Yinsh - Special, Brettspiel, Spielkultur
Strategie aus Fernost?
Auch wenn es keinen fernöstlichen, sondern einen belgischen Hintergrund gibt: Yinsh ist bei Kris Burm in Antwerpen entstanden und der fünfte Teil einer auf sechs Spiele angelegten Strategiereihe namens "Gipf-Projekt". Keine Bange, man braucht weder die Vorgänger kennen noch ist das Ganze auf dem Tisch so abstrakt wie es sich anhört. Wichtig ist nur, dass sich diese Konzentration des Autoren auf Strategie für zwei in einem kreativen sowie ungewöhnlich geschliffenen und balancierten Spieldesign bemerkbar macht.
Ziel ist es, auf einem Netz aus Knoten eine Fünferreihe mit seiner Farbe zu bilden – und zwar dreimal hintereinander. Jeder legt dabei Runde für Runde seine Steine; beidseitig lackiert und angenehm schwer in der Hand. Das hört sich zunächst nach „Vier gewinnt“ an, wird aber aufgrund der Ringe komplett anders und wesentlich dynamischer gespielt. Denn um einen Stein seiner Farbe zu setzen, muss man ihn in einen der fünf eigenen Ringe legen, die man vor dem Spiel abwechselnd auslegt. Danach bewegt man nur noch den Ring in eine der sechs möglichen Richtungen um so viele Felder, wie erlaubt sind.
Die fliegenden Ringe
Aber erst die zweite Regel macht Yinsh so einzigartig und sie könnte in der obigen Situation noch besser fruchten als der Block: Wer mit seinem Ring in gerade Linie über bereits gelegte Steinreihen fliegt, egal ob eigene, gemischte oder gegnerische, egal ob zwei, drei, fünf oder gar acht, muss direkt dahinter landen und darf sie dann alle umdrehen! Sprich: Überspringt man als weißer Spieler vier schwarze Steine, schafft man sich auf einen Streich vier weiße – das sorgt für plötzliche Machtwechsel auf dem Brett.
Zwischen Ordnung und Chaos: Schwarz gegen Weiß. Alle übersprungenen Steine werden umgedreht. Dynamischer Machtkampf |
Und da hört die Faszination des Spielprinzips noch nicht auf: Denn sobald man eine eigene Fünferreihe meistert, muss man erstens fünf eigene Steine der betreffenden Reihe entfernen, was das Spielbrett wieder luftiger macht, und zweitens auch einen eigenen Ring als Siegpunkt entfernen – hat man drei davon in seiner Leiste, ist man der Sieger. Ein Nachteil als Belohnung? Richtig, damit schwächt man nach einem Etappensieg seine Position, denn man verliert natürlich einen potenziellen Platz und Block für Steine.
Aber genau dieses Hin und Her sorgt nicht nur für unheimlich viel Bewegung auf dem Plan, sondern auch für eine ungewöhnlich gute Balance – man kann Yinsh auch noch gewinnen, wenn jemand mit zwei Siegringen davon zieht. Und man wird sehr schnell feststellen, dass der direkte Angriff, vor allem das plumpe Fixieren auf schnelle Fünfer, selten zum Erfolg führt – manchmal ist es sogar besser, den Gegner kommen zu lassen und in Sicherheit zu wiegen. Es geht eher darum, mehrere Reihen vorzubereiten, immer wieder mit Bauernopfern zu ködern und vielleicht irgendwann, wenn immer mehr Schwarz und Weiß den Plan fluten, genau den einen Zug für den Farbwechsel zu erkennen.
Ausblick
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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