System Shock - Test, Rollenspiel, Mac, Linux, PC, XboxOne, PlayStation4, Spielkultur
Wir schreiben das Jahr 2023: Die künstliche Intelligenz versucht, die Kontrolle über die Menschheit an sich zu reißen. Doch wir sprechen hier keineswegs von ChatGPT und Co. - SHODAN, das Sentient Hyper-Optimized Data Access Network, wagt mit dem System Shock Remake nach 30 Jahren einen erneuten Angriff auf unsere Spezies.
System Shock Remake: Eine erschreckend realistische Zukunftsvision
Schon als automatisierte Chat-Bots, künstlich-künstlerische Intelligenzen wie Midjourney oder – im entfernteren Sinne – Saug- und Wischroboter noch ferner Zukunftsmusik glichen, an die in ihrer tatsächlichen Form wohl kaum jemand gedacht hätte, erkannten die kreativen Köpfe der damaligen Zeit bereits die potenziellen Gefahren, die von ihnen ausgehen können. Ebendiese nutzten sie als Stoff für schaurige Sci-Fi-Szenarien, die sie wiederum im Gewand der Film- und Videospielkunst auf mal mehr mal weniger kreative Art verpackten.
Eine wahrhaftige Ausgeburt der seit Jahrzehnten vorherrschenden AI-Angst ist auch SHODAN, die künstliche Intelligenz, die für die nahezu vollständige Organisation und Überwachung der Citadel Station, auf der wir uns in auch im Remake wiederfinden, verantwortlich ist. Nachdem wir sie zu Beginn des Spiels unfreiwillig von ihren „problematischen“ ethischen Beschränkungen befreien, dreht SHODAN nämlich völlig durch und versucht, die Macht über den Planeten Erde und seine Bewohner gewaltsam zu erlangen. Und genau dies gilt es, in System Shock zu verhindern.
Nachdem ich vor dem ersten Start des Spiels noch ein paar Regler im Menü für die Lautstärke, die grafische Qualität sowie den für die einzelnen spielerischen Teilbereiche separat festlegbaren Schwierigkeitsgrad verschiebe, werde ich in eine der wenigen Zwischensequenzen, die das System Shock Remake zu bieten hat, katapultiert. Aus der Sicht einer Art Kameradrohne, die mich durch die Häuserschluchten von New Atlanta, vorbei an fliegenden Autos, trägt, erfahre ich über das Radio zunächst ein paar grundlegende Eckdaten zum Setting, in dem ich mich wiederfinde. Wir schreiben den April des Jahres 2072 und bei Temperaturhöchstwerten von 28 Grad feiert die TriOptimum Corporation das zehnjährige Bestehen der Citadel Station – einer Vorzeigeraumstation, die ihren Fokus auf Robotik, künstliche Intelligenz und Pharmazeutik gelegt hat.
Starkes Space-Setting mit viel Liebe zum Detail
Edward Diego, seines Zeichens Vizepräsident bei TriOptimum, bedankt sich bei allen Mitarbeitern für einen wahren Meilenstein der Menschheitsgeschichte, der seit einer Dekade autarkes Leben und Arbeiten in der Umlaufbahn L6 des Saturns möglich macht. Es folgt eine Stellenanzeige für neue Mitarbeiter, die motiviert sind, die Menschheit mithilfe der Forschung noch weiter voranzutreiben – dass es sich dabei letzten Endes um nicht mehr als freiwillige Versuchskaninchen für SHODAN handelt, wird natürlich verschwiegen.
Am Fenster eines Appartements angekommen, werde ich aus der Drohnensicht geworfen und finde mich in der Haut eines unbenannten Protagonisten wieder. Im Inneren seiner Wohnung wage ich die ersten Schritte, während ich die mit viel Liebe zum Detail gestaltete Retro-Sci-Fi-Kulisse bewundere. Eine Lavalampe neben dem Bett sorgt für warmes Licht, während die coolen Poster an den Wänden, der Handheld sowie eine SNES-ähnelnde Spielekonsole (mitsamt beiliegendem „NES Zapper“-Verschnitt – Nintendos Pistolen-artigem Shooter-Controller) zum gemütlichen Zeitvertreib einladen.
Nachdem ich mich im vermutlich gängig eingerichteten Zukunfts-Zimmer eines jungen Erwachsenen des Jahres 2072 ausgetobt habe, geht es aber an die Arbeit: Ich betätige eher zufällige den Laptop auf dem kleinen Schreibtisch, der Küche von Wohnzimmer trennt und versuche, mich in das System von TriOptimum beziehungsweise der militärischen Abteilung der Citadel Station einzuhacken und einen Download zu starten, ehe nur wenige Sekunden später eine Spezialeinheit des Großkonzerns in meiner Bude steht und mir ihre Red Dot-Visiere ins Gesicht hält.
Zwischen biologischem Befall und bedrohlichem Bergbau-Laser
Entsprechend erzürnt reagiere ich mit einer eher anzüglichen Geste, die für mich eine Bekanntschaft mit dem Gewehrgriff, die mich ausknockt sowie eine direkte Verhaftung zur Folge hat. Als ich wieder zur Besinnung komme, finde ich mich nicht in meinen gemütlichen Gemächern, sondern einem pompös eingerichteten Büro der TriOp Corporation wieder. Hier treffe ich auch schon auf Edward Diego höchstpersönlich – nun ja, zumindest fast, denn er spricht zu mir über ein holografisches Abbild seiner selbst, das mir einen unschlagbaren Deal unterbreitet: Ich soll die für die Citadel Station verantwortliche KI SHODAN etwas „modifizieren“, denn in letzter Zeit sind ihre ethischen Beschränkungen zu einem zunehmenden Problem geworden. Andernfalls werde ich die Raumstation nicht in einem sicheren Shuttle verlassen. Als Belohnung spendiert man mir aber sogar das Implantat, auf welches ich bei meiner vorherigen Recherche so scharf war – gratis eingesetzt und das immerhin von den besten Ärzten, die der Konzern zu bieten hat.
Ohne langes Zögern beginne ich mit dem Hack und wie ich fertig bin, kommt
Schon beim Verlassen des Krankenzimmers stoße ich dabei auf ersten Widerstand – nicht etwa in Form korrumpierter KI-Kontrahenten, sondern einer Tür, für deren Öffnung ich zunächst eine Sicherheitskarte benötige. Diese finde ich direkt hinter einer weiteren Tür und ganz nebenbei verleibe ich mir noch das beiliegende Funkgerät-Implantat ein. Über jenes meldet sich binnen Sekunden Rebecca Lensing, eine Beraterin der Terrorbekämpfungseinheit des Konzerns. Spürbar erleichtert, jemanden erreicht zu haben, erklärt mir Rebecca, eine biologische Verseuchung der Station würde unaufhaltbar voranschreiten. Zu SHODAN – die sich jeglicher menschlicher Moralvorstellungen losgeeist hat – sei keine Verbindung möglich und der riesige Bergbau-Laser der Citadel sei bereits bedrohlich präzise auf die Erde gerichtet und würde geladen werden. Viel mehr sei an dieser Stelle der Spannung zuliebe aber nicht verraten, denn in der Story liegt nach wie vor die wohl größte Stärke von System Shock…
Bewaffnet mit einer Eisenstange, die ich in den hackenden Händen meines Helden halte, von dem ich im Übrigen auch nicht viel mehr zu sehen bekomme, mache ich mich also auf, die Cyber-Schrecken der Citadel Station näher zu ergründen. Die WASD-Steuerung meines Charakters fühlt sich dabei, trotz Modernisierung, etwas behäbig an, allerdings auch nicht annährend so starr wie das Kasten-Movement eines alten Resident Evil-Teils. Intuitiv und ohne, dass es einer ausführlichen Erklärung bedarf, springe ich mit der Space-Taste über Hindernisse und ducke mich mit STRG unter ihnen hindurch.
Simpler Shooter mit KI-Einheitsbrei
Während der Rechtsklick für Interaktionen mit der Umgebung steht, führe ich mit der linken Maustaste ganz im Stil nahezu jeden Shooters meinen Angriff aus. Halte ich die linke Maustaste gedrückt, lädt sich dabei ein besonders starker Hieb mit meiner Eisenstange auf. Per Scrollrad oder den Zahlen auf meiner Tastatur wechsle ich in meinem Arsenal, bestehend aus (Laser-)Pistolen, Shotguns, Sturmgewehren, Granaten oder der anfänglichen Eisenstange sowie den überlebenswichtigen Medi-Packs hin und her. Gefundene Verbesserungen werden direkt im Körper implantiert und lassen sich im Spielverlauf unkompliziert einsetzen – andere Gegenstände wandern, auch beim Plündern von besiegten Gegenspielern, per Klick in das recht begrenzte Tetris-Inventar.
Die vermöbelten Gegner, die sich aus aggressiv-umprogrammierten Robotern, genetisch manipulierten Mutanten und anderen Bestien zusammensetzen, lassen sich ganz im Stil moderner Spiele looten. Ihr öffnet beide Inventare parallel und zieht die gewünschten Gegenstände einzeln in eures herüber, oder nehmt mit der F-Taste gleich alles auf einmal. Auch, wenn ich bei den an für sich spaßigen Kämpfen einen Anflug von Adrenalin verspüre, liegt hier eine weitere Schwäche des System Shock Remakes. Denn: Trotz etwas Abwechslung bei den eher generischen Gegnertypen gleichen diese ihrem Schlag, als wären sie selbst in Sekundenschnelle und als Massenware von einem KI-Tool zusammengeschustert worden.
Etwas abwechslungsreiche Abhilfe schafft hier aber auch jeder Ausflug in den Cyberspace, in den ich mich an verschiedenen Stellen des Spiels einhacke. Hier surfe ich durch eine kunterbunte, virtuelle Welt aus Röhren, Artefakten und Objekten, auf die es im Vorbeirauschen zu schießen gilt. Auch die teilweise Hirn zermarternden Rätsel gestalten sich als erfrischend, lassen sich über die Minispiele doch Stromnetze und Schaltkreise zu meinem Vorteil manipulieren. Wer sich bei einem Shooter-lastigen Titel allerdings lieber den Kopf von Patronen statt von Puzzles weichklopfen lassen will, der kann den Schwierigkeitsgrad für jene nach Belieben nach unten regulieren.
Obwohl sich das Design der einzelnen Level-Ebenen und die Struktur der Citadel Station nah am Original orientieren sollen, ist das hohe Maß an Handlungsfreiheit, welches System Shock mir bietet, vor allem in Anbetracht seines ursprünglichen Release-Jahres besonders positiv hervorzuheben. Jeden noch so schattigen Fleck, jeden noch so verborgenen Tunnel oder Geheimgang und jedes letzte Detail der grafisch anspruchsvoll gestalteten Citadel Station darf ich frei und ohne einengendens Quest- oder Wegpunkte-System erkunden, wie es mir gerade passt. Zwischen den Ebenen wechsle ich dabei via Fahrstuhl hin und her, denn nicht selten kommt es vor, dass man noch einmal zu einem bereits durchforsteten Stockwerk zurückkehren muss, um den entscheidenden Hinweis zum Weiterkommen zu finden.
(Zu) viel Freiheit auf der Citadel
Doch auch, wenn ich die Freiheit, die mir das Spiel bei meinem sehr verzweigten Rundgang auf der Raumstation bietet, sehr schätze, ist sie gleichermaßen auch ein Fluch. Denn mit System Shocks spärlichen Markierungen und Wegweisern muss ich stets wachsam durch die Gänge wandeln und mich an jeden noch so kleinen richtungsweisenden Fetzen entlanghangeln – sei es durch das Anhören einer Story-gespickten Sprachmemo, oder dem Lesen einer E-Mail, die den Code für die nächste Tür für mich irgendwo zwischen ihren Zeilen bereithält.
Das kann durchaus schnell mal nervig bis frustrierend wirken, denn der Fortschritt ist stets davon abhängig, ob ich benötigte Access-Karten, bedienbare Hebel, oder andere hilfreiche Gegenstände im irgendwann doch eher repetitiven Level-Labyrinth des Spiels zu finden vermag – oder noch einmal an den Anfang eines vorherigen Stockwerkes zurückkehren muss, weil mir eben jene entgangen sind. Außerdem sind gewisse Regionen nur zugänglich, wenn ich auf meinem Weg ausreichend viele Kameras und Energiespender SHODANs zerstört habe, denn damit sinkt das Überwachungslevel und ich gelange in besonders gesicherte Bereiche. Auch, wenn es Spaß macht, nach und nach durch eigenes Mitdenken und Merken der Lösung des Rätsels näherzukommen, können diese Backtracking-Passagen schnell einmal ermüden.
Hier hätte ein moderner Ansatz nicht nur gutgetan, sondern auch überhaupt nicht geschadet, denn ich störe mich nicht an der womöglich beschnittenen Freiheit, die mir beim Erkunden bleibt, sondern viel eher an einer fehlenden Orientierungshilfe, die mir oftmals lästiges Umherirren erspart hätte – gerade, wenn ich das Spiel für mehrere Stunden aus der Hand gelegt habe und mich anschließend versuche, wieder zurechtzufinden. So grase ich nur ein weiteres Mal die – noch immer schön anzusehenden – Areale der Citadel Station ab, bis ich endlich finde, nach welchem Schlüsselelement ich überhaupt gesucht habe – vorausgesetzt, ich habe es mir gut gemerkt.
Selbstverständlich ist auch die technische Ebene bei jedem Remake besonders interessant, denn hier haben die Entwickler Chancen, Altlasten auszubessern und ein rundum fertiges Spiel zu präsentieren. Dies gelingt den Retro-Spezialisten von Nightdive auch größtenteils grandios. Denn neben wenigen kleineren Grafikfehlern oder toten Gegnern, die sich teilweise etwas verkrampft oder noch zuckend von den sonst so strahlenden Kulissen abheben, ist mir keinerlei Schwachstelle im System (Shock) aufgefallen.
Nur wenig Lücken im Code
Die Menüführung habe ich als angenehm entschlackt und sinnig strukturiert wahrgenommen, wobei ich besonders interessant fand, auch das farbliche Design der Benutzeroberfläche vom Matrix-grünen Hacker-Style zu einem düsteren Infrarot- oder einem plasmaartigen, violetten Ton verändern zu dürfen. Hinzu kommen die bereits angesprochenen, einzeln festlegbaren Schwierigkeitsgrade, die die Spielerfahrung noch einmal personalisierter wirken lassen. Bei der Steuerung, die ebenfalls ohne Probleme funktionierte, sei jedoch gesagt, dass ich ausschließlich mit Maus und Tastatur bewaffnet losgezogen bin, um SHODANs machtgetriebenen Zerstörungsplan zu vereiteln. Wie sich das ganze mit einem Controller anfühlt, kann ich euch daher nicht sagen.
Auch auf der audio-visuellen Ebene braucht sich das System Shock Remake keineswegs zu verstecken, allein die Musik im Menü wirkt beklemmend bis bedrohlich, wodurch ich sofort Parallelen zu den alten Alien-Filmen und ihrer Atmosphäre hergestellt und mich so bestens aufgehoben gefühlt habe. Hinzu gesellen sich starke Sounds und Stimmen, untermalt von einem coolen Cyberpunk-Soundtrack. Apropos Stimmen: Viele Memos und Dialoge sind tatsächlich mit einer Sprachausgabe versehen, die allerdings nur auf englischer Sprache zu genießen ist. Sämtliche Untertitel und Textpassagen gibt es aber immerhin auch in deutscher Fassung zu lesen.
Fazit
Ursprünglich noch etwas zögerlich, ob ich mit dem Remake eines Spiels, welches vor etwa 30 Jahren schon als Hit galt, warm werden würde – vor allem, weil ich keinem Liebhaber des Originals mit meiner Einschätzung als Frischfleisch auf der Citadel Station vor den Kopf stoßen wollte – kann ich mittlerweile ruhigen Gewissens sagen, dass mich System Shock dank seiner noch immer genialen Mischung aus narrativem Rollenspiel und stumpfem Space-Shooter mehr als anständig unterhalten konnte. Die Gründe liegen dafür vor allem in der spannenden Sci-Fi-Story, die das Spiel über weite Strecken trägt und es mit seiner AI-Antagonistin SHODAN, die wesentlich mehr charakterliche Tiefe als manch menschlicher Widersacher zu bieten hat, wirklich einzigartig macht. Mit dem Remake erfinden die Entwickler das Rad keineswegs neu – was sie aber auch gar nicht wollen. Noch immer ist aufmerksames Mitdenken und das genaue Verfolgen der Geschehnisse an Board der Raumstation nötig, um auf dem nicht-linearen Weg weiter voranzuschreiten. Dies bringt allerdings aufgrund fehlender Hilfestellungen in Form von etwaigen Markierungen zentraler Elemente auch einige Schwierigkeiten mit sich, die mich mehr als einmal ratlos zurückließen und mich dazu zwangen, noch eine Ehrenrunde zu drehen. Das Gameplay war zu keinem Zeitpunkt langweilig, hatte aber selbstredend auch nicht wirklich hervorzuhebende Innovationen zu bieten, was sich nach einer Zeit des Niedermetzelns immer gleicher Gegnertypen – ähnlich wie die Level-Strukturen – etwas repetitiv anfühlen kann. Abwechslung boten die Ausflüge in den Cyberspace sowie die gelegentlichen Rätsel, die es zu lösen gilt. Und vor allem aus technischer Sicht profitiert System Shock von seinem Remake, bieten der modernisierte Mix aus altem und neuem Look, die stimmigen Soundeffekte und weitere Upgrades doch einen echten Mehrwert.
Pro
- nah am Original
- grafisch eigen, aber schön anzusehende Umsetzung, die nicht zu übertrieben wirkt
- stimmiger Soundtrack
- nicht-linearer Spielverlauf lässt reichlich Freiheiten
- coole Antagonistin
- technisch weitestgehend fehlerfrei
- individuelle Festlegung der Schwierigkeit möglich
- Sci-Fi-Retro-Vibes hervorragend eingefangen
- starke Story
- abwechslungsreiche Rätsel und Cyberspace-Abstecher
Kontra
- nur teilweise vertont, daher sehr leselastig, was aber als revolutionäre Herangehensweise des Originals gilt
- lästiges Backtracking
- fehlende Orientierungshilfen
- teils undurchsichtige Aufgaben
- nur englische Sprachausgabe (Texte deutsch)
- Gegner ähneln sich optisch und sind eher stumpf
- Kämpfe und Erkundungstouren repetitiv
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