in einigen Fällen nicht ganz auf der Höhe der Zeit – und damit ist nicht das China des Jahres 184 nach Christus gemeint. Selbst im Performance-Modus auf der Testplattform PlayStation 5 hat das Spiel mit seltenen Rucklern, hereinploppenden Gegnern und Umgebungsdetails wie Felsen oder Gebäuden zu kämpfen. Auch eine Option für einen 120 Hertz-Modus (HFR) sucht man vergebens, obwohl das den schnellen Kämpfen verdammt gut zu Gesicht stehen würde. Dazu kommt eine Gegner-KI, die zwar Sinn ergibt, aber nicht gut in den Spielablauf und die vorherrschenden Mechaniken – wie etwa das Heranschleichen – integriert wurde. Wie üblich haben die Gegner ein Sichtfeld und erst wenn der Spieler nahe genug herangeht, triggert das auch die Aggro des Feindes – so weit, so bekannt. In Wo Long ist dieses Sichtfeld aber deutlich zu kurz geraten. Nicht selten steht der Spieler schon direkt vor einem Gegner, ohne gesehen zu werden. Eigentlich ganz erfreulich, in vielen Fällen raubt dieser Umstand aber jegliche Immersion oder das Gefühl es mit einem gefährlich aufmerksamen Angreifer zu tun zu haben.
Ein Patch es zu richten?
Wie gesagt, das ist aus fast allen Soulslikes exakt so bekannt, in Wo Long ist dieser Threshhold aber etwas zu
kurz geraten und sorgt eher für verwunderte Lacher als für Anspannung am Gamepad. Für die sorgt dann umgekehrt sehr sonderbare und knallharte Spitzen im Schwierigkeitsgrad: Ist schon der erste Boss wirklich seltsam schwer (eigentlich zu schwer, um so früh im Spiel aufzutauchen), gibt es auch im späteren Verlauf wieder echte Klopper. Da putzt der gut gerüstete Spieler im ersten Versuch, drei vier oder sogar fünf Bosse nacheinander ohne allzu große Probleme von der Platte, nur um sich dann an einem Punkt wiederzufinden, an dem er für mindestens zehn Anläufe absolut keinen Stich sieht. Ich schaue auf dich, Lu Bu! Will Wo Long nun dafür sorgen, dass weniger frustgestählte Spieler hier auch mal Land sehen und sich das Spiel besser verkauft als Nioh, oder doch nicht? Es bleibt ein Ratespiel.Fazit
Das im Vergleich zu den Vorgängern entschlackte und dank des Fokus auf das Parieren sehr wuchtige Kampfsystem samt pfeilschneller Animationen und schicker Ketchup-Fontänen sorgt nicht nur bei Soulslike-Fans und Freunden der Pang Brothers für Begeisterung. So müssen Schwertkämpfe per Gamepad aussehen und sich spielen. Einmal im Flow wird der Spieler zu einer echten Kampfmaschine – die entsprechenden Reflexe vorausgesetzt. Dann fallen die Gegner wie die Fliegen und auch die meisten Bosse werden optisch eindrucksvoll in den Boden gerammt. Warum die Entwickler allerdings im Vorfeld ein derart riesiges Buhei darum gemacht haben, dass Wo Long statt in Japan nun in China spielt, erschließt sich nicht. Bis auf das Setting wirkt das Spiel an allen Ecken und Enden wie eine logische und konsequente Weiterführung von Nioh 2 – und spielt sich fast genauso. Das muss sicherlich nichts Schlechtes bedeuten, aber die Einführung eines netten Moralsystems und einiger gestraffter Spielelemente samt großem Fokus auf punktgenaues Parieren, kann nicht über die etwas angestaubte Technik und andere Bereiche hinwegtäuschen, in denen grobe Einfallslosigkeit herrscht. Für die seitens Team Ninja geplante Wiederauferstehung von Ryu Hayabusa wäre also ein bisschen mehr Mut, Finesse und wirklich frische Ideen absolut wünschenswert.
Pro
- schnelle, wuchtige Kämpfe
- fantasievolle Bossgegner
- zackiges Parry-System
- lange Spieldauer
- bedingt für Einsteiger geeignet
- nahtloser Online-Koop
Kontra
- wenig echte Neuerungen
- viele Dejá-vu-Momente
- krasse Spitzen im SKG
- unendliche Dopplungen von Waffen und Rüstungen
- recycelte Spielgebiete für Nebenaufgaben
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