Stronghold: Definitive Edition - Test, Taktik & Strategie, Allgemein, PC
Stronghold: Definitive Edition – Am Anfang war alles perfekt, also lasst uns da doch bleiben!
Wenn wir uns die Produktionen von Firefly Studios vor der Stronghold: Definitive Edition ansehen, fällt etwas Erstaunliches auf: Jedes weitere Spiel nach den ersten beiden Teilen wurde immer schlechter. Oder “unterschiedlicher”, wenn wir das ein bisschen versöhnlicher formulieren wollen. In Stronghold (2001) hat alles gepasst: Die Grafik, das Gameplay, die Atmosphäre.Während in Stronghold: Warlords (2020) nichts mehr davon passte. Man bekam den Eindruck, dass die Formel so spezifisch war, dass anscheinend nichts an ihr verändert werden durfte, wenn die Qualität erhalten bleiben sollte. Firefly Studios war ein Meisterwerk gelungen, das es seit Jahren nicht wiederholen konnte. Weshalb der Spieleschmiede vorerst nur die Zeitreise als einzige Option für Erfolg übrig blieb.
Immer, wenn Leute mir die Frage stellen, ob ich eher Anno (Bauen) oder Age of Empires (Kloppen) bevorzuge, antworte ich darauf mit Stronghold (beides). Strategie-Spiele sind in der Regel keine Aufbau-Spiele und umgekehrt, aber im Gegensatz zu allen anderen schaffte Stronghold es tatsächlich: Es ist sowohl eine gelungene Militär- als auch eine Wirtschaftssimulation, die flüssig ineinander übergeht. Und da niemand ihm das nachmachen kann, bleibt es in dieser Kategorie König.
Was nicht bedeutet, dass Firefly für ein Remake nur eine hübschere Grafik draufpacken musste und dann die Füße hochlegen konnte. Es musste ja zwei Michaels zufriedenstellen. Der erste und jüngere kann mit Nostalgie komplett zugedröhnt werden. Aber der zweite und ältere ist schwieriger, der hat jetzt sowas wie Ansprüche. Funktioniert das? J(a-Ja-N)ein.
Für Lords und Ladys ab 10 und 30 Jahren
Die kniffligste Frage bei der Rezension zu einem Remake: Beschreibt man jetzt das gesamte Original noch mal? Oder sollte nicht viel eher – um konsequent zu bleiben – die Original-Rezension von 2001 ein Remake bekommen? Die Antwort lautet auf beides: Ein ganz klares Ich-werde-den-Teufel-tun-Nein.
Hier leiste ich die nötige Vorarbeit, bevor ich zum Relevanten kommen darf: Stronghold bleibt Stronghold. Im Remake ist alles enthalten, was ihr schon kanntet oder dringend kennenlernen solltet. Allen voran die mega-charmante und mega-fesselnde Kampagne: Ihr kämpft gegen die Lords Ratte, Schlange, Schwein und Wolf – aber nein, es ist keine Fabel, es ist eine Geschichte mit ikonischen Mini-Filmchen, in der ihr euch durch die brutale Praxis eines Eroberungskrieges das gesamte strategische und wirtschaftliche Handwerk selbst beibringt. Als Nachtisch gab es damals diverse Zusatzmissionen und Modi. Heute genauso gut wie damals.
Zu Alt kommt Neu
Aber nun wurde das mittelalterliche Schlachtenbuffet erweitert. Um Multiplayerfunktionen und neue Modi (belagert und verteidigt spielererstellte Burgen!). Das Highlight bilden jedoch die neuen Kampagnen. In diesen spielt ihr Nebengeschichten zur Hauptgeschichte: Ein Hauptmann will die entführte Nichte eines Verbündeten retten. Das ist allerdings nur der erste Motivator; der zweite ist, dass die Kampagnen sehen wollen, was ihr in den letzten 20 Jahren gelernt habt. Der Schwierigkeitsgrad ist brutal hoch, er ist fast als ein Kompliment an euer Geschick zu verstehen.Auf Belagerungsmissionen folgen Verteidigungsmissionen. Könnt ihr mit wenigen Truppen große Festungen einnehmen und eure Festungen gegen gigantische Armeen halten? Bis eine Wirtschaftsmission dazwischen kommt, die auf den ersten Blick unscheinbar aussieht, aber dann genauso Eisen frisst: Könnt ihr unter Zeitdruck Rohstoffe sammeln, während ihr permanent von Räubern, Bränden und Krankheiten gestört werdet? Danke, diese verzweifelten Situationen, in denen ich mir die Ärmel meiner Maus- und Tastatur-Hände hochziehen muss, habe ich mir gewünscht. Cool, dass beides abgedeckt wird, Nostalgie und Veteranentum.
Die Entwickler haben das Potenzial von Stronghold neu ausgeschöpft und clevere sowie neue Spielvarianten gefunden – weiteres Beispiel: Ein Dorf einnehmen und dabei gleichzeitig von einer dritten Fraktion angegriffen werden (OMG – JA, ICH WILL (DRAUFGEHEN)). Selbst wenn nicht jede Mission mit Genialität brilliert. Es ist dennoch schön zu sehen, dass Firefly nicht mal eine Minute lang an eine reine Kopie gedacht hat. Sie waren uns ein neues Kapitel schuldig und das ist es.
14,99 Euro – aber was hätte ich für 30 Euro bekommen?
Das wirklich sehr hübsch aussieht: Die Historienbuchgrafik wurde nicht nur hochgedreht und glänzender gemacht, sie lebt und atmet nun hundert weitere Details. Jede Einheit, jedes Gebäude hat ein optisches Upgrade erhalten. Was angenehmerweise nicht sofort auffällt, sondern vielleicht erst beim dritten Draufachten. So muss Remake-Grafik und nicht anders. Dem Berater hat es nicht gut getan, der sieht aus, als würde er als Mönch in einem Horrorfilm mitspielen, aber zum Glück kehrt der alte Berater per Option sofort wieder zurück (hinfort mit deinem verfluchten Zwillingsbruder!).
Und das war’s auch schon. Ich wäre an dieser Stelle enttäuscht, wenn das Remake nicht nur rund 15 Euro kosten würde. Trotzdem wirkt es unfertig und etwas halbgar. Stronghold 1.001. Warum haben die Kampagnen beispielsweise keine eigenen Mini-Filmchen erhalten? Warum erzählt der Erzähler nur einen Text bei Kerzenschein runter? Warum hat das Neue nicht so viel Liebe wie das Alte erhalten?
Mit einem Blick auf die DLC-Politik leuchtet der Plan ein: Gegen kleines Geld wird es zukünftig weitere Kampagnen geben. Cool, aber perfekt ist etwas anderes. Andererseits: Es gibt keine Alternative. Wer etwas wie Stronghold haben will, wird zu Stronghold gehen müssen. Allerdings hätte ich auch gerne 30 Euro für weitaus mehr gezahlt. Es wirkt wie der Anfang von etwas. Ich denke, dass die eventuelle Complete Edition in einem oder zwei Jahren (Zahlen frei erfunden) ein noch deutlich besseres und kompakteres Angebot liefern wird.
Fazit
Auch wenn Firefly Studios neuere Spiele nicht gelingen wollen, alte können sie immer noch richtig gut. Nostalgiecharme trifft auf sinnvolle Modernisierung, perfekt für Neueinsteiger und Wiedereinsteiger. Als wäre es nie anders erschienen! Schade, dass die Neuerungen mit der neuen Grafik und den zwei erwähnenswerten Kampagnen sehr überschaubar bleiben. Das ist großartig, lässt den Kornspeicher aber recht schnell leer werden. Euer Volk, Firefly, hungert! Ich warte auf die Complete Edition, denn von einem Fingerfood zum nächsten ist nicht mittelalterlich, sondern steinzeitlich.
Pro
- Neue Grafik ist eine Wohltat für nostalgische Augen
- Erweitertes Modi- und Content-Buffet, so muss es sein
- Neue Kampagnen für Veteranen, die mit cleveren Ideen und schwierigen Missionen daherkommen
- Gleiches Spiel, gleiches gutes Game
- Komfortfunktionen
Kontra
- Inhalt bleibt überschaubar, Häppchen-Politik in Aussicht
- Neue Inhalte haben nicht so viel Liebe wie die alten erhalten
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es sind DLCs für je 2,99 Euro angekündigt, die neue Missionen Nebengeschichten ins Spiel bringen sollen.
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.