Enshrouded - Test, Survival & Crafting, PC

Enshrouded
31.01.2024, Michael Sonntag

Test: Enshrouded

Das Erwachen von Carpe diem

Wenn Survival-Spiele ein Motto hätten, wäre es: "Carpe Diem", zu Deutsch: "Nutze den Tag". Ja, ich weiß, dieser Spruch hat mittlerweile nicht mehr Aussagekraft als das typische Ikea-Küchenbild, auf dem er steht. In Survival-Spielen haben diese beiden Worte allerdings nie ihre Macht verloren. Weil ihr ohne sie nicht wüsstet, was ihr tun sollt, wenn ihr morgens eure selbstgebaute Hütte verlasst. Das Motto treibt euch dazu an, heute etwas Wichtiges zu tun. Oder etwas Kreatives. Oder etwas Lehrhaftes. Oder etwas, um zu Überleben. Soll heißen: Ein Survivalspiel ist so nur so gut wie sein Carpe Diem. Zum Release von Minecraft wollte ich unbedingt den Marker aus Dead Space nachbauen. Es war zu der Zeit das architektonisch beeindruckendste Objekt für mich. In Valheim, 10 Jahre später, habe ich die meiste Zeit nur erkundet und lediglich eine kleine Hütte errichtet. Weil die Spielwelt mich nicht zu mehr inspiriert hat. Während andere den Millennium Falken zusammenzimmerten, ich weiß. Ihr merkt schon: Mein Carpe Diem ist über die Jahre sehr launisch und verwöhnt geworden. Ich möchte 4Players an dieser Stelle für zwei Sachen danken: Erstens, weil ich nicht Pal(e)world testen musste, dessen Motto am ehesten "Carpe Pale" ist. Und zweitens, dass ich Enshrouded testen durfte, bei dem ich ein Erwachen spürte. Yoda vermutlich auch.

Enshrouded: Episode 1 – Turbulent-traumhafte Ankunft

Das Carpe Diem ist stark in Enshrouded – in seiner Welt, in seinen Möglichkeiten, in unseren Taten.
Der Grund für die Verspätung meines Tests ist technischer Natur. Wäre der rettende Hotfix kurz vor Release nicht gekommen, würde hier vermutlich gar nichts stehen. Zumindest nichts Positives. Zum Glück läuft Enshrouded seitdem sehr rund und absturzfrei, auch wenn der Multiplayer laut mancher wütender Steam-Rezension immer noch zu wünschen übrig lässt. Doch das ist dem Early Access geschuldet, der uns das pubertäre Spiel mit Wohlwollen beim Heranwachsen beobachten lässt. Solange es dabei vorankommt und im Studio keine Wurzeln schlägt.

Überspringen wir die Geschichte von Enshrouded. Sie ist dermaßen im Hintergrund versteckt und auf Dialoge oder Dokumente mit bedeutungsschwangeren Fantasy-Begriffen reduziert, dass sie zu ignorieren ist. Die Ausgangslage erinnert dabei sehr stark an Dark Souls oder The Legend of Zelda: Breath of the Wild.

Von Link aus Breath of the Wild geliehen: Mit dem Gleiter können wir lange Strecken zurücklegen.
Eine mittelalterliche Menschheit hat vor lauter Gier mit einer neuartigen Energie herumgespielt und dabei eine Seuche mit Zombies heraufbeschworen. Als sie keinen Ausweg aus ihrer Lage fanden, flüchteten die Überlebenden in Tanks, um den Weltuntergang zu verschlafen. Eines schönen Tages erwacht unser selbsterstellter Charakter wieder und soll nun tun, wonach ihm oder ihr auch immer der Sinn steht.

Das Oberflächlichste zuerst und das von jemandem, der ungern mehr als zwei Worte über die Grafik eines Spiels verliert: Enshrouded sieht unglaublich gut aus, eigentlich zu gut dafür, dass es nur ein Sandkastenspiel sein möchte. Weder das blockige Minecraft noch das PS1-pixlige Valheim sind so sexy. Glatte und comichafte Fortnite-Optik trifft auf Detailreichtum und Atmosphäre.

Erschafft selbst Bauwerke oder baut zerstörte wieder auf. Embervale ist eine handgemachte Welt mit vielen inspirierenden Orten.
Was mich aber seit meinen ersten Spielminuten beeindruckt: Die Welt Embervale, in der Enshrouded spielt. Ihr Carpe Diem ist sehr stark. Hier findet ihr ausnahmsweise keine prozedurale Generierung wie in Valheim und Minecraft vor, sondern eine altmodisch gefertigte Landschaft mit einer eigenen Handschrift.

Ruinen, Städte, Berge, Katakomben, Wiesen, Seuchengebiete – ich könnte zehn verschiedene Routen zeichnen und jede davon wäre vollgestopft mit Attraktionen. Die Welt ist genauso beeindruckend, zu Bauwerken inspirierend wie gefährlich, sei es durch Monster oder durch die Seuchenterritorien, die meinen Aufenthalt zeitlich stark begrenzen. Embervale ist also der perfekte Ort, um eine Zivilisation wieder aufzubauen.

Episode 2: Ein-Mensch-Zivilisation

Kontern, Blocken, Ausweichen: Die Gegner tun ihr Bestes, um uns die Eroberung der Welt nicht zu leicht zu machen.
Ein paar Worte dazu, was Enshrouded mit seinen Genre-Vertretern gemeinsam hat: Ihr streift durch die Welt, baut alles ab und sammelt Ressourcen ein, um euch den Tec-Tree nach oben zu arbeiten, von der simplen Holzfäller-Axt bis zum komplexen Bergfried. Schnell ist die erste Holzhütte gebaut. Die Bau-Tools stellen sich dabei als intuitiv und praktisch heraus. Ein hübscher Nebeneffekt: Anstatt nur nebeneinander zu stehen, verwachsen die Blöcke richtig organisch miteinander. Und wenn bereits diese zweckmäßigen Konstruktionen hübsch aussehen, wie sieht es dann erst mit stolzen Monumenten aus?

Nun zu dem, was Enshrouded von seinen Genre-Vertreten unterscheidet: Jedes Mal, wenn ich die Hütte verlasse, vereine ich dutzende Rollen in mir und jede einzelne davon erlebt ihr ganz eigenes Abenteuer. Weil die Welt so unverschämt viele Möglichkeiten bietet und jeden Tag zehn neue Projekte eröffnet. Ich gebe euch ein paar Beispiele:

  • Landerschließer: Habe den Norden erreicht, hier errichte ich ein Basislager. Praktisch, weil es hier auch ein Salzbergwerk gibt.
  • Späher: Mittels Sprünge und Sprint dringe ich in die Umgebung vor, um die Schauplätze zu entdecken und auf der Karte zu markieren.
  • Krieger: Ich begebe mich tief in eine Seuchenschlucht, bekämpfe etliche Monster und fordere das Chefmonster heraus, um die hiesige Seuchenquelle zu eliminieren.
  • Architekt: Heute erhält das Hauptquartier ein zweites Stockwerk.
  • Restaurator: Nachdem ich die Ruinen einer Stadt gefunden habe, möchte ich das Haupthaus reparieren. Dieser Standort verdient das Prädikat Wohnlich.
  • Indiana Jones: Ich habe einen Turm betreten und bin zur Spitze gelangt, nachdem ich etliche Portal-, Kletter- und Stichfallen überwunden habe.
  • Head Hunter: In jeder Katakombe kann ich einen Überlebenden finden und rekrutieren, beispielsweise einen Schmied, eine Jägerin oder einen Schreiner. Dieser stellt mir dann seine Rezepte, Dienste und Quests zur Verfügung.
  • Darüber hinaus bin ich auch Lagerlogist, Historiker, Bauer, Innendesigner, Flaneur und nicht zu vergessen der Retter der Menschheit.

Gerade noch Kolumbus der Entdecker, dann plötzlich Indiana Jones: In den Türmen erwarten euch interessante Rätsel.
Enshrouded ist vollgestopft, mit Blaupausen, Orten, Monstern und erlernbaren Skills – ohne dabei überladen zu sein, weil alles gleichzeitig optional ist. Trotz dessen fühlt sich kein Bereich drangeklatscht an. Ein Allrounder: Das Bauen ist inspirierend, das Kämpfen fordernd und die Rätsel interessant. Und für alles gibt es guten Loot, der wiederum Material für neue Projekte und Schatzsuchen liefert.

Begeistert mich ein Bereich gerade mal nicht mehr, mache ich einfach etwas anderes. Hinzu kommt, dass der Schwierigkeitsgrad cozy-knackig daherkommt. Ja, vieles kann mich töten, aber schlimm ist das nicht, aufgrund des schnellen Wiedereinstiegs ohne große Verluste. Doch, hier kann man einige Zeit verbringen und man will es auch. Als hätte Skyrim statt einem kleinen Haus-DLC auch ein komplettes Sandkasten-Gameplay bekommen.

Episode 3: Die Zukunft?

Zerstört die Quelle der Seuche und verbannt sie aus eurem Reich – das heißt, sobald ihr die Endbosse besiegt habt.
Legen wir für einen Moment die rosarote Brille der Verzückung ab und tauschen sie gegen das graue Monokel des Realismus aus. Early Access bedeutet unfertig, aber bedeutet es auch lohnenswert? Enshrouded ist zurzeit bereits richtig gut, aber wird es, je fertiger es wird, auch fantastisch oder einfach nur größer? Wann hört das Spiel auf, mich mit neuen Möglichkeiten zu überraschen? Dass etwas fehlt, ist spürbar. Es sind keine Schwächen, sondern offene Fragen, die Entwickler Keen Games in der Zukunft beantworten sollte.

Zurzeit steht den Spielern noch nicht die gesamte gezeigte Spielwelt zur Verfügung. Diverse Biome fehlen. Gleichzeitig frage ich mich, ob auch genügend neue Abenteuer und Expeditionen nachgereicht werden, bevor sich die Abläufe zu wiederholen beginnen. Aktuell ist es so, dass jedes Gebiet gemessen an den Gegnern ein unterschiedliches Level erfordert, was das Erkunden einschränkt und sich etwas mit der “Mach was, du willst”-Vision beißt. Bleibt das so oder wird es eine abstellbare Option für Genießer geben? Wie viele Endgegner kommen noch dazu? Wird es irgendwann ein spürbares Mid- und Endgame geben? Das wird das Feedback der Fans und das Tun der Entwickler zeigen.

Aber zurzeit habe ich auch nach 20 Stunden noch keinen langweiligen Ort entdeckt und gleichzeitig liegen immer noch Orte in der Ferne, die ich unbedingt erkunden will. Auch nach 20 Stunden begeistern mich die Tage immer noch genauso wie die Nächte, ein atmosphärischer Schmaus für Ohren, Augen und Geist. Ich habe immer noch Bauideen und meine Gefährten haben immer noch neue Rezepte für mich auf Lager. Zusätzlich habe ich immer noch nicht alle gefunden. Mein persönliches großes Ziel ist es, eine komplette Stadt wieder aufzubauen und jedem Charakter ein eigenes Haus zu bauen. Mein Carpe Diem ist so stark wie an Tag 1, selbst wenn mich die Story immer noch nicht interessiert oder antreibt. Was ich mich nur frage: Was geschieht nach 30 oder 40 Stunden? Ich bleibe optimistisch, während Keen Games hoffentlich so talentiert bleibt.

Fazit

Ein neues Survival-Spiel, das Valheim und Minecraft herausfordert – und das aus Deutschland! Ich bin sehr angetan und das trotz meiner Übersättigung in diesem Genre. Was Enshrouded so besonders macht, ist sein Allroundertum. Die handgemachte Welt quillt nur so über vor Möglichkeiten, die ich vielseitig und für jeden Spielstil nutzen kann. Aktuell ist Enshrouded ein größeres und volleres Valheim mit mehr Baumöglichkeiten, doch was wird es in einem Jahr sein? Hoffentlich noch mehr.

Pro

  • hübsche Grafik mit vielen Details und atmosphärischen Facetten
  • gefährliche und spannende Welt: Jeder Ort fasziniert und tötet
  • Inspirierendes Bausystem, packende Kämpfe, interessante Rätsel
  • viele Möglichkeiten, um vielseitige Projekte umzusetzen
  • lohnt sich für Singleplayer als auch für Multiplayer

Kontra

  • Story kaum der Rede Wert
  • Quests kommen oft Fetch-Quest-artig daher
  • Levelbegrenzung nervt und schränkt Freiheit ein
  • Lässt Fragen offen: Wird das Spiel auch besser oder nur voller?

Wertung

PC

Enshrouded quillt nur so über vor Möglichkeiten, die sich für jeden Spielstil nutzen lassen und fordert damit mutig Genre-Konkurrenten wie Valheim heraus.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

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Mittel
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Kommentare
LeKwas

Ich nehm an, dass das eher so als Gag ohne wirkliche böse Absicht dahinter gemeint war, quasi als würd man irgendwo nen Sonichu Easteregg finden. Klar, hinterher ist es eher unangenehm, weil es nun das ganze Palaver rund um diese Person und seine "Fans" anlockt, mit der Gefahr, dass diese Haider die Foren und Subreddits zum Spiel kapern könnten.

Zuletzt bearbeitet vor 3 Monaten

vor 3 Monaten
grisu_de

Haben die Entwickler was mit diesen Drachenjagdlappen zu tun ?
Die Info ware durchaus Interessant.
Nein, aber das ist auch egal, denn die Entwickler haben das Easteregg mit dem neusten Patch entfernt, nachdem sich einige Anhänger des übergewichtigen Perversen bei ihnen wegen angeblichem "Mobbing" beschwert haben.
Dann scheinen die Entwickler ja nicht sonderlich hinter diesem "Easteregg" zu stehen, wenn einige beschwerden schon für eine Streichung ausreichen - find ich gut.
Ich würde mal vermuten, dass das Easteregg in Anbetracht der Größe der Spielwelt aus der Feder eines einzelnen Entwicklers oder eines kleinen Personenkreises stammt. So oder so würden die betreffende(n) Person(en) einen mächtigen Einlauf von mir bekommen, hätte ich da was zu sagen. Geht gar nicht.

vor 3 Monaten
kamm28

...
Aber vl seh das nur ich so, weil ich mit Palworld eigentlich echt Laune hab. Merkwürdig und iwo unseriös find ich es trotzdem das extra zu erwähnen, dass man Genrevertreter xy "Gott sei Dank" nicht testen muss. Hab ich in der Form auch bislang noch nicht gelesen. Warum so einseitig hier schreiben? Warum so direkt vergleichen?
...
Das sehe ich ganz anders. Solche Einschübe lassen mich den Geschmack des Testers besser einschätzen, und somit auch den Aussagewert einer Review. Jeder Spieler, der mit ein bisschen Herz bei der Sache ist, kennt Titel aus dem kompletten Bereich von großer Bewunderung bis hin zur tiefen Abneigung.
Gerade letzteres wird aber gerne ausgeblendet, weil man niemanden auf die Füße treten möchte und viele (jüngere?) Spieler schnell mal eingeschnappt reagieren.

Für mich ist das kein Zeichen von Seriösität, sondern ein duckmäuserisches Weglassen von wichtigen Informationen, und somit das Gegenteil von Seriösität.

vor 3 Monaten
SoldierShredder

Kann mir der Testschreiber seinen "Paleworld"-Seitenhieb näher begründen? Gehts hier darum, dass neben Pals und paar Dungeons Und Türme nicht alle 50m ein Punkt zum Erforschen gibt?

Weil ich find das eigentlich recht angenehm gelöst, dass es eben auf weite Strecken nicht dauernd irgendwo was zu suchen/finden/erforschen gibt. Die Suche nach Pals beschäftigt imo genug, auch wenn die Motivationskurve klarerweise nicht ewig steil gehen kann und dann wirds schlussendlich öde(r). Aber sehe darin kein Problem aktuell, zumal: Ist ja auch Early Access, dafür ist die eigens erstellte Spielwelt bereits vollständig vorhanden. Ich nehme an, dass sich das über Monate vermutlich mehr auffüllen wird....

Nach ca. 30 Stunden habe ich zudem noch nicht die ganze Welt erforscht, finde es jedoch ganz ok "befüllt". Finds daher etwas übertrieben formuliert. Aber vl seh das nur ich so, weil ich mit Palworld eigentlich echt Laune hab. Merkwürdig und iwo unseriös find ich es trotzdem das extra zu erwähnen, dass man Genrevertreter xy "Gott sei Dank" nicht testen muss. Hab ich in der Form auch bislang noch nicht gelesen. Warum so einseitig hier schreiben? Warum so direkt vergleichen? Enshrouded ist ja doch in vieler Hinsicht ein anderes Spiel imo.

Was ich auch schwierig finde: Dass der Test einen Umfang von 20 Stunden Spielzeit nur eingrenzt. Finde ich tatsächlich für eine aussagekräftige Bewertung eines solches Allround-Survival-Spiels mit größerer Gameplay-Loop zu wenig. Da ist die Faszination oft anfangs riesengroß, nur dass es plötzlich iwann brutal abebbt. Ich finde Enshrouded von Videos/Berichten auch hochspannend und hat wohl im Kerngameplay auch mehr als Palworld zu bieten, aber genau ab 30-40h wirds kritisch. Wenn da die Faszination tatsächlich weitergehen sollte, wäre es ein sehr beeindruckender Faktor.

vor 3 Monaten
Solon25

Habe ich gar nicht erst gesehen.

vor 3 Monaten