Last Epoch - Test, Rollenspiel, PC
Last Epoch: Kloppertouren mit Zeitreisen
Seit vier Jahren hat es sich Last Epoch im Early-Access bei Steam gemütlich gemacht und ist kontinuierlich gewachsen, nun haben sich die Entwickler endlich ein Herz gefasst und das Spiel offiziell veröffentlicht. Kann das Spiel mit dem Branchenriesen mithalten? Schon der erste Blick zeigt: In Sachen Präsentation schon einmal nicht. Denn gegen die grandios gut gerenderten Einstiegsfilme, die Blizzard seit Jahrzehnten liefert – auch bei Diablo – hat Last Epoch nichts entgegenzusetzen. Ganz im Gegenteil – die optische Einführung in die Story des Spiels wirkt so altbacken wie es nur geht.Die Welt von Eterra wird bedroht. Einer der alten Götter, der Sonnengott Rahyeh, will ganz Eterra unter seine Kontrolle bringen. Zudem schickt ein unsterblicher Kaiser Welle um Welle an untoten Horden durch die Gegend. Und dann ist da noch eine allesverschlingende Leere, tief im Inneren der Welt, die darauf lauert, alles und jeden zu vernichten. Viel zu tun also für angehende Helden, denn die Bedrohung ist nicht nur vielfältig, sie kann auch nur durch Kämpfe in verschiedenen Epochen besiegt werden. Also besuchen die Helden verschiedene Zeitalter Eterras und sehen dabei nicht nur eine sich stets leicht verändernde Karte, sondern auch viele Herausforderungen auf sich zukommen. Mehr als Schautafeln mit Texten aus dem Off und im Spiel einige mäßige Grafiken, die Story und Quests weitererzählen, hat Last Epoch dabei aber nicht zu bieten. Das ist eine der sprödesten Präsentationen in einem Action-Rollenspiel seit langer Zeit. Wer also wirklich eine spannende Geschichte erleben will, der wird von diesem Spiel wahrlich nicht abgeholt.
15 Freunde könnt ihr sein
Schon bei der Heldenauswahl wird nicht gekleckert, sondern geklotzt. Zu Beginn stehen zwar erst einmal nur fünf Klassen auf dem Menü, aber jede Klasse kann sich in eine von drei Spezialisierungen weiterentwickeln. So kann der Magier sich zu einem Runenmeister, einem Zauberer oder einer Zauberklinge mausern – und damit nicht nur neue Fähigkeiten erlenen, sondern auch gleich das ganze Design der Kämpfe ändern. Denn während der Zauberer einfach nur ein stärkerer Magier ist, balanciert der Runenmeister mit verschiedenen Elementarladungen, während die Zauberklinge in den Nahkampf geht, natürlich verstärkt von Feuer und Eis.Ähnlich sieht es für die anderen vier Klassen Schurkin, Akolythin, Wächter und Primalist aus. Jede Klasse erinnert natürlich an einen Diablo-Helden, aber die neue Spezialisierung ab Stufe 20 (Maximum ist momentan Level 100) ist deutlicher als die Umskill-Möglichkeiten beim Branchenprimus. Wie bei jeden Action-RPG üblich, gibt es etwas bessere und etwas schlechtere Builds, die werden sich aber wohl erst im Lauf der Zeit herausstellen – und in der Regel dann auch per Patch wieder nachgebessert oder abgeschwächt. Zu Beginn des regulären Starts wirken die Klassen insgesamt recht ausgewogen und was noch wichtiger ist – sie machen Spaß.
Freiheit bei den Fähigkeiten
Zum ersten Mal richtig punkten kann Last Epoch dann bei den Fähigkeiten, die alle Klassen sich erspielen. Denn im Lauf des Spiels lassen sich mehrere in freispielbare Slots legen – und die bekommen dann jeweils einen eigenen Skill-Tree. Der ist nicht so gigantisch wie bei Path of Exile, für das man eigentlich ein kleines Studium braucht, gibt aber deutlich mehr Möglichkeiten her, als das Diablo 4 momentan erlaubt. So lassen sich Fähigkeiten mit verschiedenen Schadenstypen ausstatten, Feuer kann beispielsweise mit Eis oder Blitzen kombiniert werden, die Chance auf kritische Treffer lässt sich erhöhen und vieles mehr.
Punkte dafür gibt es durch Nutzung der Fähigkeiten und gesammelte Erfahrung, das problemlose Zurücksetzen lädt zum Herumprobieren ein. Das macht nicht nur Laune, sondern zeigt auch bald, welche Skillung zur eigenen Spielweise am besten passt. Oder zur entsprechenden Situation. Denn sind die Gegner gegen Feuer weitgehend immun, empfiehlt sich dringend der Einsatz anderer Schadenstypen. Und sinkt die eigene Lebensenergie plötzlich deutlicher als zuvor, muss vielleicht mehr Schutz gegen eine bestimmte Art von Schaden her. Und da kommen auch die erbeuteten Gegenstände ins Spiel.
Und dann hau' ich mit dem Hämmerchen…
Der zweitwichtigste Punkt eines Action-RPG ist in aller Regel die Ausrüstung, denn kaum etwas ist für Fans wichtiger, als die letzten zwei Prozent aus dem Equipment zu kitzeln und die einzelnen Gegenstände optimal aufeinander abzustimmen. Auch Last Epoch liefert dafür jede Menge Loot, den Monster und Kisten abwerfen, nachdem sie das Zeitliche gesegnet haben. Es gibt sowohl die klassischen Qualitäten samt bekannter Farbgebung (weiß, grün, blau, lila, grün (ja, auch Sets!), gold), dennoch haben die Entwickler hier eine echte Alternative zu Diablo gefunden. Denn als Beute fallen auch Materialien, mit denen die Helden die Boni ihrer Gegenstände verbessern oder sogar verändern können. Und das geht immer und überall, weil alle Helden eine offenkundig magische Schmiede benutzen können, die immer zur Verfügung steht.Sinnvoll ist das zu Beginn der Heldenkarriere natürlich nicht, denn die Gegenstände werden dazu noch zu schnell durch bessere Beute ausgetauscht. Sobald aber die Kämpfe knapper werden oder sogar der erste Tod einem Spieler deutlich macht, dass mit der bisherigen Spielweise und der Ausrüstung die Sache nicht mehr rund läuft, sollte es losgehen. Denn die Schmiede kann Gegenstände mit Präfixen und Affixen versehen. Sind bereits sinnvolle Werte auf einem Item, lassen die sich verstärken, vorausgesetzt, man hat entsprechendes Material erbeutet. Der Schaden durch Gift ist zu hoch? Dann einfach den Widerstand gegen Gift erhöhen! Der Feuerschaden haut beim Gegner besonders gut rein? Dann lohnt sich vielleicht die nochmalige Verstärkung.
Das ist jedoch nicht ganz so einfach, wie es klingt. Denn wie gut ein Gegenstand sich bearbeiten lässt, das hängt von seinem Schmiedepotenzial ab. Je höher dieser Wert ausfällt, desto häufiger lässt sich der Gegenstand schmieden. Denn jeder Versuch zieht möglicherweise Potenzial ab und so ist irgendwann jede Möglichkeit verbraucht, noch etwas zu ändern. Das lässt sich zwar durch Runen, die ebenfalls Teil der Beute sind, manchmal hinauszögern, aber im Prinzip gilt: Je höher das Schmiedepotenzial, desto besser ist der Gegenstand – oder kann es werden. Für erfahrene Helden lohnt es sich also in jedem Fall, sich beispielsweise besonders widerstandsfähige Rüstung zu schmieden, denn die Truhe zum Aufbewahren eigener Ausrüstung lässt sich üppig erweitern.
Das eigentliche Ziel: Endgame!
Hat der Held schließlich Eterra vor dem Bösen gerettet, fängt das eigentliche Spiel erst an: das Endgame. Und das ist in mehrere Bereiche aufgeteilt. Es beginnt mit den so genannten Echos: Das sind Bereiche, die hochstufige Charaktere über Portale am Ende der Zeit erreichen können. Dort gibt es nicht nur vorher einsehbare Belohnungen für die Aufgaben, die einzelnen Echos schalten auch weitere Gebiete frei, in denen sich Magier, Wächter und Co. dann tummeln können. Echos gehören zu Monolithen, deren komplette Aufgabenerledigung dann höhere Schwierigkeitsgrade freischalten, sodass starke Helden an noch bessere Beute gelangen. Erfahrene Action-RPG-Spieler kennen das Prinzip und dürften eine recht genaue Vorstellung davon haben, was sie erwartet.Ein weiterer Teil des Endgames sind die drei Dungeons, für die sich die Helden zuerst einen Schlüssel erspielen müssen, der mit gewissen Wahrscheinlichkeiten in Echos als Loot fällt. Alle drei haben eine Besonderheit im Gameplay, so ist etwa das lichtlose Gehölz tatsächlich sehr dunkel und nur eine Flamme erhellt das Umfeld. Und jeder der drei Dungeons wartet auch mit anderen Belohnungen auf siegreiche Recken. Mal können sich Helden aus zwei Items ein neues und weit besseres zusammenschmieden (was allerdings reichlich Wissen um mögliche Werte voraussetzt), mal wartet ein Lotteriehändler mit potenziell mächtigen Gegenständen und dann gibt es noch eine üppige Schatzkammer, die man mit eigenem Gold noch besser füllen kann, weil sich Truhen vor dem Öffnen dazukaufen lassen.
Und sonst?
Und sonst bietet Last Epoch eine Menge cooler Ideen. So gibt es einen Loot-Filter, der unnütze oder unerwünschte Gegenstände gar nicht erst anzeigt. Das spart Stauraum und Zeit, weil man nicht in Versuchung geführt wird, sich die Beute anzusehen. Apropos Stauraum: Hier lassen sich nicht nur jede Menge Fächer dazukaufen, sondern sogar benennen, damit man Gegenstände gleich richtig wegsortieren kann. Das klingt unspektakulär, spart aber doch einiges an Zeit, weil man nicht jedes Mal alles durchsuchen muss, sondern sofort den Ring oder die Axt findet, die man sucht. Außerdem verfügt das Spiel über einen Offline-Modus. Wer ohnehin nur für sich selbst spielen will, keine Lust auf Kämpfen in der Gruppe hat und an Ranglisten und Handel kein Interesse hat – und das sind erfahrungsgemäß eine Menge Spieler – kann offline spielen, ist nicht auf Server angewiesen und hat in der Regel stets ein stabil laufendes Spiel vor Augen. Allerdings lässt sich der Offline-Held später nicht mehr ins Online-Spiel überführen.Grafisch ist das Spiel deutlich besser, als es die Präsentation der Story vermuten lässt. Zwar ist Last Epoch nicht auffällig schöner als andere Action-RPGs der vergangenen Jahre, aber eben auch nicht unansehnlicher. Vor allem atmosphärisch hat die Optik einiges zu bieten und auch die Veränderungen der gleichen Stelle auf der Karte je nach unterschiedlichem Zeitalter sind wirklich gelungen. Für die Zukunft sind zudem viele Erweiterungen angekündigt, die das Heldenleben in Eterra nicht langweilig werden lassen: Seasons, neue Dungeons und vieles mehr soll die Welt lebendig und für die Spieler interessant halten.
Fazit
Kann sich Last Epoch mit dem großen Diablo 4 messen? Absolut! Zwar hat es in einigen Bereichen echte Schwächen wie bei der Story und der Präsentation derselben, dafür aber auch jede Menge praktische Dinge wie benennbare Gepäckfächer oder einfaches Umschmieden von Ausrüstung, die im Detail aus dem Monsterplätten mehr Spaß herauszaubern als mancher Konkurrent. Das fängt bei der üppigen Auswahl an Helden an, die das Spiel bietet und geht bei den Skill-Trees für einzelne Fähigkeiten weiter. Hier waren zweifelsfrei Entwickler am Werk, die selbst schon ein wenig Zeit in Hack'n'Slay-Games gesteckt haben und wissen, worauf es ankommt. Zwar bleibt es letztlich Geschmackssache, welche Art Spiel dem geneigten Action-RPG-Fan nun mehr zusagt, da sich die Qualität der einzelnen Spiele nicht wirklich brachial voneinander unterscheiden, aber Last Epoch kann für sich in Beschlag nehmen, hier eine sehr ordentliche Alternative zum immer wieder aus dem Tritt geratenen Diablo 4 und dem extrem komplexen Path of Exile darzustellen.
Pro
- Gutes, durchdachtes Craftingsystem
- Große Auswahl an spielbaren Heldenklassen
- Eine ordentliche Menge Endgame-Content, der sich auch variabel zeigt
- Komplett offline spielbar
- Gut durchdachte Funktionen, die das Heldenleben leichter machen
Kontra
- Mäßige Story, lieblos erzählt
- Verwirrend viele Werte, die Spieler trotz Lexikon erst einmal verstehen müssen
- Lange Spieldauer bis zum Endgame
Echtgeldtransaktionen
Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?
- Es gibt Käufe nur für optionale Kosmetik wie Farben, Skins, Kostüme etc.
- Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.