Eternights - Test, Rollenspiel, PC, PlayStation4, PlayStation5
Eternights: Kalte Füße, heiße Dates
Liebe ist ja bekanntlich wie ein loderndes Feuer und wer sein Herz entzünden oder sich die Finger verbrennen will, greift heutzutage gerne mal zur Dating-App. So geht es auch den beiden jungen Männern, die mir Eternights zu Beginn vorstellt: Der namenlose Protagonist und sein bester Freund Chani scheinen in ihrem Umkreis bislang kein Glück gehabt zu haben, was auch die offensichtlich auf dem Schreibtisch platzierte Box mit den „guten alten“ Taschentüchern erklärt. Also wird kurzerhand ein Dating-Profil erstellt, weil sich die beiden offenbar bessere Chancen ausrechnen, wenn sie sich in das gigantische virtuelle Meer werfen, in dem sich nicht nur jede Menge Fische, sondern auch potenzielle Haken tummeln. Das erste Erfolgserlebnis folgt überraschenderweise auf dem Fuße und in Form einer rätselhaften Dame, die mich mit der zwielichtigen Aussicht auf Nacktbilder und einem Date verführen will.Zusammen mit meinem besten Kumpel flüchte ich in einen Bunker, wo wir auf zwei junge Frauen treffen. Wie es der Zufall will, ist eine davon der bekannte Popstar Yuna, der sich unserem Trüppchen kurzerhand anschließt und überraschenderweise über sehr praktische Heilfähigkeiten verfügt. Auf der Flucht vor den mutierten Menschen stellt sich uns dann plötzlich eine feindlich gesinnte, aber offenbar noch bei klarem Verstand befindliche Dame mit Darth Maul-mäßigem Doppelschwert entgegen und schneidet mir schwungvoll den Arm ab, nur um mich ebenso abrupt in eine Traumwelt zu befördern, in der ich der gesichtslosen Frau von der Dating-App in einem Ruderboot gegenübersitze. Die wiederum schwafelt was von meiner Aufgabe als Held, der die Welt retten und dabei unermesslich leiden muss, von Architekten, Umbra und DEM STEIN, der offenbar enorm wichtig sein muss, wenn er schon mit klemmender Feststelltaste eingeführt wird.
Fangen wir doch mit dem Visual Novel-Aspekt von Eternights an, denn was bedeutet schon die Rettung der Welt, wenn sich endlich die Chance auf ein erfülltes Liebesleben bietet? Doch weil die Apokalypse natürlich ihre Spuren hinterlassen hat, ist die Auswahl an potenziellen Dating-Partnern überraschend klein, wenn auch bemerkenswert progressiver als bei der eingangs erwähnten Vorlage Persona. Neben dem Popsternchen Yuna sind auch die Wissenschaftlerin Sia, die Sportlerin Min und der unsterbliche Yohan bereit dazu, inmitten der Apokalypse Händchen zu halten oder feuchte Lippenbekenntnisse auszutauschen.
Kalendarisches Kennenlernen
Abends steht es euch derweil frei, einen eurer vier Sozialwerte zu erhöhen, eure Statuswerte für den Kampf zu trainieren oder die zerstörte Stadt auf der Suche nach einem hilfreichen Item zu durchkämmen und so nicht nur euren Teammitgliedern eine Freude zu machen, sondern auch abermals eure Kampffähigkeiten zu schärfen. Letzteres klingt leider spannender als es ist: Ihr entscheidet euch, entweder die Bibliothek, das Lagerhaus oder den Supermarkt zu besuchen, und müsst dort mit leuchtenden Stellen interagieren, um den gewünschten Gegenstand zu finden.
Wankelmütiges Writing
Die traute Zweisamkeit mit den sympathischen, aufgrund der kurzen Spiellänge von rund zehn Stunden aber recht eindimensionalen Figuren fühlt sich an wie ein Metronom am Anschlag und springt zwischen herzerwärmend und fremdschamerregend hin und her. Emotionale Gespräche wechseln sich mit Situationskomik ab, und trotz aller Klischees überrascht mich das Spiel regelmäßig damit, dass man sich in Sachen Absurdität doch noch steigern kann: Wenn mir Min von den freundschaftlichen Raufereien ihres ehemaligen Laufteams erzählt, dann aber in der nächsten Sequenz stolpert und mit ihrer Hand in meinem Schritt landet, entlockt mir Eternights ab und an ein Lachen, genauso häufig aber ein genervtes Kopfschütteln.Es ist der typische Fanservice, den vor allem Anime-Fans und Manga-Leser aus anzüglichen Romantikkomödien, gemeinhin auch als Ecchi bezeichnet, kennen dürften: Immer wieder gerät der (meist männliche) Protagonist in Situationen, bei denen die weiblichen Charaktere sich unabsichtlich entblößen oder Körperkontakt herstellen und die, wenn denn irgendeine Handlungsabsicht und nicht reine Tollpatschigkeit dahinterstecken würde, als Annäherungsversuch gedeutet werden könnten. Auch Eternights bedient sich dieser abgenutzten und degradierenden Mischung aus Humor und Erotik, vermischt die aber mit einer Dauergeilheit, die sich wohl nur als durch und durch pubertär bezeichnen lässt.
Als Parodie lässt sich Eternights zwar nicht bezeichnen, trotzdem nimmt es sich in solchen Momenten offenkundig alles andere als ernst. Wer es genauso hält, der bekommt insgesamt also ein Writing von wechselhafter Qualität geboten, denn die generische Geschichte wird von den absurd-unterhaltsamen Dialogen definitiv getragen. Und nur lächerlich macht sich das Spiel dann auch nicht: Funkt es zwischen euch und einer der anderen Figuren, serviert Eternights tatsächlich auch mal Szenen, bei denen einem ob der Romantik so richtig warm ums Herz wird. Wer einen dummen Spruch oder ein gefühlvoll gehauchtes Liebesbekenntnis verpasst hat oder nochmal hören will, kann die dank Dialogverlauf einfach erneut abspielen – ein unterschätztes Visual Novel-Feature, das jedes Mal lobende Worte verdient hat.
Liebe gilt zwar gemeinhin als die stärkste Macht der Welt, trotzdem muss ich im Kampf gegen die Endzeitmonster die Fäuste beziehungsweise das Schwert sprechen lassen, in das ich meinen leuchtenden Arm verwandeln kann. Hier kristalliert sich auch einer der größten Unterschiede zur Inspiration heraus, denn im Gegensatz zu Persona setzt Eternights nicht auf ein rundenbasiertes, sondern auf ein Echtzeit-Kampfsystem. In simpler Hack-and-Slash-Manier haue ich die Mutanten mit wiederholtem Drücken derselben Taste aus ihren angefressenen Latschen und betätige die Ausweichrolle, wenn ein durch ein Audio-Signal und rotes Leuchten markierter Gegenangriff erfolgt. Stimmt mein Timing , werde ich wie bei Bayonetta oder Final Fantasy 16 mit einem Zeitlupeneffekt belohnt.
Ist das Kampfsystem erst routiniert, spielts sich völlig ungeniert
Tiefgang bieten die Auseinandersetzungen trotzdem nicht. Es gibt keine Heilitems oder andere Gegenstände und das Elementarsystem ist genauso unterkomplex wie die Handvoll Spezialattacken, mit denen sich normale Gegner spielend leicht ausschalten lassen. Dass Eternights selbst auf der normalen Schwierigkeitsstufe überraschend knackig sein kann, liegt daran, dass ihr mit Yunas Zaubern lediglich eine Möglichkeit zum Heilen besitzt und euch deshalb nur wenige Fehler leisten könnt. Derweil punkten die Apokalypse-Zombies zwar mit abgefahrenem Kreaturen-Design, verlassen sich aber leider auf die immer gleichen Angriffsmuster. Und auch die extrem lineare Levelstruktur mit einigen wenigen Rätseln dazwischen trägt nicht dazu bei, die Dungeon-Monotonie zu unterbrechen.
Die Straßen sind rot, die Lichter sind blau…
Genau wie das Writing und das Kampfsystem ist auch die Präsentation von Eternights ein zweischneidiges Schwert. Die aufgeklebten Gesichtszüge der Charakter-Modelle erinnern an billige VR-Chat-Avatare und dienen leider auch als Dialogporträts, wo in dem Genre ja häufig hübsch gezeichnete 2D-Bilder zu sehen sind. Dafür ist die Gestik der Figuren überraschend in Ordnung, während die Animationen der Gegner häufig ungelenk und unausgereift wirken – mit ein bisschen Wohlwollen kann man die zuckenden Zombies als gewollt verstörend bezeichnen. Punktabzug gibt es derweil für die vielen abrupten Übergänge in Eternights: Dialoge, beendete Kämpfe und mitunter auch Zwischensequenzen enden häufig völlig unerwartet, in dem der Bildschirm schwarz wird und die nächste Szene beginnt. Öfter mal eine kurze Verabschiedung zwischen den Charakteren oder eine tatsächliche Animation für das Besiegen der Bosse hätte für eine insgesamt rundere Erfahrung gesorgt.Ab und an glänzt das Spiel dann aber auch mit gezeichneten Anime-Zwischensequenzen und Standbildern bei besonderen Date-Momenten. Die sind nicht nur schön anzuschauen, sondern verleihen den Figuren abseits ihrer schlichten Charakter-Modelle auch ein bisschen mehr Authentizität und verankern sie stärker in der Welt. Mehr davon wäre nett gewesen, allerdings ist Eternights mit seinen rund zehn Stunden nun wirklich kein langes Spiel und bei Übergebrauch können solche Momente schnell ihre Besonderheit einbüßen. Und auch wenn sich die Zwischensequenzen natürlich nicht mit den großen Anime-Produktionen messen können, sind sie für die Größe von Studio Sai erstaunlich kompetent geworden.
Eher zweckdienlich ist derweil die detailarme Umgebung, durch die ich mit meinen Gefährtinnen inmitten der Apokalypse stromere. Mit leer gefegten Straßen, Laboren und Krankenhäusern ist auf dem Papier zwar für Abwechslung gesorgt, doch letztendlich erstrahlen die Orte alle in derselben rot-blauen Neonbeleuchtung und verschwimmen daher schnell zu einem melancholisch-gefärbten Einheitsbrei. Hässlich ist Eternights deshalb aber noch lange nicht: Die Isolation, mit der sich die wenigen Menschgebliebenen im Angesicht der Mutanten herumschlagen muss, wird über die düstere Lichtstimmung durchaus transportiert und das traute Sitzen am Lagerfeuer erzeugt auch ohne High-End-Grafik knisternde Atmosphäre.Großes Lob verdient derweil die Synchronisation von Eternights. Zum einen ist der Großteil des Spiels vertont, was für einen Titel dieser Größenordnung beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Zum anderen hat man sich für die englische Sprachausgabe ein paar echte Ausnahmetalente gesichert, die Fans natürlich bereits aus anderen Genre-Vertretern kennen dürften. Die Sprecherinnen Xanthe Huynh (Min) und Elizabeth Maxwell (Aria) sind beispielsweise beide in Persona 5 zu hören, Aleks Le (Yohan) durfte vor kurzem Luke in Street Fighter 6 vertonen und Kira Buckland (Sia) leiht 2B in NieR: Automata ihre Stimme. Angesichts der Erfahrung liefern die erwähnten Sprecherinnen und der Rest des Ensembles eine grandiose Performance, die man nicht stummschalten sollte.
…die Synchro ist top und der Soundtrack ist lau
Dagegen hält sich der Soundtrack eher im Hintergrund: Ab und an schallt ein chilliger Elektronikbeat mit Saxophonnuancen aus den Lautsprechern, der natürlich wieder Erinnerungen an Persona 5 weckt; in rührseligen Momenten verlässt sich Eternights eher auf sanfte Klavierklänge. Sprintet ihr durch einen der Dungeons oder messt euch mit Mutanten, ist auch musikalisch Hektik angesagt, der es aber nicht gelingt, dauerhaft im Gehörgang zu verweilen. Damit bleibt der Soundtrack angenehme, aber wenig aufregende Untermalung für das visuelle Geschehen.
Das E steht für Extra-Einsatz
Zwei letzte Beobachtungen, die mich ebenfalls positiv überrascht haben: Neben Sonys First-Party-Blockbustern ist Eternights eines der wenigen Spiele, die tatsächlich vom haptischen Feedback des DualSense-Controllers Gebrauch machen. Sowohl die Schritte als auch der Herzschlag werden über präzise Vibrationen im Gamepad wiedergegeben und sorgen für das kleine bisschen mehr Immersion, das die technische Spielerei mit sich bringen kann. Wer nach dem Abschluss der Geschichte unzufrieden mit der Partnerwahl ist oder verpasste Interaktionen nachholen will, sollte in das New Game Plus starten: Der Beziehungsfortschritt wird natürlich zurückgesetzt, dafür nehmt ihr eure Sozialwerte, freigeschaltete Skills sowie Kampfupgrades mit und könnt so im zweiten Durchlauf die restlichen Szenen nachholen. Änderungen in der Story oder beim Gameplay solltet ihr aber nicht erwarten. Eternights ist seit dem 12. September auf dem PC, der PlayStation 4 und der PlayStation 5 digital für 29,99 Euro erhältlich. Eine physische Version soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen.Fazit
Eternights ist keine Alternative zu Persona oder gar ein Konkurrent: Es ist der Versuch eines leidenschaftlichen Fans, bei dem Ambitionen und Erfahrung aufeinanderprallen und ein unausgeglichenes Ergebnis mit viel Liebe zur Vorlage geschaffen haben. Die Dialoge sind manchmal herrlich gefühlvoll, manchmal absurd lustig und manchmal zum Fremdschämen unangenehm. Gezeichnete Standbilder und Zwischensequenzen passen nicht zu den billigen Gesichtsanimationen und das Kampfsystem kann zwar eine spaßige Sogwirkung entfalten, punktet aber weder mit Komplexität noch mit Abwechslung. Wäre das Spiel nicht zehn, sondern zwanzig oder gar dreißig Stunden lang, würde es aufgrund der schwankenden Qualität wohl wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Doch wer mit den richtigen Erwartungen an Eternights herangeht, bekommt eine spaßige, wenn auch simple Mischung aus Dating-Sim und Dungeon-Crawler geboten, die sich nie zu ernst nimmt und trotz offenkundiger Schwächen mit einer großen Portion Herz und Humor punkten kann.
Pro
- Dialoge haben viel Herz und Humor...
- Simples, spaßiges Kampfsystem...
- Hübsche 2D-Sequenzen und -Zeichnungen
- Exzellente englische Sprachausgabe
- Haptisches Feedback sorgt für mehr Immersion
Kontra
- ...sind manchmal aber auch zum Fremdschämen
- ...das insgesamt deutlich zu wenig Tiefgang bietet
- Generische Geschichte
- Detailarme Umgebungen
- Gesichtszüge der Charaktere wirken wie aufgeklebt
- Langweilige Minispiele
- Übergänge zu abrupt
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt eine Digital Deluxe-Edition, die für einen Aufpreis von 10 Euro jedoch nur ein digitales Artbook und den digitalen Soundtrack bietet.
- Es gibt keine Käufe.