Battlestar Galactica: Das Brettspiel - Special, Brettspiel, Spielkultur

Battlestar Galactica: Das Brettspiel
03.05.2011, Jörg Luibl

Special: Battlestar Galactica: Das Brettspiel

Intrige versus Kooperation

Mit den Lizenzen hat die Spielewelt so ihre Probleme. Nicht selten bleibt von einem großen Namen nur ein Häufchen schnell produzierter Langeweile zurück – so geht es aktuell dem billig inszenierten Thor auf Konsolen. Interessanterweise findet man unter den Brettspielen häufiger eine Qualität, die nicht nur der Marke gerecht wird, sondern auch kreative Zeichen setzt. So war es bei Doom, so war es bei StarCraft und so ist es vor allem bei Battlestar Galactica.

Kampfstern Galactica – das ist heute noch ein Name, der ältere Semester umgehend in den Weltraum der späten 70er Jahre entführt, wo sich Menschen und Zylonen packende Lasergefechte lieferten. Zwar erreichte die Science-Fiction aus der Feder von Glen A. Larson nie die Popularität eines Star Wars, aber die Faszination reichte über zwanzig Jahre später scheinbar noch für eine neue Fernsehserie, die 2003 startete und bis 2009 vier Staffeln hervorbrachte. Auch hierzulande wurde sie ausgestrahlt.

TV-Serie landet auf dem Tisch

Battlestar Galactica ist ein semi-kooperatives Brettspiel. Es erschien 2009 in deutscher Version beim Heidelberger Spielverlag und kostet knapp 30 Euro.
Auf den Charakteren dieser TV-Abenteuer baut das mittlerweile in vielen Toplisten weit oben rangierende Brettspiel von Corey Konieczka auf. Er ist in der Würfelszene längst ein leiser Star, zeichnete bereits für Descent verantwortlich und bewies des Öfteren ein Händchen für ebenso komplexe wie üppig inszenierte Tischepen. Mit Battlestar Galactica gelang ihm im Jahr 2008 sein bisher bestes Spiel, das in seiner Regelbalance und Dramaturgie selbst Arkham Horror schlägt. Warum sollte sich kein Brettspielfan (mit mindestens zwei sozialen Kontakten) diese Box entgehen lassen?

Weil es zum einen über zwei bis drei Stunden die Seele der futuristischen Spielwelt einfängt, was Artdesign und Konflikte angeht. Egal ob Anleitung oder Karten, Zitate oder Schauspieler, Spielplan oder Raumschiffe – wer die Serie kennt, darf sich auf viele Déjà-vus, hochwertiges Material und eine sehr gute deutsche Übersetzung freuen. Das Spiel kommt zwar nicht an die enorme Ausstattung eines Descent oder StarCraft heran, was die Figuren angeht, aber es geht hier auch nicht um Dungeonaction oder Truppenverlegung im All, sondern um konspirative Machtpolitik an Bord der Galactica. Es wird zwar auch mit Viper & Co gekämpft, aber der Kern besteht aus cleverer Intrige auf einem edel illustrierten Spielplan.

Mensch oder Zylone?

Ihr kennt die Serie nicht? Auch kein Problem, denn die Spielmechanik ist noch besser als das Artdesign. Die Spannung steigt schon zu Beginn: Man taktiert nicht einzeln gegen alle anderen oder in klaren Teams,  sondern mit drei bis sechs Freunden wie in einem Spionagekrimi mit Doppelagenten: Wer ist auf welcher Seite?  Das weiß man nicht! Gibt es überhaupt einen Verräter? Auch das ist nicht klar! Man übernimmt zunächst sichtbar für alle die Rolle eines von zehn Charakteren auf der Galactica – darunter die angriffslustige Kara „Starbuck“ Thrace oder der zwielichtige „Gaius Baltar“. Jeder hat besondere Fähigkeiten wie „erfahrener Pilot“ oder „wahnhafte Eingebung“ sowie unterschiedliche Qualitäten in den fünf Bereichen Politik, Führerschaft, Technik, Taktik und Raumkampf.

Man kann auch zu dritt loslegen, aber erst ab vier Leuten wächst die Spannung - bis zu sechs Mitspieler sind möglich. Das Regelwerk ist komplex, aber gut verständlich.
In dieser Phase sollten noch alle Spieler gemeinsam darauf achten, eine gute Mischung der vier Klassen und beruflichen Qualitäten zu wählen, denn nur mit politischen Anführern und Supporter, aber ohne Piloten oder militärische Führer sieht es im Kampf schlecht aus. Wie soll man eine heikle Reparatur ohne Techniker meistern? Nicht nur hier kommt angenehmes Rollenspielflair auf, das auch von Fertigkeitenproben in mehreren Schwierigkeitsgraden getragen wird. Und es wird regelrecht angeheizt, wenn alle Spieler danach verdeckt ihre wahre Identität ziehen, denn die feindlichen Zylonen können theoretisch in jeder Menschengestalt auftreten – schon zu Beginn sind sie an Bord. Nur wer ist es? Oder hat etwa keiner die "Sie sind ein Zylon"-Karte gezogen?

Ein Team, zwei Ziele

Der Zufall und die Zahl der Mitspieler  entscheidet, wer und wie viele Charaktere zu den feindlichen Zylonen gehören – ab fünf Teilnehmern sind es maximal zwei. Das Regelwerk ist zwar komplex, aber aufgrund der anschaulichen Anleitung mit ihren Beispielen nach ein, zwei Partien verinnerlicht. Es gibt lediglich zwei mögliche Störfaktoren in der Balance der ersten Spiele: Da der oder die Zylonen relativ mächtig sind, sollte man die Ressourcen der Menschen im Vorfeld um zwei Punkte erhöhen. Andererseits sollte man sich als Zylon bewusst sein, dass man erst nach der eigenen Enttarnung richtig effizient sabotieren kann - man darf also nicht zu lange unentdeckt und still bleiben.

Je nachdem, ob man für die Menschen oder die Roboterspezies aktiv ist, ändern sich die Ziele und Gewinnsituationen. Erstere müssen den Kampfstern möglichst intakt bis nach Kobol bringen, denn dort vermutet man Hinweise auf die alte Erde – das geht nur über eine lange Reise mit erfolgreichen Sprüngen durch den Weltraum, die Treibstoff und Bevölkerung kosten sowie die Vernichtung von Verfolgern verlangen.  Der Schicksalskartenstapel hält zudem viele Krisen und Herausforderungen bereit, denen man sich stellen muss. Außerdem darf weder die Moral noch die Zahl der Bevölkerung zu stark sinken.

Die heimlich agierenden Zylonen haben natürlich nur ein Ziel: Die Flucht der Menschen verhindern! Dafür müssen sie allerdings möglichst lange unentdeckt bleiben und können mehrere perfide Taktiken verfolgen. Sie können z.B. eine der für den Sprung wichtigen Ressourcen sabotieren – Treibstoff, Nahrung, Bevölkerung oder auch Moral stehen zur Wahl. Oder sie leiten eine feindliche Übernahme durch ein Enter-Kommando der Zylonen ein. Oder sie gehen aufs Ganze und zerstören den kompletten Kampfstern. Man sieht schon: Es gibt viel Destruktives zu tun – oder tapfer zu verhindern!

Sabotage in drei Akten

Es gibt kleine Plastikminiaturen der Raumschiffe - Vipern, Raptoren, Jäger. Aber im Mittelpunkt des Spiels steht nicht der Kampf, sondern die taktische Intrige.
Wie läuft das Spiel ab? Die Crew um Captain Adama zieht abwechselnd durch Bereiche wie Labor, Hangardeck oder Kommandostand der Galactica. Je nach eigenen Fähigkeiten und Ort kann man Aktionen ausführen – wer z.B. die Waffensteuerung betritt, darf von dort aus ein Zylonenschiff beschießen, wer die FTL-Kontrolle betritt, darf einen Sprung einleiten. Man kann auch Fertigkeitskarten spielen, eine Viper für den Luftkampf betreten oder gemäß seines Titels oder seiner Rolle handeln: Gaius Baltar darf z.B. einmal alle Loyalitätskarten eines Mitspielers ansehen – sehr delikat.

Das Team baut wichtige Rohstoffe für den nächsten Sprung auf, reagiert auf Krisen durch Ereignisse wie Revolten oder Angriffe. Zwei Elemente sorgen für Spannung am Tisch: Die getarnten Zylonen dürfen ja nicht zu plump ihre Hilfe in Konflikten verweigern, wenn sie nicht in der Arrestzelle landen wollen, sondern müssen langfristiger am Schicksal der Galactica nagen. Es kann helfen, wenn man über subtile Hinweise oder cleveres Auslegen von Karten andere Mitspieler verdächtig macht. Denn nur wenn man sich zu einem guten Zeitpunkt selbst enttarnt, kann man die Moral der Menschen treffen und weiter aktiv sabotieren, indem man als „Auferstandener“ von einem Zylonenschiff aus agiert.

Psychokrieg und Schläferangst

Zu Beginn wählt man einen von zehn Charakteren aus der TV-Serie - alle haben unterschiedliche Fähigkeiten.
Ein weiteres Spannungselement kommt in der Mitte des Abenteuers zum Tragen: Wenn die Galactica die Hälfte ihrer Strecke nach Kobol zurückgelegt hat, bekommt jeder Spieler nochmal eine Loyalitätskarte – falls man Zylon war und jetzt eine Menschenkarte erhält, bleibt man ein Zylon; umgekehrt wird man zu einem. Selbst der tapferste Kampfpilot ist plötzlich ein verräterischer Feind! Danach kann man aber nicht nur Zylon oder weiter Mensch, sondern auch Sympathisant sein, so dass die Lage an Bord erneut undurchsichtiger wird. Letztere muss sofort offen gezeigt werden und entlarvt den Betroffenen entweder als Menschen- oder Zylonenfreund.

Das Kampfsystem ist denkbar einfach und simuliert Schlachten zwischen einer Hand voll Schiffstypen – von der schnittigen Viper und den bulligen Raptoren bis hin zu schweren Jägern und Basissternen. Alle Gefechte spielen sich im Umfeld der Galactica ab, die in Zonen unterteilt sind. Bei einem Angriff entscheidet der achtseitige Würfel und der Schiffstyp des Ziels über den Schaden: Wer einen Raptor der Zylonen angreift, zerstört ihn schon bei einer 3 bis 8. Allerdings hat man im Cockpit einer Viper kaum eine Chance gegen einen mächtigen Zylonen-Basisstern – nur mit einer 8 kann man es überhaupt beschädigen. Unterm Strich laufen die Gefechte sehr flüssig und sind auch ohne den taktischen Anspruch eines StarCraft eine angenehme Ergänzung.

 Wer ist Zylone? Wer spielt eine Doppelrolle? Wie viel Treibstoff haben wir noch? Reicht die Bevölkerung für einen weiteren Sprung? Paranoia und Panik bestimmen die Atmosphäre und sorgen für kommunikativen Nervenkitzel! In der richtigen Gruppe, am besten mit vier Leuten, kommt futuristische Spannung und Rollenspielflair auf. Man muss auch nicht die TV-Serie oder die Charaktere kennen, um hier für zwei bis drei Stunden sehr gut unterhalten zu werden. Während man gemeinsam Krisen und Kämpfe besteht, wächst jede Runde das Misstrauen und damit die Motivation für ein perfides Schauspiel: Kann man als Zylone seine Mitspieler täuschen? Man berät sich, beschuldigt sich, bekämpft sich und es kann auch schon mal laut werden, denn man wird so richtig in das Schicksal der Flotte hinein gezogen. Dem umtriebigen Corey Konieczka ist mit diesem ebenso intrigenreichen wie taktischen Spielkonzept ein zeitloser Klassiker gelungen, der trotz kleiner, aber umgehbarer Balanceschwächen zu recht in vielen Bestenlisten ganz weit oben rangiert. Battlestar Galactica ist eines der besten kooperativen Brettspiele – ich würde es hinsichtlich des Regelwerks und der Dramaturgie noch vor Arkham Horror einordnen.

Ausblick

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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Kommentare
Piekäj

Bei mir uns in unserer Gruppe hat das Spiel leider nicht gezündet, obwohl ich diese Art Spiel grundsätzlich gerne mag. Nach all den positiven Bewertungen hatte ich mehr erwartet. Wir hatten in unserer Partie zwar durchaus Spaß, aber es besitzt auch einige derbe Pferdefüße.

Aber zunächst mal die ...

Pros:
+ Thema ist charmant eingefangen
+ Material hat eine tolle Qualität
+ Das Misstrauen am Tisch und die Diskussionen und Anschuldigungen machen Spaß (wenn sie denn auftreten)

Dem entgegen stehen für meinen Geschmack folgende

Cons:
- Es gibt für die Spieler wenig wirklich interessante Entscheidungen zu treffen. Meistens ist sind die richtigen Handlungen sehr offensichtlich und man fühlt sich ein Stück weit gespielt
- Es gibt kaum eine Grundlage, seinen Verdacht gegen jemanden zu erhärten oder vielleicht sogar den Verdacht auf jemanden zu lenken (mal abgesehen von den Negativkarten, die man in die Proben mit reingibt); Dadurch fällt es schwer, sich wirklich eine Meinung für oder gegen jemanden zu bilden oder zu manipulieren. Grundsätzlich macht man sich verdächtig, wenn man Aktionen nutzt, die einen Fertigkeitskarten ziehen lassen, die an normalerweise nicht ziehen dürfte
- Wird ein Zylon zu früh enttarnt, hat er anschließend mehrere Stunden Langeweile vor sich, denn als offenes Taktik-Scharmützel taugt das Spiel nicht
- Mein Hauptkritikpunkt: Es ist viiiiiiel zu lang für das, was man als Spieler im Endeffekt tut.

Wir hatten durchaus einen unterhaltsamen Abend mit dem Spiel, aber wenn ich ein Spiel dieser Art spielen möchte, greife ich für was schnelles zwischendurch lieber zu Tempel des Schreckens, für etwas mehr Thema bei einfachen Spielabläufen und einer moderaten Spielzeit Human Punishment und für ein abendfüllendes Spiel werde ich mir mal Nemesis genauer ansehen.

Wahrscheinlich ist das Spiel einfach ein Kind seiner Zeit und doch nicht so komplett zeitlos. Gäbe es keine interessanten Alternativen, würde ich es definitiv spielen, da es schon ne schöne Eigenständigkeit besitzt, aber heutzutage gibt es außer Nostalgie oder einen starken Bezug zur Serie eigentlich kaum Gründe das Spiel zu spielen. Möglicherweise verändern die Erweiterungen das noch etwas, aber in der Grundausstattung muss ich das nicht unbedingt nochmal spielen.

vor 4 Jahren