Buchtipp für Spieler - Special, Sonstiges, 360, PlayStation2, PC, NDS, GameCube, Spielkultur, PSP, Wii, PlayStation3
"Der Nestor des Spiels"
Erwin Glonnegger, der mit "Handel und Wandel" oder "Emil und die Detektive" selbst unterhaltsame Brettspiele erfunden hat, konnte schon vor knapp zwanzig Jahren aufgrund des ansehnlichen Layouts zahlreiche Preise gewinnen - und auch heute sticht die Aufmachung sofort ins Auge: Neben Holzschnitten und Kupferstichen, Collagen und Malereien finden sich Abbildungen kostbarer Spielerelikte aus international renommierten Museen; darunter das erste Monopoly aus dem Jahr 1936, Schachfiguren aus Burma oder jahrtausendealte Schlangenlaufspiele aus Ägypten.
Das Werk bietet einen leicht verständlichen, aber wissenschaftlich fundierten und überaus interessanten Überblick zu allen prägenden und bekannten Gesellschaftsspielen der Welt. Hat jemand gewusst, dass das 1957 in Frankreich erschienene Brettspiel Risiko tatsächlich in Deutschland auf den Index sollte? Erst als man aus dem jugendgefährdenden "Erobern" und "Vernichten" das politisch korrekte "Befreien" machte, durfte die Welteroberung mit Plastikarmeen auch hierzulande stattfinden - die deutsche Jugendschutzhysterie hat Tradition.
Brett- und Legespiele aus aller Welt
Wir haben uns die Neubearbeitung des Klassikers aus dem Jahr 2009 angeschaut, die auf 288 Seiten ein großes historisches und inhaltliches Spektrum abdeckt - von den Ursprüngen des "Mensch ärgere dich!" in Indien über antike und mittelalterliche Spiele wie Mühle, Dame oder Schach bis hin zu neuzeitlichen Brettspielen wie Scotland Yard, Carcassonne, Die Siedler oder Rubiks Zauberwürfel. Nimmt man das Lexikon des Anhangs hinzu, wird man von A wie Abalone bis Z wie Zug um Zug auch in kleinen Artikeln fündig - abgerundet wird das Ganze von einem Personenregister und Literaturverzeichnis.
Auszeichnung als "schönstes Buch"
Das Besondere an der Lektüre: Das Buch ist sowohl Lexikon als auch Bilderreise und vor allem Anleitung für die eigene Spielerstellung. Glonnegger leitet die in Genre unterteilten Kapitel wie "Glück muss man haben" , "Belagern und Verteidigen"
oder "Ziehen und Hüpfen" meist mit geistreichen Beschreibungen und historischen Rückblicken ein, bevor er einzelne Spiele analysiert und ihre Regeln schildert. Besonders interessant für Historiker: Es wird auch versucht, verschollene Regeln aus der Antike zu rekonstruieren - z.B. das orientalische Zwanzigfelderspiel, dem auch die Pharaonen zugeneigt waren. Und wer sich als deutscher Yakuza 3-Spieler gerade darüber ärgert, dass Shogi nicht auf der PlayStation 3 dabei ist: Auf Seite 190 und 191 findet man die klassischen Regeln zum japanischen Schachspiel inklusive Figurentypen und Brettaufbau.Gibt es etwas zu meckern? Nur wenn man genau hinschaut und das Buch aus einer moderneren Perspektive betrachtet: Hier und da haben sich ein paar Fehler eingeschlichen wie etwa die falsche Figurenanzahl für Gala auf S. 193, aber das sind angesichts des Umfangs sowie des durchweg guten sprachlichen Stils nur orthografische Peanuts. Schade ist jedoch, dass es manche moderne Entwicklungen der Brettspielwelt nicht in das Lexikon geschafft haben: Zum einen sucht man Begriffe wie Pen&Paper, Hero Quest, Midgard, Das Schwarze Auge, Talisman oder auch eine Würdigung der wichtigsten Rollenspiele im Allgemeinen vergeblich - und das, obwohl diese auch zur Familie der Brettspiele gehören und diese geprägt haben. Lediglich ein kleiner Artikel zum Thema "Roleplaying" ist dabei.
Kritik und Kleinigkeiten
Außerdem hat man leider den kreativen Shootingstar der Brettspielwelt vergessen: Vlaada Chvatil. Der Tscheche
veröffentlicht seit einigen Jahren ein Meisterwerk nach dem anderen und bricht dabei mit Konventionen - Spiele wie Galaxy Trucker, Space Alert oder Im Wandel der Zeit werden derzeit von Kritikern in aller Welt hoch gelobt. Schade ist in diesem Zusammenhang auch, dass man dem Verfasser die Distanz zu Computer- und Videospielen anmerkt, werden sie doch nur in negativen Randnotizen abgehandelt.Statt auf die vielen kreativen Schnittstellen der beiden Spielarten aufmerksam zu machen, die es vor allem im Strategiebereich, aber auch hinsichtlich des Phänomens der Immersion gibt, liest man hier in kleinen Artikeln von "Killerspielen" und "Verkaufsstopp" und "Spielsucht". Allerdings darf man nicht vergessen, dass Erwin Glonnegger, Jahrgang 1925 und Wehrmachtssoldat mit Fronteinsatz, auch auf dem Brett nie einen Draht zu Kriegsspielen im Allgemeinen oder Tabletop und Cosims im Besonderen gefunden hat. Selbst ein Klassiker wie "Risiko" wird nur kurz unter der Erwähnung der damalig geplanten Indizierung besprochen.