Forza Motorsport 3 - Special, Rennspiel, 360

Forza Motorsport 3
23.10.2009, Benjamin Schmädig

Special: Forza Motorsport 3

Seine Vision hieß nicht "Simulation", sie hieß nicht einmal "Rennspiel" - Dan Greenawalt überrascht mit interessanten Einblicken hinter die Kulissen des 400 Autos starken Simulations-Schwergewichts. Warum Forza 3 auf Regenrennen verzichtet, nur von Microsoft zertifizierte Lenkräder erkennt und was sich der Game Director von Natal verspricht, darüber haben wir mit ihm im Interview geplaudert.

Greenawalt: Ich arbeite seit zwölf Jahren an Spielen, seit zehn Jahren an Rennspielen und 2002 haben wir das erste Konzept für Forza vorgestellt. Das stand schon damals unter dem Motto, dass wir Spieler zu Liebhabern von Autos und Auto-Liebhaber zu Spielern machen wollten (Das Original "Gamers to Car Lovers and Car Lovers to Gamers" klingt bedeutend schmissiger, Anm. d. Red.). Die Entwicklung von Forza Motorsport hat bis 2005 gedauert, 2007 erschien dann Forza 2 und jetzt stellen wir den dritten Teil vor.

4Players: Wie lange sind Sie jetzt schon Teil der Forza-Serie?

Greenawalt: Das würde ich wahrscheinlich werden - wenn es immer das gleiche wäre. Aber das ist es nicht, denn wir hatten jedes Mal eine viel größere Vision vor Augen: Der Unterschied zwischen Forza eins und zwei war enorm, aber der Unterschied zwischen Forza zwei und drei ist... unermesslich. Forza 3 ist nicht einfach größer. Natürlich ist es größer! Aber das ist ja selbstverständlich.

Seit sieben Jahren für Microsofts Rennsport-Abteilung verantwortlich: Dan Greenawalt.
Vor allem ist es aber etwas ganz Neues. Die Physik ist neu, die Anbindung der Community ist neu - das Spiel ist einfach innovativer.

4Players: Wird man denn nicht irgendwann müde, wenn man jahrelang das Gleiche macht?

4Players: Sie haben zuvor gezeigt, wie realistisch sich die Reifen je nach Situation verformen. Es steckt also eine ausgewachsene Simulation drin - gleichzeitig wollen Sie eine breite Masse ansprechen. Müssen Sie Kompromisse eingehen, um die beiden Welten zu verbinden?

Greenawalt: Null. Keine Kompromisse. Das erreicht man, wenn man clevere Design-Entscheidungen trifft. Wer meinen Job nicht kennt, denkt wahrscheinlich, dass man entweder eine Simulation oder einen Arcade-Racer entwickeln kann. Wir sehen das Spiel aber als eine Art Zwiebel: Im Kern steckt die zentrale Physik-Simulation - und zwar die beste, die es in Konsolen- oder PC-Spielen gibt. Wegen der Partnerschaft zwischen Microsoft und großen Partnern - McLaren, Michelin, Porsche, Ferrari - können wir besser als jeder andere Entwickler mit diesen Firmen zusammenarbeiten. So bringen wir Einzelheiten über die Physik in Erfahrung, die selbst diese Hersteller noch nicht kannten! Damit können wir natürlich auch im Spiel bemerkenswerte Dinge tun.

Aber zurück zu dem Vergleich mit der Zwiebel. Im Kern steckt also die Physik - und darüber legen wir dann Schicht für Schicht weitere Elemente. Das fängt schon beim Controller an. Man würde sich ja umbringen, wenn man einen echten Wagen mit einem Gamepad fahren würde. Die meisten Spieler tippen den Analogstick nämlich nur an, anstatt gleichmäßig zu lenken. Also bauen wir selbst in den Controller eine solche Schicht ein, mit der er erkennt, was der Spieler vorhat: Wenn man den Stick immer wieder nur kurz in eine Richtung tippt, will man also keine enge, sondern nur eine weite Kurve fahren usw. Es ist vollkommen unmöglich, mit dem Controller eine realistische Simulation zu fahren. Aber mit Lenkrad bleibt die Hilfe natürlich ausgeschaltet. Auch was Fahrhilfen wie ABS, Traktionskontrolle, automatische Bremse, Rückspulen, das Drehen in die richtige Richtung angeht: Keine davon ist ein Kompromiss, da man sie alle ausschalten kann.

Greenawalt: Gar nichts, nein. Es gibt bestimmte Voraussetzungen, die jeder 360-Controller erfüllen muss. Dazu gehört ein Guide Button, da die Xbox 360 ja nicht nur eine Spielekonsole ist - sie verbindet die Menschen auch auf außergewöhnliche Art und Weise. Entsprechend wichtig ist deshalb der Guide Button. Außerdem muss jedes Lenkrad einen Anschluss für das Headset haben. Für unsere neuen Mehrspieler-Modi ist das sehr wichtig, z.B. wenn man im Team fährt. Und schließlich muss in jedem Lenkrad auch ein Sicherheits-Chip stecken. Das ist vor allem für mich als Entwickler

Forza 3 unterstützt Fanatecs neues Porsche 911 Turbo S Wheel sowie sämtliche von Microsoft zertifizierten Lenkräder. Einige Besitzer anderer Lenkräder können sich bei der Anschaffung des Porsche-Controllers immerhin den Kauf der Pedale ersparen.
wichtig: Andere Konsolen, die keinen solchen Chip voraussetzen, wurden nämlich gehackt, was einem den Spaß an den Mehrspieler-Rennen vermasseln kann. Ich bin froh, dass die 360 so etwas unterbindet.

4Players: Welche Lenkräder unterstützt das Spiel?

Greenawalt: Wir unterstützen alle Lenkräder, die von der Xbox 360 erkannt werden. Wir entwickeln ja nur die Software, nicht die Hardware.

4Players: Gibt es gar nichts, was sie als Entwickler für die Besitzer anderer Lernkräder tun können?

Ich besitze Zuhause aber selbst ein G25, und das Gute an dem neuen Fanatec-Wheel ist, dass man wahlweise nur das eigentliche Lenkrad kaufen kann. Das funktioniert dann auch im Zusammenspiel mit den Pedalen des G25, so dass man die vorhandenen Pedale einfach anschließen kann. So senkt man immerhin die Anschaffungskosten. Abgesehen davon ist das Fanatec-Lenkrad aber auch wirklich gut! Es hat starke Force Feedback- und Rumble-Effekte. Es gibt ja nicht viele Lenkräder, die sowohl Force Feedback als auch Rumble unterstützen.

Greenawalt: Genau wie in Forza 2 kann man die Kollisionen abschalten. Außerdem kann man seine Freunde einladen, um mit ihnen eine Reihe von Rennen fahren. Oder man wählt Leute, die sich unsportlich verhalten aus dem Spiel, wenn der Großteil der Mitspieler zustimmt. Es geht eher um die Gruppendynamik als um die Regeln des Hosts.

4Players: Sie haben von Online-Rennen gesprochen: Gibt es etwas, das Sie gegen Pistensäue tun, die faire Spieler absichtlich von der Straße schieben?

Noch cooler ist es, eigene Regeln zu bestimmen. Man kann z.B. ein Katz und Maus-Spiel mit Teams und einer bestimmen Klasse Autos erstellen. Es lassen sich alle möglichen Regeln miteinander verbinden und wenn bestimmte Regelwerke häufig gespielt werden, werden wir sie sogar separat anbieten. Call of Duty oder Halo bieten ein solches System bereits an, Rennspiele sind da noch hinterher. Das wird sich in den nächsten Jahren aber entwickeln.

4Players: Es gibt aber keine Strafe, mit der das Spiel rüde Fahrer bestraft...

Greenawalt: Nein, jeder muss diese Fahrer selbst bestrafen. Ich will sie nicht bestrafen. Man kann sie rauswerfen, weil sie wie Idioten fahren, aber das muss jeder für sich entscheiden.   

4Players: Eine Sache zum Realismus: Sie sagten, dass Sie die Originalstrecken mit einer Genauigkeit von weniger als einem Zentimeter vermessen können. Wie detailliert sind dann die im Spiel vorkommenden Nachbildungen? Anders gefragt: Wie groß ist das kleinste Polygon?

Greenawalt: Das kommt auf den Bereich der Strecke an. Wir verwenden eine Reihe von Tricks [um die gewünschte Genauigkeit zu erzielen]. Wenn die Strecke relativ eben ist, können wir große Polygone verwenden. Aber an Stellen, wo sich der Asphalt stark wellt, kommen kleinere zum Einsatz. Zusätzlich können wir dann verschiedene... Texturen ist nicht der richtige Ausdruck... denn das sind sichtbare Elemente. Es ist eher eine Art unsichtbare, aber fühlbare Oberfläche, die wir auf dieses Polygon legen, damit es sich wie eine Reihe kleiner Unebenheiten anfühlt. Man könnte es mit Bump Mapping vergleichen, nur dass die sichtbare Textur auch die Physik beeinflusst. Vielleicht sieht man also ein sehr langes Polygon, auf dem sich aber kleine Unebenheiten befinden.

Greenawalt: Weil wir dafür Kompromisse bei den vier Grundpfeilern des Spiels eingehen müssten: Alle 400 Autos können beschädigt werden, sie können getunt und lackiert werden und man kann sämtliche Wagen in Cockpit-Perspektive fahren. Wir treffen keine Entscheidungen, bei denen wir sagen müssten:

Noch lässt sich die Realität nur bedingt simulieren. Aber Forza 3 ist nah dran!
Nein, bestimmte Dinge funktionieren nur bei 200 unserer Autos. Das ist Bullshit.

4Players: Man kann die ursprünglichen Daten also noch nicht so nehmen wie sie sind und einfach ins Spiel einbauen?

Greenawalt:
Nein, deshalb dauert das auch so lange. Zuerst bauen wir die Daten tatsächlich originalgetreu ein, aber dann müssen wir sie anpassen.

4Players: Gibt es unterschiedliche Wetterbedingungen oder Nachtrennen?

Greenawalt:
Nope.

4Players: Warum nicht?

Es ist nicht so, dass Nachtrennen oder Wetterwechsel unmöglich wären. Dafür müssen wir die Technik aber erst weiter optimieren. Denn nur so kann man sich auf Konsole weiterentwickeln: Man lernt, wie man [die Software] optimieren kann. Sobald wir wissen, wie das geht, können wir diese Möglichkeiten ins Auge fassen. Aber ich werde niemals einen Kompromiss bei der Physik, bei der Grafik oder bei der Simulation eingehen. Manche werden sagen: "Auf dieses oder jenes könnte ich aber verzichten." Aber das können sie nicht. Denn es geht um die Autos - um die Leidenschaft für Autos!

Greenawalt: [winkt ab] Nein. Nein, das war nie ein Problem. Es gab keinen Hersteller, der uns dahingehend abgewiesen hätte. Das ist nur ein Mythos in der Spieleindustrie. Der Grund, weshalb das so schwierig ist, ist der, dass man zuerst den Wagen modellieren und ihn anschließend noch einmal mit Schaden modellieren muss. Dann trägt man die Texturen auf und trägt anschließend noch die Schadens-Texturen auf. Man kann sich natürlich eins der Schadensmodelle und damit viel Zeit ersparen. Außerdem könnte man Speicherplatz sparen, denn man muss die beschädigten Modelle aller Autos ja im Speicher halten. Mit einem Schadensmodell wird jedes Auto immerhin viel größer.

4Players: Was ist eigentlich so schwierig daran, ein Schadensmodell einzubauen? Stellen sich denn wirklich die Hersteller in den Weg?

Greenawalt: Im Allgemeinen tun sie das nicht. Sie sehen uns aber als einen Weg, über den sie ihre heutige Zielgruppe direkt ansprechen können. Sie sehen uns als die Zukunft, denn es ist eine Sache, über ein neues Auto zu lesen oder es in einer Anzeige zu sehen. Es ist aber eine ganz andere Sache, im Spiel einzusteigen, es zu lackieren und es selbst zu fahren.

4Players: Sie haben über die Zusammenarbeit mit den Herstellern gesprochen. Verstehen die Autobauer eigentlich, worum es in den Spielen geht? Versteht man die Community, die sich darum bildet?

Viele Vertreter, mit denen ich zu tun habe, kennen sich nicht besonders gut mit Videospielen aus. Wenn ich ihnen dann erkläre, was wir in der Simulation eigentlich anstellen und dass wir reale Daten dafür brauchen, sind die meisten ziemlich überrascht. "Ihr macht das alles in einem Spiel? Wir machen das nicht mal in unserem eigenen Simulator!" Die haben immer noch Pole Position vor Augen... [lacht] Oder sie haben mit anderen Rennspiel-Entwicklern zu tun, denen sie diese oder jene Informationen zukommen lassen. Wir arbeiten aber auf einem höheren Level und versuchen uns einen vollständigen Überblick darüber zu verstehen, wie jedes Detail funktioniert.

Greenawalt: Wir wurden schon von mehreren Rennteams angesprochen. Die wollen zwar alle ihren eigenen Simulator bauen, weil sie die darin verwendeten vertraulichen Informationen über ihre Wagen nicht weitergeben wollen. Sie fragen uns also, ob sie unseren Simulator nutzen dürfen, ohne dass wir das Auto implementieren, das sie für ein bestimmtes

Neue Welten dank Natal: Ob Rennspieler in Zukunft zu "Schattenlenkern" werden?
Rennen gebaut haben. Deshalb fragen sie uns nach unseren Strecken, nach unserer Simulations-Technik und nach der Grafik-Engine, denn Grafik-Entwickler sind sehr rar. Die meisten arbeiten bei Firmen wie Pixar - unsere besten Entwickler kommen deshalb aus solchen Studios.

4Players: Wie weit geht diese Zusammenarbeit: Können die Ingenieure die Technologie aus Spielen für ihre eigenen Simulationen verwenden?

Greenawalt: Oh, natürlich. Als Designer war ich wirklich begeistert als ich Natal gesehen habe. Denn unsere Vision heißt nicht "Simulation". Die Vision heißt nicht "Racing". Die Vision heißt nicht einmal "Community". Die Vision ist es, aus Spielern Auto-Liebhaber und aus Auto-Liebhabern Spieler zu machen. Wenn man sich Kinder anschaut, die mit Modellen spielen oder wenn ich darüber nachdenke, wie mein Stiefvater an Autos arbeitet - sie nutzen ihre Hände auf ganz natürliche Art und Weise. Im Gegensatz dazu ist das Gamepad ein sehr unnatürlicher Weg.

4Players: Eine Frage zum Schluss: Können Sie sich vorstellen, mit Natal zu arbeiten?

Wenn ich mir Natacha [Gachnang, Formel 2-Pilotin und europäische Patin des Spiels, Anm. d. Red.] anschaue, die geht selbstverständlich ganz natürlich mit dem Lenkrad um. Und für mich als Spieler fühlt sich das Gamepad ja auch vollkommen natürlich an. Aber was ist mit der Generation von morgen oder Menschen, die keine leidenschaftlichen Spieler sind? Unter denen gibt es trotzdem viele, die diese Leidenschaft für Autos teilen - und Natal ist ein sehr natürlicher Weg, sie ans Spielen heranzuführen.

Greenawalt: Eine Menge! Deshalb mache ich meinen Job. [lacht] Es gibt eine Tonne neuer Erfahrungen. Wir müssen sie natürlich erst entwickeln, was vielleicht Jahre dauern wird. Um ehrlich zu sein: Ich habe keine Ahnung, was genau wir letztendlich damit anstellen werden. Ich muss jetzt erst mal eine Pause einlegen, mein Team muss Urlaub machen. Und dann kommen wir zurück und denken darüber nach, was wir tun wollen. Aber sobald ich es gesehen hatte, sind meine Gedanken in alle Richtungen ausgebrochen - es gibt so viele Dinge, die ich ausprobieren will!

4Players: Aber was könnte man mit Natal tun...

4Players: Vielen Dank für das Interview!