Hellgate: London - Special, Rollenspiel, PC

Hellgate: London
16.10.2007, Mathias Oertel

Special: Hellgate: London

Action-Rollenspiel kommen und gehen. Doch eines zählt bis heute als Meilenstein: Diablo 2. Nachdem viele Nachahmer vergeblich versucht haben, das Erbe der Blizzardschen Teufelsjagd anzutreten, erscheint Ende des Monats mit Hellgate London der vielversprechendste Vertreter seiner Zunft in diesem Jahr. Wir haben mit Bill Roper, dem geistigen Vater von sowohl Diablo als auch Hellgate, über Höllentore, Aufgabenflut und Abo-System geplaudert!  

4Players: Mit der Diablo-Serie haben Sie neue Standards im Bereich der Action-Rollenspiel gesetzt. Viele Entwickler haben versucht, dieses Prinzip zu kopieren. Die meisten davon sind gescheitert - wenngleich einige davon auf sehr hohem Niveau. Woran kann dies liegen und wie wollen Sie verhindern, dass Hellgate London das gleiche Schicksal ereilt?

"Fast 20 Leute im Team bei Flagship haben vorher bei Blizzard gearbeitet": Bill Roper, der kreative Kopf hinter Hellgate London und Diablo 2.Bill Roper: Ich denke, dass die größte Schwierigkeit beim Kopieren der Erfolgsformel eine vernünftige und funktionierende Zufallserstellung der Inhalte ist. Dies ist eines der wichtigsten Elemente in Spielen dieser Art im Allgemeinen und Hellgate im Besonderen. Denn dies ist auch der wesentliche Faktor, der die Diablos über die Jahre hinweg am Leben gehalten hat und auch heute noch für Spieler interessant macht.

Aber es ist unheimlich schwer, alles so einfach und natürlich integriert aussehen zu lassen. Andererseits haben wir sehr viel Erfahrung damit, da fast 20 Leute im Team bei Flagship sind, die vorher bei Blizzard an Diablo gearbeitet haben. Das sind vor allem diejenigen, die damals das gesamte System der Zufalls-Items usw. aufgebaut haben.

Wenn man alles richtig macht, sieht es unheimlich einfach aus. Man denkt als Spieler "Wow! Das ist fantastisch. Es gibt so viel Zeug!"

Bill Roper: Letztlich ist die Möglichkeit, zwischen Ego- und Schultersicht zu wechseln, eine konsequente Fortführung dessen, was wir mit der Diablo-Serie begonnen haben: Dem Spieler so viele Möglichkeiten wie möglich zu geben, so zu spielen, wie er möchte.

Und das ist auch für uns der Schlüssel zum Erfolg. Bei uns gibt es mehr von allem und in Verbindung mit unserer Erfahrung glauben wir, dass wir mit Hellgate London genau das abliefern, was die Fans von uns erwarten - und noch ein bisschen mehr.

4Players: Ist mit diesem "bisschen mehr" die optionale Ego-Perspektive gemeint, die deutlich gegen die Konkurrenz geht, die nach wie vor in der Iso-Ansicht stecken zu bleiben scheint?

Es zeigt außerdem, dass es immer noch sehr viele Alternativen gibt, ein Action-Rollenspiel anzugehen. Das hat allerdings im Entwicklungsprozess zu neuen Herausforderungen geführt: Die Spielbarkeit muss in beiden Perspektiven zu 100 Prozent gewährleistet sein. Denn häufig stellt man bei Rollenspielen eine Tendenz fest, ganz gleich ob es ein Action-RPG ist, ein MMO oder auch ein sehr stark auf Story fokussierter Offline-Titel wie Oblivion, dass sie in eine bestimmte Richtung gehen. Sie geben dir zwar die Möglichkeit beides zu wählen, doch eine dieser Alternativen wirkt meist draufgestülpt und nicht so ausgereift. Für uns war es aber wichtig, dass man als Spieler sowohl in der First Person- als auch in der Third-Person-Ansicht uneingeschränkt Spaß haben und Hellgate erleben kann.

4Players: Ausgehend von unseren Erfahrungen in der Multiplayer-Beta spielt sich Hellgate nicht nur wie ein Online-Rollenspiel, sondern sieht auch hinsichtlich Bildschirmanzeigen und Benutzerführung wie eines aus. War dieses "Look & Feel" vom Start weg erklärtes Ziel oder hat sich dies erst im Laufe der Zeit entwickelt?

Die gute alte Zeit. An diese Erfolge soll Hellgate London anknüpfen, wenn es nach Bill Roper gehtBill Roper: Dies ist tatsächlich etwas, was wir schon zu Diablo 2-Zeiten realisieren wollten. In der guten alten Zeit hatten wir das Konzept einer "Diablo-Stadt", das eigentlich die Alternative zum Battle.net hätte sein sollen. Es wurde auch schon getestet und wir haben festgestellt, dass es gut funktionieren würde. Damals hatten wir uns als Ziel gesetzt, dass jeder einfach ins Spiel springt und seinen Charakter hat - etwas, was mittlerweile ganz klassisch mit MMOs in Verbindung gebracht wird. Du bist der Charakter und sobald du im Spiel bist, bist du auch in der Welt.

Wir wussten von der ersten Minute, dass wir genau dieses Prinzip auch für Hellgate London wollten. Sobald es in den Online-Bereich geht, wollen wir dem Spieler die MMO-Erfahrung vermitteln. Dementsprechend sind die U-Bahn-Stationen in etwa gleichzusetzen mit den Städten klassischer Fantasy-Szenarien, die als kommunikative Treffpunkt für alle Spieler dienen. Und dann war die Anlehnung der Benutzerführung an MMOs eine logische Konsequenz.

Bill Roper: Sicher. Ich bezeichne die Hellgate-Spielerfahrung immer als dreistufiges System. Wenn man sich das Spiel kauft und offline spielt, bekommt man etwa 40 bis 50 Stunden Storyline-basierte Unterhaltung. Und natürlich bietet das Spiel mit seinen ganzen Zufallsalgorithmen sowie den unterschiedlichen Charakterklassen einen enormen Wiederspielwert. Im Gegensatz zu herkömmlichen Rollenspielen, die man einmal durchspielt und dann nicht wieder anfasst, sehe ich einen Vorteil.

4Players: Können Sie etwas zu den prinzipiellen Unterschieden zwischen der Offline- und der Online-Kampagne sagen? 

Dann kann man natürlich auch online gehen und das Spiel aus dieser Perspektive mit all seinen Inhalten auch komplett gratis erleben. Allerdings muss man sich dafür einen neuen Charakter machen, der serverseitig gespeichert wird - wie bei jedem anderen MMORPG. Und nun kann man die Story kooperativ erleben, Gilden beitreten, Gegenstände im Auktionshaus versteigern usw. - alles Elemente, die wir in Diablo 2 nicht bis zum Letzten ausschöpfen konnten. Und das ist alles auch immer noch kostenlos.         

Bill Roper: Dann gibt es noch das Modell für alle, die ihre Spielerfahrung über das "Box-Spiel" hinaus weiterführen wollen. Ich erinnere mich an Diablo 2, wo wir auch Spieler hatten, die einfach "mehr" wollten: mehr Monster, mehr Gegenstände, mehr Modi, mehr, mehr, mehr. Und mit Diablo 2 konnten wir diese Bedürfnisse nur eingeschränkt erfüllen. Wir haben ein Erweiterungspack veröffentlicht, dann verstich mehr als ein Jahr und dann kam ein weiterer Content-Patch. Von Entwickler-Seite waren wir darauf nicht eingestellt und hatten uns vor sieben, acht Jahren in der Planung darüber auch keine Gedanken gemacht.

4Players: Wie sieht die dritte Stufe aus?

In wenigen Wochen geht der Abstieg in die Londoner Hölle los...Für alle die Spieler, die diese wachsende, organische Erfahrung möchten, gibt es das Abo-System. Für uns ist dies ein Weg, nicht nur die grundlegende Versorgung in Form von "normalen" Patches sicherzustellen, sondern auch neue Spielinhalte anzubieten - und zwar für alle Abonnenten von Tag 1 an. Und viel von dem basiert natürlich auf dem Zusatzcontent-Rückgrat von MMOs: Mehr Aufgaben, mehr Monster, mehr Gegenstände, mehr Gebiete.

Bill Roper: Wir planen Sachen, die man normalerweise nicht in einem Abo-Spiel sieht, z.B. neue Modi, komplett neue Schadenstypen und sogar komplett neue Klassen. Für uns ist das ein Weg, die Welt ständig neu zu formen, in neue Bereiche zu führen und kontinuierlich weiterzuentwickeln.

4Players: Wie soll sich Hellgate London von anderen Abo-Modellen abheben?

Gleichzeitig wollen wir aber intensiv mit unserer Spielerbasis zusammenarbeiten und herausfinden, was die Community möchte, wie das Spiel noch unterhaltsamer für sie sein kann. Wir haben unsere Ideen, was wir nach und nach veröffentlichen möchten - alle paar Wochen ein neuer Schwung Inhalte und in etwas größeren Abständen, vermutlich alle drei Monate, kommen größere Artwork-basierte Pakete wie z.B. neue Rüstungen, eventuell neue Gebiete usw. Wir haben zwar einen umfangreichen Terminplan dafür in der Schublade, doch natürlich wollen wir nicht an der Community vorbei entwickeln. Wenn diese also nach Veröffentlichung unserer nächsten Content-Pläne sagt, dass man die vorgesehenen Änderungen noch nicht braucht und stattdessen vielleicht lieber neue Rüstungssets hätte und wir dies sowieso in naher Zukunft vorhaben, können wir auch kurzfristig etwas anderes veröffentlichen.

Bill Roper: Wir schauen jetzt schon permanent in die Foren, versuchen aufzunehmen, was dort an Kritik kommt und dementsprechend zu reagieren. Für uns ist es wichtig, mit den Redeführern der Community in Kontakt zu stehen. Wir können auch innerhalb und außerhalb des Spieles Umfragen durchführen, bei dem wir z.B. drei Ideen, die wir haben, zur Wahl stellen und die Community entscheiden. Dieses kreative Hin-und-Her mit unseren Spielern ist ebenfalls ein Schlüsselelement für uns.

4Players: Wie weit ist jetzt noch Möglichkeit da, auf die eventuelle Kritik und Verbesserungsvorschläge der Community einzugehen?

Fette Wummen, Ego-Ansicht und Gegner bis zum Abwinken. Reicht das, um eine neue Action-RPG-Ära einzuleiten?
Bill Roper: Die Sorge kann ich verstehen, sie aber nicht teilen. Natürlich bekommen Abonnenten mehr als die normalen Inhalte - aber sie zahlen auch dafür.

4Players: Können Sie die Sorge von Spielern verstehen, die sich nicht für das Abo-Modell entscheiden und Angst haben, als Spieler zweiter Klasse behandelt zu werden?

Wenn wir aber wichtige Systemänderungen durchführen oder wesentliche Funktionen ergänzen, die auch das freie Online-Spiel und damit auch die Offline-Kampagne betreffen, bekommen ausnahmslos alle Spieler diese Inhalte. Dazu gehören natürlich auch Änderungen und erweitertes Balancing der Klassen. Neue Inhalte sind allerdings nur den Abonnenten vorbehalten.

Und hier ist auch der große Unterschied von Hellgate London als Stand-Alone-Spiel, das auch offline die volle Erfahrung ermöglicht: Jede Klasse ist in der Lage, das Spiel komplett solo zu beenden. In vielen Spielen, die eine dezidierte Heilklasse anbieten, taucht ein großes Problem auf. Nehmen wir z.B. Dark Age of Camelot: Es macht einen Heidenspaß, ich habe es sehr sehr lange gespielt. Dort habe ich einen Midgard-Spieler als Charakter gehabt. In späteren Abschnitten war es ohne Gruppe kaum möglich, seine Figur in einem angemessenen Zeitraum weiterzuentwickeln. Es war spätestens ab Level 40 eine pure Qual.

4Players: In einem Interview haben Sie gesagt, dass es auch "Raid-ähnliche" Events geben wird. Dem gegenüber steht die Skepsis der klassischen MMO-Spieler, die das Fehlen einer Heilerklasse bemängeln. Was können Sie dazu sagen?

Bill Roper: Es gibt auch ohne pure Heiler die Möglichkeit, Raid-Inhalte anzubieten, also fordernde und lohnende Spielerfahrungen für große Gruppen. Ich glaube nicht, dass man dazu zwangsläufig eine reine Heilklasse braucht.

Für das Balancing bei Hellgate war es aber extrem wichtig, dass jede Klasse für sich die Kampagne solo spielen kann. Daher mussten wir darauf achten, dass jede Figur sowohl offensiv stark ist als auch Heilfähigkeiten in der einen oder anderen Form hat. Dennoch muss man in größeren Gruppen seine Figuren und seine Eigenschaften aufeinander abstimmen, um Erfolg zu haben, was wiederum eine neue Entwicklungs-Herausforderung hinsichtlich des Balancings darstellte. Und ganz wichtig für uns war, dass es keine Unterstützungsklassen gibt. Jeder kann für sich auf dem Schlachtfeld bestehen. Jeder kann ein Held sein.

    

Bill Roper: In den ersten Stunden, in etwa bis Level 10, sind die Aufgaben sehr einfach gehalten, um auch Einsteigern schnell Erfolgserlebnisse zu ermöglichen und sie an die Spielmechaniken zu gewöhnen. Natürlich ist uns bewusst, dass erfahrene Spieler durch diese Anfangsphase durchhetzen werden.

4Players: Wie weit wird Hellgate London vom üblichen "Hol-und-Bring"- bzw. "Finde-und-Zerstöre"-Missionsdesign abweichen?

Das Missions-Design mit insgesamt mehr als 250 Aufgaben soll mehr bieten als simple "Hol & Bring"- oder "Search-and-Destroy"-Dienste.
Bill Roper: Abseits dessen wird es einige höchst unterschiedliche Missionen geben, die nach unserem Ermessen in diesem Genre einzigartig sind. So muss der Spieler in einer Mission ein NPC-Team durch Feindesgebiet lotsen. Dies ist quasi ein Mini-Echtzeitstrategiespiel im Hellgate-Universum. Dann haben wir z.B. auch Geschützturm-Missionen, in denen man Welle auf Welle von fliegenden Dämonen abwehren muss. Wir haben sogar eine Art 3D-Galaxians-Shoot´em-up integriert.

4Players: Wie wollen Sie dort für Abwechslung sorgen?

Bill Roper: Ich glaube, insgesamt haben wir fast 250 Aufgaben eingebaut, wenn man alle Nebenmissionen mitzählt. Natürlich verlassen wir uns dabei auch auf bestimmte Mechanismen, die in dieser Art von Spiel erwiesenermaßen funktionieren. Grundsätzlich haben wir fast zehn verschiedene Aufgabentypen plus die erwähnten "Uniques". Aber wenn man sich die Beispiele anschaut, die ich gerade genannt habe, wird denke ich klar, dass wir auch hier versuchen, die Messlatte höher zu setzen und Aufgaben integriert haben, die man so in einem Action-RPG noch nicht gesehen hat. 

4Players: Auf wie viele Quests können sich die Hellgate-Spieler freuen?

Bill Roper: Die Geschichte, die man erlebt, ist bei beiden identisch. Die Schlüsselpunkte sind für alle Spieler gleich. Aber der Herzschlag der Story der eigenen Figur ist einzigartig und wird durch die zufällig generierten Abschnitte und Gegner erzeugt. Jede Figur wird irgendwann auf bestimmte, von uns im Zusammenhang mit der Hauptgeschichte platzierte Bosse treffen. Und auch wenn der Weg im Wesentlich der gleiche ist, wird das Erlebnis dennoch anders und ihre ganz persönliche Erfahrung sein.

4Players: Wird sich die Story für die On- und Offline-Spieler unterschiedlich entwickeln? Bekommt man den gesamten Hintergrund der Dämonenplage nur mit, wenn man beide Varianten spielt?

"Wir haben London ganz gezielt ausgesucht."
Bill Roper: Wir hoffen, dass das Spiel erfolgreich genug ist und wir so die Möglichkeit haben, zu erforschen, was in unserer Welt an anderen Orten passiert.

4Players: Angesichts des Namens liegt die Vermutung nahe, dass eventuelle Add-Ons oder Fortsetzungen in anderen Städten angesiedelt sein könnten. Können wir uns schon jetzt auf ein Hellgate New York freuen?

Andererseits haben wir London natürlich ganz gezielt ausgesucht. Grundlage dafür waren u.a. die Architektur, die Geschichte der Stadt und nicht zuletzt die unterirdische Infrastruktur, die in Hellgate eine große Rolle spielt. Auch die Londoner Kultur, die wir während der Arbeit an Hellgate recherchiert haben, hat uns geholfen, die Geschichte zu erzählen und mit interessanten Figuren zu füllen.

Natürlich wäre es für uns interessant, auch andere Kulturen zu erforschen und zu sehen, wie Dämonen, aber auch archaische Heldentypen dort porträtiert werden. In den USA sähen sie anders aus als in Asien und dort wieder ganz anders als die westeuopäisch/englische Version, die wir in Hellgate London skizzieren. Es wäre fantastisch, dies alles zu erforschen und wir hoffen, dass wir dazu Gelegenheit bekommen.

Bill Roper: Im Moment sind wir hauptsächlich als Kammerjäger mit dem Ausmerzen von Bugs beschäftigt und dann gibt es natürlich auch noch die eine oder andere Balancing-Schraube, an der gedreht werden muss. Als Spiel mit Online-Anbindung haben wir da natürlich einen kleinen Vorteil, da wir Änderungen bis zur letzten Minute durchführen können, um sicherzustellen, dass die Online-Spielerfahrung so ausgereift ist, wie es derzeit möglich ist.

4Players: Womit ist das Entwicklungsteam bis zum Release beschäftigt? Geht es derzeit primär um Bugfixing? 

Wir machen keine Pause. Denn als nächsten stehen dann schon die neuen Inhalte für die Abonnenten auf dem Zettel, an denen wir bereits arbeiten.

4Players: Vielen Dank für das Gespräch!