The Case of the Golden Idol - Test, Adventure, PC, Switch
Im Herzen eines jeden guten Detektivspiels steht natürlich eine facettenreiche Geschichte mit Mord und Intrigen sowie zahlreichen Twists, bei denen auch der abgeklärteste Ermittler vor Spannung den Atem anhält. Weil die auch The Case of the Golden Idol zu bieten hat, will ich das Szenario an dieser Stelle nur kurz anreißen, damit ihr zumindest eine ungefähre Vorstellung von den dramatischen Ereignissen bekommt. Die rund 50 Jahre und mehrere Generationen umspannende Geschichte beginnt dabei an einem schicksalshaften Tag im Jahr 1742: Albert Cloudsley und sein Reisegefährte Oberon Geller finden auf einer Expedition in weit entfernten Gewässern eine goldene Statue.
The Case of the Golden Idol: Ein goldenes Geheimnis
Golden Idol Mysteries: The Spider of Lanka, der erste DLC, den The Case of the Golden Idol erst Anfang Mai spendiert bekam und den ich ebenfalls gründlich unter die Lupe genommen habe, setzt dabei ein Jahr vor den Ereignissen der Hauptgeschichte an und gewährt zusätzlichen Kontext. Trotzdem solltet ihr das aus drei Fällen bestehende Prequel erst nach Abschluss der Kampagne in Augenschein nehmen, damit ihr euch dort zunächst mit den Mechaniken des Spiels vertraut machen könnt.
Wimmelbildsuche für Sherlock Holmes und Dr. Wörtson
Damit ihr euch in den Wimmelbildern nicht Point-and-Click-typisch kaputt suchen müsst, funkeln wichtige Orte und Gegenstände übrigens in einem leuchtenden Gelb, das sich in ein nicht weniger auffälliges rot verwandelt, sobald ihr dort alles untersucht habt – so müsst ihr keinen Stein zweimal umdrehen, um alle Hinweise einzusammeln und der Lösung des Falls näher zu kommen. Doch keine Sorge: Die skurrilen Standbilder, zu deren einzigartiger Optik ich später noch ein paar Worte verliere, verwandeln sich trotz der Leuchtpunkte nicht in einen Jahrmarkt mit Reizüberflutung.
Die Cluedos und Cluedont's des Detektivdaseins
Habt ihr alle Charaktere unter die Lupe genommen, alle Tatorte begutachtet und alle Wörter eingesammelt, geht es ans Eingemachte. Bei jedem Fall will The Case of the Golden Idol nicht nur von euch wissen, was genau sich abgespielt hat, sondern auch wer daran wie beteiligt war – und warum. Zuammenhänge bestimmen, Motive aufzudecken, Täter, Opfer, Mordwaffe und Komplizen benennen: Klassischer Denksport für durchtriebene Detektive also.
Mit wahllos geschleudertem Wortsalat kommt ihr dabei natürlich nicht sehr weit, schließlich sollt ihr den Fall auch wirklich verstehen und euch nicht zur Lösung raten. Das Denkmenü ist dabei noch einmal in verschiedene Bereiche unterteilt und wenn ihr in einem davon alle Lücken füllt, verrät euch das Spiel, ob ihr richtig oder falsch liegt und weist bei nur zwei oder weniger nicht richtig eingesetzten Wörtern noch einmal explizit darauf hin, damit ihr potenzielle Fehlgriffe besser eingrenzen könnt – natürlich ohne zu verraten, wo genau ihr einen Fehler gemacht habt. Hier entpuppt sich eine der wenigen Schwächen von The Case of the Golden Idol.
Denn obwohl das Feature angenehm ist, damit ein zu 95 Prozent gelöster Fall nicht einfach nur mit einem roten Scheitern gebrandmarkt wird, sondern euch beruhigend signalisiert, dass ihr auf der richtigen Fährte seid, lässt sich das System ab diesem Punkt leicht mit purem Trial-and-Error zur Aufgabe zwingen. Sobald ihr euch sicher seid, welche beiden Wörter ihr falsch eingefügt habt, könnt ihr, auch ohne die korrekte Lösung zu kennen, alle Varianten durchspielen und euch so mit Gewalt über die Ziellinie hieven. Das funktioniert aber natürlich nur dann, wenn ihr einen Großteil des Falles ohnehin gelöst habt, sodass dies letztendlich eine eher unbedeutende Schwäche bleibt.
Insbesondere deshalb, weil es The Case of the Golden Idol immer wieder schafft, dass ich mich wie Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Miss Marple gleichzeitig fühle. Nur wenige Detektivspiele sorgen für derart erhebende Aha-Momente, weil ihre Rätselstruktur oft zu linear, die Hinweise zu eindeutig oder die Auswahl der Verdächtigen zu klein ist. Statt meine Ermittlungen einzuengen und mir meine nächsten Schritte vorzukauen, gewährt mir The Case of the Golden Idol nach den ersten Fällen eine schwindelerregende Freiheit, wie Genre-Fans sie vermutlich nur von Return of the Obra Dinn kennen.
Schlauer als die Polizei erlaubt
The Case of the Golden Idol schafft deshalb den detektivischen Drahtseilakt: Auf der einen Seite bietet es schaffbare Herausforderungen, an deren Lösungen ich nie verzweifelt bin oder frustriert das Internet befragen wollte, weil mir die Hinweise und Puzzleteile des Spiels nie kryptisch oder unzureichend vorkamen. Auf der anderen Seite war aufgrund der spielerischen Freiheit und der Abwesenheit von zu linearem Puzzle-Design trotzdem so viel Gehirnschmalz gefragt, dass sich die Lösung eines jeden Falles wie ein echter Triumph angefühlt hat. So müssen Detektivspiele sein!
Weil ihr Wörter und keine Gegenstände einsammelt, spart sich The Case of the Golden Idol die Kombiniermechanik, die für mich zu den größten Schwächen des Point-and-Click-Genres gehört. Abseits von Ausnahmen verlangen Vertreter desselbigen nämlich gerne mal absolut absurde Methoden auf dem Weg zur Rätsellösung: Ein Huhn mit einem Baseballschläger zu einem Flammenwerfer oder ein Toastbrot mit einer Antenne zu einem Funkgerät zu kombinieren sind fiktive, aber nicht unbedingt weit hergeholte Beispiele, auf die wohl nur MacGyver kommen würde.
Ganz ohne Genre-Krankheiten
Auch die Konzentration auf einen oder einige wenige Räume kommt The Case of the Golden Idol zugute: Weil euch kein ganzes Spiel mit schier unendlichen Straßen, Häusern oder Hinterhöfen zur Verfügung steht, sondern maximal eine Handvoll Standbildschirme pro Fall, verschwendet ihr keine Zeit mit ewigem Herumgelatsche und müsst auch nicht zig Tatorte im Kopf haben. Der Komplexität der Rätsel tut das keinen Abbruch, sondern sorgt lediglich für eine elegantere und angenehmere Spielerfahrung.
Zuckerbrot und Peitsche
Sowohl die Warnung als auch das damit verbundene Minispiel sollen euch also davon abhalten, zu leichtfertig die Flinte ins Korn zu werfen und euch so den Spaß am Rätseln kaputt zu machen. Noch einmal alle Orte anschauen, die Wörter durchgehen und Informationen abgleichen, dann braucht ihr den Hinweis vielleicht gar nicht, so die Hoffnung der Entwickler. Dass der Weg zum vielleicht nötigen Tipp also nicht anspruchsvoll, sondern lediglich ein bisschen nervig ist, sei angesichts der guten Intention dahinter schnell verziehen.
Auf der Nintendo Switch herrscht Mausverbot
Zusätzlich lassen sich mit dem rechten Stick und den Pfeiltasten zwischen den gefundenen Wörtern und den Leerstellen hin- und herspringen, während ihr per Knopfdruck jederzeit das Menü aufrufen könnt, in dem der Fall mit seinen zahlreichen Lücken auf eure Lösung wartet. Am besten hat für mich beim Spielen im Docked-Modus eine Kombination aus beiden Varianten funktioniert: Beim Auswählen der Wörter in der unteren Leiste kommt der linke Stick zum Einsatz, zum Navigieren im Rätselmenü hingegen der rechte Stick oder die Pfeiltasten. So lassen sich auch mehrere Leerstellen in kurzer Zeit füllen.
Im Handheld-Modus können die Wörter dank des Touchscreens auch mit den Fingern in die Leerstellen gezogen werden, falls ihr Kopfnüsse lieber rücklings auf dem Sofa oder gleich im Bett knackt. Letztendlich bleibt die Steuerung mit der Maus am PC zwar die bessere Methode, weil die überraschend gelungene Umsetzung auf der Switch trotz allem etwas fummelig bleibt – der befürchtete Frust kam aber zu keinem Zeitpunkt auf.
Dass The Case of the Golden Idol so erfolgreich darin ist, seinen Charme zu versprühen, liegt nicht zuletzt an der außergewöhnlichen Optik des Spiels. Die animierten Standbilder begeistern durch skurrile Ideen, etwa, wenn ein Mann in Flammen steht und ihr den Missetäter sucht, während das Opfer bei konstanter Hitze langsam knusprig braun wird. Oder wenn eine Vase explodiert und die Scherben wie durch die Luft sausende Kugeln mitten in ihrer Bewegung eingefroren werden und wie ein zersplittertes Damoklesschwert über dem Fall schweben. Die körnigen Hintergründe sind mit viel Liebe zum Detail entstanden und laden ein, auch abseits der Spurensuche für ein bisschen Sightseeing zu verweilen.
Periodischer Pixel-Charme und stimmige Soundkulisse
Gleiches gilt für die grotesken Gesichtsausdrücke der Figuren: Da werden die Augen verdreht, die Münder aufgerissen und die Zähne gefletscht – in The Case of the Golden Idol sitzt jeder Pixel. Ein einzigartiger Stil, der dieses Detektivspiel auch optisch zu einem ganz besonderen Kleinod macht und die Atmosphäre des 18. Jahrhunderts zusammen mit dem Soundtrack treffsicher transportiert. Die vom ukrainischen Komponisten Kyle Misko geschaffene Soundkulisse mit schaurigen Streichinstrumenten und Klavierklimpern untermalt unheimlich die Ereignisse und kann besonders im DLC noch einmal glänzen, wo Gesang in einer unbekannten Sprache die Fremdheit der fiktiven Kultur basierend auf dem angeblich versunkenen Kontinent Lemuria verkörpert.
Spielerisch macht der DLC Golden Idol Mysteries: The Spider of Lanka beinahe da weiter, wo das Hauptspiel aufgehört hat. Wer das Rätsel rund um die Statue geknackt hat, wird im 5,89 Euro teuren und drei Fälle enthaltenden Extra-Kapitel jedenfalls noch einmal gefordert, ohne dabei ganz die Komplexität des großen letzten Puzzles aus der Kampagne zu erreichen. Wer sich nach Abschluss der zwölf Fälle noch nicht von der wunderbar-seltsamen Spielwelt lösen kann, bekommt hier für kleines Geld mehr vom Gleichen und gleichzeitig die Vorgeschichte zum Hauptspiel enthüllt.
Kopfnuss-Nachschlag gefällig?
Fazit
Als Fan von guten Detektivgeschichten und knackigen Kopfnüssen habe ich mich bei The Case of the Golden Idol sofort wie zu Hause gefühlt. Das 50 Jahre umspannende Mysterium mit den vielen verschiedenen Charakteren, Mordmotiven, Tatvorgängen und Hintergründen, die in den zwölf Fällen letztendlich zu einer großen, zusammenhängenden Geschichte zusammenlaufen, hat mich schon nach kurzer Zeit in seinen Bann gezogen und dann bis zum Ende nicht mehr losgelassen. Angespornt von der eigenwilligen, aber toll anzusehenden Optik und getrieben von den nach und nach immer anspruchsvoller werdenden Herausforderungen, habe ich mich durch einen Fall nach dem anderen gerätselt, einen Triumph nach dem anderen verbuchen können und mich dank der spielerischen Freiheit ohne vorgekaute Lösungen ganz und gar wie Sherlock Holmes gefühlt. Winzige Mankos wie die fehlenden deutschen Texte oder die mitunter minimal fummelige Steuerung auf der Nintendo Switch können The Case of the Golden Idol nicht davon abhalten, die grauen Zellen von Hobby-Detektiven mit einer sechs bis achtstündigen Kampagne auf Hochtouren laufen zu lassen. Der nicht minder gelungene DLC verlängert das Hauptspiel um drei Fälle und weiteren zwei bis drei Stunden Knobelspaß.
Pro
- Charmant-körniger Artstyle
- Stimmungsvoller Soundtrack
- Komplexe und interessante Geschichte
- Angenehm anziehender Schwierigkeitsgrad
- Echte Aha-Momente dank freier Spielweise
- Clevere und logische Rätsel
Kontra
- Keine deutschen Texte
- Steuerung ohne Maus etwas fummelig
- Konzept macht kurz vor Fallabschluss Trial and Error möglich
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Der DLC "Golden Idol Mysteries: Spider of Lanka" bringt drei neue Fälle für 5,89 Euro.
- Es gibt keine Käufe.