Ridge Racer: Revolution - Special, Rennspiel, Spielkultur, PC

Ridge Racer: Revolution
09.02.2012, Michael Krosta

Special: Ridge Racer: Revolution

Zum Start einer PlayStation-Hardware gehört ein Ridge Racer! Diese Tradition wurde 1993 mit dem Einstieg Sonys in die Videospielindustrie geboren und wird auch in zwei Wochen beim Vita-Start aufrecht erhalten. Während die altgediente Arcade-Serie mittlerweile der starken Konkurrenz wie Burnout hinterher fährt, war sie damals ein echter Kaufgrund für die PlayStation...auch für mich!

Das Streckendesign von Ridge Racer Revolution ist großartig und übertrifft sogar das Original.
Wir schreiben das Jahr 1995: Die Zeit des geliebten Amiga 500 ist endgültig vorbei! Seinen Platz hat in meinem Zimmer mittlerweile der PC eingenommen - aktuelle Konsolen wie das 3DO oder Ataris Jaguar waren mir zu dieser Zeit völlig egal. Ein Klassenkamerad hat bereits Jahre zuvor versucht, mich von den Qualitäten eines SNES zu überzeugen - vergeblich, auch wenn ich beim Anblick eines Super Turrican oder Donkey Kong Country fast schwach geworden wäre. Mich zum Kauf einer Konsole zu bewegen, sollte erst Neueinsteiger Sony mit seiner PlayStation schaffen...

Konsolen? Nein, danke!

...und zwar in Kombination mit Ridge Racer Revolution! Als ich den Arcade-Racer von Namco in Aktion sah, war es um mich geschehen: Grafik auf dem Niveau eines Spielhallenautomaten, treibender Techno-Sound vom Feinsten, ein wahnsitziges Geschwindigkeitsgefühl und - dank NeGcon - die beste Steuerung, die ich bis dahin in einem Rennspiel erlebt habe! Genug Gründe also, um mich mit dem PlayStation-Virus zu infizieren. Es war für mich unglaublich, dass dieser kleine graue Kasten zu solchen Leistungen fähig ist! Wo man heute von einem Pixelhaufen, dämlicher KI, furchtbarer Kollisionsabfrage und Pop-ups bis zum Abwinken angwidert wird, sah man damals das Maß der Dinge! Ein bezahltes Praktikum bei einer regionalen Zeitung später ließ den Traum einer eigenen Konsole wahr werden, die selbstverständlich zusammen mit Ridge Racer Revolution (damaliger Preis: 99 DM) im Einkaufswagen landete. Und nicht zu vergessen der geniale NeGcon, der mit seinen analogen Tasten und der hervorragenden "Twist-Lenkung" für mich bis heute der beste Racing-Controller aller Zeiten ist. Es wäre genial, wenn Namco das Konzept wieder aufgreifen und für alle aktuellen Plattformen eine kabellose Neuauflage auf den Markt bringen würde… Ich wäre der Erste, der sie sich ohne zu überlegen vorbestellen würde.

Riiiidge Racer  

Der NeGcon ist der beste Racing-Controller aller Zeiten.
Da stand sie nun, die PlayStation - und obwohl das Budget nur für die Anschaffung von zwei Spielen und dem Controller reichte (das andere war übrigens Battle Arena Toshinden), wurde bis zum Exzess gezockt. Dabei hatte zumindest Ridge Racer nüchtern betrachtet gar nicht viel zu bieten: Es gibt zunächst nur eine Strecke, die je nach gewähltem Schwierigkeitsgrad in drei Stufen variiert wird, sowie knapp eine Handvoll Autos mit unterschiedlichen Werten für Bodenhaftung, Geschwindigkeit, Handling und Beschleunigung - das war’s! Aus heutiger Sicht wirkt der gebotene Inhalt wie ein schlechter Witz, doch damals reichte es vollkommen aus, um mich wochenlang zu beschäftigen. Wie viele Stunden  ich alleine beim Zeitfahren verbracht habe, um meine Rennlinie zu perfektionieren und neue Bestzeiten aufzustellen, erreichte schon Rollenspieldimensionen… Ich wurde nicht müde, immer wieder den PlayStation-Motor anzuwerfen, obwohl der (erste) Abspann sehr früh über den Bildschirm flimmerte - nämlich dann, wenn man auf jeder der drei Strecken als Erster die Ziellinie überquerte. Doch danach fing der Spaß erst richtig an, denn anschließend durfte man die Pisten auch rückwärts befahren - mit einem kleinen Trick sogar spiegelverkehrt, wenn man nach dem Start eine 180 Grad-Drehung hinlegte und mit Anlauf gegen die Mauer raste.

Wenig Inhalt, viel Motivation

Dieser Kurve folgte direkt auf einen Sprung und hatte es in sich.
Ich weiß noch genau, wie mich die Jagd auf die drei Bonus-Fahrzeuge an den Rand des Wahnsinns getrieben hat: Diese Geschosse musste man in Duellen besiegen - und das in völlig untermotorisierten Fahrzeugen, mit denen man eigentlich keine Chance auf den Sieg hatte. Hier half nur effektives Blocken, wenn man die Nase vorne behalten wollte, denn nach der ersten von drei Runden warteten die Rennmaschinen am Straßenrand und ließen den Spieler wieder passieren. In diesem Zusammenhang erwies sich der neue Innenspiegel als nützlich, der beim ersten Ridge Racer noch fehlte. Trotzdem wurde es zum Geduldsspiel, hier das richtige Timing für den Block zu erwischen, denn zog der übermächtige Gegner in der zweiten Runde einmal vorbei, war er uneinholbar. Umso schöner, wenn man mit schweißnassen Händen endlich einen Sieg einfahren konnte und sich als Belohnung anschließend selbst hinter das Steuer der Boliden klemmen durfte. Das Devil Kid Car und das Devil Car mit der Startnummer 13 waren schon toll, doch das Maß der Dinge stellte der traumhafte White Angel dar, der mit einem wahnwitzigen Tempo und fantastischen Bodenhaftung Erinnerungen an WipEout wach werden ließ. Doch schon mit den Standard-Fahrzeugen geht in der höchsten der vier Geschwindigkeitsklassen ordentlich die Post ab!

Engelchen und Teufelchen

Die Lackierung der Boliden ist an andere Namco-Spiele angelehnt.
Wie schon beim ersten Ridge Racer, lässt Namco die Spieler auch bei Revolution im Vorfeld eine Sequenz aus einem Arcade-Klassiker anspielen - in diesem Fall Galaga '88. Tatsächlich ist der kleine Ausflug in die Vergangenheit nicht nur als nettes Feature gedacht, sondern als Herausforderung konzipiert: Schafft man es, alle Feinde abzuschießen, wächst der Fuhrpark von den anfänglich vier auf stattliche zwölf Boliden, auch wenn sich die Unterschiede beim Fahrverhalten in Grenzen halten, sondern sich in erster Linie auf die Lackierung beschränken. Ein zusätzlicher Buggymodus lässt sich freischalten, indem man beim Minispiel 44 oder weniger Schüsse benötigt, um alle Gegner auszuschalten. In diesem Fall werden die Autos mit dicken Reifen ausgestattet und ihre Karosserie verkleinert, so dass sie mehr an Geländewagen erinnern.

Die Galaga-Herausforderung

Die Tageszeit verändert sich während der Drei-Runden-Rennen zunächst automatisch: In dynamischen Übergängen weicht das Sonnenlicht der Nacht, die anschließend wieder von einem Sonnenaufgang abgelöst wird - schön. Später hat man auch die Möglichkeit, die Tageszeit manuell festzulegen.  

Tag und Nacht

Eigentlich bietet das Spiel nur eine Strecke in drei Variationen - genau wie das (Spielhallen-)Original.
Ein Kritikpunkt am ersten Ridge Racer war das Fehlen eines Mehrspielermodus'. Dieses Manko hat Namco in Revolution behoben: Zwar gibt es auch hier keine Duelle über einen geteilten Bildschirm, doch lassen sich zwei PlayStation-Konsolen miteinander vernetzen, so dass zwei Spieler gegeneinander antreten können. Klar, dass in diesem Fall beide ein eigenes Exemplar besitzen müssen. Immerhin erhält man als Entschädigung den Zugriff auf die beiden Kurse des Ur-Ridge-Racers, die ebenfalls auf die Disk gepackt wurden, aber nur über System-Link zur Verfügung stehen.

Duelle per Link

Ich habe den Vorgänger erst deutlich später nach Revolution kennengelernt. Ja, eigentlich hätte er es verdient, hier als Klassiker geehrt zu werden, denn ursprünglich hat Ridge Racer als Starttitel die Power der PlayStation unter Beweis gestellt und wurde neben WipEout zurecht als System-Seller gefeiert. Doch für mich hat erst der Nachfolger diese Rolle übernommen, der für mich auch das bessere Spiel darstellt: Trotz der vielen Ähnlichkeiten bietet Revolution nicht nur ein besseres Geschwindigkeitsgefühl als das Original, sondern glänzt auch mit dem gelungeneren Streckendesign. Die neuen Remix-Versionen des abgedrehten Utz-Utz-Soundtracks gefallen mir hier ebenfalls eine Spur besser als beim ersten Ridge Racer. Diese befinden sich übrigens als Audio-Tracks auf der Spiel-CD und lassen sich folglich in handelsüblichen CD-Playern oder Autoradios mit CD-Funktion abspielen. Manche sagen den elf Techno-Songs sogar eine magische

"Niemals aufgeben" - genau nach diesem Motto habe ich den Arcade-Motor immer wieder angeworfen.
Leistungssteigerung nach - ich hatte in meinem damaligen 2er Golf jedenfalls immer das Gefühl, er würde schneller fahren, wenn sich die Ridge Racer Revolution-Disk im Laufwerk drehte und die hämmernden Beats aus den Lautsprechern knarzten…  

Revolution des Originals?

Der Bezeichnung Revolution wurde der Nachfolger nicht gerecht: Die drei neuen Streckenvariationen bestehen überwiegend aus Assets des ersten Teils und auch der Fuhrpark, die simple Fahrphysik, grenzwertige KI und Grafikfehler wurden nahezu unverändert übernommen. Dafür habe ich mir damals eine Konsole angeschafft? Ja. Und trotz seiner Schwächen, die ich jedem modernen Rennspiel bitterböse ankreiden würde, lege ich Ridge Racer Revolution selbst heute immer wieder gerne ins Laufwerk der PlayStation, um eine kleine Runde zu drehen und in Erinnerungen zu schwelgen. Es wird für mich immer der Titel bleiben, der mich endgültig von Konsolen überzeugt hat. Also doch eine kleine Revolution - wenn auch nur eine persönliche.