Evil Twin - Cyprien`s Chronicles - Test, Plattformer, PlayStation2

Evil Twin - Cyprien`s Chronicles
17.01.2002, Jens Bischoff

Test: Evil Twin - Cyprien`s Chronicles

Der Waisenknabe Cyprien lässt in Evil Twin nun auch auf der PS2 Alpträume wahr werden. Sein Abenteuer führt den elternlosen Jungen dabei durch surreal anmutende Jump`n`Run-Welten, die durch eine geheimnisvolle Macht aus dem Gleichgewicht geraten sind. Ob sich auf seinem Weg durch sein Unterbewusstsein nur die Story alptraumhaft präsentiert oder ob auch das Gameplay traumatische Erlebnisse aufkommen lässt, klärt unser psychologisches Test-Gutachten...

Als der mürrische Cyprien von seinen Freunden im Waisenhaus ausgerechnet an seinem Geburtstag, dem Tag, an dem seine Eltern starben, mit einer Überraschungsparty überrumpelt wird, reißt ihm der Kragen. Genervt zieht er sich in sein Zimmer zurück und verflucht seine Kameraden - nicht ahnend, dass dieser Fluch schaurige Realität werden sollte.

Vergangenheitsbewältigung

Denn schon kurz darauf, verschwinden er und seine Freunde in Cypriens erdachter Alptraumwelt, die zuvor auch seinen Teddybär Lenny verschlungen hatte. Wäre das nicht schon tragisch genug, erscheint auch noch der skurrile Elefantenverschnitt Wilbur, der Cyprien von Lennys Gefangennahme, dem ungewissen Verbleib seiner Freunde und einem dunklen Meister erzählt, welcher das eben betretene Reich Undabed ins Verderben getrieben habe.

Klar, dass Cyprien den Retter in der Not spielen, Lenny befreien, seine Freunde retten und Undabed wieder ins Gleichgewicht bringen soll. Nur mit einer Steinschleuder ausgerüstet rechnet sich unser unfreiwilliger Held allerdings keine allzu großen Chancen auf Erfolg aus. Dieses anfängliche Skepsis verfliegt jedoch, als Cyprien feststellt, dass er sich in den acht abwechslungsreichen Welten Undabeds nicht nur in sein Alter Ego Super Cyp verwandeln kann, sondern in dessen Gestalt auch über übernatürliche Kräfte verfügt.

Zwar kann auch Cyprien hüpfen, laufen, klettern sowie Wurfgeschosse schleudern und Sprungattacken ausführen, aber Super Cyp rennt einfach schneller, hüpft höher und lässt`s bei Kämpfen mit Feuerbällen und Blitzattacken erst so richtig krachen. Um Cypriens dunkle Seite zu aktivieren, müsst Ihr allerdings zuerst die dazu nötige Energie besitzen, welche in Form von Super-Cyp-Köpfen unterwegs aufgesammelt werden kann.

Gespaltene Persönlichkeit

Einmal verwandelt, nimmt diese Energie allerdings stetig ab. Auch bei Feindkontakt schwindet der Energievorrat. Sterben könnt Ihr als Super-Cyp, abgesehen von tödlichen Stürzen, aber nicht - ist die Energie aufgebraucht, verwandelt Ihr Euch lediglich in Cyprien zurück. Doch keine Angst, wenn ein Weiterkommen in einem der insgesamt 76 Spielabschnitte nur als Super-Cyp möglich ist, schlummert bestimmt auch eine Energiekapsel in der Nähe.

Zudem entstehen die Kapseln, wie leider auch die meisten Gegner, immer wieder. Ansonsten könnt Ihr auch Pflaster aufsammeln, um Cypriens Wunden zu verarzten, Teddyköpfe, um Extraleben zu erhalten und Kameras, um Euren Spielstand zu sichern. Dies könnt Ihr jedoch nur bei Wilbur tun, der meist an entsprechenden Orten bereits Stellung bezogen hat. Doch auch sonst taucht das schaukelnde Rüsselvieh immer wieder auf, um Euch mit gut gemeinten Ratschlägen zu versorgen. Wenn Ihr trotzdem Mal nicht weiter wisst, schlagt Ihr einfach in Cypriens Tagebuch nach oder teleportiert Euch in einen bereits zuvor besuchten Spielabschnitt zurück, wo vielleicht noch jemand Vergessenes auf Euch wartet.

Tipps, wie man mit der hakeligen und übersensiblen Steuerung samt Nachrutsch-Effekt zurecht kommen soll, findet Ihr allerdings nirgends - am wenigsten im einleitenden Gameplay-Tutorial, das Euch mit abstrusen Formulierungen eher verwirrt als erleuchtet. Und wäre dies nicht schon Handicap genug, machen Euch auch noch eine schwächelnde Kollisionsabfrage und die zickige Kameraführung das Jump`n`Run-Leben unnötig schwer. Meistens könnt Ihr die Kamera zwar manuell nachjustieren, aber abrupte Perspektivenwechsel, ungünstige Fix-Einstellungen und sichtversperrende Objekte bringen selbst geduldige Spieler zur Weißglut.

Traumatische Erlebnisse

So geraten viele Sprungpassagen über tödliche Abgründe zum Frustmarathon aller erster Güte - vor allem wenn Ihr als Super-Cyp unterwegs seid, denn der rennt und hüpft sogar noch unkontrollierter durch die Gegend. Zwar gibt es aktivierbare Rücksetzpunkte und Ihr dürft jederzeit in die Ego-Perspektive (nur als Cyprien) wechseln, die nicht nur gezielte Schleuderschüsse erlaubt, sondern auch als zoombare Orientierungshilfe dient, aber ans Sterben solltet Ihr Euch trotzdem gewöhnen. Dass sich Cyprien des Öfteren sogar in der Levelarchitektur verhedderte und nur mit einem Reset wieder befreien ließ, setzte zumindest in unserer Review-Fassung dem Ganzen noch die Krone auf.

Durchhaltevermögen wird jedoch nicht nur mit einem äußerst bizarrem Charakter- und Level-Design, sondern auch mit nützlichen Extras wie lichtspendenden Glühwürmchen oder Spezialmunition für die Zwille belohnt. Zudem hält die skurrile Story einige Überraschungen parat - auch wenn die in Spielgrafik präsentierten Zwischensequenzen (insgesamt über anderthalb Stunden) teils sehr langatmig ausfallen. Weniger erfreulich sind dagegen die etwas verwaschenen Texturen, das ruckelanfällige Scrolling und die eher mageren Animationen.

Frustbewältigung

Musikalisch werdet Ihr von In Utero jedoch bestens bei Laune gehalten. Der düstere, atmosphärische Soundtrack könnte teilweise fast aus frühen John-Carpenter-Filmen stammen und die multilinguale Sprachausgabe gibt sich auch kaum Blößen. Zwar kommt die deutsche Synchro nicht ganz an das französische Original heran, die englische Fassung schlägt man aber mit links. Zudem ist selbst die deutsche Fassung lippensynchron, wenn auch teilweise leider etwas verrauscht.

Pro:

  • skurrile Story


  • gelungene Sprachausgabe


  • atmosphärische Soundkulisse


  • abwechslungsreiche Locations


  • halbautomatische Zielfunktion


  • interessante Power-Ups & Extras


  • originelles Verwandlungs-Feature


  • bizarres Charakter- und Level-Design


  • Kontra:

  • wenig Innovatives


  • ruckliges Scrolling


  • hakelige Steuerung


  • magere Animationen


  • wiederentstehende Gegner


  • merkwürdige Kollisionsabfrage


  • langatmige Zwischensequenzen


  • ungünstige Kameraperspektiven


  • Vergleichbar mit:

    Jak & Daxter, Rayman Revolution, Fur Fighters, Portal Runner

    Fazit

    Trotz skurriler Story sowie bizarrem Charakter- und Level-Design entpuppt sich Evil Twin als äußerst gewöhnliches Jump`n`Run-Vergnügen, das kaum Innovationen vorzuweisen hat. Für Genre-Neulinge und Traditionsbewusste mag dies zwar nicht unbedingt von Nachteil sein, aber spätestens beim hakeligen Gameplay und der unübersichtlichen Darstellung wenden sich Ungeübte und Gelegenheitshüpfer frustriert ab. Doch selbst für Hardcore-Zocker gibt es passendere Gelegenheiten Ihr Können unter Beweis zu stellen. Denn statt Joypad-Akrobatik wird bei Evil Twin einfach nur die Geduld des Spielers auf die Probe gestellt und das nicht mit anspruchsvollen Reaktions- und Geschicklichkeitstests, sondern mit groben Design-Fehlern, die den Schwierigkeitsgrad teils künstlich ins Uferlose schnellen lassen. Schade um die vielen phantasievollen Locations und die eindrucksvolle Soundkulisse, aber Evil Twin ist wirklich nur was für frustgestählte Jump`n`Run-Experten, denen die hochkarätige Konkurrenz zu einfach oder zu niedlich ist. Zählt Ihr Euch zu dieser Kategorie dürft Ihr der Motivations-Wertung gut und gerne zehn Prozent hinzufügen, wenn nicht, zieht lieber nochmals zehn Prozent ab.

    Wertung

    PlayStation2