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Chris Hülsbeck
06.08.2007, Michael Krosta

Special: Chris Hülsbeck

Wenn ihr mal einen Amiga oder C-64 euer Eigen genannt habt, haben eure Gehörgänge mit Sicherheit schon Sounds von Chris Hülsbeck aufgeschnappt. Doch auch auf Konsolen vom Mega Drive bis zum GameCube hat der bekannteste deutsche Spielekomponist mit seinen harmonischen Melodien begeistert - genau wie mit seinen bisher acht veröffentlichten Alben. Zur Games Convention hat Chris eine neue Scheibe mit frischen Elektro-Klängen im Gepäck. Wir haben exklusiv mit ihm über sein neues Album, die Vergangenheit und Zukunftspläne gesprochen...

Hülsbeck: Hallo, also ich bin der Chris, bin 39 Jahre alt und arbeite als professioneller Videospielkomponist und Musiker seit 1987. Meinen Einstieg in die Branche fand ich durch einen Wettbewerb für Computermusik, der von einem damals bekannten Deutschen Heimcomputer Magazin in 1986 ausgerichtet wurde. Zu meinem eigenen Erstaunen belegte ich da den ersten Platz. Ein paar Monate später habe ich dann ein Programm herausgebracht, mit dem fast jeder mit etwas Geduld

Chris Hülsbeck ist der bekannteste deutsche Komponist für Spielesoundtracks. Nach dem Gewinn eines Wettbewerbs machte er sein Hobby zum Beruf.
coole Musik machen konnte, den so genannten "Soundmonitor". Mit diesen Referenzen bekam ich ziemlich schnell eine Festanstellung bei Rainbow Arts, dem größten und wichtigsten Spielentwickler seiner Zeit in Deutschland. Dort habe ich dann für unzählige Meilensteine der Deutschen Spielgeschichte den Sound beigesteuert, damals nicht nur Musik, sondern auch Soundeffekte und Soundprogrammierung. Höhepunkte waren sicher "Giana Sisters", "To Be On Top", "Katakis" und "Turrican". Ein paar Jahre später habe ich mit 2 Freunden eine eigene Firma (Audios Entertainment) sowie ein Spielelabel namens Kaiko gegründet, wo wir neben Spielen wie "Gem`X" und "Apidya" auch die ersten Hülsbeck CD Alben im eigenen Studio produziert haben, die auch sehr erfolgreich liefen. Leider wuchsen uns aber die Kosten der Spielentwicklung nach ein paar wenigen Jahren über den Kopf und die Firma musste dicht machen. Eine Weile habe mich ich dann als Freiberufler durchgeschlagen und auch noch ein paar CDs nach gelegt. Aber Ende der 90er war dann in Deutschland nicht mehr viel zu machen in Sachen Spielesound und ich bekam die Chance in die USA aus zuwandern, wo ich seit 1998 bei Factor 5 als Music Director arbeite. Auch noch zu erwähnen wäre das CD-Label synSONIQ Records, welches ich 1997 mit einem Freund gegründet hatte um vorrangig meine eigenen CDs zu vertreiben, was aber inzwischen auch einen großen Katalog vieler Spielesoundtracks aus aller Welt anbietet.

4Players: Hallo Chris! Für die C-64- und Amiga-Generation bist du eine Kultfigur. Jüngeren Spielern ist dein Name vielleicht kein solcher Begriff mehr - stell dich doch bitte kurz vor...

4Players: Bei deinem neuen Album hast du dich dazu entschlossen, völlig neue Stücke abseits deiner bekannten Spiele-Soundtracks aufzunehmen. Heißt das, dass wir in Zukunft keine aufgepeppten Studio-Arrangements deiner bekannten Melodien zu hören bekommen?

Hülsbeck: Das Problem war, dass ich die meisten guten Stücke von damals schon für die anderen CDs aufgenommen habe und ich möchte auch nicht bis an mein Lebensende immer wieder an den gleichen Melodien sitzen. Ich denke ich habe noch eine Menge guter Ideen, für die es entweder keine Spiele gab oder gibt, die aber musikalisch in eine sehr ähnliche Richtung gehen. Auf der

So sieht es aus, das Cover der neuen CD, die den passenden Namen "Number Nine" trägt.
neuen CD gibt es aber neben den ganzen neuen Stücken als Überraschung auch einen Bonustrack, der ein paar der guten alten Melodien ganz neu darbietet.

4Players: Dieses Album besteht ausschließlich aus Elektroklängen. Wie wir wissen, bist du aber auch der orchestralen Musik nicht abgeneigt. Könntest du dir vorstellen, eine reine "Klassik-CD" zu produzieren, die mit einem Live-Orchester aufgenommen wird?

Hülsbeck: Mit einem Live Orchester aufzunehmen ist nach wie vor eine sehr teure Angelegenheit, aber wenn sich eine solche Gelegenheit ergeben würde, wäre ich natürlich begeistert! Ich möchte aber nochmal auf die neue CD zurückkommen: Auch wenn der Schwerpunkt der Klänge elektronischer Natur ist, haben die Arrangements sehr viel mit Film- oder Spielsoundtracks gemein, nicht so sehr Industriell oder Techno. Das ganze ist sehr melodisch und harmonisch geworden und es gibt auch ein paar Orchester Sounds hier und da.

Hülsbeck: Spielentwicklung in Deutschland war zu der Zeit auf einem Tiefpunkt und es gab kaum noch interessante Projekte. Dann hat mir Factor 5, die ja schon 1996 in die USA umgezogen waren, ein verlockendes Angebot gemacht: die Musikproduktion für "Star Wars Rogue Squadron" auf dem Nintendo 64. Da konnte ich kaum widerstehen, da ich schon lange ein Riesenfan von John Williams war, der die Soundtracks zu den "Star Wars" Filmen gemacht hat. Bei einem solchen Projekt hätte man allerdings schwer über die Distanz weg zusammen arbeiten können, also nahm ich die Gelegenheit wahr, für eine Weile in die USA umzusiedeln, wo es mir dann so gut gefallen hat, dass ich auch nach Abschluss des Projektes geblieben bin.

4Players: Im Jahr 1998 hast du dich dazu entschieden, Deutschland zu verlassen und zusammen mit Factor 5 nach Amerika zu gehen, um dort als Fulltime-Komponist zu arbeiten. Was war der ausschlaggebende Grund für diesen Schritt?

             

4Players: In den letzten Jahren warst du der Haus- und Hofmusiker von Factor 5 - man denke nur an die Rogue Squadron-Titel, die du vertont hast. Deshalb war ich sehr erstaunt, dass nicht du sondern der Filmkomponist John Debny für den Soundtrack des aktuellen Factor 5-Titels "Lair" für die PS3 verantwortlich zeichnet. Wie kommt es, dass du nicht die Drachen-Action musikalisch untermalst?

Hülsbeck: Das kam von unserem Publisher Sony. Die hatten sich in den Kopf gesetzt bei "Lair" einen Top Filmkomponisten anzuwerben. Ich hätte die Musik auch sehr gern selber gemacht, aber es war interessant mal mit

Mittlerweile lebt und arbeitet der Künstler als Sound Director für Factor 5 in den USA.
jemandem von solchem Kaliber zusammenzuarbeiten und ich habe auch noch einiges dabei gelernt.

Hülsbeck: Ich habe gerade erst die Arbeit an unserem Megaprojekt "Lair" abgeschlossen, darf aber leider über zukünftige Projekte noch nicht sprechen. Natürlich bin ich auch noch dabei meine neue CD fertigzustellen, aber da dürfte es sich nur noch um Tage handeln. Das Ding ist so gut wie im Kasten!

4Players: An welchen Projekten arbeitest du zurzeit?

4Players: Julian Eggebrecht von Factor 5 hat angedeutet, dass sich ein neuer Turrican-Titel für die PS3 bzw. das PlayStation-Network in Arbeit befindet. Und was wäre ein Turrican ohne den typischen Hülsbeck-Sound? Wirst du auch hier den Soundtrack beisteuern?

Hülsbeck: Das kommt in gewisser Weise darauf an, woran ich gerade arbeite und ändert sich von Zeit zu Zeit, aber mein Tag bei Factor 5 fängt normalerweise so um ca. 10 Uhr morgens an. Da meine Arbeit heutzutage viel Teamwork verlangt, bin ich meist erstmal mit email lesen / beantworten und telefonieren beschäftigt um mir ein Bild zu machen, was an dem Tag zusätzlich zum eigenen Arbeitsplan noch erledigt werden muss. Dann kommen ab und zu Team Meetings dazu, wo wir über aktuelle Projekte oder andere Themen diskutieren. Zum eigentlichen Abarbeiten der nötigen Punkte und Komponieren komme ich meist erst nach dem Mittagessen und um ca. 19 Uhr geht es nach Hause, es sei denn wir sind hinter dem Plan und eine Deadline rückt nahe, dann bleiben wir auch manchmal bis spät abends, was leider in der Branche



Hülsbeck: Da will ich nichts bestätigen oder abstreiten was mir sowieso nicht erlaubt ist, aber wenn es ein neues Turrican gibt, gehe ich natürlich davon aus, dass ich die Musik komponieren werde.

 

4Players: Wie kann man sich deinen Alltag im Studio vorstellen? Woher nimmst du deine Inspiration?

schon oft vorkommt. Inspirieren lasse ich mich in letzter Zeit viel von der Gegend wo ich jetzt lebe (San Francisco Bay Area), die manchmal atemberaubend schön sein kann, sowie auch Reiseziele in aller Welt, die ich in den letzten Jahren besucht habe.

Die Trackliste von "Number Nine"

1. 6000 Miles From Home

2. Endless Dunes

3. Lombard Street

4. North Beach Night Life

5. Scenic Drive

6. Regatta

7. Germany Calling

8. Tomorrow's Yesterday feat. Nina

9. Solitude

10. Golden Gate

11. Please Leave A Message

12. The Island

13. Remembrance

14. Those Were The Days

15. Stay feat. Raquel Gomez

16. - Bonus Track -

Besucht uns auf der Games Convention, hört selbst in das neue Album rein und holt euch direkt ein Autogramm vom Soundguru!

Mehr Infos gibt es in der Pressemitteilung.

Hülsbeck: Die Herausforderung beim Amiga war ja vor allem die Einschränkungen beim Speicherplatz und der sehr beschränkten Anzahl der Stimmen. Das machte es aber auch nötig, sich auf das wesentliche der Musik zu konzentrieren, in meinem Fall waren das schon immer Melodie und Harmonie. Heutzutage macht man die Musik für Spiele praktisch genau so wie bei der Filmmusik, im Studio mit kaum noch Einschränkungen, was zwar eigentlich die totale Freiheit für die Musiker bedeutet, aber eben auch etwas den Charme der alten Computermusik eingebüßt hat. Aber ich will mich nicht beklagen, denn ich kann heute endlich genau die Kompositionen verwirklichen, die ich damals mühsam versucht habe mit dem C64 und Amiga zu erstellen.

4Players: Am Amiga hast du damals die unkomplizierte Handhabung beim Komponieren gelobt. Mit welchem Equipment arbeitest du heute und wie aufwändig ist die Erstellung eines Soundtracks?

Mein Hauptwerkzeug ist dabei noch nicht mal mehr die teure Studiotechnik, sondern eine Software von Steinberg namens Nuendo. Mit der kann ich komplette Produktionen im Computer erstellen, was den Kreis in gewisser Weise auch wieder schließt. Aber die Rechenleistung ist dabei um ein so vielfaches gewaltiger, dass man das überhaupt nicht mehr mit den alten Einschränkungen vergleichen kann. Ich mache teilweise Stücke, die hunderte von Stimmen und viele Gigabytes an Speicher verwenden und die Software simuliert dabei ein komplettes Studio, das vor einigen Jahren noch hunderttausende an Euro gekostet hätte. Auf meiner Webseite gibt es übrigens eine recht komplette Liste der Soft- und Hardware, die bei mir zum Einsatz kommt.

          

4Players: Optische Medien wie DVDs und Blu-ray-Discs bieten einen riesigen Speicherplatz und sind kein Vergleich zu den knappen Speicherverhältnissen und begrenzten Stimmen von damals. Spielt die Soundhardware der aktuellen Konsolen eigentlich noch eine so große Rolle oder produziert

So schnell vergeht die Zeit: Das letzte Hülsbeck-Album liegt schon fast zehn Jahre zurück.
man die Musik heute einfach im Studio und speichert sie anschließend auf dem Datenträger, ohne sich große Gedanken über die jeweilige Hardware zu machen?

 

Hülsbeck: Genau, die Musik wird meistens im Studio produziert und im Spiel als digitale Daten von der CD, DVD oder Blu-ray immer wieder stückchenweise nachgeladen. Natürlich gehen wir trotzdem immer an die Grenzen des machbaren und "Lair" hat z.B. einen vollen 5.1 Surround Sound und spielt manchmal auch mehrere von diesen Stücken parallel. Das passiert z.B. bei Übergängen und speziellen Stücken, die in mehreren musikalischen Schichten erstellt wurden um diese passend zum Spielverlauf in Echtzeit neu zu mischen. Das ergibt dann einen interessanteren interaktiven Soundtrack, der sich dem Spielgeschehen anpassen kann. Da gibt es dann natürlich auch wieder Grenzen in Sachen Rechenzeit und Speicherplatz auf dem Medium, aber immer noch wesentlich besser als zu den alten Zeiten.

4Players: Im Vorwort deiner ersten CD "Shades" hast du geschrieben, in Zukunft gerne Filmsoundtracks komponieren zu wollen. Mit Projekten wie "Light at the End of the Tunnel" hast du bereits erste Schritte in diese Richtung unternommen. Wie sehen diesbezüglich deine Pläne aus? Tendierst du immer noch zum Filmgeschäft, um Hans Zimmer & Co Konkurrenz zu machen oder bleibst du der Videospielindustrie treu?

Hülsbeck: Das Filmgeschäft ist eine sehr harte Branche und man muss auch als guter Komponist viele Jahre investieren, bevor man da richtig zum Zuge kommt. Ich denke aber, meine Spielemusikkarierre weiter auszubauen ist sicher keine schlechte Entscheidung gewesen, wenn man sieht wie sich die Spielindustrie entwickelt hat. Inzwischen können wir technisch als auch musikalisch absolut mit Filmsoundtracks mithalten.

4Players: Viele namhafte Filmkomponisten versuchen sich mittlerweile an der Vertonung von Videospielen. Harry Gregson-Williams lieferte die Musik der letzten MGS-Teile, Harold Faltermeyer produziert den Soundtracks zu Two Worlds und John Debney versucht sich an Lair. Wie beurteilst du die Konkurrenz aus dem Filmgeschäft?

Hülsbeck: An dieser Tatsache sieht man ja deutlich, wo der Trend hingeht. Hochqualitative Spielproduktionen haben eine großartige Zukunft und ich bin sehr dankbar, daran teilhaben zu können. Und Konkurrenz soll ja angeblich das Geschäft beleben.

Hülsbeck: Im Ernst, ich hätte mir das Spielprinzip von To Be On Top patentieren lassen sollen. Der finale Teil des Spiels spielt sich fast genau wie Beatmania. Aber ich bin im Moment nicht so sehr am eigenen Spieldesign interessiert. Ich konzentriere mich lieber auf die Musik. 

4Players: Musikspiele wie Guitar Hero, Rock Band, Parappa the Rapper & Co sind im Aufwind und erfreuen sich zunehmender Popularität. Schon mal an ein Revival von "To be on Top" gedacht?

4Players: Seit dem ersten Eröffnungskonzert der Games Convention waren immer Soundtracks aus deiner Feder bei den Aufführungen vertreten und du warst meist - genau wie in diesem Jahr - selbst

Mit dem Album Shades - benannt nach seinem Gewinnersong des Musikwettbewerbs - startet Hülsbeck 1990 seine eigene CD-Serie mit neu eingespielten Studio-Versionen seiner Soundtracks.
im Publikum anwesend. Was ist das für ein Gefühl, da zu sitzen seine am Computer kreierte Musik von einem pompösen Live-Orchester zu hören?

 

Hülsbeck: Worte können kaum beschreiben was das für ein Wahnsinnsgefühl ist, wenn man seine eigenen Kompositionen von über 80 virtuosen Musikern dargeboten bekommt. Ich bin jedes mal total aus dem Häuschen. Das hätte ich mir in meiner Jugend nicht erträumen können.

4Players: Die ECTS in London ist schon seit Jahren tot, die E3-Messe in L.A. seit diesem Jahr deutlich kleiner und ohne bombastische Messestände. Die Games Convention ist seit ihrem Start von Jahr zu Jahr gewachsen. Wie schätzt du die Leipziger Messe und ihren Stellenwert ein? 

Hülsbeck: Ich war schon bei meinem ersten Besuch der Messe (im 2. Jahr) beeindruckt und dachte mir damals schon, dass sich das mal zu einem wichtigen internationalen Event mausern könnte. Mit dem jährlichen Eröffnungskonzert ist die Games Convention auf jeden Fall einzigartig.

Hülsbeck: Ja, nicht sehr oft, aber hin und wieder finde ich ein paar fesselnde Spiele für meinem PC, GameCube und dem Nintendo DS. Hoffentlich kommt bald auch eine PS3 dazu, die ich mir (vor allem nach der kürzlichen Preissenkung) demnächst auch privat zulegen wollte.

4Players: Spielst du privat auch noch in deiner Freizeit?

4Players: Deine drei zeitlosen Favoriten?  

Hülsbeck: Half-Life 1 & 2, alle Mario Spiele und Tetris.

4Players: Das nächste Album kommt wann...? ;-)

Hülsbeck: Ich will nichts versprechen, aber vielleicht schon zur nächsten Games Convention. Das hängt natürlich auch ein bisschen davon ab, wie das diesjährige Album ankommt.

4Players: Vielen Dank für das Interview.