Atlas Fallen - Test, Rollenspiel, PlayStation5, PC, XboxSeriesX
Atlas Fallen: Wie ein Sandkorn in der Wüste
Action-Rollenspiele sind heutzutage nicht mehr ausschließlich auf ein schnelles und spaßiges Kampfsystem bedacht, sondern haben häufig Soulslike-Elemente im Gepäck. Da es diese mittlerweile wie Sand am Meer gibt,dürfte es wohl viele Spieler freuen, dass Atlas Fallen darauf verzichtet und seinen eigenen, wenn auch holprigen, Weg geht. Ihr startet als ein sogenannter Namenloser die wie Sklaven schuften müssen und von den sie überwachenden Soldaten mit entsprechend wenig Respekt behandelt werden, in das Abenteuer.Im Grunde spielt dieser Umstand für den Verlauf des Spiels keine weitere Rolle, da ihr zu Beginn einen Gauntlet findet, der den Geist des Gottes Nyaal enthält. Dank seiner Macht verfügt ihr schon bald über nützliche Kampftechniken und müsst euch nicht länger den Befehlen der Soldaten beugen. In einer ziemlich belanglosen und teilweise auch kontextlosen Geschichte verstärkt ihr den Gauntlet nach und nach und geht der Frage auf den Grund, was genau eigentlich mit Nyaal passiert ist.
Der kann sich nämlich nur teilweise an seine Vergangenheit erinnern, hat dafür aber erstaunlich viel zu erzählen, was uns an den Armreif aus Forspoken erinnert hat – und das nicht auf eine positive Art, aber dazu später mehr. Viel mehr können wir euch gar nicht zu der Handlung erzählen, denn mit in unserem Fall gut 10 Stunden für die Geschichte ist das Spiel nicht allzu lang und weist nur wenige inhaltlich interessante Stellen auf.
Das Kernproblem: Ein zweiter Gott namens Thelos, der über das Land herrscht und von den Menschen verehrt
wird, scheint nicht so zu sein, wie alle denken. Was genau die Motivation der Hauptfigur ist, Nyaal zu helfen und der Sache auf den Grund zu gehen, wird nicht so recht deutlich; außerdem scheinen die einzelnen Segmente auf eine erzwungene Weise miteinander verbunden zu sein. Wenn ihr nach einem Spiel mit einer spannenden und gut präsentierten Geschichte sucht, ist Atlas Fallen also nicht der richtige Kandidat dafür. Das ist bei einem Action-Rollenspiel aber nicht zwangsläufig tragisch. Vertreter des Genres müssen nicht unbedingt von einer komplexen Handlung getragen werden, wie es zum Beispiel bei Final Fantasy 16 der Fall ist, solange das Gameplay von sich überzeugen kann. Das Herzstück von solchen Spielen ist im Endeffekt ein ausgeklügeltes Kampfsystem, das sowohl Tempo als auch Vielfalt mit sich bringt, und im besten Fall noch eine interessante Spielwelt.Spielt dieselbe Quest nochmal!
Letztere ist eine weite Wüstenlandschaft, die in eine Handvoll offene Areale mit jeweils eigener Karte eingeteilt ist. Auch wenn ihr nicht direkt jeden Winkel erkunden könnt, seid ihr in eurer Bewegungsfreiheit von Anfang an nur wenig eingeschränkt. Limitiert werden die Gebiete einerseits durch den Fortschritt in der Handlung und andererseits durch die aktuellen Fähigkeiten des Gauntlet. Die müsst ihr im Verlauf der Geschichte verbessern, um voranzukommen. Mit den göttlichen Kräften in Handschuhform könnt ihr an entsprechend markierten Stellen Konstruktionen aus dem Sand erheben, die euch den Weg auf höher gelegene Ebenen eröffnen. Allerdings ist es gerne mal unübersichtlich, wie genau ihr da jetzt hochkommen sollt. Da hilft es auch nicht, dass die gesamte Spielwelt mit ihrer Wüste eintönig und irgendwie trostlos aussieht, nur gelegentlich wird diese von etwas grüneren Ecken oder Bergen abgelöst.Um euch wenigstens die Fortbewegung zu erleichtern, habt ihr die Möglichkeit, über den Sand zu surfen. Das spart nicht nur Zeit, sondern macht auch Spaß, vor allem da das auch in den meisten Kämpfen möglich ist und diese so an Tempo gewinnen. Kleiner Tipp für diejenigen unter euch, die an Motion Sickness leiden: Schaltet die Bewegungsunschärfe am besten komplett ab.
Mit einer repetitiv gestalteten Welt und zunächst unübersichtlichen Ruinen könnten wir leben, aber sobald sich diese Wiederholungsstrategie aufs Gameplay ausweitet, wird es schwierig. Die ohnehin unspektakulären
Handlungsabschnitte werden mehrere Male dadurch unterbrochen, dass ihr neue Splitter suchen müsst, um den Gauntlet zu verbessern. Diese Missionen sind dann jedes Mal genau gleich aufgebaut, nur dass ihr in anderen Ecken nach den Stücken suchen müsst, und fühlen sich stark nach Füllmaterial an. Das kommt vor allem daher, dass sich das Sammeln der entsprechenden Materialien nicht organisch ergibt – außer ihr zieht zuvor auf eigene Faust los und sucht euch alle zu der Zeit erreichbaren Splitter im Voraus zusammen – sondern erzwungen wirkt, gerade da es mehrere Male passiert. Das hätte das Entwicklerteam durchaus geschickter umsetzen können.Insgesamt ist die Spielwelt selbst eher ereignislos konzipiert und bietet nicht viel Anreiz, mal nach links oder rechts abzubiegen. Es gibt ein paar Rätsel, optionale Bosskämpfe sowie Wachtürme und Zonen, die von besonders starken Gegnern bewacht werden, allerdings haben diese uns in den recht leeren Gebieten nicht das Gefühl gegeben, dass sich das Erkunden lohnt.
Es sind die kleinen Dinge im Leben
Die optionalen Missionen, die ihr zwischendurch erledigen könnt, sind unterteilt in Nebenaufgaben und Botengänge, sodass ihr nach Belieben wählen und aussortieren könnt, wonach euch gerade der Sinn steht. Aber Achtung, diese Missionen können fehlschlagen, wenn ihr sie zu lange liegen lasst – vom Hocker gehauen habensie uns ebenfalls nicht, aber sie waren in Ordnung und wir haben uns über die Unterteilung gefreut, wodurch wir uns reine Fetch Quests sparen konnten.Ebenfalls praktisch sind die in der Spielwelt verteilten Ambosse, die nicht nur zum Speichern und Schnellreisen dienen, sondern auch zum Verbessern der Rüstung und Freischalten neuer Fertigkeiten herhalten. Außerdem hat sich Deck13 einige Komfortfunktionen überlegt, die uns sehr gut gefallen haben und die wir deshalb trotz aller noch folgenden Kritik hervorheben möchten. Dazu zählt zum Beispiel, dass ihr im Menü alle „Neu“-Markierungen mit einem Knopfdruck löschen könnt. Das dürfte vor allem die perfektionistischen
Sammler freuen, die alle Tagebucheinträge, Audiologs und Artefakte, die in der Wüste verstreut sind, einsammeln möchten und deshalb ständig neue Marker angezeigt bekommen. Außerdem gibt es im Gespräch mit Händlern die Funktion, direkt zur Ware zu springen und auf das Geplänkel zu Beginn zu verzichten.Die verfügbaren Waffen können zusammen mit euren Essenzsteinen und einem ausgewählten Amulett als Preset gespeichert werden, sodass ihr bei Bedarf schnell zwischen ihnen wechseln könnt, ohne lange nach den gewünschten Fähigkeiten zu suchen. Außerdem lässt sich die Anzeige auf dem Bildschirm, welcher Quest ihr aktuell folgt, ausblenden, was mehr Immersion erzeugt.
Mit Karacho in den Treibsand
Auch bezüglich des Kampfsystems hatte das Entwicklerteam einige gute Ideen für Atlas Fallen, um das Ganzemöglichst individuell zu gestalten. Es gibt zwar lediglich drei Waffenarten, von denen ihr zwei gleichzeitig ausrüsten könnt, dafür aber eine Vielzahl an sogenannten Essenzsteinen. Manche bekommt ihr im Verlauf der Geschichte oder durch das Besiegen von Phantomen, andere müsst ihr aus verschiedenen Materialien herstellen.Die Essenzsteine unterteilen sich in drei verschiedene Ränge, von denen jeweils eine bestimmte Anzahl ausgerüstet werden kann, und sowohl aktive als auch passive Vorteile – zum Beispiel besondere Angriffe oder Verbesserungen der Verteidigung – mit sich bringen. Dadurch könnt ihr euch nicht nur eine individuelle Kombination zusammenstellen, sondern diese je nach Gegnertyp wechseln, um möglichst gut vorbereitet zu sein. Um die entsprechenden Fähigkeiten nutzen zu können, müssen sie sich zunächst aufladen, ihr könnt sie also nicht unendlich einsetzen. Ähnlich verhält es sich mit der Heilung, die sich durch erfolgreiche Treffer wieder aufladen muss. Je geschickter ihr kämpft, desto schneller füllt sich zudem eure Momentumleiste auf, mit deren Hilfe ihr ein besonders starkes Zerschmettern-Manöver ausführen könnt.
Das sind alles solide Ideen und klingen in der Theorie nach einem guten Kampfsystem, allerdings leidet es unter
der technischen Umsetzung des Spiels. Die Steuerung ist oft unpräzise, die Kamera macht einem das Leben schwer und da größere Gegner in den meisten Fällen ein paar kleinere dabeihaben, wird es schnell unübersichtlich. Übrigens sind die Bossgegner oft bloß stärkere Varianten von den Phantomen, auf die ihr auch so in der Spielwelt trefft. Um die großen Feinde zu Fall zu bringen, müsst ihr die verschiedenen Körperteile zerstören – der Fortschritt wird euch auf dem Bildschirm angezeigt. Ohne zu parieren, kommt ihr nicht weit, das scheint ein elementares Feature zu sein, um es mit den Gegnern aufnehmen zu können. Pariert ihr drei Angriffe hintereinander, frieren sie für kurze Zeit ein und sind euch schutzlos ausgeliefert, was sich bei Erfolg sehr befriedigend anfühlt. Ansonsten habt ihr nur wenig Gelegenheit, erfolgreich zuzuschlagen, und macht schnell einen Sturzflug in die Dünen.Ein Großteil der Kämpfe findet, zumindest für euch, in der Luft statt, da die Phantome häufig zu groß sind, um sie vom Boden aus zu bekämpfen. Wenn ihr einen Treffer landet, könnt ihr einmal mehr in der Luft sprinten und dadurch den Spielfluss aufrechterhalten. Den Fokus zwischen den verschiedenen Körperteilen und den anderen Gegner zu wechseln ist ziemlich fummelig und endet im Eifer des Gefechts gerne mal fatal.
Hoher Aufwand, zu wenig Zeit
Das klingt so alles ziemlich negativ, deshalb möchten wir das noch näher erläutern. Um einen totalen Reinfall wie bei The Lord of the Rings: Gollum handelt es sich hier nämlich nicht, trotzdem hat uns das Spiel insgesamt eherenttäuscht, vor allem vor dem Hintergrund der guten Ideen, die sie offensichtlich hatten.Ein großes Problem ist das Balancing, denn viele der Bosse und großen Gegner sind auf dem normalen Schwierigkeitsgrad zu hart. Und das nicht auf eine gute, herausfordernde Art wie bei den Soulsborne-Titeln, sondern weil sie viel zu stark austeilen und zu wenig einstecken. Das Problem ist Deck13 bekannt und soll, genau wie einige andere Schwächen wie beispielsweise nachladende Texturen, bereits mit einem Day-One-Patch behoben werden. Diese Tatsache hat uns den Test in doppelter Weise erschwert. Wir können schließlich nur das beurteilen, was wir vor uns haben, und auch wenn es ein gutes Zeichen ist, dass das Entwicklerteam bereits an der Behebung arbeitet, wissen wir natürlich nicht, ob das Ganze sich mit dem Update wirklich verbessert oder noch eine längere Zeit der Überarbeitung nach sich zieht. Das wird sich also erst nach dem Release zeigen.
Zudem sehen wir es als schlechtes Omen an, dass so kurz vor der Veröffentlichung noch so wesentliche
Elemente korrigiert werden müssen. Dass Spiele auf den Markt kommen, bevor sie richtig fertiggestellt wurden, ist mittlerweile leider keine Seltenheit mehr, doch allzu große Änderungen sollten zu diesem Zeitpunkt eigentlich nicht mehr nötig sein. Atlas Fallen wurde außerdem bereits um mehrere Monate nach hinten verschoben, jedoch wäre anscheinend noch mehr Zeit nötig gewesen, wie sich an vielen Stellen bemerkbar macht. Denn das Spiel leidet zum jetzigen Zeitpunkt unter einigen Fehlern, die zwar nicht die Spielerfahrung zerstören, in der Summe allerdings frustrierend sind. In der Ferne ploppen Elemente aus der Welt auf, es gibt – sowohl in hektischen als auch ruhigen Momenten Einbrüche in der Bildrate, im Menü lassen sich neue Quests erst nach mehrmaligem Drücken des Knopfes aktivieren und manchmal verhakt sich die Spielfigur in großen Gegnern.Letzteren scheint es außerdem selbst nicht allzu gut zu gehen, denn gelegentlich können sie sich ohne äußeren Einfluss für ein paar Sekunden nicht mehr bewegen. Außerdem blieb der gewählte Kasten nach der Auswahl einer Dialogoption bis zum Ende des Gesprächs auf dem Bildschirm, auch wenn das Thema bereits ein anderes war. Die Grafik ist ebenfalls so eine Sache, von der gestalterischen Kreativität mal abgesehen: Manches sieht auf der PlayStation 5 ziemlich schick aus, anderes eher matschig. Die Ladezeiten könnten ebenfalls kürzer ausfallen.
Halt doch einfach mal die Klappe!
Unterbricht man jemandes Voice Line, indem man zum Beispiel das Menü öffnet, beginnt er danach von vorne und das so lange, bis er seinen Satz erfolgreich zu Ende gebracht hat. In einem der Bosskämpfe, in dem Kommentare eines anwesenden Soldaten zu hören waren, hat dieser bei einem unserer Versuche alle paar Sekunden immer wieder „Erledige es!“ gerufen, was irgendwann nicht nur an den Nerven, sondern auch der Konzentration zerrt; alles Probleme, die man mit etwas mehr Zeit vermutlich in den Griff gekriegt hätte.Und dann gibt es da noch generelle Designentscheidungen, die den Gesamteindruck abschwächen. Dazu zählt zum Beispiel die Synchronisation der (weiblichen) Protagonistin, die absolut emotionslos und monoton klingt. Oder die Tatsache, dass Nyaal dieselben paar Sprüche immer wieder benutzt, während man in der Welt
unterwegs ist. Seine Lizenz zum Labern würden wir ihm nicht nur deshalb gerne wegnehmen, sondern vor allem weil er alles kommentiert und einem somit manches vorwegnimmt.Wenn euch Aloy in Horizon Forbidden West mit ihrem Gequatsche genervt hat, wird es euch hier nicht besser gehen. Denn genauso verhält sich Nyaal, nur noch etwas schlimmer. Er kündigt den Amboss an, bevor wir ihn gesehen haben, verrät uns, wie wir am besten diese Ruine erklimmen, ohne dass wir uns selbst ein Bild davon machen konnten. Er sagt uns, wenn wir eine andere Rüstung wählen sollten, und dass wir nun genug Material haben, um einen neuen Essenzstein herzustellen. Seine eigenen grauen Zellen anstrengen? Fehlanzeige.
Lassen wir die technischen Schwierigkeiten außer Acht und fokussieren uns auf das Gameplay an sich, so scheint Atlas Fallen sich auf das Kampfsystem konzentrieren zu wollen und den Rest des Spiels zu vernachlässigen. Das allein reicht aber nicht aus, um ein interessantes Erlebnis zu schaffen. Besonders schade daran ist, dass der Wille und die Ideen offensichtlich vorhanden waren, und es im Endeffekt an der Umsetzung gescheitert zu sein scheint. Potenzial hatte der Titel auf jeden Fall.
Fazit
Atlas Fallen steht sich selbst im Weg und bremst sich durch die technischen Unsauberkeiten sowie ungünstigen Entscheidungen aus. Neben einigen tollen Komfortfunktionen und guten Ideen für das Kampfsystem, hapert es an der Umsetzung. Da weder ein besonderer Anreiz zur Erkundung der Spielwelt, noch ein Spannungsbogen in der Geschichte geschaffen wird, bleiben wir mit der Frage zurück, was genau der Titel uns eigentlich geben will. Manche Schwächen sollen mit dem versprochenen Patch noch behoben werden, das kann allerdings trotz kreativer Ansätze nicht alle Makel ausgleichen.
Pro
- Kompakte Länge von gut 10 Stunden für die Geschichte
- Praktische Komfortfunktionen
- Kreative Ideen für das Kampfsystem
- Unterteilung der optionalen Missionen in Nebenquests und Botengänge
- Individueller Spielstil durch Kombination von Fertigkeiten möglich
Kontra
- technische Schwierigkeiten
- Hauptfigur schlecht synchronisiert
- Belanglose Geschichte, die nur als Beiwerk dient
- Leere, zumeist gleich aussehende Spielwelt
- Repetitive Aufgaben mit wenig Abwechslung
- Sehr hoher und teils ausbremsender Redeanteil von Nyaal
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Lediglich ein Vorbesteller-Bonus mit rein kosmetischen Skins erhältlich.
- Es gibt keine Käufe.