Alice: Madness Returns - Special, Action-Adventure, 360, PlayStation3, PC

Alice: Madness Returns
24.06.2011, Benjamin Schmädig

Special: Alice: Madness Returns

Schön schräg

Ich weiß gar nicht, warum ich diesen Soundtrack immer wieder höre. Die Musik zu American McGees gruseligem Wunderland baut nicht auf erinnerungswürdige Themen und entwickelt sich kaum. Und trotzdem übt sie eine beinahe magische Anziehungskraft auf mich aus. Wie kann das Unscheinbare so faszinierend sein?

Eine nette Geste: Chris Vrenna schrieb zwar nicht den Soundtrack zu Alice: Madness Returns (ab 9,99€ bei kaufen) - weil die Untermalung des Vorgängers aber aus seiner Feder stammt, stiftet er auch dem Nachfolger neue Musik. Und leider bleibt es bei nur einem Titel. "Leider", weil sein "Wasteland" mehr zur musikalischen Vielfalt beiträgt als der Großteil der Stücke! Auf tiefen warnenden Bässen trägt er nervöse Streicher, was wie der Abstieg in eine finstere Höhle anmutet.

Ein alter Freund

Das soll allerdings nicht heißen, andere Titel würden daneben verblassen. Im Gegenteil: In "Jack Spaltter" knistert ein Klavier aus einem alten Grammophon, in "Hatter" scheint die Kette am Fuß eines Eingekerkerten über steinerne Backsteine zu kratzen, in "The Asylum" könnten aus dunklen Mauern wabernde Gespenster kriechen. Die Musik beschreibt den schrägen, bedrohlichen Geisteszustand der verrückten Alice ganz vorzüglich. Oft orientieren sich Hauptkomponist Jason Tai und der für drei Stücke

verantwortliche Marshall Crutcher dabei an verzerrten Klängen wie sie auch die Silent Hill-Serie nutzt. Das metallische Stöhnen in "Fort Resistance" könnte z.B. ebenso den Survival-Horror begleiten wie das unrhythmische Klimpern aus "Into Londerland". An anderer Stelle, etwa in "Radcliff's Fate", erzählt die Musik von trauriger Einsamkeit, wenn ein Klavier gedankenverloren spielt.

Fast jedes Stück ist stimmungsvoll, viele schwelgen in einer sanften Melancholie - ihnen fehlt aber ein markantes Thema. Zu allem Überfluss ziehen die meisten Titel mit Spielzeiten zwischen einer und zwei Minuten viel zu schnell vorüber. Selbst wenn sie eine Melodie entwickeln würden: Man hat kaum Zeit, in die Emotionen abzutauchen. Und so vergeht ein Soundtrack, der mal vom Klavier und mal von Streichern vorgetragen oder von einem verzehrten Dröhnen begleitet wird - bei dem jeder Abschnitt aber nur die Wiederholung der vorangegangenen Minuten zu sein scheint.

Elektronische Ferne

Das Arrangement ist daran nicht ganz unschuldig, denn alle beteiligten Komponisten bauen vor allem auf synthetische Klänge. Dabei könnte gerade ein organisches Orchester mit Überzeugung flehen oder wimmern, wenn man die Instrumente gefühlvoll quält. In der Musik von Tai, Crutcher und Vrenna überwiegt aber leider eine elektronische Kälte, die einen durchgehenden Sicherheitsabstand zum Hörer aufbaut.

Unscheinbar und trotzdem stimmungsvoll: Der schräge Soundtrack des Gruselmärchens erzeugt eine eigenwillige Atmosphäre, die voller Spannung ist. Die Musik ist so bezaubernd düster, dass ich sie wieder und wieder hören kann. Mein Faible für diese Mischung aus Bedrohlichkeit und Melancholie macht es ihr dabei verdammt einfach, mich in ihren Bann zu ziehen. Umso bedauerlicher, dass dem Soundtrack starke Themen und Entwicklungen fehlen. Denn so gelingt es ihm nie, das beständig Reizvolle in eine emotionale Bindung zu verwandeln. Handwerklich ist die Musik dafür zu gewöhnlich. Thematisch erschafft das Komponisten-Trio aber etwas Besonderes.

Einschätzung: gut