Merregnon 2 - Special, Sonstiges, PC, Allgemein

Merregnon 2
31.05.2003, Paul Kautz

Special: Merregnon 2

Eine CD, die eine Geschichte erzählt: nicht mit gelesenen Worten wie ein Hörbuch, sondern allein durch Musik. Mit Klängen, die Bilder im Kopf des Hörers entstehen lassen, während er durch eine sagenumwobene Fantasy-Welt getragen wird - das ist Merregnon. Die zweite CD erscheint weltweit im August, bis dahin erfahrt Ihr alles über das Projekt in unserem mehrteiligen Special, das mit dem heutigen fünften Teil fortgesetzt wird.

Die im Jahre 2000 erschienene orchestrale CD Merregnon hat etwas Einzigartiges geschafft: viele verschiedene Musiker aus der Spiele- und Demoszene unter eine Haube zu bekommen, und sie alle musikalisch eine Geschichte erzählen zu lassen, die man parallel auch im reichhaltig illustrierten Booklet nachlesen konnte. Namen wie Chris Hülsbeck, Fabian Del Priore, Allister Brimble und Yuzo Koshiro sind an diesem Projekt beteiligt, was Merregnon nicht nur für Computerspieler zu einem Leckerbissen macht.

Im August dieses Jahres erscheint nun der zweite Teil des als Trilogie geplanten Soundtracks, der das Konzept des Vorgängers um einige wichtige Neuerungen erweitert: alles wird größer, schöner und besser. So werden die Stücke jetzt beispielsweise nicht mehr per Synthesizer und Keyboard, sondern von einem echten Orchester eingespielt und von echten Chören begleitet.Dabei handelt es sich um das Prager Symphonieorchester, dessen Künstler schon Spielen wie <4PCODE cmd=DGFLink;name=Splinter Cell;id=2738> oder <4PCODE cmd=DGFLink;name=Primal;id=1583> zu einer gigantischen Klangkulisse verholfen haben. Außerdem sind die Kompositionen ausgefeilter, das Design des Booklets und der Website stilvoller.

In den folgenden Wochen erfahrt Ihr bei 4Players alles über das faszinierende Musikprojekt - Interviews mit allen Komponisten, Hintergrundberichte von den Studioaufnahmen und vieles mehr. Letzte Woche stand uns Komponist Chris Hülsbeck Rede und Antwort, heute ist Komponist Markus Holler an der Reihe. Der 26jährige war schon bei der ersten CD an Bord, ist in der Retro-Remix-Szene sehr aktiv und hat unter anderem <4PCODE cmd=DGFLink;name=Cold Zero - The Last Stand;id=2402> sowie Teile von <4PCODE cmd=DGFLink;name=Hotel Gigant;id=2643> vertont. Mehr Informationen zu seinem Schaffen findet Ihr auf seiner Homepage - doch nun zum Interview.

Markus Holler: Mein Interesse an elektronischer Musik hat Ende der 80er der C64 geweckt. Dort habe ich auch die ersten Gehversuche gemacht, Musik zu schreiben - oder besser gesagt: zu programmieren. Das war sehr aufregend und klang ziemlich bescheiden, doch dann wurde der »Brotkasten« von einem Amiga abgelöst, und ich erforschte die Welt der so genannten Tracker, einer damals populären Programmform, um Musik zu erzeugen.

4Players: Erzähle uns bitte etwas über Dich: Wie lange machst Du schon Musik? Wie bist Du in die Spielemusik-Szene geraten, und welche Projekte liegen bereits hinter Dir?

Mitte der 90er kamen die ersten Synthesizer auch zu mir (Zauberwort: MIDI). Da mich gerade die Musik in den Computerspielen begeistert und gefesselt hat, dachte ich mir es wäre Zeit, das auch einmal zu versuchen. Ich schrieb mich als Musiker in eine Online-Jobbörse auf einer Amigaseite ein, und bald kamen Anfragen nach einer Demo-Kassette, gefolgt von dem ein oder anderen Auftrag. Die meisten sind allerdings noch in der Entwicklungsphase gescheitert.

Heute kann ich einige Projekte vorweisen, wie beispielsweise Tales of Tamar, Hotel Gigant oder nun jüngst Cold Zero. Und natürlich gibt es auch eine Welt außerhalb der Computerspiele, wie zum Beispiel Audio-CDs wie Merregnon, ebenso wie Musik für Kinowerbung oder TV-Sendungen und viele weitere kleine Projekte...

MH: Abgesehen davon, dass man nun viel mehr Ausdrucksmöglichkeiten hat, muss man natürlich auch aufpassen, dass man nicht Melodien kreiert, die zwar auf dem Synthesizer wunderbar funktionieren, aber von einem echten Instrument einfach nicht spielbar sind. Der wirkliche Unterschied liegt allerdings in dem Punkt, die Stücke für die Musiker auf Papier zu bekommen. Die Instrumentierung bzw. Orchestrierung der Stücke war natürlich etwas grundlegend Neues für mich.

4P: Merregnon 1 basierte auf synthetischen Instrumenten aus dem Computer. Das hat sich mit dem zweiten Teil dank echtem Orchester samt Chor grundlegend geändert - wie hat sich das auf Deine Arbeit ausgewirkt?

MH: Da Tom (Thomas Böcker, Projektleiter; Anm. d. Red.) das ganze Projekt sehr gut organisiert hat, hatten wir zu jedem Titel eine kurze Geschichte, eine Beschreibung der Geschehnisse, Hintergründe usw. Es stand also z. B. fest, was in diesem Track passieren sollte und welche Personen darin vorkommen. Jeder wichtige Charakter hatte ein definiertes Thema.

4P: Wie gehst Du an Deine Kompositionen heran? Welches Equipment und welche Tools benutzt Du, um Deine Werke zu schreiben?

Generell spinne ich mir erst einmal im Kopf zurecht, wie das Stück klingen soll, welche Instrumente ich dabei einsetzen möchte. Und dann setze ich mich an den Sequenzer und versuche, meine Eindrücke und Ideen festzuhalten. Dabei bemühe ich mich dann gleich, den Klang und den Aufbau so hinzubiegen, dass ich später nicht mehr viel ändern muss. Ich benutze Logic Platinum als Sequenzer, die meisten Natursounds kommen - falls benötigt, wenn kein echtes Orchester zur Verfügung steht - aus dem EXS24 Softwaresampler. Meine Synthesizer sind dann natürlich auch nicht selten im Einsatz, allen voran mein K2000 und der VL1m.

MH: Einfach ist der Job nicht immer, aber dafür sehr abwechslungsreich. Die Zusammenarbeit mit den Entwicklern ist mal ausgezeichnet und mal anstrengend. Das kann man so nicht pauschal festlegen. Manchmal weiß ein Track sofort zu begeistern - oder man muss tagelang an einem Stück herumfeilen, weil der Auftraggeber ein völlig anderes Bild von einer Szene hat als man selber.

4P: Wie empfindest Du Deine Position als Musiker in der Spielebranche? Wie ist die Akzeptanz und Zusammenarbeit mit anderen Musikern?

MH: Je nach Spiel-Genre wird der Trend definitiv mehr in Richtung Orchester gehen, allerdings wird es mit Sicherheit auch weiterhin Spiele geben, zu denen ein fetziger Rock-Soundtrack oder etwas völlig anderes passt. Ich denke, man sollte vor allem immer offen für etwas Neues sein. Vielleicht mal einen anderen Musikstil anbieten zu einem Projekt als bisher üblich. Auf keinen Fall in eine Art Alltagstrott verfallen - dann ist man ziemlich bald ausgepowert.

4P: Wo siehst Du die Zukunft der Spielemusik? Wird es schwieriger werden mithalten zu können?

MH: Musiktheorie kann einem das Produzieren von Tracks doch erheblich vereinfachen, vor allem eben im orchestralen Bereich. Und grundlegende Kenntnisse der Transkription sind da unumgänglich. Schon alleine aufgrund der nötigen Kenntnisse bezüglich des Tonumfangs von Instrumenten - wenn man das beim Komponieren schon berücksichtigt, spart man sich eine Menge Arbeit. Die Orchestrierung kann man dann gerne einem Fachmann überlassen, aber die Grundzüge sollten dann doch schon stimmen. Der Mehraufwand, wenn es heißt »die Trompete kommt gar nicht so hoch«, kann ins Unübersehbare ausarten.

4P: Denkst Du, dass es notwendig oder zumindest von Vorteil ist, über Musiktheorie (wie beispielsweise Notenlesen) Bescheid zu wissen, oder ist Talent das Wichtigste?

MH: Ich begrüße natürlich die zunehmende Akzeptanz von Spielmusik. Ich glaube nicht, dass es dadurch härter wird auf dem Markt, man steckt sich eben nur seine Ziele etwas höher. Als ich damals mit dem Komponieren anfing, hätte ich mir nie träumen lassen, einmal mit echtem Orchester zusammenarbeiten zu dürfen. Das habe ich jetzt dank Merregnon getan. Für Spielesoundtracks setze ich in letzter Zeit deswegen vermehrt echte Instrumente ein (erwähnte ich schon meine Schwäche für Flöten?), und dieser Trend wird sich so schnell auch nicht legen.

4P: Spielemusik gewinnt weltweit, und besonders in Japan, immer mehr an Akzeptanz. Hat das einen Einfluss auf Deine Arbeit - wird es schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben?

MH: Der Musikstil hat sich mit den gegebenen Möglichkeiten geändert. Mit der Zeit wurde Musik immer komplexer und umfangreicher, aber genau das sind die Spiele auch geworden. Es findet praktisch nur eine Art Anpassungsprozess statt. Musik dient nach wie vor zum Vermitteln von Stimmungen innerhalb des Spiels, allerdings klang Spielemusik selten so wohnzimmertauglich wie heutzutage.

4P: Wo siehst Du Dich selbst in fünf Jahren? Was sind Deine Ziele und Absichten?

MH: Ich werde auf jeden Fall vorläufig im Spielesektor bleiben und mich hier etwas ausleben. Was nicht heißt, dass ich zu anderen interessanten Projekten nein sagen werde...

4P: Wie hat sich Spielemusik in den letzten Jahren verändert, verglichen mit dem Anfang Deiner Karriere?

Nächste Woche, im sechsten Teil unseres Merregnon 2-Specials, ist Komponist Olof Gustafsson unser Interviewpartner. Der erfahrene Schwede ist schon seit Amiga-Tagen eine bekannte Größe im Spielemusik-Sektor und kann auf frühe Meisterleistungen wie die Soundtracks zu Pinball Dreams und Pinball Fantasies und aktuelle Vertonungen wie bei Battlefield 1942 verweisen. Nächste Woche lest Ihr mehr über seine Zukunftsgedanken und seine gegenwärtigen Projekte.

4P: Kannst Du uns etwas über Deine gegenwärtigen Projekte erzählen?

MH: Merregnon 2 wird ja bald erscheinen, und darauf bin ich selbst schon sehr gespannt. Ansonsten darf ich nicht viel zu meinen zukünftigen Projekten sagen (alles noch geheim).