Avatar: Frontiers of Pandora - Test, Action-Adventure, XboxSeriesX, PC, PlayStation5
Avatar: Frontiers of Pandora - Kein echter Mensch, kein echter Na'vi
Ihr schlüpft in die Rolle eines Na'vi – dessen Geschlecht und äußeres Erscheinungsbild ihr selbst bestimmen dürft – aus dem Clan der Sarentu. Vor Jahren wurdet ihr zusammen mit vier anderen Kindern von den Menschen, genauer gesagt der RDA (Resources Development Administration), entführt und im Rahmen eines Botschafterprogramms mit ihren Gebräuchen vertraut gemacht. Ihr wachst in einer Lehranstalt der RDA auf, bis es zu einer Revolte kommt: Die Na'vi greifen an, um die ihnen entrissenen Kinder wieder zurückzuholen. Bei diesem Vorfall werdet ihr in einer Cryo-Schlafkammer versteckt… und erst nach einem 16-jährigen Schlaf wiederentdeckt. Nun beginnt mit der Hauptstory von Avatar: Frontiers of Pandora euer neues Leben…Im Hauptquartier trefft ihr auch eure charakterlich sehr verschiedenen Leidensgenossen, die ebenfalls lange Zeit im Cryo-Schlaf verbracht haben: Während Teylan zum Beispiel sehr ängstlich und naiv ist und noch immer an die guten Absichten von Mercer glaubt, ist Nor eher draufgängerisch und kann es nicht erwarten, endlich sein Leben in der Wildnis von Pandora zu führen. Eure Aufgabe besteht nun darin, zu anderen Clans der Na'vi im Gebiet der westlichen Grenze zu reisen und diese zu überzeugen, sich dem Widerstand anzuschließen.
Erste Schritte in einer atemberaubenden Welt
Pandora sieht – gerade auf dem PC – unbestreitbar spektakulär und wunderschön aus; dieser Eindruck eröffnet sich mir schon bei meinen ersten Schritten außerhalb der RDA-Einrichtung. Ich stapfe durch einen Bach und vor mir leitet mich gewissermaßen ein Tunnel aus Bäumen in die üppige Dschungel-Vegetation des Kinglor-Waldes. Gigantische, von türkisblauem Moos überwucherte Baumstämme sind meine Brücken, runde, violette Blumen mein Trampolin und orangefarbene Lianen meine Kletterhilfe auf höhere Ebenen. Graue Baumstämme wachsen wie ein Strauß aus schuppigen Tentakeln dutzende Meter in die Höhe, Felder aus trompetenförmigen Pflanzen ziehen sich zusammen, sobald ich einige von ihnen berühre (wer den ersten Avatar-Film gesehen hat, wird sich erinnern) und schwebende, kokonartige Pilze explodieren und lähmen mich, wenn ich ihnen zu nahe komme. Allein die Flora dieses Planeten ist beeindruckend und abwechslungsreich.Freie Wahl bei der Erkundung
Neben den optischen Eindrücken ist auch die akustische Untermalung auf jeden Fall hervorzuheben. Besonders wer schon den Soundtrack in den Avatar-Filmen genossen hat, wird hier mit vertrauten Tönen beschallt. Dabei passt die Musik stets zu den Ereignissen: So schwillt bei meinem Aufstieg zum Horst der Ikrans – der drachenartigen Wesen, mit denen die Na'vi einen lebenswährenden Bund eingehen – der Sound euphorisch mit Trommeln und Gesang an, begleitet von Ausblicken über den Planeten von den schwebenden Inseln auf meinem Weg nach oben. Mit dieser Atmosphäre wird mir realistisch vermittelt, dass hier ein wichtiges Ereignis ansteht, wenn ein Na'vi von seinem Ikran erwählt wird (nicht umgekehrt!).Es wird euch übrigens die Wahl gelassen, wie viel Hilfe ihr bei der Orientierung auf Pandora bekommen wollt. Im geführten Modus wird auf der Karte der Zielpunkt genau markiert. Wählt ihr den Modus Erkundung, werden nur vage Richtungsangaben vorgegeben – „Dein Ziel befindet sich nordwestlich des Jägerlagers, auf der anderen Seite des Flusses“ – und ihr müsst euch auf Orientierung und Ortskenntnis verlassen. Diese Option finde ich sehr angenehm: Ich mag es, auf eigene Faust Erkundungen anzustellen und die Umgebung ein bisschen abzusuchen, besonders in einer schönen Spielwelt wie dieser. Was für ein Navi wäre ich, wenn ich mich nicht auf meinen Orientierungssinn verlassen könnte? Im Menü gibt es jederzeit die Möglichkeit, zwischen diesen Modi zu wechseln.
Warum soll ICH das noch gleich tun?
Wann immer ihr auf neue Gruppen von Na'vi stoßt, werdet ihr behandelt wie ein exotisches Tier. Als eine der letzten der Sarentu, einem Clan, der bei allen Na'vi für seine Lieder und das Geschichtenerzählen bekannt ist, ruft ihr bei vielen eine Erinnerung an lustige und emotionale Zusammenkünfte hervor. Gleichzeitig betrachtet man euch mit Skepsis: Ihr wurdet von den Menschen aufgezogen und seid mit vielen Riten des Volkes nicht vertraut. Ihr steht zwischen zwei Welten und viele Na’vi wollen mit den Menschen möglichst nichts zu tun haben. Das Botschafterprogramm der RDA kann somit also eigentlich schon als gescheitert bezeichnet werden.Die Quests, mit denen ihr euch in den Augen hochrangiger Clanangehöriger als würdig erweisen sollt, wechseln sich ab mit Missionen, in denen die Anlagen der Menschen infiltriert werden müssen. Dabei helfen die Na'vi-Sinne, mit denen ihr Zielpunkte ebenso wie Feinde erkennen könnt. Den Menschen gegenüber habt ihr allein durch die Körpergröße einige entscheidende Vorteile: Im Nahkampf schickt ihr jeden RDA-Soldaten mit einem Schlag zu Boden, gut gezielten Pfeilen haben selbst Mechs nicht viel entgegenzusetzen und zudem scheinen die meisten Menschen mit einem ausgesprochen schlechten Kurzzeitgedächtnis gesegnet zu sein. Sobald ihr euch im Gefecht hinter eine Kiste oder Brüstung duckt, schallt es gleich: „Wo ist sie hin?“
Abseits der Hauptstory werden die Quests aber mit zunehmender Spieldauer etwas eintönig und repetitiv, häufig nach dem Prinzip „XY ist zum Jagen in den Wald gegangen und nicht zurückgekommen.“ Ist die entsprechende Person dann gefunden, kommt es zu einem Kampf mit tollwütigen Wildtieren oder einem Stoßtrupp der RDA. Dazu gibt es Sammel- und Fetch-Quests, eben die typischen Nebenaufgaben, denen man in vielen Adventures (und auffällig oft in Ubisoft-Titeln) begegnet.
Collectibles gibt's auch auf Pandora
Stockender Fortschritt
Wenn ihr euch nicht gerade in einer Quest befindet, könnt ihr in Niederlassungen wie dem Heimatbaum der Aranahe, den ihr relativ früh im Spiel betreten dürft, kochen oder Ausrüstung herstellen beziehungsweise verbessern. Dadurch erhöht ihr eure Charakter- und Kampfwerte und steigt im Level auf. Materialien und Kochzutaten, die ihr mit den Na'vi-Sinnen scannen und samt Effekten in einem Datalog eintragen könnt, lassen sich überall in der Welt finden und ernten. Dies geschieht mit einem durchaus ungewöhnlichen Mechanismus: Ihr greift das Gewächs oder die Frucht mit einer Schultertaste des Controllers, dreht den Analog-Stick, bis ihr keine Vibration mehr verspürt, und zieht eure Ernte dann heraus. Je geschickter ihr euch dabei anstellt, desto besser ist die Qualität und damit der Effekt der Zutat. Dachte ich zu Anfang noch, dass mich diese Methode schnell nerven würde, ist es selbst auf Dauer überraschend wenig frustrierend. Wen es dennoch stört, der kann die Einstellung so anpassen, dass ihr Materialien quasi im Vorbeigehen einsammelt.Einen fortwährenden und zumindest für meinen Ohren sehr ärgerlichen Fauxpas leistet sich die deutsche Sprachausgabe, wenn sämtliche Eigennamen mit einem Apostroph (Na'vi, So'lek, Ri'nela, Ka'nat usw.) ausgesprochen werden, als wären sie zwei Wörter. Das ist schwer schriftlich zu erklären, aber es klingt eher wie Na-Vi als Na'vi. Interessanterweise haben einige unbedeutendere NPCs diesen Sprachfehler nicht und auch in der englischen Sprachausgabe (auf die ich nach einer Weile gewechselt bin, weil es mich so genervt hat) werden diese Namen korrekt ausgesprochen.
Un-Willkommen bei den Na'vi
Trotz 3D-Grafik viel Eindimensionalität
Überhaupt finde ich viele Charaktere sehr flach beziehungsweise provokant klischeehaft geschrieben. Teylan ist mit seiner Abhängigkeit von der menschlichen Ausbildung und seinem naiven Vertrauen zu Mercer so eindeutig eine Schwachstelle in der Gemeinschaft, dass es schon fahrlässig ist, ihn unbeaufsichtigt zu lassen. Priya Chen wird mir mit fast jedem Dialog als tollpatschig und unsicher präsentiert, sodass es mich wirklich verwundert, warum sie eine verantwortungsvolle Position im Widerstand einnehmen darf. John Mercer und seine rechte Hand Angela Harding sind so plakativ böse, ohne jede Empathie und Moral, damit man als Spieler ja nicht auf die Idee kommen könnte, deren Handlungen in irgendeiner Weise nachvollziehen zu wollen. Dazu bleibt mir als Hauptcharakter keine Möglichkeit, aus Antwortmöglichkeiten zu wählen und damit meine eigene Persönlichkeit zu entwickeln.Damit einher geht die Story, die für sich gesehen nicht sehr spektakulär ist und – wie auch die Handlung der beiden Avatar-Filme – nicht besonders tief geht. Dazu passt, dass auch die aufeinanderprallenden Parteien viel zu eindimensional dargestellt werden: die Menschen sind brutal, rücksichtslos und manipulativ, nur auf Profit und materialistische Güter bedacht; die Na'vi sind stolz und verbohrt, misstrauisch allem Fremden gegenüber und pedantisch fokussiert auf ihre Traditionen.
Mein Freund, der Baumstamm
Technisch habe ich keine großen Defizite ausgemacht. Es gab eine Handvoll Bugs – etwa eine Höhle, in der die Decke transparent war, sodass ich das darüber wachsende Gras und die nach mir suchenden Raubtiere von unten gesehen habe; oder eine Flussinsel, deren nasser Boden plötzlich schnurgerade abgeschnitten war, wodurch es wirkte, als würde eine nasse Fensterscheibe auf dem Matsch liegen. Einmal wurde der Bildschirm während eines Dialogs dunkel und als das Bild wieder erschien, befand ich mich hinter einem Baum und konnte meinen Gesprächspartner nicht mehr sehen. Insgesamt waren solche Vorfälle aber mehr amüsant als störend und beeinflussten das Spielerlebnis nicht.Fazit
Insgesamt ist Avatar: Frontiers of Pandora eine abwechslungsreiche, vor allem optisch beeindruckende und über weite Teile auch recht spannende Reise durch Pandora. Obwohl die Story einen gewissen Tiefgang vermissen lässt und der Planet zumindest in Teilen durch die Filme bekannt ist, macht es wirklich Spaß, diese Welt zu entdecken und sich faszinieren zu lassen. Etwas eintönige Nebenquests und das nach einer Weile eigentlich obligatorische Crafting stoppen den Spielfluss und meiner Meinung nach den Spielspaß etwas; auch bei der Interaktion mit manchen NPCs haben sich mir die Nackenhaare aufgestellt. Für die Spielzeit von mehr als 20 Stunden (wobei ich mich an manchen Stellen dämlich angestellt hab) für die Hauptstory, plus vielleicht noch einmal zehn für alle Nebenaufgaben, lohnt es sich, in diese Welt einzutauchen. Dazu muss ich aber auch sagen, dass ich die Filme – zumindest optisch und atmosphärisch – sehr gut fand. Wer mit dem Avatar-Franchise nichts anfangen kann, braucht das Spiel wahrscheinlich nicht. Dafür bietet es zu wenig neue Spielmechaniken.
Pro
- atemberaubende Landschaften
- atmosphärischer Soundtrack
- abwechslungsreicher Spielverlauf
- saubere Steuerung
- Spielwelt motiviert zur Erkundung
Kontra
- wenig variable Nebenquests
- hakelige deutsche Sprachausgabe
- Story und Charaktere eher flach
- Stetiger Druck zum Aufleveln
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Man kann die Spielzeit über Käufe nicht verkürzen, kein Pay-to-Shortcut.
- Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
- Käufe können minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.