Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes - Test, Rollenspiel, PC, Switch, PlayStation4, XboxSeriesX, PlayStation5, XboxOne

Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes
21.04.2024, Gerrit Menk

Test: Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes

Retro-Action mit Unterbrechungen

Wenn die Macher von Suikoden ihrer Liebe zu den klassischen JRPGs der 90er freien Lauf lassen, den pixeligen Retro-Look mit 3D-Grafik und Tiefenperspektive kombinieren, eine weitläufige Geschichte politischer Intrigen um drei Protagonisten stricken und auch noch Gameplay von strategischen Schlachten und Basenbau einfließen lassen – dann spitzen Genre-Fans sicherlich schon einmal die Ohren. Wenn ihr dann auch noch bis zu 100 unterschiedliche Charaktere rekrutieren und mit ihren Fähigkeiten rundenbasierte Kämpfe bestreitet, wird langsam klar: Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes ist von der Größe her ein ganz schönes Brett. Aber ist mehr auch immer gleich besser? Das haben wir mal in unserem Spieletest aufgedröselt.

Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes - Weniger ist nicht immer mehr

Bis zu einhundert Gefährten mit unterschiedlichen Kenntnissen und Kampfstilen könnt ihr im Laufe der Story treffen.
Nomen est Omen: Tatsächlich schließen sich im Verlauf eures Abenteuers 100 (in Worten: einhundert) Charaktere eurer Mission an und machen das Line-up an spielbaren Helden von Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes zu einem der größten der Videospielwelt (mindestens aber im RPG-Genre). Elementarzauberer, Distanzschussspezialisten, Kräutersammler, Einpeitscher oder Schildmaiden – für jeden kann Platz in eurem Team sein, das ihr in den Kampf schickt und mit dem ihr auf ein Abenteuer rund um die Suche nach einem antiken Artefakt und dem Schutz eines kleinen Reiches im Angesicht des drohenden Krieges zieht.

Im Zentrum steht dabei der junge Nowa, dessen raschen Aufstieg in der „Wache“ ihr begleitet – eine Art Mischung aus Bürgermiliz und Abenteurergruppe. Schon früh im Spiel trefft ihr auf den ehrgeizigen Seign, Lieutenant der Armee des Nachbarreiches, sowie Marisa, Angehörige eines Clans, der die Wälder beschützt. Auch wenn sich deren Wege schnell wieder trennen, sollen sie später im Spiel wieder einen wichtigen Part in der Story und im Werdegang von Nowa einnehmen.

In Gasthäusern könnt ihr eure Gruppe neu formieren und ihren Fähigkeiten entsprechend anordnen.
Kernelement des Spiels ist das Rekrutieren von neuen Gefährten, zunächst rein für den Kampf und spezielle Missionen, später auch für den Ausbau einer verfallenen Burg. Eine solche Ruine soll nämlich nach einer großen Schlacht wieder hergerichtet und zu einem florierenden Zufluchtsort für Betroffene des Krieges werden. Um sie in bestimmten Bereichen aufzuwerten, braucht es entsprechend ausgebildete Verbündete, die ihr in der ganzen Welt aufspüren könnt. Bei manchen von ihnen müsst ihr nur ein wenig Überzeugungsarbeit leisten, für andere sollt ihr erst einen bestimmten Gegenstand finden, sie im Zweikampf besiegen – oder sie mit teuer Geld bezahlen.

Die Kämpfe mit Monstern finden durch zufällige Begegnungen auf der Oberwelt oder in den Dungeons statt. Euch erwartet ein klassischer rundenbasierter Kampf mit Möglichkeiten zum Angriff, Abwehr, Nutzen von Gegenständen oder Spezial-Fähigkeiten. Die Charaktere sind dabei in zwei Reihen eingeteilt: Vorhut und Schutz. Zu Beginn des Spiels ist noch keine große taktische Finesse gefragt; das Pacing des Spiels gibt euch genügend Zeit, euch in das Kampfsystem einzugewöhnen, auch wenn einem bei sechs steuerbaren Charakteren und bis zu ebenso vielen Gegnern im Kampfgetümmel schnell mal etwas blümerant werden kann.

Kampfgetümmel im Autopilot

Am oberen Bildschirmrand könnt ihr einsehen, in welcher Reihenfolge die Aktionen erfolgen.
Dann jedoch könnt ihr immer noch in den Automatik-Modus schalten und eure Kampfparty eigenständig agieren lassen. Dafür habt ihr die Möglichkeit, grundlegende Einstellungen für die ganze Gruppe oder einzelne Mitglieder festzulegen, sodass sie sich beispielsweise auf Angriff ohne den Verbrauch von Magiepunkten konzentrieren oder Teammitglieder heilen, sobald deren Lebenspunkte eine bestimmte Grenze unterschritten haben. Achtet auf jeden Fall darauf, dass ihr die Kämpfer entsprechend ihrer Fähigkeiten anordnet: Nahkämpfer mit kurzer Reichweite sollten beispielsweise immer in der Vorhut-Reihe stehen, da sie den Gegner mit herkömmlichen Angriffen sonst nicht erreichen können. 

Nintendo Switch geht in die Knie

Diesen... Bildschirm... werdet ihr... im Laufe... des Spiels... häufig... sehen...
Die Performance auf der Nintendo Switch ist vielleicht einer der größten Kritikpunkte, auch wenn die Schwächen sich auf anderen Konsolen wahrscheinlich nicht derart äußern werden und daher für eine faire Beurteilung nicht entscheidend in die Bewertung des Spiels als Ganzen einfließen sollten. Erwähnt werden muss allerdings trotzdem, dass das Spiel (welches aufgrund seiner Größe von über 28 Gigabyte bei den meisten wahrscheinlich auf den Speicher einer SD-Karte wandern wird) nicht einmal in 30 FPS läuft. Im Handheld-Modus der Switch sind die Probleme nicht so offensichtlich und in den rundenbasierten Kämpfen ohnehin obsolet – wenn ihr euch allerdings in den Städten fortbewegt, läuft das Bild nicht flüssig. Dazu kommen mehrsekündige Ladebildschirme, wann immer ein Kampf startet oder ihr ein Gebäude betretet. Das ist wahrlich nicht zeitgemäß.

Nun ist es kein Geheimnis, dass Nintendos Konsole nicht die leistungsstärkste Hardware ist. Switch-Portierungen von großen Titeln müssen (im Vergleich zu den Current Gen-Konsolen von Sony und Microsoft) oft Einbußen hinsichtlich der Qualität von Grafik und Performance hinnehmen, zuletzt unter anderem geschehen mit Hogwarts Legacy oder Mortal Kombat 1. Wer aber ein Spiel – ein 2D-HD-Pixel-JRPG – auf allen Plattformen veröffentlichen möchte, muss auch sichergehen, dass es überall einigermaßen flüssig läuft. Square Enix hat sich beispielsweise dafür entschieden, das kommende Visions of Mana nicht auf der Switch herauszubringen, weil dessen technische Möglichkeiten nicht den Anforderungen des Spiels gerecht würden.

Die Effekte von Licht und Wasser sind durchaus beeindruckend für ein Spiel dieser Grafik. Leider kommt es nicht allzu häufig zum Einsatz.
Das ist schade, weil das Spiel optisch durchaus charmant ist und nicht nur Freunden von Rollenspielen wie Secret of Mana oder Chrono Trigger gefallen dürfte. Die liebevoll gestalteten Charaktere bewegen sich als pixelige 2D-Sprites durch die Welt, die jedoch auch in der dritten Dimension erkundbar ist. Mit Tiefenunschärfe sowie schicken Licht- und Wassereffekten entsteht dabei ein erfrischender Grafik-Hybrid à la Octopath Traveler oder Live A Live. Nur die Oberwelt, die ihr auf dem Weg zwischen Orten oder Dungeons bereist, wirkt etwas leb- und lieblos. Hier hätten sich die Entwickler auch für eine Retro-Optik in Vogelperspektive entscheiden können.

Das Spiel lebt, wie es im JRPG-Genre üblich ist, von vielen Dialogen. Und da ihr bis zu hundert Charaktere rekrutieren könnt, dürft ihr natürlich entsprechend viele Gespräche erwarten. Störend fand ich, in welchem Takt Dungeonerkundungen von Cutscenes unterbrochen werden, immer eingeleitet durch eine kurze Schwarzblende, während das gleiche Gespräch auch „im Vorbeigehen“ geführt werden könnte. Es gibt Phasen im Spiel, in denen ihr zwanzig Minuten lang Gespräche führt, in einer Stadt von A nach B lauft, und dann weitere Gespräche führt, unterbrochen von NPC-Dialogen.

Reden ist anstrengender als kämpfen

Wie auch in dieser Cutscene wird im Spiel generell viel geredet - was nicht immer der Story zuträglich ist.
Ein Beispiel, wie so etwas abläuft: Ihr betretet ein Haus – fünfsekündiger Ladebildschirm, geht auf einen NPC zu – Schwarzblende, während der sich eure Kampfparty hinter euch aufreiht, Dialog, teilweise unterbrochen durch aufploppende Schweißperlen oder Fragezeichen über einem Gesprächsteilnehmer, weil es ja scheinbar nicht genug ist, dass Nervosität oder Verwirrung auch verbalisiert wird und im Gesicht des Charakters – der neben der Dialogbox zu sehen ist – gezeigt wird. Das Ganze zieht ein Gespräch oder gar eine ganze Reihe davon unnötig in die Länge und unterbricht an mehreren Stellen im Spiel die Dynamik. Man kann Gespräche zwar automatisch ablaufen lassen, aber der Dialog wechselt sehr langsam. Ach ja, und Cutscenes können natürlich nicht übersprungen werden.

Es stellt sich also ein durchaus ironisches Paradoxon auf: Ihr könnt Kämpfe, ja selbst Bossfights von alleine ablaufen lassen und dabei theoretisch gemütlich auf's Klo gehen oder Kaffee kochen, Dialoge jedoch erfordern ständige Aktivität.

Taktische Einflüsse vor unschöner Kulisse

Das taktische Schlachten-"Minispiel" bietet etwas Abwechslung zum sonstigen Spielgeschehen, wird aber lausig inszeniert.
Einen strategischen Einschlag bekommt das Spiel in den Schlachtsequenzen, die an ein paar Stellen in die Story integriert werden. Hier müsst ihr ein Heer, aufgeteilt in verschiedene Kompanien, zum Sieg über den Feind führen. Eure rekrutierten Gefährten sind dabei mittendrin und verstärken die Kompanien mit bestimmten Fähigkeiten, und auch die Anführer verfügen über unterschiedliche Boni. Auf dem in quadratische Felder angeordneten Kampfplatz schiebt ihr eure Kompanien unter Berücksichtigung ihrer Stärke taktisch klug umher und versucht, langfristig die Oberhand zu gewinnen.

Das ist als Abwechslung zum sonstigen Gameplay ein unterhaltsames Spielelement, wird visuell aber sehr armselig umgesetzt. In wieder einmal viel zu langen Cutscenes prügeln die pixeligen Heerscharen vor trauriger 3D-Kulisse aufeinander ein, während in der rechten unteren Ecke Statusmeldungen über den Bildschirm laufen, die meist das heldenhafte Ableben unbekannter Soldaten kommentieren und mehr an den Chat in einem MMO erinnern.

Einen besseren Eindruck macht das Spiel in puncto Soundtrack – eingängige und atmosphärische Melodien müssen sich hinter Genre-Klassikern wie Secret of Mana oder Lufia nicht verstecken. Auch die Sprachausgabe – bei der ihr mit englischer oder japanischer Vertonung Vorlieb nehmen müsst – kann sich hören lassen. Es wird auf viel Humor gesetzt, der zum Glück nicht allzu albern oder peinlich ist und ein paar Running Gags clever einbaut. Auch die Charakter-Artworks sind liebevoll designt und abwechslungsreich; neben menschlichen Mitstreitern könnt ihr außerdem das Baumwesen Kallathor, den Wolfsmenschen Garr, oder Yuferius vom Volk der haifischartigen Shi’arc für euer Team rekrutieren.

Abwechslungsreicher Cast und akustisch angenehme Kost

In der Stadt Dabavin trefft ihr erstmal auf das Landhai-Volk Shi'arc. Aber auch andere Beastyn - halb Mensch, halb Tier - wie Känguruh- oder Drachen-Hybride werden euch begegnen.
Die Motivation, eure Kampfparty regelmäßig und kräftig durchzumischen, wird dabei konsequent hoch gehalten. Nehmt ihr Charaktere niedrigeren Levels mit in ein neues Gebiet, steigen deren Erfahrungspunkte schneller an, sodass sie schon nach relativ kurzer Zeit etwa euer Niveau erreichen. Das sorgt dafür, dass ihr neue Mitstreiter schnell integriert, öfter mal in der Zusammensetzung verschiedener Fähigkeiten experimentieren wollt, aber trotzdem eure Lieblingscharaktere haben werdet, die ihr regelmäßig in eure Reisegruppe mitnehmt. Zusätzlich könnt ihr für eine Individualisierung in der Kampftaktik sorgen, indem ihr die Charaktere mit Runenlinsen ausstattet, dank derer sie unter anderem elementar- oder weißmagische Kräfte sowie Spezialattacken erlernen können.

Fazit

Auch wenn sich besonders Liebhaber von JRPGs und Retro-Fans von Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes angesprochen fühlen dürften, möchte das Spiel gemäß des Entwicklerstudios Rabbit & Bear mehr sein als nur eine Hommage an die Spiele aus der Goldenen Ära dieses Genres. Die Leidenschaft für Selbige ist jedoch von Anfang an zu spüren und verschafft einen schnellen Einstieg in Story und Gameplay. Es triggert den Sammelfreund in mir, die Städte nach potenziellen Gefährten abzusuchen und mit ihrer Hilfe seine Burg auszubauen; Dungeons sind nie so lang, dass es repetitiv wirkt und die Hauptcharaktere haben keine derart nervigen Wesenszüge, dass sie negativ auffallen (was in dem Genre auch nicht selbstverständlich ist). Dass sich in manchen Phasen des Spiels gefühlt nur Cutscenes und Ladebildschirme abwechseln, stört jedoch das Spielgefühl und vermittelt den Eindruck der Zeitverschwendung. Sehr oft habe ich gedacht: Warum musste ich hierfür jetzt anhalten, die Szene wechseln und einen Dialog führen? Das hätte man auch einfach als Untertitel einblenden und einen Charakter sagen lassen können. Auch die strategischen Schlachten sind nur oberflächlich interessant und verkommen aufgrund ihrer Inszenierung eher zum Nebengeplänkel. Für ein Retro-JRPG, das gerne über die gesamte Spieldauer im 2D-HD-Grafikstil hätte bleiben könnten, ist Eiyuden Chronicle: Hundred Heroes ein spannendes Projekt; alles was darüber hinausgeht wirkt ein wenig unausgegoren.

 

Pro

  • schicke Optik im 2D-HD-Stil
  • bis zu 100 Mitstreiter sorgen für ordentlich Abwechslung
  • faires und motivierendes Level-System
  • Gameplay-Abwechslung durch Strategie und Basenbau
  • Soundtrack mit Ohrwurm-Potenzial

Kontra

  • Nervig häufige Ladebildschirme
  • Cutscenes stören die Dynamik
  • Oberwelt und Taktikschlachten grafisch unausgereift
  • Schwache Performance auf der NIntendo Switch

Wertung

Switch

Liebevolle Charaktere, schicke 2D-HD-Grafik und eingängiger Soundtrack - es hätte so schön werden können, wenn Performance-Schwächen und akkumulierte Unterbrechungen das Erlebnis nicht merklich trüben würden.

Echtgeldtransaktionen

Wie negativ wirken sich zusätzliche Käufe auf das Spielerlebnis, die Mechanik oder die Wertung aus?

Gar Nicht
Leicht
Mittel
Stark
Extrem
  • Man kann sich keine Vorteile im Wettbewerb oder der Karriere verschaffen, kein Pay-to-win.
  • Season Pass, dessen Inhalte keine bzw. nur minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.
  • Käufe können minimale Auswirkungen auf das Spieldesign haben.