Final Fantasy 16 - Test, Rollenspiel, PC, PlayStation5
Final Fantasy 16: Ein atemberaubender Auftakt
Final Fantasy 16 fackelt nicht lange, sondern beginnt mit seiner größten Stärke: Den bildgewaltigen Esper-Kämpfen. Nach ein paar bedeutungsschwangeren Worten aus dem Off sehe ich zu, wie die beiden Kaiju-Monster Phönix und Ifrit sich mit Klauen und Krallen bekämpfen und bekomme nach ein paar Partikelexplosionen im Flammenregen auch gleich selbst die Zügel in die Hand, um Ifrit mit einem Dauerfeuer aus Phönixfedern auf Abstand zu halten und auszuweichen, wenn er mir zu nahe kommt. Es folgt ein extremer Szenenwechsel zu Clive samt Söldnerkollegen am Lagerfeuer und die Information, dass ich mich gerade im Jahr 873 und in der felsbehangenen Nysa-Schlucht in der Republik Dhalmekia befinde.Zwei Namen, mit denen ich nach wenigen Minuten Spielzeit natürlich noch nichts anfangen kann – sie sind ein gutes Beispiel dafür, was mich mit der komplexen Geschichte erwartet, die, was die Anzahl der Charaktere und Fraktionen angeht, keinen Hehl daraus macht, mit Fantasy-Epen wie Game of Thrones konkurrieren zu wollen. Während die Namen der Entwickler über den Bildschirm flimmern, bleiben die meiner Mitstreiter zunächst ein Geheimnis, doch mit den Worten „Shiva“ und „Dominus“ ist wenigstens das Ziel der kleinen Elitetruppe klar. Shiva ist mir als Final Fantasy-Fan natürlich bekannt – die elegante Eishexe vergisst man nicht so leicht –, doch den Dominus kenne ich nur, weil ich mich mit dem bisherigen Marketing auseinandergesetzt habe.
Ohne mir zu erklären, wer oder was Shivas Dominus ist und wie ich die in Leder und Eisen gekleideten Mitglieder meiner weniger Emo-Gothic-Punk-anmutenden Boyband als im Vorgänger ansprechen soll, steuere ich auch schon den gut gestylten Protagonisten, der mir später als Clive Rosfield vorgestellt wird. Es ist ein unmittelbarer Einstieg, frei nach der Devise: Bevor wir dich mit World Building, Namen und Konzepten zukleistern, mach doch erstmal deine ersten Schritte in Valisthea. Kommt Zeit, kommen auch Erklärungen. Entsprechend habe ich auch keine Ahnung, welche beiden Parteien sich in der staubigen Schlacht, der ich kurz darauf als passiver Zuschauer beiwohne, die Köpfe mit bluttriefenden Äxten und blau glühenden Magiebällen einschlagen.
Aus meinen ersten Absätzen lässt sich sicher schon erahnen, dass Final Fantasy 16 in Sachen Story und Worldbuilding große Ambitionen hat: Es gibt jede Menge politische Parteien, die jeweils noch deutlich mehr Charaktere beherbergen und alle von ihnen haben unterschiedliche Träume und Motivationen. Auch wenn der Einstieg unmittelbar ist und mir wenig mehr erzählt, als dass sich zwei Fraktionen im Krieg befinden und die eine die Unterstützung einer dritten ersucht, funktioniert diese zunächst nur oberflächliche Einführung und macht Lust auf mehr. Glücklicherweise gibt es davon jede Menge: Die angekündigten „mehr als 10 Stunden Zwischensequenzen“ waren jedenfalls kein leeres Versprechen und sorgen dafür, dass auftretende Figuren und politische Ereignisse im Verlauf der Geschichte genug Luft zum Atmen bekommen.
Game of Thrones lässt grüßen
Damit werden neben den familiären Spannungen am Hof schon früh nationenübergreifende Probleme eingeführt. Neben den Träger-Sklaven erzählt mir das Flashback nämlich auch von den Mutterkristallen: Als eine von fünf herrschenden Fraktionen in Valisthea kämpft Rosaria genau wie die verbleibenden vier um die begehrte Ressource, die die letzte Bastion gegen die sogenannte Fäule darstellt. Überall dort, wo der Äther versiegt, verschwindet auch die Überlebensgrundlage für Mensch und Natur. Weil Rosaria keinen eigenen Mutterkristall besitzt, befindet sich das Herzogtum im Krieg mit dem eisernen Königreich in der siedenden See, wo der als Drachenhauch betitelte Kristall in die Höhe ragt.
Das Zauberwort heißt Zwischensequenzen
Trotz der durchaus beachtlichen Geschwindigkeit, mit der mir in den ersten Stunden und nach der oben beschriebenen, komplexen Einführung, eine ganze Herzogsfamilie samt interner Differenzen vorgestellt wird, gelingt es dem Spiel, mich nicht zu verlieren oder zu überfordern und mir noch dazu ein klares Bild von dem gegenwärtigen Zustand Valistheas zu liefern. Vor allem die geopolitischen Spannungen spielen im Verlauf der weiteren Geschichte immer wieder eine wichtige Rolle und zeigen Kriege auf dem Schlachtfeld und in Verhandlungsräumen, wobei sowohl Setting als auch Thematiken mit einem angemessen düsteren und ernsthaften Tonfall behandelt werden. Ganz verkneifen kann sich Final Fantasy 16 die Genre-Klischees dann aber nicht, weshalb am Ende des Spiels natürlich wieder die Rettung der Welt auf dem Plan steht.Allerdings hat mich nicht nur das Schicksal Valistheas, sondern vor allem das einzelner Charaktere begeistert: Die Figuren wirken real und authentisch, ihre Bedürfnisse werden überzeugend dargelegt und mit ihren Fehlern, Emotionen und sozialen Bindungen verwebt. Angesichts der Reise, die ich mit Clive Rosfield unternehme und erlebe, wie der Schild Rosarias scheitert und lernt, wütet und weint, neue Beziehungen knüpft oder alte wiederfindet, kann man das Rollenspiel daher getrost als Bildungsroman bezeichnen. Auch die anderen Charaktere sind nicht weniger facettenreich geworden und können ihre emotionalen Zustände in verschiedensten Situationen entfalten: Ruhige Romantik unter dem Sternenhimmel wechselt sich mit schweißtreibenden Schlachtmomenten ab und bringt mir die Verbündeten genau wie die Feinde von Clive näher. Hier kommen die mal mehr, mal weniger langen Zwischensequenzen zum Einsatz.
Nachdem mir in den ersten zehn Stunden ein spektakuläres Set Piece nach dem anderen um die Ohren geklatscht wird, schaltet Final Fantasy 16 in der Mitte seiner Laufzeit mindestens drei Gänge zurück und gibt mir Zeit, wirklich in Valisthea anzukommen, um die Bewohner samt ihrer Sorgen und Nöte kennenzulernen und die mittelalterliche Welt zu erkunden. Ein willkommener Moment zum Luft holen, auch wenn ich lange zu Atem gekommen bin, bevor die Geschichte endlich wieder auf das Gaspedal drückt. Mitunter verliert die Hauptstory dabei etwas an Dampf, beispielsweise wenn ich Bauteile für ein Wärmeverschubaggregat besorgen muss und von einer Station zur nächsten geschickt werde, als wäre ich auf der Suche nach Passierschein A38. Das erinnert zu sehr an Rollenspiel-typische Fetch-Quests und sollte angesichts der sehr interessanten Hauptstory lieber optional sein. Das sonst gelungene Pacing wird davon aber nicht überschattet.
Die Batterien wieder aufladen
Nach dem Flashback rund um Clives Jugend geht es zurück in die Gegenwart, wo die Mission des Schwertkämpfers und seiner Kaiserreich-Kollegen gerade mächtig in die Hose geht, weshalb Clive schließlich von Cid aufgegabelt wird, der ihn in sein Versteck einlädt: Ein Rückzugsort der Rebellen, die sich mitten im toten Land verschanzt haben, um den Machtkämpfen der herrschenden Nationen und Domini zu entgehen, den überall versklavten Trägern zu helfen und als freie Menschen zu leben. Das Versteck versammelt alle wichtigen Anlaufstellen, die mir auf meiner Reise nützlich sein werden: Beim Schmied Schlehdorn bekomme ich die passende Ausrüstung, während ich mich bei Charons Büdchen mit Heiltränken und anderen Wundermitteln eindecken kann. Ausprobieren kann ich meine neue Ausrüstung dann am Arete-Stein, wo mich neben dem Halle des Ewigen Eifers getauften Übungsbereiches auch ein Arcade-Modus und die Möglichkeit erwartet, bereits abgeschlossene Spielabschnitte zu wiederholen.Für ein Päuschen von der schweren Arbeit bietet sich derweil ein Ausflug in den Chocomoppel an, wo ich mit einem kühlen Bier meine vom Schlachtfeldstaub ausgetrocknete Kehle wieder auffrische und die neuesten Geschichten aus dem Versteck aufschnappe. Falls es mich eher nach geballtem Wissen über Valisthea dürstet, schaue ich bei dem Gelehrten Harpokrates und der von ihm geleiteten Mnemothek vorbei. Hier finde ich Informationen zu den verschiedenen Charakteren, zu Politik und Landeskunde sowie zu Flora und Fauna, also allem, was in Valisthea so kreucht und fleucht. Wem der Sinn danach steht, tief in die Lore der Spielwelt einzutauchen, für den sind der weißbärtige Historiker und das erwähnte Kompendium die besten Anlaufstellen – eine gute Möglichkeit, um die lange Wartezeit auf The Winds of Winter ein bisschen zu verkürzen.
Mit den Grundlagen herumschlagen
Wenn ich nicht gerade den 80 Euro teuren Final Fantasy 16-Film schaue oder gemächlich durchs Versteck schlendere, tue ich das, was Clive am besten kann: Das Schwert ziehen und die Kreaturen und Bösewichte von Valisthea grün und blau schlagen. Schon im Marketing bewarb man ausführlich das „erste Echtzeit-Kampfsystem der Reihe“, nachdem der Vorgänger und das Remake vom siebten Teil sich noch auf einen Kompromiss zwischen Action und Menüführung einließen, um Fans der rundenbasierten Klassiker nicht vollends zu verschrecken. Entsprechend holte man dieses Mal Ryota Suzuki als Combat Director mit ins Boot, der schon bei Devil May Cry 5 seine Finger im Spiel hatte – und das merkt man.Bevor es ans Eingemachte geht, sind erst einmal die Grundlagen angesagt, die mir in einem Trainingskampf während des eingangs erwähnten Flashbacks von Kommandant Murdoch beigebracht werden: Mein Arsenal setzt sich aus einem Nah- und einem Fernkampfangriff sowie einem Ausweichmanöver zusammen, wobei präzises Timing eine Konterattacke ermöglicht und sich Angriffe mit Schwert und Magie aneinanderreihen lassen. Abgerundet wird die Lehrstunde durch meinen Phönixsprung, den Clive dank der Macht der gleichnamigen Esper einsetzen kann, sowie den Heiltränken, mit denen ich meine Wunden heile.
Die abschließende Prüfung stellt mein Verständnis der Tutorials auf die Probe und führt die Willensleiste ein: Der gelbe Balken des Gegners leert sich durch kontinuierliche Angriffe, vollkommen erschöpft zeigt sich der Feind dann von seiner verletzlichen Seite und kassiert für kurze Zeit erhöhten Schaden. Die perfekte Gelegenheit meinen Esper-Spezialangriff einzusetzen und den Kommandanten von den Füßen zu fegen. Mein Triumph wird mit dem bekannten Final Fantasy Sieges-Jingle musikalisch belohnt, auch wenn passend zum Mittelalter-Setting ein paar inbrünstige Bässe dafür zuständig sind.
Während das Kampfsystem zu Beginn etwas rudimentär wirken mag, geht es schon mit den wenigen Optionen extrem gut von der Hand. Angriffe erfolgen unmittelbar, das Verketten von Schwertschlägen und Magiegeschossen sorgt dafür, dass ich nicht nur blindlings auf einen Knopf hämmere und das Ausweichen im perfekten Moment, um dann für einen Konter anzusetzen, ist nicht weniger befriedigend als in anderen Action-Titeln wie Bayonetta oder Devil May Cry. Um mich mehr als 65 Stunden lang zu unterhalten, bieten die Grundlagen zu wenig Tiefgang – doch glücklicherweise sind die Entwickler bereit, weitere Fähigkeiten einzuführen und Clive und ich lernfähig und -willig.
Über das Fertigkeiten-Menü kann ich, die verlangte Anzahl an Talentpunkten vorausgesetzt, mein Arsenal beispielsweise durch aufgeladene Nah- und Fernkampfangriffe sowie Hecht- und Sturzattacken erweitern oder mit der entsprechenden Fähigkeit Gegner als Trampolin benutzen, um länger in der Luft zu bleiben. Hier finde ich aber vor allem auch die Esper-Fertigkeiten: Während Clive nur mit dem Phönix-Segen beginnt, gesellen sich nach und nach die anderen Elemente hinzu, die die schicken, aber schlichten Schwertschläge mit ihrem Effektgewitter und den wuchtigen Vibrationen locker in den Schatten stellen. Die Bandbreite der Esper-Fähigkeiten unterscheidet sich aber nicht nur optisch, sondern eröffnet auch spielerisch verschiedene Möglichkeiten.
Ein Schlachtfeld voller Möglichkeiten
Dass die Auseinandersetzungen mit giftigem Gemüse, grantigen Goblins oder rüstigen Rittern so viel Spaß machen, liegt auch an den hervorragend lesbaren Angriffen. Gerade in Bosskämpfen sind schnelle Sprünge und dicke Keulenschwinger immer gut zu erahnen, mein Gegenüber holt sichtbar aus oder geht in Offensivstellung. Trotzdem verlangt ein perfektes Ausweichmanöver präzises Timing, weshalb ich ein Gefühl für die Geschwindigkeit und den Radius der gegnerischen Angriffe entwickeln muss, um stylisch und in letzter Sekunde aus dem Weg zu hüpfen und den Gegner meinen eigenen Stahl schmecken zu lassen. Wem das noch nicht reicht, der hat auf dem D-Pad neben den Heiltränken noch ein weiteres Menü zur Hand, mit dem sich Wolf Torgal steuern lässt. Der treue Vierbeiner kann Gegner wahlweise attackieren, in die Luft werfen oder eure verlorenen Lebenspunkte ein wenig regenerieren, wobei sich seine Aktionen bei zeitigen Reaktionen mit meinen Angriffen kombinieren lassen.
Abgespeckte Ausrüstung und belanglose Belohnungen
Während der Fertigkeitenbaum rund um die Esper-Talente nach und nach erweitert wird, bleiben die Möglichkeiten bei der Ausrüstung spartanisch: Ich kann Clive genau eine Art von Schwert in die Hand drücken, die sich nur optisch und in den Schadenswerten unterscheidet, dazu etwas für die Arme und die Hüfte, um die Verteidigung des Recken zu steigern. Drei Amulett-Slots lassen sich mit Schmuck füllen, der für äußerst spannende Effekte wie „Abklingzeit von Fähigkeit X wird um Y Sekunden verringert“ oder „Angriffe machen Z Prozent mehr Schaden“ sorgt. Wer Wert darauf legt, seinen Charakter individuell anzupassen, findet bei den verschiedenen Esper-Fähigkeiten deutlich mehr Variation als bei Clives Ausrüstung, sich im sehr eleganten und vor allem aufgeräumten Menü dafür immerhin gut zurecht. Entsprechend belanglos sind bedauerlicherweise auch die Belohnungen, die es in der Spielwelt zu finden gibt.Wenn ich nicht gerade eine Handvoll Gil einsammle, dann sind es die immer gleichen Materialien, die ich beim Schmied zu neuer Ausrüstung verarbeiten kann und die derart im Überfluss vorhanden sind, dass auch der Fund einer Schatzkiste nie begeistert. Immerhin: Die herumliegenden, auffällig funkelnden Items wandern beim Laufen automatisch in mein Inventar, wenn ich ihnen nahe genug komme. Und wenn es sich dabei um einen Heiltrank handelt, ich aber bereits das Maximum davon dabei habe, wird dieser automatisch eingesetzt – praktisch! Obwohl die lineare Level-Struktur in Schlössern und Dungeons, in denen ich mich aufgrund kaum vorhandener Abzweigungen unmöglich verlaufen kann und nur von einem Kampf in den nächsten renne, durch die semioffenen Areale aufgelockert wird, fehlt der Anreiz zur Erkundung.
Daran sind auch die Gegnerhorden schuld, die mit oft unausgeglichenen und nie beachtenswerten Mengen an Erfahrungspunkten aufwarten. Eine Horde Moskitos, die ich mit einer Hand wegschnetzle, während ich mir mit der anderen eine Tasse Tee koche, lassen meine Levelleiste schneller voll werden als eine dick gepanzerte Schildkröte, die ich erst zwei bis drei Minuten mit meinen Esper-Skills beackern muss – und weder die eine noch die andere Begegnung gibt auch nur annähernd so viel Erfahrungspunkte wie die Story-Missionen. Wer die durchaus hübschen Gebiete erkunden will, sollte also ein Faible für Landschaftstouren haben, denn die Hülle an Erfahrungspunkten oder wertvolle Belohnungen locken nicht zum gründlichen Erforschen der Abschnitte.
Im Gegensatz zu der leeren offenen Welt des Vorgängers haben die Abschnitte in Final Fantasy 16 dafür eine angenehme Größe: Wer nur zur nächsten Hauptquest sprinten möchte, ist in Windeseile beim nächsten Dorf; wer die Flora und Fauna erkunden und nach Schatztruhen Ausschauen halten möchte, hält sich nur so lange damit auf, wie es Spaß macht und landet aufgrund der übersichtlichen Größe anschließend ebenfalls bei der nächsten Story-Etappe. Mit weitläufigen Wäldern und Wiesen, staubtrockenen Wüsten und beeindruckenden Kristallhöhlen ist außerdem für optische Abwechslung gesorgt, die dank der grafischen Qualität gut zur Geltung kommt, auch wenn man mit den detailverliebten Burgen aus dem Demon's Souls Remake nicht mithalten kann.
Bereits im Vorfeld hieß es, dass ihr die Story von Final Fantasy 16 in gut 35 Stunden abschließen könnt, während das ausführliche Erkunden der Spielwelt und das Abschließen aller Nebenquests bis zu 70 Stunden dauern kann. Die Zahlen kommen durchaus hin: Mit mehr als 65 Stunden Spielzeit auf dem Tacho habe ich nicht nur die Credits gesehen, sondern auch so gut wie alle Aktivitäten abseits der Hauptstory abgehakt, die mal mehr, mal weniger interessant geworden sind. Wie es sich für ein japanisches Rollenspiel gehört, ist ein nicht unwesentlicher Teil der Nebenaufgaben leider stumpfe Beschäftigungstherapie wie Suppe austeilen, Holz holen oder ein paar Monster erlegen.
Ob die Aufgaben was drauf haben?
Deutlich klarer geht es hingegen bei den Jagdaufträgen zu, die sich vor allem dann lohnen, wenn euch das Kampfsystem gefällt. Habt ihr das Anschlagbrett freigeschaltet, finden sich dort zahlreiche Wanted-Poster von den garstigen Geschöpfen Valistheas, die nur darauf warten, verloren gegangene Wanderer zu verschlingen – außer, ihr bereitet ihnen vorzeitig ein Ende. Zwar handelt es sich dabei fast ausschließlich nur um stärkere, andersfarbige Varianten der Kreaturen, die euch auch an anderen Stellen im Spiel begegnen; die Herausforderung ist angesichts der dynamischen Duelle aber eine gelungene Abwechslung.
Kolossale Kaiju-Keilereien
Weil das Beste bekanntlich ganz zum Schluss kommt, habe ich mir die anfangs angeschnittenen Esper-Kämpfe für das Ende meines Tests aufgehoben. Zwar hat man beim Vorgänger, beispielsweise mit dem beeindruckenden Bosskampf gegen Leviathan, bereits gezeigt, wie die bildgewaltigen Begegnungen mit den gottgleichen Geschöpfen aussehen können. Doch in Final Fantasy 16 sind die Esper-Kämpfe nicht nur deutlich zahlreicher, sondern auch spielerisch gelungener – obwohl die Intro-Sequenz rund um Phönix und Ifrit mit dem stumpfen Spammen der Dreieckstaste und einem gelegentlichen Ausweichmanöver zunächst anderes vermuten lässt.Schon die Auseinandersetzung zwischen Feuervogel und gehörntem Dämon sowie kurze Zeit später zwischen dem gigantischen Titan und der grazilen Shiva sind inszenatorisch beeindruckend und sprengen Bildschirm und Audioanlage mit einem überbordendem Spezialeffektspektakel. Dass das Aufeinandertreffen dieser Naturgewalten sich im Spielverlauf angesichts der bisher verwendeten Superlative sogar noch steigern soll, mag überzogen klingen, entspricht aber trotzdem der Wahrheit. Selten hat es ein Videospiel geschafft, die aus der japanischen Popkultur bekannten Kaiju-Keilereien derart gelungen zu reproduzieren und mir die gleiche Gänsehaut auf die Arme zu zaubern, die ich beim Anblick Godzillas bekomme. Neben dem optischen Spektakel ist das auch dem Soundtrack zu verdanken, der in diesen Momenten zu orchestralen Höhenflügen ansetzt und mit intensivem Chorgesang für Stimmung sorgt.
Einiges davon findet in Zwischensequenzen statt, auch wenn man mir alibimäßig ab und an ein Quick-Time-Event abverlangt, dass ich persönlich immer noch ganz unterhaltsam finde, aber genauso anspruchslos ist, wie vor fast zwanzig Jahren bei Resident Evil 4. Zahlreiche der Esper-Eskalationen werden glücklicherweise durch substanzielleres Gameplay angereichert: Mal muss ich im Stil von David gegen Goliath die Riesenfüße mit meiner schwertgleichen Nähnadel attackieren, mal begegne ich einem verwandelten Dominus auf Augenhöhe. Weil bei letzterem ein klassisches Arsenal aus Nah- und Fernkampfangriffen samt Ausweichmanöver und einigen Spezialattacken auf mich wartet, sind viele der gigantischen Schlachten weit mehr als spielerisches Schäfchenzählen und deutlich interaktiver als das Schere-Stein-Papier-Prinzip, mit dem beispielsweise Bayonetta 3 die Monster-Gefechte inszeniert hat.
Auch das Spielgefühl stimmt: Im Gegensatz zu den normalen Kämpfen, bei denen sich Clive dynamisch, aber nicht schwerelos steuert, sind die Esper-Schlachten noch eine ganze Ecke wuchtiger, ohne dabei zu behäbig oder schwerfällig zu wirken. Damit gelingt Final Fantasy 16 der Drahtseilakt und serviert Gameplay-Einlagen, die auf der einen Seite krachendes Trefferfeedback und angenehme Bewegungen bieten, und trotzdem zu der brachialen Größte und der mitunter blinden Zerstörungswut der kolossalen Kreaturen passen. Sich zwischendurch zurückzulehnen, den Controller aus der Hand zu legen und den Anblick zu genießen, wenn Odin mit seinem Schwert der Dunkelheit den Himmel und ein halbes Heer zerteilt oder Bahamut mit seinen Lichtstrahlen den Himmel in eine amerikanische Großstadt an Weihnachten verwandelt, während er auf dem Boden aus einem Häusermeer einen Ozean aus Schutt und Asche macht, ist allerdings auch ohne meine Beteiligung sehr unterhaltsam.
Dass ich mich auch 2023 auf einer PlayStation 5 zwischen Performance- und Grafik-Modus entscheiden muss, ist nervig, aber wenig überraschend. Umso enttäuschender, dass bei Final Fantasy 16 Namen Schall und Rauch zu sein scheinen, denn im Gegensatz zum Grafik-Modus, bei dem ihr euch auf ein konstantes Erlebnis mit 30 Bildern pro Sekunde und leicht aufgehübschter Optik einstellen könnt, bietet der Performance-Modus keine stabile Framerate. Die angepeilten 60 werden erreicht, fallen aber oft auch in den Bereich der 40er oder 50er, wenn es besonders hektisch auf dem Schlachtfeld wird oder ich in einer detailreichen Umgebung unterwegs bin. Weil ich schwankende 45 konstanten 30 vorziehe, empfand ich den Performance-Modus immer noch als bessere Wahl, trotzdem schmerzt der Kompromiss.
Technisch tragbare Wehwehchen
Und wo wir dank der Untertitel schon bei Optionen für Barrierefreiheit sind: Dass sich hier die Schriftgröße anpassen, Hintergründe und Sprecher aktivieren und sogar visuelle Darstellungen von Umgebungsgeräuschen anzeigen lassen, ist sehr lobenswert. Dagegen sind die Einstellungen hinsichtlich Tastenbelegungen aber eine Katastrophe: Wer nicht zufrieden ist, wie die Knöpfe des Action-Rollenspiels verteilt worden sind, kann sich in den Einstellungen zwischen drei Controller-Layouts entscheiden, bei denen normale Schwertangriffe beispielsweise wahlweise über die Vierecks- oder die rechte Schultertaste ausgeführt werden. Individuelle Optionen, bei denen ihr den gesamten Controller nach euren eigenen Wünschen belegen könnt, fehlen aber vollständig.
Fazit
In seinen ersten Stunden kocht Final Fantasy 16 sein wohlschmeckendes Videospielgericht ausschließlich aus drei Zutaten: Der fesselnden, Game of Thrones-artigen Geschichte; dem dynamischen Kampfsystem; sowie den gigantisch inszenierten Esper-Kämpfen. Damit legt es das Geschmacksfundament für die weiteren 30 bis 65 Stunden, in denen mit häufig uninteressanten Nebenquests, einer wenig einfallsreichen Level-Struktur und dem Mangel an bedeutungsvollen Belohnungen zwar das ein oder andere Gewürz dazu kommt, das nicht recht zum Rest passen will, aber auch nicht die Aromen-Explosion untergräbt, die die Köche von Square Enix auf den Tisch zaubern. Das Auge isst bekanntlich mit und so können die inszenatorisch gelungenen Zwischensequenzen garniert mit den actiongeladenen Kämpfen den bitteren Nachgeschmack der instabilen Bildrate locker überspielen. Wen die überflüssigen Zwischenmahlzeiten nicht stören, darf sich somit auf ein beeindruckendes und dank des Umfangs auch auf ein mehr als satt machendes Sterne-Menü freuen.
Pro
- Packende Geschichte mit Intrigen und Überraschungen
- Authentisch geschriebene Charaktere
- Atmosphärisches Mittelalter-Setting
- Spannend ausgearbeitete Lore
- Dynamisches Kampfsystem
- Wuchtige Esper-Fähigkeiten
- Bildgewaltige Inszenierung der Esper-Schlachten
- Beeindruckende Choreographie der Zwischensequenzen
- Sehr kurze Ladezeiten
- Elegantes Menü
Kontra
- Zu viel Hin
- und Herlaufen während der Hauptstory
- Viele der Nebenquests eher uninteressant
- Erkundung der Welt/Besiegen von Gegnern nicht belohnend genug
- Bildrate nicht stabil
- Stark abgespeckte Ausrüstungsmöglichkeiten
- Keine individuelle Tastenbelegung möglich
Echtgeldtransaktionen
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