Homeworld - Special, Taktik & Strategie, Spielkultur, PC
Irgendwann in diesem Früher saß ich tagelang bis tief in die Nacht vor einem bleischweren Flimmerklotz, der von zwei Brüllwürfeln flankiert und einem Pentium II befeuert wurde. Damals galten beige 19-Zoll-Monitore als wahnsinnig moderne, fantastisch große Einfallstore in virtuelle Welten. Ich war unheimlich stolz auf diese High-Tech-Leinwand, die ich mir nach der Lektüre hunderter Hardware-Tests nur Zähne knirschend für ein Spiel geleistet hatte: Homeworld (ab 14,99€ bei
19-Zoll-Nostalgie
Und die Investition hatte sich gelohnt, denn zwischen diesen knapp 50 Zentimetern öffnete sich ein Wurmloch in eine neue
Dimension der Strategie. Heute klingt das schrecklich reißerisch, aber schon die erste Mission sorgte für eine Gänsehaut, die ich nur von verdammt guten Rollenspielen der Pionierzeit oder Wing Commander kannte. Natürlich sah das Weltall für damalige Verhältnisse auch beeindruckend aus. Das lag aber nicht an fetten Explosionen, sondern vor allem an diesem Artdesign. Da wurde nicht einfach Star Wars oder Star Trek kopiert - Homeworld zeichnete seine eigenen Linien, demonstrierte eigenen Charakter. Irgendwie stimmte alles und man ahnte schon bei den frühen Kamerafahrten um das Mutterschiff, dass man etwas Besonderes spielte.Es ging nicht nur um die einzigartige Stimmung, das Spiel war auch rein strategisch innovativ: Zum ersten Mal hielt die dritte Dimension mit allen Konsequenzen virtuellen
Einzug. Plötzlich war da räumliche Tiefe! Dagegen wirkte das kurz vorher veröffentlichte StarCraft wie ein veralteter Witz. Hier fühlte man sich wie ein moderner Air Traffic Controller, wenn man seine Schiffe über 16 Missionen in die schwarze Weite lotste; inklusive Höhenvektoren, direkter Raumschiffsicht, stufenlosem Zoom und fast schon simulationsähnlicher, aber dennoch intuitiver Steuerung. Man konnte diese Freiheit für seine Manöver nutzen und selbst überrascht werden – überall, jederzeit, während man irgendwo im All friedlich Meteoriten erntete.Futuristisches Epos
Und wenn sich die Jäger der Feinde zeigten, dann schlug das Herz höher. Denn es ging immer um alles. Nicht nur, weil man abwarten musste, ob sie nur die Vorhut für große Schlachtkreuzer oder Zerstörer bildeten, sondern weil einem die bevorstehenden Gefechte alles abverlangten. Das war nicht einfach Lasso raus, alles markieren und drauf auf den Gegner. Dieses Spiel von bis dato vollkommen unbekannten Kanadiern namens Relic Entertainment wirkte schon bei einfachen Manövern komplexer, markanter, faszinierender.
Homeworld demonstrierte in seinen großen Schlachten einen Anspruch, den man auch anno 1999 noch nicht in der Form kannte: Das war nicht einfach schnell möglichst effizient Kanonenfutter produzieren. Das war Koordination von Formationen, Planung von Rohstoffgewinnung, frühzeitiges Nachtanken und es war im wahrsten Sinne des Wortes räumliche Weitsicht bis hin zum feuernden Geschützturm gefordert. Man konnte sich in dieser gnadenlosen Echtzeit des Weltalls angesichts all der taktischen Möglichkeiten überfordert fühlen und war froh über die mögliche Befehlsvergabe in der Pause. Und man war richtig froh, wenn man seine Flotte ohne empfindliche Verluste in die nächste Mission gerettet hatte.
Anspruchsvolle Raumschlachten
Seit ein paar Jahren verstaubt der 19-Zoll-Monitor als potthässliches Relikt im Keller, aber Homeworld hat nicht einen Millimeter an Reiz verloren – im Gegenteil, sein Wert ist geblieben: Es gibt bis heute kein futuristisches Strategiespiel, das an diese Ausstrahlung heran kommt. Die freien Erkundungsreize, die taktische Komplexität,
das ständige Gefühl der Bedrohung, die Wehmut auf der gefährlichen Odyssee nach Hause. Selbst wenn da viel Nostalgie mitschreibt, muss man im Jahr 2012 feststellen, dass Relic Entertainment im Jahr 1999 ein bis heute unerreichtes Wurmloch in die virtuelle Space Opera öffnete. Selbst das film-, action- und natürlich rollenspielreichere Freelancer kam nicht an dieses futuristische Flair heran. Es ist unheimlich schade, dass die Saga nicht offiziell weitergeht. Aber man kann auf einige Mods zurückgreifen, die es für Homeworld 2 gibt, das ich 2003 testen durfte. Unheimlich empfehlenswert für Experten und für viele eine der besten Modifikationen aller Zeiten: "Complex " aus dem Jahr 2010 - dieses akribische Projekt erweitert das Universum u.a. um Moral, Crew-Management, Forschungszweige, Befehlsketten, individuellen Schiffbau. Und am 7. Februar geht es mit "Complex 8" in die nächste Runde.Ausblick