Child of Eden - Special, Arcade-Action, 360, PlayStation3

Child of Eden
05.05.2011, Jan Wöbbeking

Special: Child of Eden

Die Entwicklung des Rez-Nachfolgers Child of Eden (ab 9,07€ bei kaufen) nähert sich der finalen Phase. Vor kurzem konnten wir die ersten Levels des psychedelischen Rail-Shooters anzocken. Auch der Vater des Spiels, Tetsuya Mizuguchi, machte einen Abstecher nach Hamburg - also haben wir uns mit ihm über Inspirationen und das Konzept hinter dem ungewöhnlichen Design unterhalten.

Tetsuya Mizuguchi: Als Rez fertiggestellt war, hatte ich bereits eine Vorstellung davon, wie ein weiteres »Synthesthesia Experience Game« aussehen könnte. Dabei hatte ich vor allem zwei Leitmotive im Hinterkopf: Eines dreht sich um mehr Emotionen, das andere um ein deutlich organischeres Design. Diese Ideen habe ich lange Zeit mit mir herumgetragen. Als ich dann einige Producer von Ubisoft traf, habe ich mich mit ihnen darüber unterhalten – und schließlich haben wir es umgesetzt. Seit zwei Jahren arbeiten wir jetzt daran. Eigentlich habe ich all die Jahre nach Rez ständig darüber nachgedacht.

4Players: Nach deinem Weggang von Sega und der Gründung von Q Entertainment hast du dich hauptsächlich auf Puzzlespiele konzentriert. Wann fiel die Entscheidung, dass es Zeit für einen Rez-Nachfolger wird?

Vor der Gründung von Q Entertainment arbeitete Mizuguchi bei Sega an Titeln wie Sega Rally Championship und dem Musikspiel Space Channel 5.

Tetsuya Mizuguchi: Manchmal muss man eben auf eine neue Technologie warten. Wir brauchten einen Anlass für einen Nachfolger, damit wir das gleiche Konzept sinnvoll fortsetzen konnten. Ich musste erst einmal viele Jahre darauf warten, bis Technolgien wie HD-Grafik und 5.1-Sound auftauchten.



4Players: Die Dreamcast-Version habe ich mir damals am ersten Tag geholt, war völlig begeistert und demenstprechend heiß auf einen Nachfolger. Warum hat das elf Jahre gedauert?

Tetsuya Mizuguchi: Ubisoft hat natürlich viele Blockbuster-Titel im Angebot. Aber sie wissen auch, dass sie sich zum Ausgleich an neue Herausforderungen, Technologien und Ausdrucksformen heranwagen müssen. Klar, es handelt sich schon um ein experimentelles Projekt. Aber die Leute bei Ubisoft wissen das ja, es ist also eine angenehme Kooperation.

4Players: War es schwer, Ubisoft davon zu überzeugen, einen eher experimentellen Titel mit ungewöhnlichem Design zum Vollpreis herauszubringen?

4Players: In Rez und Child of Eden fällt immer wieder das Wort Synesthesia. Bist du auch von diesem Phänomen betroffen? Dazu muss ich etwas weiter ausholen: Bei manchen Personen sind ja unterschiedliche Sinne miteinander verknüpft, so dass sie z.B. jeden Ton auch als Farbe sehen. In einer Radiosendung hatte ich vor einigen Jahren den Musiker Martin Damm zu Gast, der unter Pseudonymen wie »Biochip C« und »The Speed Freak« elektronische Musik produziert. Er ist Synästhetiker und wenn er Töne hört, erscheinen sie zusätzlich als Farben vor seinen Augen. Wenn in diesem Farben-Bild etwas nicht zusammenpasst, klingt meist auch das Stück noch nicht richtig rund. Ist das bei dir auch der Fall?

Auch die Sängerin von Mizuguchis J-Pop-Band Genki Rockets hat ihren Auftritt im Spiel.


Tetsuya Mizuguchi: Synesthätische Gefühle?

Tetsuya Mizuguchi: Über diese Zusammenspiel zwischen Musik und Tönen habe ich auch schon viel nachgedacht. Ich habe eine Band, sie heißt Genki Rockets. In den Musikvideos und in Clubs überlegen wir immer, wie wir mit visuellen Installationen und Sounds ein neues Erlebnis erschaffen können. Wir fragen uns, wie wir ein positives Gefühl durch Sound und Musik hervorrufen können – auch mit Hilfe von 3D-Technologie.

4Players: Es ist etwas schwer zu erklären. Kurz gesagt: Er hört nicht nur Töne, sondern sieht sie auch. Ist das bei dir ähnlich?

Tetsuya Mizuguchi: Nein, ich schreibe die Texte, entwerfe das Konzept und schreibe die Story, welche hinter allem steckt. Genki Rockets ist so eine Art Hybrid-Projekt mit vielen Künstlern. Hinter der Bühne gibt es viele Komponisten, viele Visual Creators. Manchmal treten wir live im Club auf – mit einem DJ im Astronautenanzug, LED-Lichtern und visuellen Intallationen in 3D. Die Zuschauer tragen während des Auftritts 3D-Brillen und sehen dann, wie die Projektionen sich zur Musik durch den Raum bewegen. In dieser Richtung wollen wir weitermachen. Vielleicht werden wir bald auch einige Auftritte in Deutschland oder anderen europäischen Ländern haben.

4Players: Was ist deine Rolle in der Band Genki Rockets? Komponierst du auch die Musik?

4Players: Wer steuert neben Genki Rockets noch Musik für Child of Eden bei?

Tetsuya Mizuguchi: Es sind viele viele Musiker und Komponisten dabei, aber Genaueres kann ich dir noch nicht sagen.

4Players: In Rez konnte man ja in einem »Reise«-Modus ganz entspannt und unsterblich das Schauspiel genießen. Und wenn man sich festbeißen wollte, konnte man versuchen, alle Wertungs-Kategorien mit  100% abzuschließen. Habt ihr euch diesmal für das gleiche Konzept entschieden?

4Players: Wird die PS3-Version von Child of Eden den Move-Controller unterstützen?

Tetsuya Mizuguchi: Bisher haben wir noch nichts dergleichen angekündigt. Aber ich experimentiere momentan mit den neuen Technologien herum und kann mir vorstellen, dass Child of Eden in 3D unheimlich gut aussehen würde.

4Players: Also ist ein 3D-Modus offiziell angekündigt, die Move-Unterstützung aber nicht?

Tetsuya Mizuguchi: Nein, wir haben weder 3D noch Move angekündigt. Es ist nur eine Hoffnung von mir (lacht).

Tetsuya Mizuguchi: Ja. Das Spiel hat den Eden-Modus, in dem man nie stirbt - nur zum Genießen. Außerdem gibt es noch den Hard-Modus und zusätzlich viele Belohnungen.

"Die Wurzeln meiner Idee liegen hier in Europa – wie Bauhaus und der Street-Parade-Techno."

Tetsuya Mizuguchi: Wir haben 5000 Einsendungen aus aller Welt bekommen. Ich wollte eine Art Beziehung mit den Usern aufbauen und die Bilder am Ende des Spiel einsetzen, als eine Art neue Endsequenz. Genauere Details verrate ich jetzt aber noch nicht; dazu musst du Child of Eden bis zum Ende spielen.

4Players: An welcher Stelle habt ihr die Bilder aus der Community eingebaut, welche ihr im Rahmen eures Wettbewerbes bekommen habt?

4Players: Kennst du eigentlich Jeff Minter? Mit Spielen wie Tempest 2000 hat er ja auch sehr farbenfrohe, psychedelische Shooter entwickelt. Oder z.B. Space Giraffe: Dort gibt es manchmal solch einen Farben-Overkill, dass man sich kurzzeitig nur noch nach dem Gehör richten kann. Hast du seine Spiele gespielt und falls ja, wie haben sie dir gefallen?

4Players: Momentan arbeitet er an kleinen iPhone-Spielen. Weil Space Giraffe bei einem Teil der Presse nicht gut ankam und sich wohl auch nicht sonderlich gut verkaufte, versucht er sich lieber an kleinen Projekten. Vor kurzem kam z.B. Minotron, ein Remake eines alten Amiga-Spiels und momentan arbeitet er an weiteren kleinen Arcade-Spielen im Retro-Design.

Tetsuya Mizuguchi: Ja, habe ich. Er ist auch wirklich einzigartig. Was macht er eigentlich gerade?

4Players: Nein, er ist Brite. Er lebt und arbeitet in England auf seiner Farm, wo auch jede Menge Schafe und andere Tiere herumlaufen, die er ja auch gerne in seine Spiele einbaut. Ich selbst habe ihn aber leider noch nicht getroffen.

Tetsuya Mizuguchi: Ist er Deutscher?

Diesmal sind mehr organische Stilelemente ins Spiel eingeflossen als im Vorgänger Rez.


Tetsuya Mizuguchi: Nett.



4Players: Okay, um noch einmal auf Rez zurückzukommen: Wann und wie entstand eigentlich die erste Idee zu solch einem ungewöhnlichen Spiel? Hast du mit anderen Entwicklern herumexperimentiert oder wie kam das?

Tetsuya Mizuguchi: Als ich im Jahr 1994 auf einer Reise durch europäische Länder wie Deutschland und die Schweiz war, geriet ich auf einen schockierenden Rave. Das war die Street Parade – dort bin ich auf die Techno-Kultur gestoßen. Das hat mich derart überrascht, weißt du: Die sehr minimalen Techno-Sounds, die Farben und Lichter, die Bewegung zu der Musik. Über 1000 Leute bewegen sich zusammen zum Beat! Das ist noch immer eine meiner eindrucksvollsten Erinnerungen, das hatte eine unheimlich starke Auswirkung auf mich. Damals hatte ich schon ein Bild davon vor Augen… Ich muss dazu sagen: Ich habe früher Media Esthetics an der Universität studiert. Und das, was sich in Zürich abspielte, erinnerte mich an das Konzept der Synästhesie von Kandinski und Bauhaus. Es war so, als sei ihr Konzept zum Leben erwacht. Aber es war nicht interaktiv. Also wollte ich ein interaktives Erlebnis schaffen: Wie genau das aussehen würde, wusste ich damals noch nicht, aber meine Reise dorthin begann 1994. Es hat zwei, drei Jahre gedauert, bis die PS2- und Dreamcast-Ära neue Technologien brachte, und dann habe ich das Projekt gestartet. Die Wurzeln meiner Idee liegen hier in Europa – wie Bauhaus und der Street-Parade-Techno. Kandinsky war ja Mitglied bei Bauhaus. Daher kommt auch das Synesthesia-Konzept, dass die Künstler genutzt haben. Ich greife also praktisch ihren Spirit auf und führe ihn weiter.

4Players: Eine letzte Frage noch: Welche Musik hörst du momentan?

Tetsuya Mizuguchi: Alle möglichen Genres. Aber ich spiele nicht mehr.

4Players: Du spielst nicht mehr?

Tetsuya Mizuguchi: Ja, ich spiele keine Videospiele mehr.

4Players: Warum das denn?

Tetsuya Mizuguchi: In der Vergangenheit habe ich gespielt, aber mittlerweile ist es genug. Ich habe auch keine Zeit mehr dafür.

4Players: Vielen Dank für das Gespräch!

In bewegten Bildern sieht Child of Eden übrigens noch eindrucksvoller aus. Einen kleinen Vorgeschmack gibt's in unserem Video-Ausblick (hier klicken).