Frauen über Spiele - Special, Sonstiges, Spielkultur

Frauen über Spiele
06.09.2005

Special: Frauen über Spiele

Im Jahr 2005 in einer gar nicht weit entfernten Parallelwelt: die Menschen treiben Sport, tunen ihre Autos und gehen Einkaufen. Zwischendurch stören Verbrecher und Terroristen den Frieden. Die Welt scheint unserer zum Verwechseln ähnlich. Bis auf einen Unterschied: die 68er-Revolte hat niemals stattgefunden. Auch Alice Schwarzer und die Emma hat es nie gegeben. Gesetze zur Gleichberichtigung von Mann und Frau sind erst gar nicht vorstellbar. Willkommen in der Welt der Videospiele.

Das dumme Geschlecht: Frauen in Spielen.

Ein Gastbeitrag von Nina Ernst (Journalistin & Spiele-Testerin)

Während im realen Alltag Frauen Karriere machen und Männer Erziehungsurlaub nehmen, herrscht im Games-Kosmos tiefstes Mittelalter. Hier sind Frauen unselbständige Wesen. Gäbe es keine tapferen Helden, die sie beschützen, wären die Frauen verloren. Seit Anbeginn des virtuellen Zeitalters retten wir immer wieder das von einem Unhold entführte Burgfräulein. Wer hat sich nicht schon gewünscht, Prinzessin Peach das letzte Bisschen Künstliche Intelligenz rauszuprügeln, weil sie immer wieder auf den gleichen Trick reinfällt? Soviel Dummheit und Naivität in einer einzigen Spielfigur verursacht selbst bei wohl gesonnenen Nintendo-Fans Aggressionen.

Nicht nur im kunterbunten Nintendo-Universum sind die Rollen der Geschlechter klischeehafter aufgeteilt als in Schulbüchern aus den 60er Jahren. Doch die Menschen, die über Lehrmittel wie "Physik für Mädchen" mittlerweile lachen, nehmen die Rollenaufteilung in der großen Masse an Videospielen gar nicht wahr. Ganz schön traurig, denn in der digitalen Unterhaltung besitzen Frauen noch weniger Eigenverantwortung als in den Unterhaltungsmedien der 50er Jahre. Die glückliche Hausfrau im Schwarz-Weiß-Film konnte sich wenigstens damit brüsten, den besten Apfelkuchen der gesamten Nachbarschaft zu backen oder die Hemden gründlicher zu bügeln als ihre Freundinnen.

In Resident Evil 4, Metal Gear Solid 2 und Forbidden Siren befreien und beschützen wir hilflose Frauen und Mädchen. Selbst wenn die weiblichen Wesen zwischendurch selber mal die Knarre halten dürfen, verblassen sie neben ihrem strahlenden Beschützer. Wo sind die Abenteuer, in denen tapfere Frauen Männer retten? Soviel Fortschritt bieten höchstens Rollenspiele, in denen sich der Spieler das Geschlecht seines Helden aussuchen kann.

Spieldesigner gönnen ihren weiblichen Charakteren nicht einmal dieses Erfolgserlebnis. Vor allem in Actionspielen müssen sich die Damen meist mit der Opferrolle begnügen.

Spieleentwickler halten Frauen für dumm. Es existiert keine andere logische Erklärung dafür, dass sie die Polygon-Schönheiten nur mit einem Minimum an künstlicher Intelligenz ausstatten. Schließlich reicht es nicht, wenn die Helden ihre Schützlinge befreien. Die minderbemittelten Begleiter müssen oft noch zu einem Ziel eskortiert werden. Da geht der Frust erst richtig los. Meist sind die Mädels so dumm, dass sie zielstrebig auf Zombiehorden oder das gegnerische Feuer zu rennen. Die Folgen sind fatal: fern von jedem Spielziel versucht man krampfhaft, seinem Schützling den Gnadenschuss zu verpassen, damit das Drama endlich ein Ende findet.

"Und was ist mit Lara Croft?", werden jetzt beleidigte Entwickler denken. Lara ist eine Ausnahmeerscheinung. Wieso sollte sonst die Frauenzeitschrift Brigitte mit ihr werben oder der Modekonzern Gucci Kleidung für sie entwerfen? Wohl kaum, weil die Werber und Modeschöpfer stundenlang begeistert Tomb Raider gespielt haben. Der Grund für Laras Erfolg liegt in ihrer Einzigartigkeit. Sie ist die Quotenheldin der Videospiele, auf die alle gewartet haben.

Die Frauenquote scheint in der elektronischen Unterhaltung schnell gedeckt zu sein. Außer den Beat´em Ups existiert kein Genre, in dem Mann und Frau auf den ersten Blick gleichberechtigt scheinen. Hier stehen etwa gleich viele Charaktere beider Geschlechter zur Auswahl und die Figuren besitzen ähnliche Fähigkeiten. Trotzdem wird auf den zweiten Blick klar: Prügelspiele sind für Männer gemacht. Nur bei den Mädels fliegen die Kleider so hoch, dass die Zuschauer einen Blick auf das Höschen erhaschen können.

Was haben wir Frauen den Designern, Entwicklern und Programmierern getan, dass sie so von uns denken? Kein Wunder, dass Mädchen lieber reiten oder schwimmen gehen, statt Videospiele zu spielen oder gar von einer Karriere in der Branche träumen. Obwohl Frauen anscheinend dumm sind, haben sie doch noch ein wenig Stolz. Wenn die Industrie Frauen an die PCs und Konsolen bringen und als Kunden gewinnen will, muss sie passende Identifikationsfiguren schaffen. Angeblich sucht die Branche ständig nach Innovationen. Da habt ihr sie. Wenn die Gesellschaft Videospiele ernst nehmen soll, heißt der nächste große Trend nicht noch bessere Grafik oder noch realistischere Physik sondern Gleichberechtigung.