Eternights - Test, Rollenspiel, PC, PlayStation4, PlayStation5

Eternights
23.09.2023, Jonas Höger

Test: Eternights

Die Liebe in Zeiten der Apokalypse

Als Eternights (ab 19,95€ bei kaufen) am 3. Juni 2022 auf der Sony State of Play zum ersten Mal enthüllt wurde, verkündete Jae Yoo, der Gründer des für die Entwicklung verantwortlichen Studio Sai, auf Twitter : „Ich habe 2019 Persona 5 gespielt, was mich dazu gebracht hat, auch Persona 4: Golden und Persona 3 FES zu spielen. Danach habe ich meinen Job gekündigt und angefangen, ein davon inspiriertes Spiel zu entwickeln.“ Eternights macht also keinen Hehl daraus, welche Reihe für die Mischung aus Dating-Simulation und Dungeon-Crawler Pate gestanden hat. Doch ein Name wie Persona weckt natürlich Erwartungen und Hoffnungen, die mit dem Endergebnis nicht zwangsläufig auch übereinstimmen müssen. Wir haben uns nicht nur in die Apokalypse, sondern auch in das virtuelle Liebesleben gestürzt und verraten, ob wir Eternights über die Schwelle tragen oder am Altar stehen lassen würden.

Eternights: Kalte Füße, heiße Dates

Wer kennt es nicht? Der beste Freund überredet euch dazu, dem Online-Dating endlich eine Chance zu geben.
Liebe ist ja bekanntlich wie ein loderndes Feuer und wer sein Herz entzünden oder sich die Finger verbrennen will, greift heutzutage gerne mal zur Dating-App. So geht es auch den beiden jungen Männern, die mir Eternights zu Beginn vorstellt: Der namenlose Protagonist und sein bester Freund Chani scheinen in ihrem Umkreis bislang kein Glück gehabt zu haben, was auch die offensichtlich auf dem Schreibtisch platzierte Box mit den „guten alten“ Taschentüchern erklärt. Also wird kurzerhand ein Dating-Profil erstellt, weil sich die beiden offenbar bessere Chancen ausrechnen, wenn sie sich in das gigantische virtuelle Meer werfen, in dem sich nicht nur jede Menge Fische, sondern auch potenzielle Haken tummeln. Das erste Erfolgserlebnis folgt überraschenderweise auf dem Fuße und in Form einer rätselhaften Dame, die mich mit der zwielichtigen Aussicht auf Nacktbilder und einem Date verführen will.

Auch wenn es aussieht, als käme dieser Wachmann gerade aus dem Fitnessstudio, verwandelt er sich in Wirklichkeit in ein blutgieriges Monster.
Bevor ich der Sache am nächsten Tag auf den Grund gehe, reise ich erst einmal ins Reich der Träume, wo mich nach einer verstörenden Zwischensequenz ein Tutorial zum Kampfsystem erwartet. Auf das möchte ich aber erst später eingehen, denn die Anleitung für die Hack-and-Slash-Gefechte wäre hier genauso deplatziert, wie sie im Spiel ist: Viel zu früh und ohne Kontext, während sich um mich herum erst einmal die nur angeschnittene Geschichte entfalten muss. Dafür geht es bei der nun Schlag auf Schlag: Das vereinbarte Date fällt nämlich ins Wasser, wenn auch nicht, weil mich die mysteriöse Frau versetzt hat, sondern weil eine gigantische lila Mauer aus dem Nichts auftaucht und sich der Großteil der Menschheit in mordlustige Monster verwandelt.

Zusammen mit meinem besten Kumpel flüchte ich in einen Bunker, wo wir auf zwei junge Frauen treffen. Wie es der Zufall will, ist eine davon der bekannte Popstar Yuna, der sich unserem Trüppchen kurzerhand anschließt und überraschenderweise über sehr praktische Heilfähigkeiten verfügt. Auf der Flucht vor den mutierten Menschen stellt sich uns dann plötzlich eine feindlich gesinnte, aber offenbar noch bei klarem Verstand befindliche Dame mit Darth Maul-mäßigem Doppelschwert entgegen und schneidet mir schwungvoll den Arm ab, nur um mich ebenso abrupt in eine Traumwelt zu befördern, in der ich der gesichtslosen Frau von der Dating-App in einem Ruderboot gegenübersitze. Die wiederum schwafelt was von meiner Aufgabe als Held, der die Welt retten und dabei unermesslich leiden muss, von Architekten, Umbra und DEM STEIN, der offenbar enorm wichtig sein muss, wenn er schon mit klemmender Feststelltaste eingeführt wird.

Umbra hier, Weltrettung da: Es fällt schwer, bei der Ladung an Informationen nicht direkt abzuschalten.
Bevor ich vom Boot falle und in dem Meer aus Exposition ertrinke, schickt mich die mysteriöse Frau dann wieder zurück in die Realität und verpasst mir einen Ersatzarm, der hoffentlich nicht nur deshalb so grell leuchtet, weil ich zu häufig die Taschentücher auf meinem Schreibtisch benutzt habe. Ein paar dramatische Action-Szenen später haben es Yuna, Chani und ich in einen Zug geschafft, der die letzte Bastion der Menschheit sowie den Hub des Spiels darstellt, und von dem aus das Trio nun alles daran setzt, die lila Mauer zu zerstören und die Apokalypse aufzuhalten, um wieder zur Normalität zurückzukehren. Damit ist der Grundstein der nicht besonders originellen, aber trotzdem unterhaltsamen Geschichte von Eternights gelegt und nach dem äußerst linearen Intro gibt mir das Spiel endlich die Zügel und die versprochene Gameplay-Mischung aus Dating-Sim und Dungeon-Crawler in die Hand.

Fangen wir doch mit dem Visual Novel-Aspekt von Eternights an, denn was bedeutet schon die Rettung der Welt, wenn sich endlich die Chance auf ein erfülltes Liebesleben bietet? Doch weil die Apokalypse natürlich ihre Spuren hinterlassen hat, ist die Auswahl an potenziellen Dating-Partnern überraschend klein, wenn auch bemerkenswert progressiver als bei der eingangs erwähnten Vorlage Persona. Neben dem Popsternchen Yuna sind auch die Wissenschaftlerin Sia, die Sportlerin Min und der unsterbliche Yohan bereit dazu, inmitten der Apokalypse Händchen zu halten oder feuchte Lippenbekenntnisse auszutauschen.

Kalendarisches Kennenlernen

Mäßig motivierende Minispiele: Für erfolgreiche Kniebeugen muss ich die vier Tasten im Takt drücken.
Eure Freizeit ist dabei, wie sollte es anders sein, mithilfe eines Kalendersystems unterteilt. Tagsüber könnt ihr mit einem der vier romantisch interessierten Charakteren oder eurem treuen Wing-Man Chani Zeit verbringen und eure Beziehungen vertiefen, was über Dialoge oder kurze Kampfesausflüge stattfindet, wobei letztere wie Mini-Versionen der Hauptmissionen ablaufen. Die steigende Bindungsstufe verbessert eure Chancen in der Liebe und lässt eure Begleiter aktive Fähigkeiten oder passive Boni lernen, die euch beim Kampf gegen die Monster zugutekommen.

Abends steht es euch derweil frei, einen eurer vier Sozialwerte zu erhöhen, eure Statuswerte für den Kampf zu trainieren oder die zerstörte Stadt auf der Suche nach einem hilfreichen Item zu durchkämmen und so nicht nur euren Teammitgliedern eine Freude zu machen, sondern auch abermals eure Kampffähigkeiten zu schärfen. Letzteres klingt leider spannender als es ist: Ihr entscheidet euch, entweder die Bibliothek, das Lagerhaus oder den Supermarkt zu besuchen, und müsst dort mit leuchtenden Stellen interagieren, um den gewünschten Gegenstand zu finden.

Verbringt ihr Zeit mit euren potenziellen Partnern, bereitet ihr nicht nur den Boden für eine erfolgreiche Beziehung, sondern auch für effizienteres Monsterschnetzeln.
Weil die Ansammlung beliebig wirkt, ist das zu Beginn reiner Trial-and-Error. Immerhin bleiben die Fundorte gleich, sodass ihr mit ein bisschen Memory-Übung schnell raus habt, wo sich was befindet. Auch die anderen Minispiele, etwa das Katalogisieren von roten und blauen Zellen oder das Kontrollieren des Atems durch abwechselndes Drücken und Wiederloslassen der X-Taste, sind lahme Versuche, für spielerische Abwechslung zu sorgen. Glücklicherweise ist ein Großteil dieser Aktivitäten entweder optional oder nimmt zumindest nur einen Bruchteil der Spieldauer ein und bleibt so unspektakulär, aber harmlos.

Wankelmütiges Writing

Nicht nur Min ist sprachlos: Eternights ist mal emotional und mal peinlich, aber nur selten dazwischen.
Die traute Zweisamkeit mit den sympathischen, aufgrund der kurzen Spiellänge von rund zehn Stunden aber recht eindimensionalen Figuren fühlt sich an wie ein Metronom am Anschlag und springt zwischen herzerwärmend und fremdschamerregend hin und her. Emotionale Gespräche wechseln sich mit Situationskomik ab, und trotz aller Klischees überrascht mich das Spiel regelmäßig damit, dass man sich in Sachen Absurdität doch noch steigern kann: Wenn mir Min von den freundschaftlichen Raufereien ihres ehemaligen Laufteams erzählt, dann aber in der nächsten Sequenz stolpert und mit ihrer Hand in meinem Schritt landet, entlockt mir Eternights ab und an ein Lachen, genauso häufig aber ein genervtes Kopfschütteln.

Es ist der typische Fanservice, den vor allem Anime-Fans und Manga-Leser aus anzüglichen Romantikkomödien, gemeinhin auch als Ecchi bezeichnet, kennen dürften: Immer wieder gerät der (meist männliche) Protagonist in Situationen, bei denen die weiblichen Charaktere sich unabsichtlich entblößen oder Körperkontakt herstellen und die, wenn denn irgendeine Handlungsabsicht und nicht reine Tollpatschigkeit dahinterstecken würde, als Annäherungsversuch gedeutet werden könnten. Auch Eternights bedient sich dieser abgenutzten und degradierenden Mischung aus Humor und Erotik, vermischt die aber mit einer Dauergeilheit, die sich wohl nur als durch und durch pubertär bezeichnen lässt.

Unangenehm für alle Beteiligten: Auch Eternights bedient sich der klassischen Fanservice-Momente wie unvorteilhaften Unfällen.
Da bringt mein bester Freund während des Weltuntergangs nicht etwa Essen, Trinken oder eine Taschenlampe mit in den sicheren Bunker, sondern einen Haufen Pornomagazine, und natürlich hilft gegen eine giftige Chemikalie, mit der sich Min während eines wissenschaftlichen Experiments bekleckert, nur die heilende Spucke des Helden. Die deutsche Übersetzung setzt dem ohnehin schon zwischen unreif und humorvoll schwankendem Ton die Krone auf: Auch wenn hier kein Kapitän Haddock seine Scharade an Schimpfwörtern herunterrasselt, werden Charaktere schon mal als „Wichser“ oder „Hundesöhne“ bezeichnet und das männliche Genital wortgewandt als „Schlong“ umschrieben.

Als Parodie lässt sich Eternights zwar nicht bezeichnen, trotzdem nimmt es sich in solchen Momenten offenkundig alles andere als ernst. Wer es genauso hält, der bekommt insgesamt also ein Writing von wechselhafter Qualität geboten, denn die generische Geschichte wird von den absurd-unterhaltsamen Dialogen definitiv getragen. Und nur lächerlich macht sich das Spiel dann auch nicht: Funkt es zwischen euch und einer der anderen Figuren, serviert Eternights tatsächlich auch mal Szenen, bei denen einem ob der Romantik so richtig warm ums Herz wird. Wer einen dummen Spruch oder ein gefühlvoll gehauchtes Liebesbekenntnis verpasst hat oder nochmal hören will, kann die dank Dialogverlauf einfach erneut abspielen – ein unterschätztes Visual Novel-Feature, das jedes Mal lobende Worte verdient hat.

Liebe gilt zwar gemeinhin als die stärkste Macht der Welt, trotzdem muss ich im Kampf gegen die Endzeitmonster die Fäuste beziehungsweise das Schwert sprechen lassen, in das ich meinen leuchtenden Arm verwandeln kann. Hier kristalliert sich auch einer der größten Unterschiede zur Inspiration heraus, denn im Gegensatz zu Persona setzt Eternights nicht auf ein rundenbasiertes, sondern auf ein Echtzeit-Kampfsystem. In simpler Hack-and-Slash-Manier haue ich die Mutanten mit wiederholtem Drücken derselben Taste aus ihren angefressenen Latschen und betätige die Ausweichrolle, wenn ein durch ein Audio-Signal und rotes Leuchten markierter Gegenangriff erfolgt. Stimmt mein Timing , werde ich wie bei Bayonetta oder Final Fantasy 16 mit einem Zeitlupeneffekt belohnt.

Ist das Kampfsystem erst routiniert, spielts sich völlig ungeniert

Wasser, Erde, Feuer, Luft: Vor langer Zeit lebten alle vier Nationen... - halt, falsches Franchise. Aber um Elemente geht's hier auch.
Weil Minibosse und Endgegner über einen lästigen Schild verfügen, muss ich sie mit Elementarangriffen erst verwundbar machen, bevor meine normalen Schwertschläge Wirkung zeigen. Durch wiederholte Attacken und perfekte Ausweichmanöver lädt sich die dafür zuständige Leiste auf, sodass ich mein Gegenüber mit einem von vier Elementaroffensiven unter Beschuss nehmen kann, für deren gelungene Ausführung ich wiederum ein paar Quick-Time-Events absolvieren muss. Dazu kommen freischaltbare Spezialangriffe und Unterstützungs-Zauber meiner Begleiterinnen, die sich jeweils aus ihrer eigenen Leiste speisen und die sonst stumpfe Kampfroutine immerhin ein bisschen auflockern.

Tiefgang bieten die Auseinandersetzungen trotzdem nicht. Es gibt keine Heilitems oder andere Gegenstände und das Elementarsystem ist genauso unterkomplex wie die Handvoll Spezialattacken, mit denen sich normale Gegner spielend leicht ausschalten lassen. Dass Eternights selbst auf der normalen Schwierigkeitsstufe überraschend knackig sein kann, liegt daran, dass ihr mit Yunas Zaubern lediglich eine Möglichkeit zum Heilen besitzt und euch deshalb nur wenige Fehler leisten könnt. Derweil punkten die Apokalypse-Zombies zwar mit abgefahrenem Kreaturen-Design, verlassen sich aber leider auf die immer gleichen Angriffsmuster. Und auch die extrem lineare Levelstruktur mit einigen wenigen Rätseln dazwischen trägt nicht dazu bei, die Dungeon-Monotonie zu unterbrechen.

Quick-Time-Events nerven vor allem dann, wenn man nicht mit ihnen rechnet. Eternights ist glücklicherweise angenehm konstant und nach der ersten Anwendung entsprechend vorhersehbar.
Trotz all der Kritik gelang es den Kämpfen, mich in einen befriedigenden Sog zu ziehen. Keiner, wie er bei Spielen wie Vampire Survivors häufig aufgeführt und dann unpassend mit diversen Drogensüchten verglichen wird, sondern ein harmloser, zum Kopf abschalten. Das Ausführen einer perfekten Ausweichrolle mit anschließender Zeitlupe ist nun mal einfach ein Spaßgarant! Für eine zusätzliche Prise Motivation sorgt der simple Talentbaum, bei dem ich Fähigkeiten mit schwarzer (bekommt ihr in den Dungeons und von besiegten Minibossen) und weißer Essenz (erhaltet ihr durch Trainingsübungen und nächtliche Botengänge mit euren Begleitern) freischalte, und der dank virtueller Möhre vor der Nase ein geringfügiges, aber nichtsdestotrotz angenehmes Fortschrittsgefühl entfaltet.

Die Straßen sind rot, die Lichter sind blau…

In besonderen Momenten belohnt euch Eternights mit einem der schicken Standbilder.
Genau wie das Writing und das Kampfsystem ist auch die Präsentation von Eternights ein zweischneidiges Schwert. Die aufgeklebten Gesichtszüge der Charakter-Modelle erinnern an billige VR-Chat-Avatare und dienen leider auch als Dialogporträts, wo in dem Genre ja häufig hübsch gezeichnete 2D-Bilder zu sehen sind. Dafür ist die Gestik der Figuren überraschend in Ordnung, während die Animationen der Gegner häufig ungelenk und unausgereift wirken – mit ein bisschen Wohlwollen kann man die zuckenden Zombies als gewollt verstörend bezeichnen. Punktabzug gibt es derweil für die vielen abrupten Übergänge in Eternights: Dialoge, beendete Kämpfe und mitunter auch Zwischensequenzen enden häufig völlig unerwartet, in dem der Bildschirm schwarz wird und die nächste Szene beginnt. Öfter mal eine kurze Verabschiedung zwischen den Charakteren oder eine tatsächliche Animation für das Besiegen der Bosse hätte für eine insgesamt rundere Erfahrung gesorgt.

Ab und an glänzt das Spiel dann aber auch mit gezeichneten Anime-Zwischensequenzen und Standbildern bei besonderen Date-Momenten. Die sind nicht nur schön anzuschauen, sondern verleihen den Figuren abseits ihrer schlichten Charakter-Modelle auch ein bisschen mehr Authentizität und verankern sie stärker in der Welt. Mehr davon wäre nett gewesen, allerdings ist Eternights mit seinen rund zehn Stunden nun wirklich kein langes Spiel und bei Übergebrauch können solche Momente schnell ihre Besonderheit einbüßen. Und auch wenn sich die Zwischensequenzen natürlich nicht mit den großen Anime-Produktionen messen können, sind sie für die Größe von Studio Sai erstaunlich kompetent geworden.

Yuna zückt die Gitarre und der Rest stimmt mit ein: Wie einst ein bekannter Schwamm, singen auch die tapferen Überlebenskämpfer das Lagerfeuerliedlied.
Eher zweckdienlich ist derweil die detailarme Umgebung, durch die ich mit meinen Gefährtinnen inmitten der Apokalypse stromere. Mit leer gefegten Straßen, Laboren und Krankenhäusern ist auf dem Papier zwar für Abwechslung gesorgt, doch letztendlich erstrahlen die Orte alle in derselben rot-blauen Neonbeleuchtung und verschwimmen daher schnell zu einem melancholisch-gefärbten Einheitsbrei. Hässlich ist Eternights deshalb aber noch lange nicht: Die Isolation, mit der sich die wenigen Menschgebliebenen im Angesicht der Mutanten herumschlagen muss, wird über die düstere Lichtstimmung durchaus transportiert und das traute Sitzen am Lagerfeuer erzeugt auch ohne High-End-Grafik knisternde Atmosphäre.

Großes Lob verdient derweil die Synchronisation von Eternights. Zum einen ist der Großteil des Spiels vertont, was für einen Titel dieser Größenordnung beileibe keine Selbstverständlichkeit ist. Zum anderen hat man sich für die englische Sprachausgabe ein paar echte Ausnahmetalente gesichert, die Fans natürlich bereits aus anderen Genre-Vertretern kennen dürften. Die Sprecherinnen Xanthe Huynh (Min) und Elizabeth Maxwell (Aria) sind beispielsweise beide in Persona 5 zu hören, Aleks Le (Yohan) durfte vor kurzem Luke in Street Fighter 6 vertonen und Kira Buckland (Sia) leiht 2B in NieR: Automata ihre Stimme. Angesichts der Erfahrung liefern die erwähnten Sprecherinnen und der Rest des Ensembles eine grandiose Performance, die man nicht stummschalten sollte.

…die Synchro ist top und der Soundtrack ist lau

Dagegen hält sich der Soundtrack eher im Hintergrund: Ab und an schallt ein chilliger Elektronikbeat mit Saxophonnuancen aus den Lautsprechern, der natürlich wieder Erinnerungen an Persona 5 weckt; in rührseligen Momenten verlässt sich Eternights eher auf sanfte Klavierklänge. Sprintet ihr durch einen der Dungeons oder messt euch mit Mutanten, ist auch musikalisch Hektik angesagt, der es aber nicht gelingt, dauerhaft im Gehörgang zu verweilen. Damit bleibt der Soundtrack angenehme, aber wenig aufregende Untermalung für das visuelle Geschehen.

Das E steht für Extra-Einsatz

Gesammlte Gegenstände müsst ihr im NG+ neu suchen gehen, die Boni bleiben euch aber erhalten - und die Statuswerte auch.
Zwei letzte Beobachtungen, die mich ebenfalls positiv überrascht haben: Neben Sonys First-Party-Blockbustern ist Eternights eines der wenigen Spiele, die tatsächlich vom haptischen Feedback des DualSense-Controllers Gebrauch machen. Sowohl die Schritte als auch der Herzschlag werden über präzise Vibrationen im Gamepad wiedergegeben und sorgen für das kleine bisschen mehr Immersion, das die technische Spielerei mit sich bringen kann. Wer nach dem Abschluss der Geschichte unzufrieden mit der Partnerwahl ist oder verpasste Interaktionen nachholen will, sollte in das New Game Plus starten: Der Beziehungsfortschritt wird natürlich zurückgesetzt, dafür nehmt ihr eure Sozialwerte, freigeschaltete Skills sowie Kampfupgrades mit und könnt so im zweiten Durchlauf die restlichen Szenen nachholen. Änderungen in der Story oder beim Gameplay solltet ihr aber nicht erwarten. Eternights ist seit dem 12. September auf dem PC, der PlayStation 4 und der PlayStation 5 digital für 29,99 Euro erhältlich. Eine physische Version soll zu einem späteren Zeitpunkt folgen.

Fazit

Eternights ist keine Alternative zu Persona oder gar ein Konkurrent: Es ist der Versuch eines leidenschaftlichen Fans, bei dem Ambitionen und Erfahrung aufeinanderprallen und ein unausgeglichenes Ergebnis mit viel Liebe zur Vorlage geschaffen haben. Die Dialoge sind manchmal herrlich gefühlvoll, manchmal absurd lustig und manchmal zum Fremdschämen unangenehm. Gezeichnete Standbilder und Zwischensequenzen passen nicht zu den billigen Gesichtsanimationen und das Kampfsystem kann zwar eine spaßige Sogwirkung entfalten, punktet aber weder mit Komplexität noch mit Abwechslung. Wäre das Spiel nicht zehn, sondern zwanzig oder gar dreißig Stunden lang, würde es aufgrund der schwankenden Qualität wohl wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Doch wer mit den richtigen Erwartungen an Eternights herangeht, bekommt eine spaßige, wenn auch simple Mischung aus Dating-Sim und Dungeon-Crawler geboten, die sich nie zu ernst nimmt und trotz offenkundiger Schwächen mit einer großen Portion Herz und Humor punkten kann.

Pro

  • Dialoge haben viel Herz und Humor...
  • Simples, spaßiges Kampfsystem...
  • Hübsche 2D-Sequenzen und -Zeichnungen
  • Exzellente englische Sprachausgabe
  • Haptisches Feedback sorgt für mehr Immersion

Kontra

  • ...sind manchmal aber auch zum Fremdschämen
  • ...das insgesamt deutlich zu wenig Tiefgang bietet
  • Generische Geschichte
  • Detailarme Umgebungen
  • Gesichtszüge der Charaktere wirken wie aufgeklebt
  • Langweilige Minispiele
  • Übergänge zu abrupt

Wertung

PlayStation5

Eine simple Mischung aus Dating-Sim und Dungeon-Crawler, die trotz einiger offenkundiger Schwächen mit einer großen Portion Herz und Humor punkten kann.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Es gibt eine Digital Deluxe-Edition, die für einen Aufpreis von 10 Euro jedoch nur ein digitales Artbook und den digitalen Soundtrack bietet.
  • Es gibt keine Käufe.
Kommentare
4P|Jonas

Danke für den Test. Eigentlich passt das Spiel zu meinem Beuteschema aber leider ist es dem Persona Fan nicht soo gut gelungen, dass Spiel zu "kopieren".

Vielleicht irgendwann mal für einen 10er reinschnuppern
Falls du auf dem PC unterwegs bist: Auf Steam gibt es auch eine kostenlose Demo.
Gerade die Spielzeit als Kritikpunkt kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wieder ein klassischer Fall, warum viele Spiele so ätzend gestreckt werden, weil es sonst offensichtlich sofort ne dicke Abwertung gibt.

[...]

Und gerade wenn ich in dem Bereich von AAA Titeln wieder gucke, wie viel davon in den letzten Jahren einfach künstlich auf 20 oder 30 Stunden gestreckt wurde, empfinde ich das schon als beleidigend, denn das macht die Spiele nicht besser, sondern sogar erheblich schlechter. Diesen Kritikpunkt solltet ihr wirklich dringend auf den Prüfstand schicken.
Wenn ich mir deinen Kommentar so durchlese, muss ich das mit der Spielzeit wohl missverständlich formuliert haben. Die ist nämlich keineswegs als solche ein Kritikpunkt gewesen, ganz im Gegenteil. Im Fazit schreibe ich ja, dass das Spiel gut daran getan hat, nicht länger gewesen zu sein, sonst wäre das Gameplay wohl auf Dauer zu monoton geworden. Und die beiden Erwähnungen im Text sollten eigentlich reine kontextuelle Einordnungen sein: Einmal zu den Figuren, die angesichts der Spiellänge nunmal nicht mehr Raum zur Charakterentwicklung bekommen konnten. Und einmal zu den schicken Standbildern, von denen ich mir mehr gewünscht hätte, die aber bei einer kürzeren Spiellänge eben auch nicht im Dauerfeuer erfolgen sollen, damit sie nicht ihre "Besonderheit" verlieren. Nur nochmal als zusätzliche Einordnung, da das aus dem Test offenbar nicht klar genug hervorgegangen ist. Hätte ich die Spielzeit wirklich als zu kurz empfunden, wäre das auch als Contra-Punkt in der Liste aufgetaucht, aber ich habe da eine ganz ähnliche Meinung wie du: Viele Spiele sind unnötig gestreckt und ich zahle auch für zehn Stunden gerne einen entsprechenden Preis, wenn die Qualität stimmt. Am Rest meiner Kritik ändert das natürlich nichts. ^^

vor 8 Monaten
GoldenBoy

69 ist doch nicht negativ. Ein Befriedigend das nah am Gut ist. Passt doch zu so einem spiel von einem kleinen Studio mit begrenzten Mitteln. Kann man jetzt kaum Wertungen vergeben die an Persona ranreichen

vor 8 Monaten
Khorneblume

Kann diesen Test, wie auch generell die recht negativen Wertungen nicht nachvollziehen. Fand das Spiel vom 1. Kontakt auf Steam vor paar Wochen extrem poliert und sehr gut ausbalanciert. Gerade die Spielzeit als Kritikpunkt kann ich überhaupt nicht nachvollziehen. Wieder ein klassischer Fall, warum viele Spiele so ätzend gestreckt werden, weil es sonst offensichtlich sofort ne dicke Abwertung gibt.

Das Verhältnis von Metawertungen zu Userwertungen passt hier auch vorne und hinten mal wieder nicht zusammen. Scheint nach Spielen wie KDCD oder Alien: Isolation wohl mal wieder ein kollektives Opfer der Magazine zu werden, während es von den Spielern gefeiert wird. Zeigt mir leider nur abermals, das ich Kaufentscheidungen wirklich nicht mehr anhand von Tests oder gar Wertungen treffen brauche.

Btw. kostet es ja auch gerade mal 30€ zum Release. Irgendwelche 80€ Releases kriegen auch mal annähernd 90er Wertungen, obwohl sie nicht mal ansatzweise so gut poliert waren. Und gerade wenn ich in dem Bereich von AAA Titeln wieder gucke, wie viel davon in den letzten Jahren einfach künstlich auf 20 oder 30 Stunden gestreckt wurde, empfinde ich das schon als beleidigend, denn das macht die Spiele nicht besser, sondern sogar erheblich schlechter. Diesen Kritikpunkt solltet ihr wirklich dringend auf den Prüfstand schicken.

vor 8 Monaten
Mafuba

Danke für den Test. Eigentlich passt das Spiel zu meinem Beuteschema aber leider ist es dem Persona Fan nicht soo gut gelungen, dass Spiel zu "kopieren".

Vielleicht irgendwann mal für einen 10er reinschnuppern

vor 8 Monaten