Battlestar Galactica: Das Brettspiel - Special, Brettspiel, Spielkultur
Kampfstern Galactica – das ist heute noch ein Name, der ältere Semester umgehend in den Weltraum der späten 70er Jahre entführt, wo sich Menschen und Zylonen packende Lasergefechte lieferten. Zwar erreichte die Science-Fiction aus der Feder von Glen A. Larson nie die Popularität eines Star Wars, aber die Faszination reichte über zwanzig Jahre später scheinbar noch für eine neue Fernsehserie, die 2003 startete und bis 2009 vier Staffeln hervorbrachte. Auch hierzulande wurde sie ausgestrahlt.
TV-Serie landet auf dem Tisch
Weil es zum einen über zwei bis drei Stunden die Seele der futuristischen Spielwelt einfängt, was Artdesign und Konflikte angeht. Egal ob Anleitung oder Karten, Zitate oder Schauspieler, Spielplan oder Raumschiffe – wer die Serie kennt, darf sich auf viele Déjà-vus, hochwertiges Material und eine sehr gute deutsche Übersetzung freuen. Das Spiel kommt zwar nicht an die enorme Ausstattung eines Descent oder StarCraft heran, was die Figuren angeht, aber es geht hier auch nicht um Dungeonaction oder Truppenverlegung im All, sondern um konspirative Machtpolitik an Bord der Galactica. Es wird zwar auch mit Viper & Co gekämpft, aber der Kern besteht aus cleverer Intrige auf einem edel illustrierten Spielplan.
Mensch oder Zylone?
Ihr kennt die Serie nicht? Auch kein Problem, denn die Spielmechanik ist noch besser als das Artdesign. Die Spannung steigt schon zu Beginn: Man taktiert nicht einzeln gegen alle anderen oder in klaren Teams, sondern mit drei bis sechs Freunden wie in einem Spionagekrimi mit Doppelagenten: Wer ist auf welcher Seite? Das weiß man nicht! Gibt es überhaupt einen Verräter? Auch das ist nicht klar! Man übernimmt zunächst sichtbar für alle die Rolle eines von zehn Charakteren auf der Galactica – darunter die angriffslustige Kara „Starbuck“ Thrace oder der zwielichtige „Gaius Baltar“. Jeder hat besondere Fähigkeiten wie „erfahrener Pilot“ oder „wahnhafte Eingebung“ sowie unterschiedliche Qualitäten in den fünf Bereichen Politik, Führerschaft, Technik, Taktik und Raumkampf.
Ein Team, zwei Ziele
Der Zufall und die Zahl der Mitspieler entscheidet, wer und wie viele Charaktere zu den feindlichen Zylonen gehören – ab fünf Teilnehmern sind es maximal zwei. Das Regelwerk ist zwar komplex, aber aufgrund der anschaulichen Anleitung mit ihren Beispielen nach ein, zwei Partien verinnerlicht. Es gibt lediglich zwei mögliche Störfaktoren in der Balance der ersten Spiele: Da der oder die Zylonen relativ mächtig sind, sollte man die Ressourcen der Menschen im Vorfeld um zwei Punkte erhöhen. Andererseits sollte man sich als Zylon bewusst sein, dass man erst nach der eigenen Enttarnung richtig effizient sabotieren kann - man darf also nicht zu lange unentdeckt und still bleiben.
Je nachdem, ob man für die Menschen oder die Roboterspezies aktiv ist, ändern sich die Ziele und Gewinnsituationen. Erstere müssen den Kampfstern möglichst intakt bis nach Kobol bringen, denn dort vermutet man Hinweise auf die alte Erde – das geht nur über eine lange Reise mit erfolgreichen Sprüngen durch den Weltraum, die Treibstoff und Bevölkerung kosten sowie die Vernichtung von Verfolgern verlangen. Der Schicksalskartenstapel hält zudem viele Krisen und Herausforderungen bereit, denen man sich stellen muss. Außerdem darf weder die Moral noch die Zahl der Bevölkerung zu stark sinken.
Die heimlich agierenden Zylonen haben natürlich nur ein Ziel: Die Flucht der Menschen verhindern! Dafür müssen sie allerdings möglichst lange unentdeckt bleiben und können mehrere perfide Taktiken verfolgen. Sie können z.B. eine der für den Sprung wichtigen Ressourcen sabotieren – Treibstoff, Nahrung, Bevölkerung oder auch Moral stehen zur Wahl. Oder sie leiten eine feindliche Übernahme durch ein Enter-Kommando der Zylonen ein. Oder sie gehen aufs Ganze und zerstören den kompletten Kampfstern. Man sieht schon: Es gibt viel Destruktives zu tun – oder tapfer zu verhindern!
Sabotage in drei Akten
Das Team baut wichtige Rohstoffe für den nächsten Sprung auf, reagiert auf Krisen durch Ereignisse wie Revolten oder Angriffe. Zwei Elemente sorgen für Spannung am Tisch: Die getarnten Zylonen dürfen ja nicht zu plump ihre Hilfe in Konflikten verweigern, wenn sie nicht in der Arrestzelle landen wollen, sondern müssen langfristiger am Schicksal der Galactica nagen. Es kann helfen, wenn man über subtile Hinweise oder cleveres Auslegen von Karten andere Mitspieler verdächtig macht. Denn nur wenn man sich zu einem guten Zeitpunkt selbst enttarnt, kann man die Moral der Menschen treffen und weiter aktiv sabotieren, indem man als „Auferstandener“ von einem Zylonenschiff aus agiert.
Psychokrieg und Schläferangst
Das Kampfsystem ist denkbar einfach und simuliert Schlachten zwischen einer Hand voll Schiffstypen – von der schnittigen Viper und den bulligen Raptoren bis hin zu schweren Jägern und Basissternen. Alle Gefechte spielen sich im Umfeld der Galactica ab, die in Zonen unterteilt sind. Bei einem Angriff entscheidet der achtseitige Würfel und der Schiffstyp des Ziels über den Schaden: Wer einen Raptor der Zylonen angreift, zerstört ihn schon bei einer 3 bis 8. Allerdings hat man im Cockpit einer Viper kaum eine Chance gegen einen mächtigen Zylonen-Basisstern – nur mit einer 8 kann man es überhaupt beschädigen. Unterm Strich laufen die Gefechte sehr flüssig und sind auch ohne den taktischen Anspruch eines StarCraft eine angenehme Ergänzung.
Wer ist Zylone? Wer spielt eine Doppelrolle? Wie viel Treibstoff haben wir noch? Reicht die Bevölkerung für einen weiteren Sprung? Paranoia und Panik bestimmen die Atmosphäre und sorgen für kommunikativen Nervenkitzel! In der richtigen Gruppe, am besten mit vier Leuten, kommt futuristische Spannung und Rollenspielflair auf. Man muss auch nicht die TV-Serie oder die Charaktere kennen, um hier für zwei bis drei Stunden sehr gut unterhalten zu werden. Während man gemeinsam Krisen und Kämpfe besteht, wächst jede Runde das Misstrauen und damit die Motivation für ein perfides Schauspiel: Kann man als Zylone seine Mitspieler täuschen? Man berät sich, beschuldigt sich, bekämpft sich und es kann auch schon mal laut werden, denn man wird so richtig in das Schicksal der Flotte hinein gezogen. Dem umtriebigen Corey Konieczka ist mit diesem ebenso intrigenreichen wie taktischen Spielkonzept ein zeitloser Klassiker gelungen, der trotz kleiner, aber umgehbarer Balanceschwächen zu recht in vielen Bestenlisten ganz weit oben rangiert. Battlestar Galactica ist eines der besten kooperativen Brettspiele – ich würde es hinsichtlich des Regelwerks und der Dramaturgie noch vor Arkham Horror einordnen.
Ausblick
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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