Street Fighter 6 - Test, Prügeln & Kämpfen, XboxSeriesX, PC, PlayStation5, PlayStation4, XboxOne
Street Fighter 6: Aller Einstieg ist leicht
Im Kern bleibt Street Fighter 6 traditionell: Zwei Kämpfer treten gegeneinander an und verprügeln sich mit Combos und effektgespickten Spezialattacken, bis nur noch einer steht oder die Zeit abgelaufen ist. Mit 18 Charakteren und 16 Stages ist das Spiel zum Start gut aufgestellt. Elf Charaktere sind aus älteren Titeln bekannt, unter den sieben Neuzugängen befindet sich auch Luke, der als besonders einsteigerfreundlicher Kämpfer konzipiert ist und auf klassische Shoto-Recken wie Ryu oder Ken vorbereitet: Mit Viertelkreis-Moves und einer Combo, für die man lediglich viermal dieselbe Taste drückt, öffnet er die Pforte zu den komplexeren, recht unterschiedlichen Kampfmechaniken des übrigen Kaders.
Als weitere Hilfestellung bietet Street Fighter 6 neben der traditionellen Sechsknopf-Steuerung zwei weitere Modi an: modern und dynamisch. Die moderne Variante reduziert die sechs Angriffsbuttons auf drei, das Spiel wählt eigenständig Schläge und Tritte. Ein vierter Button ist für Specials reserviert, die neuen Drive-Mechaniken liegen auf den Schultertasten. Als Preis für Komfort und Hilfestellung fehlt hierbei freilich ein großer Teil des Angriffs-Repertoires. Die dynamische Steuerungsvariante greift noch mehr ein und ist deshalb nur für Offline-Begegnungen erlaubt: Drei Angriffsbuttons, einer pro Angriffsstärke. Je nach Situation und Position kann das bereits ein leichter Angriff Schlag, Schuss, Tritt oder Wurf sein. Overdrive-Specials kommen zuverlässig auf Knopfdruck, kosten aber Energie. Kombiniert mit den klassischen Handicap-Einstellungen findet so jede Spieler-Paarung endlich die richtige Balance.
Die vereinfachten Steuerungsmöglichkeiten sind aber nur ein Aspekt von Capcoms Bestreben, neue Spielerschichten anzufixen. Im Folgenden betrachten wir die drei Säulen von Street Fighter 6, mit denen euch Capcom vom Einsteiger zum Profi machen möchte: World Tour, Fighting Ground und Battle Hub.
Der World Tour Modus richtet sich an Neulinge in der Welt des Straßenkampfs und ist nicht weniger als ein 20-30-stündiges Rollenspiel, das mit einem enorm umfangreichen Charakter-Editor beginnt, bei dem ihr euch vom Verhältnis von Muskelmasse und Definition bis hin zum Winkel des Nasenlochs austoben dürft, zeitgemäß bestimmt ihr Erscheinungsbild, Geschlecht und Stimme unabhängig voneinander. Weil man hier locker Stunden verbringen kann, erleichtert das Spiel die Entscheidung durch eine Reihe von Vorschlägen und Zufallsgeneratoren. Ob Ihr euch selbst originalgetreu nachbaut oder bizarr deformierte Monster erschafft, bleibt eurer Kreativität und Geduld überlassen. Bloß die Haare sind unansehnlich und die Auswahl an Frisuren zu gering, immerhin lässt sich bei den meisten die Haarlänge anpassen. Spätere Veränderungen am Aussehen sind beim Kosmetiker für kleines Spielgeld möglich.
Fade Weltreise
Auf der Suche nach Stärke und einem Sinn fürs Kämpfen erkundet ihr mit eurem Avatar Metro City. Richtig, die Stadt aus Final Fight, in der Bürgermeister Haggar die letzten Jahre das Verbrechen bekämpfte und nun Gangster Thrasher Damnd mit der Mad Gear Gang sein Unwesen treibt – eingefleischte Capcom-Fans bekommen hier ihre Portion Arcade-Nostalgie! Erkundet die Straßen bei Tag und Nacht, erledigt Botengänge, geht Shoppen, verbessert und färbt Kleidung, messt euch im Duell mit Passanten oder reist um die Welt, um bei legendären Straßenkämpfern in die Lehre zu gehen. So steigt ihr allmählich im Erfahrungsrang auf, werdet stärker und erlernt neue Stile und Spezialattacken. Besucht eure Lehrer regelmäßig und erweist ihnen mit Geschenken eure Aufwartung, um Beziehungen zu pflegen, wodurch sie euch weitere Angriffe beibringen und im Kampf zu Hilfe eilen. Mit der Zeit erspielt ihr mehrere Slots für Spezialattacken eurer Meister, die ihr frei mischen dürft. Mit Chun Lis Spinning Bird Kick gepaart mit Blankas Elektroschocker, Dee Jays Schuss und Kens Uppercut ist man für die meisten Fälle ganz gut gewappnet, unterwandert aber jede Spielbalance. Das Erspielen neuer Moves dauert eine gefühlte Ewigkeit und man kloppt sich endlos durch selten anspruchsvolle Kämpfe.
Unabhängig von Grafik- oder Leistungsmodus gibt es einen Regler für verringerte Eingabeverzögerung. Er deaktiviert V-Sync, was für permanentes Tearing sorgt – ein hoher Preis dafür, dass der Effekt in der Stadt ohnehin keine Rolle spielt. Die Hintergrundmusik dudelt derweil belanglos vor sich hin und die wenigsten Gespräche sind vertont. Meist raunen die Figuren irgendwelche Phrasen, während der eigentliche Dialog mit meinem stummen Protagonisten in Textkästen stattfindet.
Für Kämpfe wechselt das Spiel in die klassische Seitenansicht und konfrontiert euch meist mit mehr als einem Kontrahenten gleichzeitig. Erfüllt ihr dabei bestimmte Voraussetzungen, prügelt ihr besondere Beute und Rohstoffe aus den Gegnern. Das Herumexperimentieren mit dem eigenen Avatar und die Loot-Spirale locken, allerdings dürfte es Spieler mit ernsteren Ambitionen bald in Richtung Fighting Ground ziehen.
Falls ihr tiefer in die Mechaniken von Street Fighter 6 eintauchen möchtet, hält der Fighting Ground alles bereit, was das Herz begehrt. Ein Arcade-Modus erzählt in Standbildern über fünf bzw. zwölf Runden von der jeweiligen Motivation des Kämpfers, aufgelockert von einem Minispiel, in dem ihr einen Truck zertrümmert. Als Belohnung schaltet ihr viele alte und neue Artworks frei.
Im Herzen des Kampfs
Häppchenweise aufbereitete Tutorials demonstrieren sämtliche Moves, die ihr anschließend umsetzen müsst. Außerdem studiert ihr in charakterspezifischen Leitfäden Eigenheiten eurer Attacken und lernt deren optimalen Einsatz kennen, im Training passt ihr schließlich alle nur vorstellbaren Parameter an euren Bedarf an: Übt Angriffe in Zeitlupe, zeichnet Bewegungsabläufe auf und studiert Framedaten und Schadenswerte, um schließlich knackige Combo-Prüfungen zu bestehen.
Um das Erlernte unter Beweis zu stellen, besucht ihr nebenan im Fighting Ground den klassischen Versus-Modus, wo ihr Kämpfe gegen menschliche oder computergesteuerte Gegner austragt. Im Teamkampf lassen sich sogar kleine Party-Turniere mit bis zu zehn Spielern organisieren. Für eSports-Flair sorgen dabei zuschaltbare Kommentatoren, die ihre Arbeit zwar ordentlich machen, angesichts der ohnehin schon vorhandenen Reizdichte aber bald nerven. Noch vor Stage- und Kämpferauswahl zeigt sich hier ein – vielleicht recht subjektives – Manko des Spiels. Insbesondere, weil Street Fighter 6 für jede erdenkliche Kleinigkeit eine Einstellmöglichkeit hat, fällt das Fehlen dieser einen ganz besonders auf: Es ist nicht möglich, die Rundenzeit auf Unendlich zu stellen, um Timeouts zu vermeiden. Bitte unverzüglich patchen! Und wo wir schon dabei sind: Im Charakter-Screen wäre es klasse, wenn man Move-Listen studieren könnte, solange der Mitspieler noch seinen Kämpfer auswählt. Dafür gibt’s eine kleine Unterhaltungseinlage im Ladebildschirm: Per Richtungstaste ändern die Kämpfer ihren Gesichtsausdruck und gucken ernsthaft, zornig oder auch mal reichlich doof.
Normale Schläge und Tritte sowie Combos erfordern lediglich die korrekte Eingabe der Tastenfolgen, bei den Spezialattacken folgt Capcom dem Weg von Street Fighter V und vereinfacht: Für Blankas Stromattacke, Hondas Handkantengewitter und Chun-Lis Blitzkicks müsst ihr nicht wie früher Tasten hämmern, sondern zieht nun in Shoto-Manier Viertelkreise, ansonsten setzen sie wie Guile weiterhin auf aufladbare Charge-Angriffe. Dadurch steuern sich die meisten Charaktere oberflächlich zwar ähnlicher, weil die Moves grundsätzlich ähnlich ausgeführt werden, jeder der 18 Kämpfer bringt aber zahlreiche Eigenheiten mit, selbst Ryu und Ken spielen sich unterschiedlicher denn je.
Kampfsystem mit Drive
Was in Street Fighter IV noch Focus Attack und im Nachfolger V-Trigger hieß, nennt Street Fighter 6 nun schlicht Drive. Darunter fasst Capcom eine Vielzahl defensiver und offensiver Möglichkeiten zusammen, die dem fulminanten Faustballett den nötigen... nun ja... Schwung geben sollen. Sämtliche Drive-Manöver speisen sich aus einer grünen Energieleiste, gut sichtbar angebracht unter der Lebensenergie und gegliedert in sechs Abschnitte.
Farbenfroher Fausthagel
Neben Overdrive, Parry und Rush ist Drive Impact die vierte Mechanik rund um die grüne Anzeige: Ähnlich wie die Focus Attack in Street Fighter IV aktiviert ihr den Splatoon-artigen Spezialeffekt mit zwei Tasten und durchdringt damit sogar bis zu zwei feindliche Hiebe, ehe ihr selbst einen verheerenden Treffer landet. So angeschlagene Kontrahenten taumeln oder prallen an Wänden ab, sodass ihr mit fast allem nachlegen könnt, was das Repertoire hergibt – all das für den schmalen Preis von nur einem grünen Balken. Ausgenommen sind erneut lediglich Würfe. Dafür eignen die sich hervorragend, um gegnerische Drive Impacts zuverlässig und mit großem Zeitfenster abzuwehren. Alternativ kontert ihr rechtzeitig mit einem Drive Reversal – also einem eigenen Drive Impact.Bei der Vielzahl der Einsatzmöglichkeiten solltet ihr die Drive-Anzeige immer im Blick behalten. Sie füllt sich zwar von alleine, ist sie jedoch komplett leer, wird euer Kämpfer blass und wechselt für einige Sekunden in den Burnout-Modus. Bis die Leiste wieder voll ist, fehlen etliche Moves und ihr seid geschwächt – nur in diesem Zustand gibt es in Street Fighter 6 beim Blocken Chip-Damage!
Von den neuen Drive-Mechaniken abgekoppelt sind die Super Arts. Im Prinzip sind sie nichts anderes sind als altbekannte Super Specials, allerdings mit neuem Kniff und eigenem Energievorrat: Jeder Kämpfer hat drei unterschiedlich starke Attacken, die eine entsprechende dreistufige Anzeige am unteren Bildrand erfordern – entscheidet nach Bedarf, ob ihr einen schwachen Super Arts mehrmals oder den starken nur einmal ausführen wollt!
Als kleine Auflockerung zwischendurch gibt es im Fighting Ground noch den Spielmodus „Extremer Kampf“. Sechs verschiedene Regelwerke variieren die Anforderungen an den Sieg. Haut den Gegner fünf Mal um, teilt euch eine gemeinsame Energieleiste oder erledigt zuerst alle eingeblendeten Aufgaben. Für noch mehr Variation sorgen Gimmicks wie ein wilder Stier, Elektroschocker oder Bomben.
Next Gen-Prügeln
Die getestete PS5-Version von Street Fighter 6 erscheint in Deutschland als regulärer Datenträger sowie digital in drei verschiedenen, aber allesamt verstörend komplizierten Paketen: Die Standard Edition für 69,99 Euro umfasst das Spiel samt Farbe 10 für Outfit 1 von sechs Charakteren sowie Titel und Sticker. Verwirrender noch die Deluxe Edition für 94,99 Euro, die ein Jahr Charakter-Pass mit vier Kämpfern sowie die Kostümfarben 3-10 und 4.200 Drive Tickets drauf packt. Die Ultimate Edition für 114,99 Euro hat noch mehr Kostüme, Farben und Drive Tickets und immerhin zwei zusätzliche Stages. Alles nicht so spannend, dafür mit völlig beliebiger Preisgestaltung.
Verstörend viele Versionen
Update zum Battle Hub und den manischen Mikrotransaktionen
Fazit
Seit Street Fighter IV war ich nicht mehr so begeistert von Capcoms Prügelreihe, denn das Herzstück, die Kämpfe, trifft die richtige Balance aus Zugänglichkeit und Tiefgang – selbst nach gut 40 Stunden Spielzeit kratze ich bei den meisten Kämpfern noch an der Oberfläche. Klar ist: Insgesamt spielt sich Street Fighter 6 dank des neuen Drive-Systems offensiver als seine Vorgänger. Weil die Ladezeiten für Rematches bemerkenswert kurz ausfallen, lasse ich mich gerne zu weiteren Runden motivieren. Dass unter den Neuzugängen keiner dabei ist, der mich optisch anspricht, ist Geschmackssache, dabei deckt der Kader von Zonern über Grappler, Charger und Shotos alle spielerischen Facetten ab. Dass sich von der Electro-Hip-Hop-Musik kein Charakter-Thema im Ohr festsetzt, ist schade. Zwiespältig finde ich die altbackene, zähe World Tour, in die offensichtlich zu wenig Zeit und Geld geflossen ist. Unerfreulich finde ich die auf verwirrende Begrifflichkeiten ausgelegten Mechanismen zur Monetarisierung. Man blickt nicht mehr durch und kauft im Zweifelsfall sicherheitshalber das teuerste Paket – 45 Euro für noch unbekannte digitale Inhalte, vier Kämpfer und zwei Stages finde ich willkürlich und dreist. Das machen Mitbewerber zwar auch, es wird dadurch aber nicht okay! Auf der anderen Seite verdient Capcom großes Lob für die Anstrengungen, die Hürden für Anfänger zu minimieren und fortgeschrittene Spieler mit einer Vielzahl an Übungsmöglichkeiten zu fördern – alleine dafür zücke ich die 90!
Pro
- exzellente Spielbarkeit
- umfangreicher Kader
- läuft in Kämpfen stabil mit 60 fps
- Online Cross Play
- zahllose Optionen und Komfort-Features
- drei Steuerungs-Modi für Anfänger
Kontra
- hässliche, langatmige World Tour
- Soundtrack ohne Wiedererkennungswert
- überfrachtete Menüstruktur
- Grind und Mikrotransaktionen
- keine unbegrenzte Rundenzeit
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Digitale Deluxe und Ultimate Edition für 94,99 beziehungsweise 114,99 Euro mit zusätzlichen Kostümen, Farben, Drive Tickets, gegebenenfalls Stages und dem Season Pass, der über Zeit neue Kämpfer ins Spiel bringt und auch separat erhältlich ist. Zusätzlich Echtgeld-Einsatz für eine virtuelle Währung, die für den Kauf von Kleidung eingesetzt wird, die optische Vorteile bietet, keine spielerischen.
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.