Der Eiserne Thron - Special, Brettspiel, Spielkultur

Der Eiserne Thron
21.10.2011, Jörg Luibl

Special: Der Eiserne Thron

Machtpolitisches Ränkespiel

Lannister, Baratheon, Stark, Greyjoy oder Tyrell? Welches Haus erobert die sieben Königreiche von Westeros? Wer kann seinen Einfluss und seine Truppen am klügsten einsetzen? Darum geht es in diesem anspruchsvollen Strategiespiel für drei bis fünf Herrscher, das die politischen Intrigen und Konflikte der Romanvorlage von George R. R. Martin abbildet. Es ist 2004 komplett auf Deutsch erschienen und inszeniert einen überaus spannenden Wettstreit am Tisch.

Der Eiserne Thron erschien 2004 auf Deutsch beim Heidelberger Spielverlag und kostet knapp 40 Euro. Es gibt eine Hand voll Erweiterungen. In Amerika ist die zweite Edition gerade erschienen, die einige davon integriert und im März 2012 hierzulande kommt.
Der Kampf um die Macht beginnt, als König Robert stirbt. Das Brettspiel konzentriert sich auf die geostrategischen Konflikte, die zwar schon lange vorher auf dem Inselkontinent schwelen, die aber erst nach dem Tod des Herrschers ausbrechen. Wer mit dessen Haus Baratheon antritt, hat zwar zunächst  noch legitimen Anspruch auf den Eisenthron, kann in seinem Gefolge aber lediglich seine Brüder Renly und Stannis sowie einige Verbündete wie Melisandre oder Lord Davos zählen, die im Kingswood und auf Dragonstone lauern.

Der König ist tot, es lebe der Krieg!

Ihr könnt mit all den Namen nichts anfangen? Ist egal, denn man muss die Fantasyromane nicht kennen, um am Tisch seinen Spaß zu haben. Es ist nur so, dass man mit dem Wissen im Hintergrund viele Elemente der cleveren Spielmechanik noch besser zu schätzen weiß. Autor Christian T. Petersen (Twilight Imperium, World of WarCraft – The Boardgame) hat sich sichtlich bemüht, die politischen Zusammenhänge in seiner Rundendynamik abzubilden – und das ist ihm gelungen, auch wenn er natürlich Abstriche machen musste. So spielen die Armeen der Targaryen als äußere Bedrohung im Süden keine Rolle. Dafür wird die strategische Ausgangslage überraschend gut eingefangen.

Man braucht viel Platz, wenn man die Karte von Westeros komplett ausbreitet.
Die Hauptstadt selbst, King‘s Landing, ist verwaist und gehört zunächst niemandem. Genauso wenig wie viele andere Regionen auf der riesigen, an Großbritannien erinnernden Karte, die von Sunspear im Südosten bis hin zum Eismeer und Castle Black im Norden reicht. Man braucht einen großen Wohnzimmertisch, um die sieben Königreiche sowie an die 100 Holzfiguren, über zweihundert Spielmarken und Karten ordentlich auszubreiten. Die Qualität von Druck, Übersetzung und Artdesign ist gut; die Landschaft könnte noch detaillierter und üppiger illustriert sein, aber die Zeichnungen auf den Karten transportieren das mittelalterliche Flair der Low-Fantasywelt sehr gut.

Fünf Häuser, ein Thron

Nach dem Aufbau stehen sich die fünf Häuser in ihren fünf Farben noch recht geordnet gegenüber und viele lukrative der knapp 50 Land- und Seegebiete sind unbesetzt. Das wird sich allerdings schnell ändern, denn die Lannisters ziehen ihre Truppen im Westen zusammen, die Starks und die Greyjoys formieren sich im Norden und die Tyrells heben ihre Truppen im Süden aus. Alle wollen nur eines - die Macht! Aber es geht nicht um die totale Vernichtung der Gegner wie etwa in Risiko: Wer nach zehn Runden die meisten Städte und Festungen kontrolliert, hat gewonnen. Natürlich geht es dabei um den Kampf, aber auch über Intrigen, Bluffs oder Bündnispolitik in Form von direkten Absprachen am Tisch.

Ein Blick auf die Ausgangsposition des Hauses Stark: Zwei Krieger, ein Ritter und ein Schiff in Weiß - die drei Truppentypen werden von Holzfiguren symbolisiert.
Aber wo beginnt man? Konzentriert man sich darauf, vorsichtig in seiner Region zu expandieren oder erobert man aggressiv die lukrativen Gebiete in weiter Entfernung? Setzt man zunächst auf Nachschub, um große Armee auszuheben? Setzt man vielleicht eher auf die Flotte als auf Ritter, um die Küsten zu kontrollieren und schnell irgendwo einzufallen? Schließlich kann man sie auch als Transporter nutzen! Fragen über Fragen, die einen während der eigenen Planungsphase beschäftigen. Und manchmal muss man seine Strategie über den Haufen werfen, wenn die Befehle aller Spieler in der Aktionsphase ausgeführt werden und die eigenen Ziele konterkarieren. Oder wenn der historische Zufall oder gar das Wetter zuschlägt.

Die Qual der ersten Schritte

Dieses Brettspiel steckt voller böser Überraschungen und die Spannung entsteht auch dadurch, dass jedes Haus zunächst verdeckt agiert. Wer führt da wohl was im Schilde? Eine weitere Komponente, die für die Dramaturgie am Tisch entscheidend ist, ist die so genannte Westerosphase, die bis auf die erste jede weitere der zehn Runden einleitet und die einzige Zufallskomponente darstellt. Hier werden die obersten Ereigniskarten von drei getrennten Stapeln aufgedeckt, die für alle bindend sind und die nacheinander befolgt werden. Das können einfache Aufforderungen wie Nachschubkontrolle, Truppeneinberufung oder Stärkeberechnung, aber auch das Verbot von Überfällen aufgrund eines Sturms oder die Verhinderung von Unterstützung aufgrund eines Herbstregens sein. Dieser Glücksfaktor kann zwar manchmal nerven, wenn man etwa auf mehr Nachschub angewiesen ist, aber ihn trotz aktuell guter Situation auf der Karte nicht aunutzen kann. Aber unterm Strich ist die eigene Planung viel wichtiger als die Art der Ereignisse, zumal es auch welche ohne irgendeine Auswirkung gibt.

Die Lannisters ziehen in Rot ins Feld; zu sehen sind die Stärkemarker und der schwarze Rabe als Symbol für den Einfluss bei den Adelshäusern.
Jedes Haus kann zwar zu Beginn auf eine ähnliche Truppenstärke aus Kriegern, Schiffen und Rittern zurückgreifen, aber die maximale Zahl ist bei allen auf 19 begrenzt und die Ausgangslage ist nicht nur geografisch eine andere – auch politisch:  Es gibt die drei wichtigen Einflussbereiche Eisenthron, Adelshäuser und Hofintrigen, die auf einer Leiste mit fünf Positionen dargestellt werden. Und dieses Trio gehört zu den besten Elementen des Spiels, weil es der Eroberungstaktik im Geläden noch eine übergeordnete politische Ebene mit direkten Auswirkungen hinzufügt. Hier wechselt die Reihenfolge der Häuser dynamisch, aber zu Beginn stehen die Lannisters z.B. auf Platz 1 der Hofintrigen, symbolisiert durch den Botenraben. Das heißt, dass nur sie einen Befehl ändern dürfen, sobald alle Aktionen der anderen Häuser aufgedeckt werden – das kann ein entscheidender Vorteil sein!

Drei Einflussbereiche

Genauso wie der Besitz der Valyrischen Stahlklinge, die zunächst den führenden Einfluss des Hauses Grevjoy im Bereich Adelshäuser symbolisiert: Mit ihr können die Westeros-Wikinger in einem Kampf einen Bonus bekommen. Das Motivierende an den Einflusszonen ist, dass nicht nur diese exklusiven Fähigkeiten etwas bringen, sondern auch die Platzierungen darunter. Wer höher auf der Leiter der Adelshäuser platziert ist, gewinnt bei einem Unentschieden gegen einen darunter Platzierten.  Wer bei den Hofintrigen weiter oben steht, bekommt mehr Befehlsmarker. Und wer dem Eisenthron näher ist, darf seinen Zug früher beginnen. Alles kann irgendwann entscheidend, irgendwann das Zünglein an der Waage sein.

Greifen die Lannisters (rot) die Greyjoys (schwarz) an? Oder koalieren sie lieber, weil sie zur See (noch) unterlegen sind?
Und wie ändert sich die Reihenfolge? Wenn in der Westerosphase der „Streit der Könige“ als Ereignis gezogen wird, wird die Macht in den drei Einflusszonen neu verteilt. Aber hier wird nicht schnöde etwas gezählt, sondern es wird geboten: Jeder Spieler darf geheim Stärkemarken einsetzen! Auch dieser Kniff trägt zur Dramaturgie des Spiels bei.

Eisenthron, Adelshäuser, Hofintrigen

Jeder Spieler hat zu Beginn nur fünf davon, weitere erlangt man erst über die Plünderung oder das Zusammenziehen der Kräfte. Und man braucht sie auch, um bei dem Ereignis „Angriff der Wildlinge“ eben diese abzuwehren oder um auch jene Gebiete für sich zu beanspruchen, in denen keine eigenen Truppen stehen. Was das bringt? Die maximale Truppenzahl ist ja begrenzt und so kann man z.B. sehr bequem den Nachschub des Landes für sich beanspruchen.

Wer die meisten Marken für einen Bereich bietet, landet auf Platz 1, dahinter in der Reihenfolge die anderen. Natürlich fallen alle eingesetzten Stärkemarken nach dem Bieten weg, so dass man sich gut überlegen sollte, wie viel Risiko man geht.

Sehr schön: Manche Ereignisse spiegeln die Dramaturgie der Romane wider.
Die grundlegende Struktur in der eigenen Planungsphase relativ einfach: Jeder Fürst kann in seinem Zug auf bis zu fünf Befehlstypen zurückgreifen, die es jeweils zweimal gibt – man hat also theoretisch zehn Aktionen zur Verfügung, so dass man in einer Runde sehr viel bewegen kann. Wenn alle Spieler ihre Marker verdeckt platziert haben, ist die Karte fast voll!  Was kann man befehlen?

Fünf Befehle für alle Fälle

Darunter der Marsch (Bewegung in ein angrenzendes Feld plus evtl. Kampf), die Unterstützung (Bonus im Kampf eines benachbarten Gebiets), der Überfall (Zerstörung einer Befehlskarte und evtl. Plünderung), das Zusammenziehen der Kräfte (Stärkemarker nehmen) und die Verteidigung (Bonus im Kampf); hinzu kommen Spezialbefehle, die quasi verstärkte Varianten der gewöhnlichen darstellen.

Damit angesichts der Fülle kein Chaos entsteht, werden die Befehle nach Typ geordnet abgewickelt, beginnend mit den Überfällen – und schon da wird es spannend. Die Reihenfolge der Überfälle wird durch den eigenen Einfluss im Bereich Eisenthron bestimmt: Wer da ganz hinten liegt, darf als Letzter ran. Und das kann problematisch sein, denn der Überfall erlaubt einem noch vor der Ausführung von Befehlen der Gegner eben jene zu unterbinden. Sprich: Lege ich verdeckt ein Überfallsymbol in ein Gebiet, können meine Truppen plötzlich in ein benachbartes eindringen und den dort ausliegenden Befehl vernichten – egal ob dort ein Überfall-, Unterstützungs- oder Zusammenziehen-Marker liegt.

Jedes Haus verfügt über Gefolgsleute mit Spezialfähigkeiten - hier die Starks von Winterfell.
Interessant ist, dass die Truppen nicht gekauft, sondern einberufen werden. Festungen und Städte geben unterschiedliche Appellpunkte, die man zur Aushebung oder Aufrüstung von Truppen (Krieger wird Ritter) nutzen kann. Auch hier ist alles sehr übersichtlich, denn jeder Punkt erlaubt eine Truppe; lediglich für den Ritter braucht man zwei. Wichtig für die Spielbalance ist das territoriale Prinzip: Man kann nur dort Truppen ausheben, wo sich die Festungen und Städte befinden.

Truppen ausheben

Zu Beginn des Spiels sind die Truppen von Lannister, Stark & Co noch klar voneinander entfernt, jeder agiert von seiner Heimat aus. Die Ausgangslage ist jedoch für jedes Haus eine andere, denn auch hier orientieren sich die Machteinflüsse an den Büchern: Wer mit Baratheon startet, sitzt auf dem Eisernen Thron und besitzt die entsprechende Karte, die ihn zum königlichen Schiedsrichter macht. Sobald es irgendwo außerhalb von Kämpfen einen Gleichstand gibt, darf er den Sieger bestimmen. Ob er sich dabei an die Absprachen wie etwa Koalitionen oder Nichtangriffspakte hält, die man jederzeit frei treffen kann?

Wenn es zur Schlacht kommt, kämpfen Krieger, Ritter und/oder Schiffe in einem Gebiet um den Sieg. Es wird dabei allerdings nicht gewürfelt, sonder sehr nachvollziehbar gerechnet. Erst wird geschaut, ob es in Nachbargebieten Unterstützung für Angreifer oder Verteidiger gibt – hat jemand in der Planungsphase dort den entsprechenden Befehl ausgelegt? Wenn nicht, wird die Kampfstärke aufgrund der vorhandenen Truppen ermittelt: Krieger = 1, Ritter = 2, Schiff = 1. Gibt es Boni aufgrund eines Verteidigungsbefehls? Falls nicht, kann man zum finalen Wert noch eine Hauskarte geheim spielen – das sind fürstliche Verwandte oder treue Gefolgsleute wie etwa Lord Mormont bei den Starks oder Lord Tyrion bei den Lannisters.

Kampf um ein Gebiet

Die deutsche Anleitung überzeugt mit anschaulichen Beispielen: Hier geht es um die Überfälle - einer von fünf möglichen Befehlen.
Jeder dieser Gefolgsleute hat nochmal einen Stärkewert von 0 bis 3 wie bei Tywin Lannister sowie evtl. eine Spezialfähigkeit, die ergänzen, kontern oder nachträglich belohnen kann. Wer Balon Grevjoy ins Feld führt, reduziert die Stärke des gegnerischen Lords z.B. auf null; wer Cersei Lannister spielt, darf nach einem Sieg einen Befehlsmarker zerstören. Falls einer der Beteiligten die Valyrische Stahlklinge besitzt, wird nochmal ein Punkt zur finalen Stärke addiert. Nur der Verlierer muss seine Verluste berechnen und sich aus dem Gebiet zurückziehen. Die Kämpfe kann man nach ein, zwei Gefechten routiniert und zügig abwickeln.

Sehr schnell bemerkt man allerdings, dass es in diesem Spiel um mehr als Gefechte geht und dass man sowohl die Unterstützung der Truppen als auch geostrategische Details beachten sollte. Der in sechs Stufen regulierte Nachschub spielt dabei eine wichtige Rolle, denn man kann nur so viele Truppen halten wie man auch versorgen kann. Nur wer ertragreiche Gebiete auf der Karte kontrolliert und weiter erobert, kann sich auch den Unterhalt größerer Armeen leisten. Und der Unterschied ist enorm: Wer nur zwei Nachschub-Symbole in seinem Einflussbereich besitzt, darf gerade mal drei Armeen in den Stärken 3, 2 und 2 halten. Wer auf fünf zurückgreifen kann, darf vier Armeen in den Stärken 4, 3, 2 und 2 führen. Die Stärke bezieht sich dabei einfach auf die Zahl der Truppen, egal ob es sich dabei um Ritter, Krieger oder Schiffe handelt. Eine 4er-Armee kann also aus jeder beliebigen Kombination dieser drei Typen bestehen.

Der wichtige Nachschub

Lust auf Kampf, Intrigen und Überraschungen? Der Eiserne Thron inszeniert über zehn Runden einen spannenden Wettlauf um die Macht in Westeros! Es ist zwar besonders empfehlenswert für Kenner der Romane, weil es das Ränkespiel der fünf Häuser genauso aufgreift wie etwa die drohende Gefahr jenseits der Mauer. Aber selbst wenn man die Fantasywelt von George R.R. Martin nicht kennt, wird man sich als Stratege über ein anspruchsvolles, überaus durchdachtes Regelwerk mit geheimen Zügen und wichtigen Einflussbereichen freuen. Die Dramatik lebt allerdings sehr stark davon, dass mind. drei, idealerweise vier bis fünf Spieler mitmachen. Im Gegensatz zu Schlachten von Westeros, das als klassisches Tabletop taktische Gefechte für zwei im Gelände inszeniert, geht es hier um das große strategische Ganze, für das man Zeit braucht. Ähnlich wie in den Büchern spitzt sich die geostrategische Lage mit jeder Runde weiter zu, so dass militärische Alleingänge kaum möglich sind – man muss koalieren, bluffen, überraschen. Zwar gibt es eine kleine Glückskomponente in Form von Ereignissen, aber ansonsten muss man clever planen. Ich kann dieses stimmungsvolle Brettspiel vor allem Freunden langer Spielabende nur wärmstens empfehlen. Selbst drei bis vier Stunden verfliegen hier im Nu, wenn der Winter naht!

Ausblick

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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