Jusant - Test, Action-Adventure, XboxSeriesX, PlayStation5, PC

Jusant
08.11.2023, Gerrit Menk

Test: Jusant

Test zu Jusant: Dem Himmel so nah

Zum Ende eines von Top-Spielen nur so vollgestopften Monats wie dem vergangenen Oktober in einem ohnehin sehr starken Gaming-Jahr 2023 könnte ein Titel wie Jusant fast an einem vorbeigehen. In dem kurzweiligen Abenteuer des französischen Entwicklerstudios Don't Nod (Life Is Strange), steht der etappenweise Fortschritt, die Suche nach legendären Wesen und die Erkundung der Geschichte einer lang vergangenen Ära im Mittelpunkt. Wenn ihr also erst einmal genug habt von bockschweren Bosskämpfen, verwirrenden Storylines und mit unzähligen Nebenquests überladenen Open Worlds, sondern einfach mal wieder ein kleines, atmosphärisches Abenteuer erleben wollt, dann könnte Jusant genau zur rechten Zeit kommen.

Jusant: Ein Turm in der Wüste

In dem entschleunigten Adventure, in dem vom ersten Augenblick an eine sehr ruhige Atmosphäre herrscht, erklimmt ihr einen bis in die Wolken reichenden Turm und stöbert in den Überresten der Zivilisation, die diesen Monolithen einst bevölkert hat. Euer wichtigstes Utensil in Jusant ist dabei euer Kletterseil, ohne das auch der Alltag der Menschen an diesen zerklüfteten Hängen einst undenkbar war. Doch ihr habt zusätzlich noch euren „Ballast“, der zum wegbereitenden Helfer wird.

Wenngleich die Welt auf den ersten Blick eher leer und karg wirkt, ist sie doch liebevoll und detailliert designt.
Zu Beginn seht ihr euch am Fuße des besagten Berges – oder besser gesagt: eines riesigen, säulenförmigen Felsens. Die Spitze ist nicht zu sehen, aber es wird schnell klar, dass er früher einmal im Wasser gestanden haben muss. Fischernetze und Anker hängen an Felsvorsprüngen, Bojen und ganze Schiffswracks liegen auf den Plateaus verteilt, auf denen auch verlassene Hütten der einstmaligen Bevölkerung stehen. Die Felswände sind mit Seepocken und versteinerten Korallen überwuchert, Krebse und Möwen haben hier ihren Lebensraum und wollen den Eindruck vermitteln, dass das Wasser noch nicht so lange weg sein kann.

Euer Weg führt nach oben; doch wonach die namenlose Hauptfigur dieses Spiels konkret auf der Suche ist, wird im Laufe der Geschichte, die gänzlich ohne Sprachausgabe auskommt, nicht näher spezifiziert. Dank Briefen und Notizen, die ihr in den verlassenen Siedlungen findet, könnt ihr aber die Historie dieses Ortes nachvollziehen. So hat sich das Wasser um diesen turmartigen Felsen nach und nach zurückgezogen, die Menschen siedelten von den Höhen in tiefer gelegene Gebiete um. Nach einem Ereignis, das in den Schriften als Jusant bezeichnet wird, verschwand das Wasser schließlich ganz, nicht einmal Regen gab es seitdem mehr. 

Der Rückzug des Wassers

Die verlassene Welt von Jusant steckt voller verborgener Wandbilder, Altäre und Relikte aus der Vergangenheit.
Einige Menschen entschlossen sich schweren Herzens dazu, ihre Heimat hinter sich zu lassen und in der weiten Ebene, die einst der Meeresgrund war, nach Wasser zu suchen. Andere starteten zu einer Expedition Richtung Gipfel, in der Hoffnung, dort die Ballasts zu finden – mythische, fliegende walartige Wesen aus Wasser, die ihnen aus der Zeit der Dürre helfen sollten.

Dass diese nicht nur ein Märchen sind, erfahrt ihr ziemlich schnell: Immerhin habt ihr einen waschechten Ballast dabei. Dieser kleine, quietschende Knilch – optisch eine Mischung aus hellblauem Frosch und den Waldgeistern aus Prinzessin Mononoke – ist allerdings gerade mal so groß, dass er in eine kleine Umhängetasche passt oder auf eurer Schulter sitzen kann. Mit seiner besonderen Aura kann er euch jedoch helfen, den Weg oder in der Umgebung versteckte Gegenstände zu finden oder Pflanzen in der Umgebung wachsen zu lassen. Und natürlich könnt ihr den kleinen Ballast auch tätscheln und herzen.

Klettern wie die Profis

Beim Klettern müsst ihr immer eure Ausdaueranzeige im Blick behalten. Starke Hitze und Gegenwind lassen sie schneller sinken.
Der Aufstieg teilt sich in fünf Abschnitte auf, die Umgebung verändert sich dabei jeweils. Mal macht euch die brütende Sonnenhitze zu schaffen, weiter oben dann starke Windstöße. Ihr klettert an hervorstehenden Felsen und in die Wand geschlagenen Griffen empor, habt dabei aber immer die Möglichkeit, bis zu drei Sicherungshaken zu setzen. Falls ihr also an einer Stelle mal mit dem Fuß daneben tretet, bewahren euch diese vor dem Sturz. 
 
Ihr klettert übrigens nicht einfach nur, indem ihr den Stick eures Controllers in eine Richtung drückt; ein bisschen Mitarbeit ist schon gefordert. Drückt die linke und rechte Schultertaste des Controllers, damit eure Spielfigur entsprechend mit der linken oder rechten Hand den nächsten festen Halt greift. Kurz hatte mich das ein wenig an die Kletterpassagen aus Astro's Playroom erinnert, wo ihr im Affenanzug die Wände hochkraxelt (nur dass es dort mithilfe der Bewegungssensoren geschieht). Dementsprechend verläuft es hier deutlich intuitiver und man kann mit viel Tempo empor klettern, wenn man die Schultertasten schnell im gleichen Rhythmus wechselnd drückt.

Ihr müsst immer eine Taste gedrückt halten, um euch an der Wand festzuhalten. Klettern und besonders Sprünge zum nächstgelegenen Vorsprung verbrauchen Ausdauer, ähnlich wie in The Legend of Zelda: Breath of the Wild oder Genshin Impact; diese könnt ihr zwischendurch zwar immer bis zu einem bestimmten Punkt regenerieren, irgendwann ist sie aber komplett aufgebraucht. Erst wenn ihr wieder festen Boden unter den Füßen habt oder euch an einem der Rastpunkte einhakt, lädt sie sich wieder komplett auf.

 

Stein auf Steinchen

Wer schon einmal im echten Leben vor einer Boulder-Route an der Kletterwand stand und sich gefragt hat, auf welchem Weg sie zu bezwingen ist, wird sich in diesem Abenteuer wiederfinden. Nicht immer lässt sich ein Kletterpart im ersten Anlauf hinter sich bringen und ihr müsst euch im Vorfeld überlegen, welche Route die beste ist. Dabei werden die Passagen sehr abwechslungsreich erweitert: In der prallen Sonne sinkt eure Ausdauer schneller, Wind trägt euch bei Sprüngen weiter, und dann gibt es da noch die Steinchen – faustgroße Krabbelviecher mit einem Rücken aus Stein, die aber problemlos euer Gewicht tragen können und euch eine Weile an der Wand entlang befördern. Dank der Aura eures Ballasts wachsen manche Pflanzen rankenartig in die Höhe, andere lassen Wurzeln im kargen Fels sprießen, an denen ihr euch festhalten könnt.
Am Ende eines jeden Abschnitts könnt ihr ein mystisches Monument aktivieren und ein Stück Leben auf den hohen Felsen zurückbringen.

Schriften der Vergangenheit 

Immer, wenn ihr eine Kletterpassage hinter euch gebracht habt, lädt ein neuer Teil der verlassenen Welt zum Verweilen und Bestaunen der Umgebung ein. Oder ihr beobachtet eine Weile die Chocos – kleine, dicke Rüsselmäuse, die aufgeregt auf den Plateaus umher wetzen. Hier und da findet ihr optionale Sammelobjekte wie rauschende Muscheln, die euch akustische Erinnerungen an eine lebhaftere Zeit bescheren, leuchtende Wandbilder, die vom Regen und den Ballasts erzählen, sowie Seiten aus dem Tagebuch von Bianca, die sich einst
An Rastpunkten könnt ihr euch einhaken und die Ausdauer wieder auffüllen. Von hier lässt sich ein guter Überblick über die nächsten Schritte verschaffen
einer Reisegruppe auf der Suche nach den legendären Himmelswalen angeschlossen hat.
 
In zahlreichen Briefen, die vom Schicksal der Menschen in den Siedlungen auf verschiedenen Ebenen erzählen, könnt ihr rekonstruieren, wie die Zeiten sich hier geändert haben: Wasser musste rationiert werden, Farmer beklagten immer weniger Ernte, Händler und Gastwirte verloren Kundschaft. Die Kinder wussten nicht mehr, was Regen war, während die Alten vom Meer erzählten. Unsicherheit machte sich breit, weil die einen ihr hiesiges Leben hinter sich ließen, um ihr Glück woanders zu suchen, während die anderen hofften, dass hier alles wieder besser werden würde. Diese schrittweise Entblätterung der Lore sind willkommene Puzzlestückchen im Gameplay und tragen wirklich dazu bei, diese Welt und ihr Schicksal nach und nach zu begreifen.

Akustisch abgerundet

Euer knuffiger kleiner Freund besitzt hilfreiche Fähigkeiten. Ohne ihn würde der Aufstieg schnell in einer Sackgasse landen.
Das Ganze wird begleitet von einem wunderschönen und atmosphärischen Soundtrack, der mit der wechselnden Umgebung variiert und stets einen passenden Rahmen bildet, wenn ihr beispielsweise ein neues Gebiet betretet oder euch einem Endpunkt eines Abschnitts nähert. Dieser wird stets durch ein großes Monument markiert, das ihr mit der Aura eures Ballasts aktivieren könnt und so zumindest auf einem Teil des Felsenturms die Vegetation zurückbringt.

Jusant ist eine Reise in die Vergangenheit einer fast vergessenen Welt, von der wir nur ahnen können, wie lebhaft sie einmal gewesen sein mag. Und sie ist gleichzeitig die Suche nach Hoffnung und Antworten. Freunde von Spielen wie RiME, The Last Guardian oder Gris werden mit diesem Titel sicher ihre Freude haben. Er lädt euch dazu ein, dieses Kletterabenteuer in eurem eigenen Tempo anzugehen. Zwischen fünf und acht Stunden solltet ihr dafür brauchen – je nachdem, wie geschickt eure Kletterkünste sind oder wie genau ihr nach den Collectibles sucht. Belohnt werdet ihr auf jeden Fall mit einer beeindruckenden Kulisse und dem Gefühl, auf eurer Reise wirklich etwas erlebt zu haben.

Fazit

Jusant ist sicher kein Spiel für jeden – man muss schon das Ruhige und Unaufgeregte mögen. Es ist mehr eine entspannende Reise als ein wirklich nervenaufreibender und fordernder Weg. Es gibt keine Kämpfe und keine Interaktion mit NPCs; ihr seid allein mit eurem niedlichen Kompagnon und ein paar Möwen, Steinchen und Chocos. Wer kurzweilige und atmosphärische Fantasy-Abenteuer mag, die in kleinen Etappen erzählt werden, könnte in Jusant vielleicht einen neuen Lieblingstitel finden. Tatsächlich gibt es fast nichts Negatives, was ich zu dem Spiel sagen könnte: Die Optik ist vielleicht nicht jedermanns Sache, grafisch gibt es aber nichts zu bemängeln. Der Schwierigkeitsgrad ist sehr moderat – selbst anfangs anspruchsvolle Passagen werden mit der richtigen Taktik schnell zu lösbaren Aufgaben. Vielleicht könnte das Spiel ein, zwei Kapitel länger sein, aber auch so bietet die Reise sehr viel (besonders für den relativ geringen Preis). Die verlassene und doch bezaubernde Welt kann einen – unterstützt durch den exquisiten Soundtrack und den putzigen Kumpanen – wirklich schnell in den Bann ziehen.

Pro

  • charmanter Look
  • unverbrauchtes Gameplay
  • atmosphärischer Soundtrack
  • kurzweilig
  • interessante Lore
  • knuffiger Ballast

Kontra

  • könnte ein, zwei Kapitel länger sein
  • keine adaptiven Trigger mit PS5-Controller

Wertung

PC

Für Genre-Fans eine absolute Empfehlung. Mit tollem Setting und gefühlvollem Soundtrack klettert Jusant nach ganz oben.

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Kommentare
Chibiterasu

Die beiden Grow Spiele sind etwas janky, aber ich mochte die auch sehr.

vor 6 Monaten
nawarI

Ja, schöner Test, und definitiv ein Spiel für mich. Hab's direkt gekauft.
Die Beschreibungen erinnern manchmal auch ein bisschen an Grow Home/Up, zumindst was die Klettermechanik angeht. Das waren zwei Spiele von Ubisoft, als die noch kreative Konzepte im Portfolio hatten.
Werde es mir definitiv auch kaufen. Ich fand grow home richtig toll. Witzig, dass das überhaupt wer kennt..
Danke für die Hinweise zu Grow Home und Grow Up. Hab nie was davon gehört, aber die Reviews sehen gut aus.

vor 6 Monaten
grisu_de

Ja, schöner Test, und definitiv ein Spiel für mich. Hab's direkt gekauft.
Die Beschreibungen erinnern manchmal auch ein bisschen an Grow Home/Up, zumindst was die Klettermechanik angeht. Das waren zwei Spiele von Ubisoft, als die noch kreative Konzepte im Portfolio hatten.
Werde es mir definitiv auch kaufen. Ich fand grow home richtig toll. Witzig, dass das überhaupt wer kennt..

vor 6 Monaten
Khorneblume

Kann bislang auch nicht klagen. Unterhält gut, und die Kletter-Mechanik dürfen gerne sämtliche Spiele künftig übernehmen, weil dieses ganze in der Wand festkleben und Risiko irgendwo hochklettern noch nie besonders realistisch war.

vor 6 Monaten
kamm28

Ja, schöner Test, und definitiv ein Spiel für mich. Hab's direkt gekauft.
Die Beschreibungen erinnern manchmal auch ein bisschen an Grow Home/Up, zumindst was die Klettermechanik angeht. Das waren zwei Spiele von Ubisoft, als die noch kreative Konzepte im Portfolio hatten.

vor 6 Monaten