Starfield - Test, Rollenspiel, XboxSeriesX, PC
Starfield: Das Abenteuer im Weltraum beginnt
Es ist Donnerstag, der 17. August: Mitten am Abend erhalte ich die seit Wochen langersehnte E-Mail. Die Testversion für Starfield steht endlich bereit. Umgehend wird der Code eingelöst, der über 100 Gigabyte schwere Download via Steam angeworfen. Es ist ein Moment, der einerseits die Vorfreude ins Unermessliche steigerte, immerhin reden wir von einem neuen Spiel eines der bekanntesten Studios der Welt, aber auch gleichzeitig eine Furcht befeuerte. Ich muss dieses Monstrum von Rollenspiel ja nun testen!Natürlich war mir schon im Vorfeld klar, dass das bei weitem keine einfache Aufgabe wird. Wie schwer es aber wirklich ist, zeigte sich mir erst nach vielen Stunden Spielzeit: Starfield ist ein komplizierter Fall. Von den Stärken Bethesdas, das Erkunden einer unbekannten Spielwelt, bei der ich alle 30 Meter Feldweg vom eigentlichen Ziel abgelenkt werde, spüre ich zu Beginn gar nichts. Ich irre planlos umher, fliege unzählige Planeten an, aber als Entdecker fühle ich mich zu keiner Zeit.
Als Tester stellt man sich dabei zwangsläufig die Frage: Liegt es an mir? Spiele ich Starfield völlig falsch? Bin ich mit den falschen Erwartungen herangegangen? Oder vermittelt Bethesdas Weltraum-Abenteuer etwas gänzlich Konträres zu dem, was man eigentlich sonst von dem Studio kennt? Nach weit über 55 Stunden kenne ich die Antworten auf meine Fragen – und kläre sie für euch in unserer Review.
Der Minenarbeiter mit Liebe für die Eltern
Bevor ich näher auf diese Thematiken eingehe, gilt es erst einmal den Anfang von Starfield zu erleben. Derbeginnt nicht im Charaktereditor, sondern in einer Mine, denn wie in vielen anderen Bethesda-Spielen ist man in den ersten Stunden (mehr oder weniger) ein Niemand. Man hat keine besonderen Kräfte oder andere herausragende Eigenschaften, mit denen man sich vom Rest abhebt. Stattdessen darf man mit der Chefin und einem Kollegen mitlaufen, einen schweren Lasercutter heben und Mineralien abbauen. In diesem Fall handelt es sich aber um ein ganz besonderes Metall – was mein bis dato noch namens- und gesichtsloser Charakter auch zu spüren bekommt.Kaum fasse ich das Artefakt, wie es später genannt wird, an, folgt eine undeutliche Vision des Weltraums mit anschließender Ohnmacht. In dem Moment weckte Starfield bei mir sofort Erinnerungen an den Start von Mass Effect, aber allzu lang kann ich mich bei dem Gedanken nicht aufhalten. Nachdem mein Charakter wieder aufwacht, geht es endlich in den Editor: Geschlecht, Gesicht, Haare und ein paar körperliche Details werden festgelegt. Wer will kann hier einiges an Zeit verbringen, denn die Möglichkeiten sind ziemlich umfangreich.
Als Rollenspieler sind für mich aber andere Entscheidungen von Belang: Man kann in Starfield optional drei bestimmte Perks festlegen, die den eigenen Hintergrund zuzüglich zu den eingestellten Anfangsfähigkeiten weiter definieren. War man in der Vergangenheit jemand Berühmtes, der nun stets einen Fan beziehungsweise
Stalker an der Backe kleben hat? Hat man sich schon früh ein eigenes Haus gegönnt und startet direkt mit einem Berg Schulden ins Leben? Ist man gläubig oder atheistisch? All das lässt sich mit verschiedenen Traits einstellen, die jeweils einen Vor- und einen Nachteil haben.Ich entscheide mich zuallererst für Kindersachen, sprich in der Welt von Starfield leben meine Eltern noch. Im Gegenzug muss ich dafür regelmäßig ein paar Credits an diese abgeben, um sie nach meinem Auszug finanziell zu unterstützen. Der Vorteil? Ich kann sie tatsächlich besuchen und mich mit ihnen unterhalten, später kommen sie mich sogar an meinem Arbeitsplatz besuchen und hin und wieder erhalte ich von ihnen auch ein kleines Dankeschön - aber da möchte ich an dieser Stelle nicht zu viel verraten. Es ist jedoch schön, dass diese Traits nicht nach ein paar Minuten vergessen sind, sondern sich über die gesamte Spielzeit hin und wieder bemerkbar machen.
Auf zu den Sternen!
Nachdem das Aussehen, die Skills und die Traits für den Charakter stehen, geht es Schlag auf Schlag: Das Artefakt, welches ich berührt habe, wird von der Constellation gesucht. Einer Organisation, die sich dem Ziel der Erkundung des Universums und ihren Geheimnissen verschrieben hat, wobei sie im Jahr 2330 längst nur noch ein Schatten ihrer selbst ist. Just als der Auftraggeber namens Barrett landet, um das Artefakt entgegenzunehmen, kommt es zu einem Überfall durch Piraten – der erste, kleine Prüfstein für das Kampfsystem von Starfield, welches dem Szenario entsprechend viel mehr auf Schusswaffen statt Schwerter, Äxte oder Feuerbälle setzt. Dazu aber später im Text mehr.Sobald das Gefecht gewonnen ist, erhalte ich mein erstes Raumschiff: Die Frontier. Das Ziel? New Atlantis, eine
der großen Städte von Starfield, die etliche klassische Zukunftsvisionen in sich vereint: Ein klinisch, nahezu reinlicher Look, die überschwängliche Verwendung von Glas, überall hochentwickelte Technologie und natürlich ein Abschieben der sozial niedriggestellten Klasse in Ghetto-ähnliche Gebiete, in denen sie irgendwie schon von alleine zurechtkommen werden. So ähnlich hat man das schon ein paar Mal gesehen, nichtsdestotrotz ist das erste Landen in und Erkunden von New Atlantis beeindruckend, und zu einem gewissen Grad vergleichbar mit den ersten Schritten einst 2011 in Weißlauf.Statt schnurstracks der Hauptstory zu folgen, wandere ich erst einmal umher, erkunde alle Ecken, erhalte erste Nebenaufträge, lausche Gesprächen zwischen NPCs oder höre dabei zu, wie Schiffe am Raumhafen ankommen und wieder losfliegen. Die Atmosphäre, die Starfield in diesen ersten zwei Stunden schafft, ist wirklich phänomenal und schreit mich geradezu an, wieder ins Raumschiff zu steigen und anzufangen, andere Planeten zu erkunden. Aber zuvor gilt es noch der Loge, dem Hauptquartier der Constellation, einen Besuch abzustatten.
Die ist zwar erst einmal etwas skeptisch, warum ausgerechnet ein Neuling ihnen das wertvolle Artefakt bringt, nimmt mich aber trotzdem zügig in ihre kleine, sehr diverse Gruppe auf: Anders als erwartet trifft man in der Behausung nicht nur auf von Wissenschaft getriebene Personen, sondern auch Gläubige, Wirtschaftsvertreter und moderne Cowboys. Was sie eint? Der Gedanke, dass es da draußen im Universum noch Geheimnisse gibt, die die Menschheit bislang nicht entdeckt hat. Etwas Größeres, als man es sich kaum vorstellen mag. Das von mir per Lasercutter freigelegte Artefakt soll dafür ein Schlüssel sein.Sind 1.000 Planeten zu viel?
Natürlich: Wo ein Artefakt ist, gibt es noch viel mehr – damit beginnt die eigentliche Story von Starfield, die ich allerdings für die nächsten Spielstunden beiseiteschiebe. Was juckt mich denn irgendein ominöses Metall mit komischen Auswirkungen auf meine Psyche, wenn ich stattdessen auch ins Raumschiff steigen und ein unfassbar riesiges Universum voller unbekannter Gefahren bereisen kann? Mit dem Wissen im Hinterkopf, dass die Hauptquest nicht unbedingt zu den Highlights eines Bethesda-Spiels gehört, widme ich mich also stattdessen lieber der Erkundung und erlebe eine Bruchlandung, wie ich sie selten hatte.Um das besser zu erklären, muss man wissen, wie die unzähligen Planeten in Starfield funktionieren: Die sind
nämlich nicht alle von Hand erstellt, sondern setzen angesichts ihrer Menge auf eine Art der prozeduralen Generierung. Das Team hat zuvor eine Vielzahl von Landschaftsstücken erstellt, die anschließend beliebig um einen Planeten gelegt worden sind. Dadurch entstehen zumindest an der Oberfläche recht realistisch aussehende Himmelskörper, die aber überwiegend noch keine Inhalte bieten. Die werden erst generiert, sobald ihr euch im Landeanflug befindet, und bestehen die meiste Zeit aus Höhlen, Fabriken, seltenen Landschaftsformationen, verlassenen Laboren und vielen weiteren Dingen. Im Endeffekt bedeutet das, dass zwei Spieler quasi zum gleichen Planeten reisen können, dort aber unterschiedliche Erfahrungen machen.Dieser Zufallsfaktor hat jedoch auch seine Schattenseiten: Die ersten Planeten, die ich in Starfield abseits von Jemison und dessen Hauptstadt New Atlantis besucht habe, waren schlicht und ergreifend eines: Sehr langweilig. Die Oberfläche oft eine leere und trockene Wüste, in der es keine Anzeichen von organischen Leben gab. Ein paar Höhlen fand ich, die außer ein paar läppischen Ressourcen nichts boten – keine versteckten Geheimnisse, keine Bewohner, keine zu Grunde gegangenen Tiere oder irgendetwas, weshalb es sich lohnen würde, genau diese Höhle zu besuchen. Das Enviromental Storytelling, welches sonst zu den Stärken Bethesdas gehört und aus dem so viele Geschichten in Oblivion, Skyrim, Fallout 3 oder Fallout 4 hervorgegangen sind, war für mich in den ersten Spielstunden sehr enttäuschend.
Starfield ist anders
Das liegt auch an der Weise, wie Starfield funktioniert: Wer sich in Skyrim dazu entscheidet, von Weißlauf aus in Richtung Flusswald aufzubrechen, der würde das besagte Örtchen nie und nimmer rechtzeitig erreichen. Zu verlockend sind die Ablenkungen abseits des Weges: Ein Räubercamp, ein verirrter Wanderer oder eben eine Höhle, die mich zu einem geheimen Schatz oder einem wertvollen Schwert führt. Manchmal ist es auch nur eine schicke Lichtung in einem Wald, die zum Verweilen und zum Abschweifen der Gedanken einlädt.In Starfield funktioniert genau diese Vorgehensweise nicht. Man kann nicht direkt von Planet zu Planet oder von Sternensystem zu Sternensystem reisen, denn die Wege sind viel zu riesig. Stattdessen nutzt man den Grav-Antrieb, um in Sekundenschnelle die Distanzen zu überbrücken - immer verbunden mit einer kurzen Animation sowie einem Ladebildschirm (die gibt es übrigens auch in den Städten, wie New Atlantis, wenn man größere Gebäude betritt oder zwischen zwei Stadtteilen reist). Auch das Landen auf einem Planeten funktioniert keineswegs nahtlos, wie man es vielleicht aus No Man's Sky kennt, sondern man muss zuvor eine der vordefinierten Landezonen anfliegen oder eine eigene festlegen, erneut verbunden mit einem Ladebildschirm. Der Weltraum dient meiner Erfahrung nach der Atmosphäre und den Kämpfen gegen feindliche Raumschiffe, aber einen Grund, minuten- oder gar stundenlang vor sich hinzutreiben, gibt es nicht.
Hat man irgendwann festen Boden unter den Füßen, dann folgt der Griff zum Scanner: Mineralien, Flora und
Bethesdas stärkste Story
Ganz so einfach ist es dann aber doch nicht, denn Starfield glänzt mit einem Punkt, den ich so nie in einem Bethesda-Spiel erwartet hätte: Der Hauptgeschichte. Ich legte also den Drang, alles und jeden Zentimeter bestens zu erkunden vorerst beiseite, und schloss mich den Bestrebungen der Constellation und ihrer Jagd nachden Artefakten an. Zugegeben: Die Story benötigt etwas Zeit, um richtig in Fahrt zu kommen, denn es geht in den ersten Stunden nur darum, zu verschiedenen Planeten zu reisen und dort weitere Stücke des mächtigen Metalls zu finden.Stück für Stück zieht die Spannung aber an: Was hat es mit diesen Artefakten auf sich? Was sind das für Visionen und warum werden sie immer nur bei der Person ausgelöst, die als erstes ihre Finger dranhält? Und noch viel wichtiger: Woher stammt dieses Metall? Es gibt viele Fragen, die die Autoren innerhalb der Geschichte mal mehr und mal weniger zufriedenstellend beantworten – inklusive eines doch verhältnismäßig überraschenden Twists. Ohne zu viel verraten zu wollen: Bethesda greift Themen wie Religion, den Ursprung des Universums und die Frage auf, ob wir als Menschheit tatsächlich alleine im Weltraum sind. Einen frischen Blick liefert man zwar nicht, dafür aber wird der Großteil, der zwischenzeitlich auch auf eine gewisse wissenschaftliche Überheblichkeit anspielt, kompetent und spannend erzählt, was in gewisser Weise ein Novum für das moderne Bethesda ist.
Ich gehe sogar so weit zu sagen, dass Starfields Kampagne das beste Bethesda-Werk seit The Elder Scrolls 3: Morrowind ist. Es gab tatsächlich nur wirklich wenige Dialogzeilen, wo ich mit den Augen rollen musste oder vor Fremdscham lieber gestorben wäre. Dazu tragen auch die Begleiter bei, die man schon recht früh um sich
scharen darf: Anders als zum Beispiel in Fallout 4 stach von ihnen im Laufe der Spielzeit keiner besonders negativ heraus. Ganz im Gegenteil, manche waren sogar wirklich interessant geschrieben, wie zum Beispiel der alleinerziehende Vater und Pseudo-Cowboy Sam Coe. Wirkte dieser in den ersten Minuten mit seinem Auftreten noch abschreckend, konnte ich mich mit ihm und seiner Tochter Cora, die permanent an Bord des Raumschiffs bleibt, immer stärker anfreunden. Zum einen, weil Sams Hintergrund mit seiner Ex-Frau, einer viel zu frühen Schwangerschaft und lauten Streitereien, die man vor dem Kind geheim halten will, einem nur allzu bekannt vorkam. Auf der anderen Seite war Cora, anders als viele andere kindliche Charaktere in Videospielen, nie im Weg und auch keineswegs nervig geschrieben.Lediglich bei den Romanzen kann Bethesda noch jede Menge lernen, unter anderem vom jüngst veröffentlichten Baldur’s Gate 3. Romantik und Flirten existiert zwar in Starfield, aber so richtig überzeugend ist das im Gesamten nicht. Schade.
New Game Plus: Auf einmal zündet es
Nach etwas mehr als 40 Stunden liefen dann die Credits von Starfield – und obwohl das Finale mich nicht ganzüberzeugen konnte, war ich von der Hauptstory wirklich angetan. Nur dann drohte es mir wieder: Diese Leere, die langweiligen Planeten, die endliche Unendlichkeit dieses Universums. Als ich bereits darüber nachdachte, hier schon einen Schlussstrich zu ziehen, bot das Abenteuer mir einen Ausweg: New Game Plus. Leider darf ich hier nicht in die Details gehen, aber es sei gesagt, dass dieser Modus sinnvoll eingebaut und keineswegs zu vernachlässigen ist.Statt ein weiteres Mal der Hauptkampagne zu folgen, entschloss ich mich dazu, dem Erkundungsdrang doch noch eine Chance zu geben. Vielleicht war es Glück, das ich per Zufall spannendere Planeten ansteuerte, oder genau so gewollt: Auf einmal weckte Starfield doch noch diese kindliche Neugier in mir, Planeten zu erkunden, ungewöhnliche Tiere entdecken und ungelöste Rätsel entdecken zu wollen. Ich flog zu zahlreichen Planeten, fand zwar immer noch dieselben Grundelemente, die aber aus irgendeinem Grund auf einmal viel spannender waren. Ich betrat mehrere Höhlen, in denen sich endlich mehr als nur zu wenig Sauerstoff befand. Per Zufall stolperte ich über einen Space-Piraten-Außenposten, der zuvor von Wissenschaftlern als illegales Labor betrieben wurde oder wurde im Weltraum von einem Schulraumschiff angehalten, deren Besatzung mich am liebsten mit Fragen zu meiner Arbeit als Constellation-Mitarbeiter gelöchert hätte.
In den Städten New Atlantis, Akila (Fallout-Vibes!) und Neon (düstere Cyberpunk-Stimmung) schnappte ich zudem im Vorbeigehen unzählige Nebenaufträge auf, die mich in die verschiedensten Ecken des Weltraums führten. Immer mit einem klaren Ziel und nur selten handelte es sich um belanglose Fetch-Quests der Marke “Sammel dies und erledige jenes”. Die gibt es natürlich auch, denn in den großen Städten könnt ihr über ein spezielles Auftragsfenster gefühlt unendlich viele zufallsgenerierte Aufträge annehmen, um ein paar zusätzliche Credits zu verdienen. Dann darf man Piraten im Weltraum jagen, eine Lieferung von A nach B bringen oder sich auf die Suche nach einem verloren gegangenen Transporter begeben.
Ein feiner Hauch von Destiny
Worüber ich noch nicht gesprochen habe: Das Kämpfen in Starfield, sowohl auf als auch außerhalb von Planeten. Grundsätzlich lässt sich festhalten, dass Bethesda aus Fallout 4 und Fallout 76 gelernt hat. Die Waffen fühlen sich in Starfield überraschend gut an, das Treffer-Feedback ist den Entwicklern gelungen. Auf Planeten mit geringer Schwerkraft und in Kombination mit einem Jetpack fühle ich mich sogar ganz kurz an Destiny erinnert, obwohl Bethesda auf gar keinen Fall die spielerische Klasse des Bungie-Shooters in diesem Aspekt erreicht. Dennoch machen die Gefechte Spaß...Zum Glück gilt das nicht für die Weltraumkämpfe: Fühlte ich mich am Anfang aufgrund meines schwächlichen Raumschiffs den meisten Feinden noch klar unterlegen, änderte sich das mit stärkerer Bewaffnung, einem besseren Antrieb und widerstandsfähigeren Schildsystemen. Wortwörtlich wurde ich danach vom Gejagten zum Jäger, zerlegte ein Piratenschiff nach dem anderen und hatte an den Explosionen großen Spaß. Nur mit den Dogfights eines Everspace 2 kann Starfield trotz allen Stärken nicht ganz mithalten.
Skills: Kombiniere Skyrim mit Fallout
Wovon die Gefechte, ob nun zu Land oder im Weltraum, profitieren? Natürlich: Von einem Skillsystem. ProStufenaufstieg darf ich einen Talentpunkt vergeben und zur Auswahl stehen gleich fünf unterschiedliche Kategorien, die jeweils eigene System abdecken. So lerne ich Schlösser zu knacken, mit dem Jetpack am Rücken umzugehen, verursache mehr Schaden mit der Schrotflinte oder sorge dafür, dass meine Raumschiffschilde gelegentlich sämtlichen Schaden absorbieren. Übermächtige oder kreative Builds ergeben sich aus den Möglichkeiten allerdings nicht, zudem man theoretisch nahezu alle Fähigkeiten erlernen kann, wenn man genügend Spielzeit investiert.Eine nette Idee ist derweil, dass man sämtliche Skills insgesamt bis zu viermal verbessern darf, sofern man die jeweilige Herausforderung abschließt. Will ich zum Beispiel beim Schleichen seltener entdeckt werden, muss ich erst einmal ein paar gelungene Angriffe aus dem Schatten starten, um den Skill in einem Rang aufsteigen zu lassen. Ähnliche Challenges gibt es auch bei den anderen Talenten, wodurch sich Starfields System wie eine simple, aber durchaus gelungene Mischung aus Skyrim und Fallout anfühlt.
Technik: Weniger Käfer, aber noch nicht bugfrei
Zum Schluss muss man bei einem Bethesda-Spiel noch über den Elefanten auf dem Porzellanplaneten sprechen: Die Technik. Starfield setzt auf eine stark weiterentwickelte Version der Creation Engine, die Bethesda seit Skyrimeinsetzt. Während man aber bei Fallout 4 und spätestens dem Online-Ausflug Fallout 76 starke Abnutzungserscheinungen feststellen konnte, sieht Starfield stellenweise wirklich fantastisch aus. Das verdankt das Abenteuer vor allem seiner großartigen Lichtstimmung und dem exzellenten Artstyle, von Bethesda selbst als NASA Punk bezeichnet. Die Raumschiffe, die man sich entweder kaufen oder im Schiffsbuilder fummelig selbst zusammenstellen darf, sind unfassbar detailverliebt und laden gerade dazu ein, sie im Fotomodus viel näher zu betrachten.Hin und wieder saß ich auch mit offenem Mund vor dem Bildschirm. Etwa wenn ich auf einem Planete lande, die Sonne gerade im perfekten Moment die Oberfläche anleuchtet und ich auf einem Berg über eine riesige Savanne voller ungewöhnlicher Tiere blicke. Ja, die Texturen sind nicht die allerbesten in Starfield und auch bei den Animationen gibt es trotz sichtbarer Verbesserung weiterhin Nachholbedarf. Manche Momente sind jedoch unabhängig von solchen Technik-Schnick-Schnack pure Videospielkunst, die man bis zum letzten Moment auskosten sollte.
Und Bugs? Nun, was soll ich sagen: Die mehrfache Verschiebung merkt man Starfield an. Schon im Vorfeld hieß es von Microsoft, dass es das Bethesda-Rollenspiel mit den wenigsten Fehlern sei. Dieser Eindruck bestätigte sich im Test: Abseits von zwei Abstürzen, ein paar kleineren Texturfehlern, einer leicht schwankenden
Performance in den größeren Städten und einem Feststecken in einer Animation, blieb ich beim Spielen von schweren Problemen tatsächlich verschont. Das soll nicht heißen, dass Starfield ein nahezu bugfreies Spiel ist, aber die Fehler halten sich dieses Mal merklich in Grenzen – und alleine dafür hat sich die Wartezeit inklusive der intensiven QA-Phasen wirklich gelohnt.Nur bei einer Sache muss ich am Ende noch einmal den Rotstift zücken: Das Interface! Zwar ist es im Vergleich zu den Vanilla-Releases von Skyrim oder Fallout 4 um Längen besser und einfacher zu bedienen, aber es gibt immer noch ein paar Stellen, die entweder überfrachtet oder schlecht erklärt sind. Bei nicht gerade wenigen Gegenständen bin ich über Abkürzungen gestolpert, deren Bedeutung ich erst im Ingame-Handbuch nachlesen durfte.
Starfield auf der Xbox Series S (von Michael Sonntag)
Um den Test meines fantastischen Kollegen Sören mit einer wichtigen Frage zu ergänzen: Alles klar, PC läuft, doch wie spielt sich Starfield auf der Xbox Series, vor allem auf der “schwächeren” Xbox Series S? Die schnelle Antwort: Erstaunlich gut, überraschend gut.Perfomance
In meinen Spielstunden verzeichnete ich so gut wie keine Ruckler oder Einbußen bei der Performance. Lediglich einmal stürzte die Konsole ab, aber unter diesen Umständen, dass wir von dem fehlerfreisten Release eines Bethesda-Spiels aller Zeiten reden, ist für mich einmal kein Mal. Die Ladezeiten sind da ein ganz anderes Thema und werden nur erwähnt, um überhaupt kritische Seiten aufzuzeigen. “Next Gen”-Konsolen haben uns verwöhnt und diese lästigen Pausen eigentlich abgeschafft. Gerade hier kommt Starfield auf der Xbox Series S etwas oldschool daher.Ladezeiten
Ladezeiten beim Anflug auf einen Planeten, Ladezeiten beim Betreten einer Basis, Ladezeiten zwischen Planeten und dann noch eine und noch eine – sie treten überall auf und fallen nicht lang aus, aber unterschiedlich lang und das nicht immer nachvollziehbar. Hin und wieder fragt man sich doch: “Okay, da scheint die Konsole gerade irgendetwas stärker als sonst zu beschäftigen, aber was soll das bitte sein?” Es ist ein Luxusproblem, aber wie gesagt, in Zeiten von Next Gen stellt der flüssige Übergang ein wichtiges I-Tüpfelchen dar, das gerade für die Immersion entscheidend ist. Schade.Guter Zustand, etwas eigen
Ab und zu glitchen Objekte in sich selbst, als seien sie verhext. Passanten ploppen manchmal weg. Zufällige Schauplätze auf Planeten lösen sich teilweise in Luft auf. Es sind Dinge, die auffallen, aber Dinge, die ich mit der Lupe suchen muss. Nein, Starfield läuft auf der Xbox Series S tadellos, ohne dass man sich wie ein Spieler zweiter Klasse vorkommen muss.Zuletzt ein Kommentar zum technischen Aufbau des Spiels: Die Steuerung für Xbox Series ist umfangreich und komplex, gerade beim Wechsel zwischen Menüs, Spiel und Weltraumkarte, aber mit der Zeit geht sie schnell ins Blut über. Aber so oder so – Starfield hat einen Menü-Wahn oder erwartet von uns eine Begeisterung für solche.
Fazit
Fazit von Sören
Starfield, Starfield, Starfield... dieses Spiel macht es mir überhaupt nicht einfach. Ihr könnt gerne meine Kollegen fragen, aber selten habe ich mich mit so einem Test herumgeschlagen, wie mit dem Bethesda-Rollenspiel. War ich nach den ersten zwei Spielstunden noch voller Euphorie, kam es danach zum Absturz und der Befürchtung: Das wird nichts. Starfield ist eine Enttäuschung... und dann wendete sich das Blatt ein weiteres Mal. Wie hätte ich auch damit rechnen können, dass ausgerechnet mal die Hauptstory bei Bethesda zu den Highlights gehört? Oder, dass der Zufallsfaktor der Planeten mir so sehr reingrätscht? Sobald man aber den Punkt erreicht, wo Starfield zündet, dann vergehen Stunden um Stunden und Nächte werden kürzer, als sie sein sollten. Bis dahin dauert es aber ein wenig und man muss ganz im Stile von The Elder Scrolls oder Fallout ein paar Kompromisse akzeptieren, wie etwa eine enttäuschende KI, viel zu viele leere Planeten oder ein immer noch nicht ganz ausgereiftes Interface. Wenn einem das gelingt, dann kann man mit Starfield ein atemberaubendes Erlebnis haben, welches in dieser Art nur Bethesda auf den Bildschirm zaubert.Fazit von Michael Sonntag
Achtung, jetzt wird es etwas Meta, aber wen wundert das, bei einem Spiel wie Starfield?Es gibt Spiele, bei denen mir ein Urteil schwer fällt. Diese Spiele hinterlassen bei mir ein Gefühl der Zerrissenheit, weil ich ständig zwischen Stärken und Schwächen pendle. Bei Starfield dagegen erlebe ich einen Zustand der Schwebe. Das ist mal eine angenehme Abwechslung. Die Stärken relativieren die Schwächen und umgekehrt. Gleichzeitig sehe ich, was Starfield ist und was noch sein kann. Ich glaube, dass, bevor ein Urteil möglich ist, sich erst das richtige Mindset bei mir einstellen muss. Wie spiele ich Starfield so, wie es am besten zu spielen ist – wie kann ich seinem Potenzial und seiner Vision gerecht werden?
Jeden Tag wird dieses Mindset mit neuen Eindrücken feinjustiert. Was dieses Mindset bei seiner Kalibrierung am meisten stört, ist der Meteoritenschauer an verschiedenen Erwartungen an das Spiel. Was hat das Marketing versprochen, was haben wir erwartet und was ist Starfield letztendlich für ein Spiel? Die ultimative Weltraum-Simulation? Ganz bestimmt nicht. Ein Bethesda-Rollenspiel im Weltall, das diesen Raum zu einem neuen Spielplatz für Abenteuer macht? Ja. Ich sehe hier viel Potenzial und noch viel mehr ungenutztes davon. Vieles überrascht und gleichzeitig weckt vieles Erwartungen an Komplexität, die dann aber nicht erfüllt wird.
Der Rollenspielgehalt?
Aktuell – und ich spreche nur für mich – ergeben sich für mich drei Spielarten für Starfield. Die Story-Spielart mit allen Kampagnen und Fraktionen, die Basenbau-Spielart für Forscher, Händler und Architekten sowie zuletzt eine Spielart für alles rund um Piraterie, Kopfgeldjagd und Raumschiffe. Selbstverständlich können diese Spielarten miteinander kombiniert werden, auch wenn die Story-Spielart für mich persönlich das Herzstück bildet. Alles andere sind nette Gimmicks, die (nicht eingebettet in eine Handlung) keine ausreichende Motivation für sich selbst liefern. Es wirkt oft nicht komplex, sondern überfrachtet.
Ein Experiment, auf dessen Ausgang ich sehr gespannt bin
Die Vanilla-Version fühlt sich stellenweise wie ein Experiment an. Selten macht es Klick, aber dann richtig. Manche Teile wirken fertig, andere dagegen sind noch nicht ausgereift, die wiederum Fragen aufwerfen. Wozu brauchen wir beispielsweise 1.000 leere Planeten, die wie befürchtet, kaum etwas zu bieten haben? Als Kulisse funktionieren sie, aber nicht als Spielinhalte. Die KI mag eine große Welt erschaffen können, aber noch nicht zum Leben erwecken. Immerhin ist vieles Langweilige optional, auch wenn das keineswegs die Kritik schmälert. Aber die bessere Frage eines besseren Mindsets würde nicht nach dem “Wozu jetzt?” fragen, sondern nach dem “Wozu bald?”.
Wozu brauchen wir bald diese Planeten? Vermutlich für den Zeitpunkt, an dem Modder diese riesige Welt selbst mit ihrem kreativen Handwerk füllen. Oder eben Bethesda. Ich glaube eher an die Modder, weil sie erstens zahlenmäßiger sind, mehr Geduld haben und mit einer anderen Motivation an die Sache herangehen. Ihnen gilt dann auch der Dank für die Vollendung des Spiels. Starfield ist noch nicht fertig – oder besser gesagt – nicht zu Ende. Was wir bewerten, ist der Anfang und der ist eben sehr anfänglich. Für einen Anfang habe ich viel Spaß. Wäre das aber schon alles gewesen (und zwar für immer), wäre ich ebenfalls etwas enttäuscht. Aber das war’s noch nicht. Der teils ausbleibende Applaus bleibt nichtsdestotrotz verständlich.
Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter
Starfield ist nicht No Man’s Sky, Starfield ist nicht Star Citizen und musste diesen Wettstreit / Vergleich auch nur antreten, weil sie alle den Weltraum zum Thema haben. Starfields Macht ist die Geschichte, die Dynamiken seines Universums, und die kann weiter erzählt werden. Diese kann alle Ebenen und Gameplay-Features miteinander verbinden. Diese kann das volle Potenzial entfachen. Skyrim hat die Halbwertszeit eines Videospiels dank seiner Vision und dank der Liebe seiner Fans deutlich überschritten. Ähnliches wünsche ich mir für Starfield. Die Möglichkeiten sind da. Jetzt müssen sie nur noch genutzt werden. Fragt sich nur, von wem.
Pro
- spannende Story
- überzeugende Nebencharaktere
- fantastisches Artdesign
- teilweise atemberaubende Panoramen
- großartiger Soundtrack von Inon Zur
- unterhaltsame Raumschlachten
- solides Gunplay & Treffer-Feedback
- funktionales, wenn auch nicht tiefgreifendes Skill-System
- New Game Plus Modus, der Sinn ergibt
- unzählige verschiedene Waffen, sowohl Nah- und Fernkampf
- generell sehr viel Loot mit unterschiedlichen Attributen
- Traits, die auch im späteren Spielverlauf noch Einfluss haben
- Basenbau- & Crafting-System
- Waffen lassen sich individualisieren mit bemerkbaren Auswirkungen
Kontra
- viele Planeten, die zufallsbasiert auch sehr langweilig sein können
- Scanner zerstört den Erkundungsdrang
- sehr dümmlich agierende KI
- manchmal auch viel unnötiger Loot
- Schiffbaueditor mit Maus
- und Tastatur etwas fummelig
- Texturen hin und wieder unscharf
- keine Haustiere, die man streicheln kann
- selbst in Städten viele Unterbrechungen durch Ladebildschirme
- kein nahtloser Übergang von Weltraum zu Planet möglich
- Fliegen im Weltraum nur für Kämpfe und wenige Zufallsbegegnungen spannend
- verbesserungswürdiges Interface
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