Ghost Trick: Phantom-Detektiv (2023) - Test, Logik & Kreativität, XboxOne, PlayStation4, Switch, PC
Wer sich schon mal im Kosmos von Sherlock Holmes, Hercule Poirot oder Phoenix Wright bewegt hat, der weiß: Die meisten guten Detektivgeschichten beginnen mit einem Mord. Doch weil bei Ghost Trick: Phantom-Detektiv der Name Programm ist, bin ich sowohl Ermittler als auch Opfer und beiße schon wenige Sekunden nach Spielstart ins Gras. Leider weiß ich weder, wer mich umgebracht hat, noch kenne ich den Grund für das Handeln des Täters, und so stehe ich zusammen mit einer derben Amnesie gleich vor mehreren Rätseln auf einmal.
Ghost Trick: Phantom-Detektiv – Am Anfang war der Tod
Glücklicherweise gibt es eine Zeugin: Eine quirlige, rothaarige Unbekannte, die sich später als Lynne vorstellt, ganz offenbar selbst der heißen Spur eines großen Mysteriums hinterherschnüffelt und mit der ich als Geist eine spirituelle Verbindung eingehen kann. Weil unsere Schicksale zusammen zu hängen scheinen, arbeiten wir schon bald als ungleiches Duo zusammen und versuchen, meinen Mörder zu finden sowie die Ziele einer geheimnisvollen Organisation aufzudecken, die Lynne nach dem Leben trachtet – und dabei das ein oder andere Mal erfolgreich ist.
Damit besagte Karotte wirklich irgendwann auf meinem Teller landet und ich herausfinde, wer für mein frühzeitiges Ableben verantwortlich ist, muss ich die erwähnten Fähigkeiten nutzen. Als Seele ohne Körper kann ich nun per Knopfdruck zwischen dem Reich der Lebenden und der Welt der Toten wechseln, wobei beide Orte Auswirkungen darauf haben, zu was ich fähig bin. Erlaubt mir meine Körperlosigkeit in der Welt der Toten, zwischen leblosen Objekten hin- und herzuspringen und so auch massive Betonwände zu überwinden, bin ich im Reich der Lebenden in der Lage, mit dem Gegenstand zu interagieren, von dem ich gerade Besitz ergriffen habe.
Eine rastlose Rätsel-Seele
Mit ihr kann ich in die Vergangenheit reisen, genau vier Minuten vor den Todeszeitpunkt des Opfers, und so den Verlauf des Schicksals verändern. Doch aus großer Kraft folgt große Verantwortung, und damit ich es mir bei meinem Eingreifen in das Treiben von Gevatter Tod nicht zu gemütlich mache, herrscht Zeitdruck: Die vier Minuten bis zum Ableben der Person rücken schließlich unaufhaltsam ihrem Ende entgegen – zumindest, wenn ich mich nicht gerade in der Welt der Toten befinde, wo die Zeit vorübergehend still steht und ich in Ruhe meine nächsten Schritte planen kann.
Trotz Stolperfallen gespenstisch gut
Selbst aus der Masse an guten Detektivspielen sticht Ghost Trick: Phantom-Detektiv mit seinem originellen Gameplay-Konzept heraus: Das Hin- und Herspringen zwischen Objekten, die sich dann mithilfe der Geisterkräfte kontrollieren lassen, ist eine spaßige und oft knifflige Angelegenheit, und funktioniert auch ohne den Touch-Pen und den zweiten Bildschirm des Nintendo DS überraschend gut. Die Funktionen der Objekte werden nun direkt neben dem jeweiligen Gegenstand eingeblendet und nur wer das Original kennt, dürfte den Wegfall des oberen Screens überhaupt vermissen. Lediglich das Springen von Objekt zu Objekt kann mitunter etwas fummelig werden.Doch Innovation hat seinen Preis: Wildes Herumexperimentieren ist nicht besonders zielführend, ab und an aber leider nötig. Einige Rätsel sind zu obskur, um sie durch reine Logik zu lösen, wodurch mich das Spiel immer wieder in Sackgassen manövriert, aus denen ich wiederum nur entkommen kann, indem ich manuell zum Start der vier Minuten vor dem Todeszeitpunkt zurückspringe und so bereits bekannte Szenen erneut durchleben muss. Dialoge lassen sich zwar durch das Drücken einer Taste vorspulen, Ereignisse hingegen finden in der gewohnten Geschwindigkeit statt.
Angesichts des Trial-and-Errors und dem durchaus präzise verlangten Timing, wenn ihr beispielsweise einen Tennisball im Flug oder einen herunterfallenden Teekessel erwischen müsst, hätte ich mir für die mehrmaligen Neuversuche ein Feature zur Beschleunigung gewünscht. Das würde Zeit sparen und gegen die durch die Wiederholungen ab und an auftretende Langweile vorgehen. Die nur spärlich gesetzten, aber immerhin überhaupt vorhandenen Checkpoints innerhalb der vier Minuten machen das Ganze ein bisschen erträglicher.
Trotz der Kritik hat mich das Rätsel-Konzept von Ghost Trick mit seiner Einzigartigkeit und vielen cleveren Einfällen überzeugt. Einige der Lösungen entfalten sich dabei regelrecht wie eine Rube-Goldberg-Maschine: Eine Murmel stupst eine Reihe Dominosteine an, die wiederum ein Feuerzeug in Gang bringen, das eine Kerze entzündet, die einen Draht durchbrennt, der… – kurzum: Es entsteht eine unterhaltsame Kettenreaktion, bei der jeder Schritt sitzen muss. Nicht immer sind diese Spielereien lang, oft geht es von einer kurzen zur nächsten, doch das geisterhafte Manipulieren der Umgebung, um Menschen vor dem Tod zu retten und einen spannenden Fall zu lösen, macht Ghost Trick spielerisch zu einem ganz besonderen Kleinod.
Grandioses Gesamtpaket, fatales Format
Auch das grundsätzliche Artdesign von Ghost Trick: Phantom Detektiv kann sich 13 Jahre nach der Erstveröffentlichung noch mehr als sehen lassen, die optische Rundumsanierung hat ihr Übriges getan: Der comic-hafte Stil ist gut gealtert, die bunten 3D-Umgebungen bieten detailreiche Wimmelbilder und die groben Pixel der ausgefallen gestalteten Charaktere wurden zugunsten von glatt polierten 3D-Modelle abgeschliffen. Noch ein bisschen hübscher sind die Figuren dann als 2D-Scherenschnitte mit dicken weißen Rändern, die den erwähnten Comic-Look noch unterstreichen.Ohnehin vermittelt die gesamte Präsentation, aus einem Guss zu stammen: Zu der farbenfrohen, aber nie überladen wirkenden Spielwelt und den einzigartigen Figuren gesellen sich dramatische Übergänge sowie ein poppiges Menü mit großen Knöpfen und elektronischen Soundeffekten. Angesichts des sonst stimmigen Gesamtbilds sind mir die dicken und alles andere als ansehnlichen Seitenränder des 4:3-Formats besonders ein Dorn im Auge und rufen mir permanent ins Gedächtnis, dass Ghost Trick: Phantom-Detektiv auf dem Nintendo DS ursprünglich mit einem kleineren Bildschirm zurechtkommen musste. Immerhin: Das dort zu sehende Muster kann ich in den Optionen variieren und so für ein bisschen Abwechslung und Auflockerung sorgen.
Getragen wird die Präsentation von Ghost Trick: Phantom-Detektiv auch vom phänomenalen Soundtrack, bei dem sich je nach Stimmung unheilvolle Bässe mit fetzigem Synth-Pop und geschmeidigem Fusion-Jazz abwechseln. Alle Songs wurden von Yasumasa Kitagawa, der für die Musik im Gerichtssaal von The Great Ace Attorney verantwortlich war, neu arrangiert. Wer das körnigere Original vom ursprünglichen Komponisten Masakazu Sugimori bevorzugt oder mal probehören möchte, kann im Menü jederzeit zwischen der alten und der neuen Version hin- und herwechseln.
Wer auch nach der zehn- bis zwölfstündigen Story noch nicht genug von Ghost Trick: Phantom-Detektiv hat, sollte einen Blick ins Extra-Menü werfen. Dort finden sich unter anderem eine Reihe an Achievements, die ihr für den Abschluss eines jeden Kapitels sowie für besondere Leistungen erhaltet, und die Musik und Illustrationen des Spiels freischalten, damit ihr diese im entsprechenden Menü-Reiter bewundern könnt. Erneut lassen sich die Songs in der ursprünglichen und arrangierten Version abspielen, während die Illustrationen nochmal die Hintergründe und Charaktere ins Rampenlicht stellen.
Die Detektiv-Deluxe-Behandlung
Wer den DS-Klassiker verpasst hat und aufgrund der schlechten Verfügbarkeit des Originals nicht mehr zugegriffen hat, hat dank des modernisierten Ports ab dem 30. Juni auf PlayStation 4, Xbox One, Nintendo Switch und PC die Chance, das nachzuholen. Angesichts der horrenden Ebay-Preise, die durchschnittlich bei 60 Euro starten, kommt ihr mit dem Preis der Neuveröffentlichung von 29,99 Euro sogar vergleichsweise günstig weg. Falls ihr euch auch nach dem Test noch unsicher seid, ob euch die geisterhafte Detektiv-Geschichte begeistern könnte: Mit einer kostenlosen Demo könnt ihr auf allen Plattformen reinschnuppern.
Fazit
Der unterschätzte, fast von der Bildfläche verschwundene DS-Klassiker Ghost Trick: Phantom-Detektiv ist zurück und das besser als je zuvor: Mit modernisierter Optik, neu arrangierter Musik und den Schiebe-Rätseln aus der Mobile-Version ist die Neuveröffentlichung vom geisterhaften Detektiv-Mystery die ultimative Fassung geworden. Die Geschichte rund um den Geist mit Gedächtnisverlust und die Suche nach seinem Mörder ist auch 2023 noch packend und begeistert mit lebhaften Figuren, humorvollen Dialogen und natürlich jeder Menge Twists und Überraschungen. Spielerisch zeugt das Konzept der Geistertricks, bei denen ihr Objekte manipuliert und so das Schicksal verändert, auch heute noch von einer gehörigen Portion Originalität, ganz ohne Frust habe ich mich aufgrund der gelegentlich auftretenden Trial-and-Error-Passagen und den dadurch entstehenden Wiederholungen aber nicht zum Ende gepuzzelt. Die großartige Gesamtpräsentation wird hingegen nur vom hässlichen 4:3-Format getrübt: Hier hätte man das Spiel ruhig an moderne Bildschirme anpassen dürfen. Nichtsdestotrotz hat Ghost Trick mit der leichten Überarbeitung und den Sprung auf neue Plattformen die Behandlung bekommen, die es verdient – auf dem Nintendo DS ist die Rätsel-Sause nämlich zu Unrecht verstaubt.
Pro
- Ausgefallene und aufgehübschte Charakter-Designs
- Gelungene Gesamtpräsentation
- Abwechslungsreicher und stimmiger Soundtrack
- Spannende und humorvolle Geschichte mit vielen Überraschungen
- Herausforderungen schalten Musik und Illustrationen frei
- Schiebe-Puzzle nach Spielabschluss
Kontra
- Manchmal Trial-and-Error nötig
- Fehlende Vorspultaste zieht Neuversuche in die Länge
- Unansehnliche Seitenränder
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