Blade Runner - Special, Adventure, Switch, PC, PlayStation4, XboxOne, PlayStation5, XboxSeriesX

Blade Runner
21.04.2011, Bodo Naser

Special: Blade Runner

Es gibt beeindruckende Spiele, die man nie vergisst und immer wieder mal installiert. Dazu gehört auch Blade Runner (ab 299,95€ bei kaufen) aus dem Jahr 1997. Das düstere Science-Fiction-Epos der Westwood Studios ist für viele immer noch eines der besten Adventures überhaupt. Und es hat selbst heute nichts von seiner Wucht verloren.

Wem kann man trauen und wer ist ein Replikant?
Ein Replikant ist ein Roboter, der einem Menschen so ähnlich sieht, dass man ihn nur mittels eines speziellen Tests unterscheiden kann. Nicht einmal die Bedauernswerten selbst wissen bisweilen von ihrer künstlichen Existenz, da manche sogar gefälschte Erinnerungen besitzen. Diese Lebensform wurde von der Tyrell Corporation produziert, um Aufträge zu erfüllen, die für Menschen tödlich wären. Die Replikanten malochen auf giftigen Welten, dienen als Prostituierte oder kämpfen als Söldner. Ursprünglich war es so gedacht, dass sie ihr verkürztes Dasein fern ab der Erde fristen. Jedoch zieht es die Androiden dorthin, wo sie herkommen, um ihr vierjähriges Leben vielleicht zu verlängern. Nach einem Aufstand ist es ihnen verboten, die Erde zu betreten. Allerdings schaffen es manche doch, die dann von der Polizei gejagt werden. Die Killer, die sich um sie kümmern, nennt man Blade Runner.

Elektronische Sklaven

Obwohl das trostlose Setting in einem verregneten Los Angeles des Jahres 2019 spielt, das  vermutlich in acht Jahren nicht mehr Wirklichkeit werden dürfte, hat es kaum etwas von seiner Brisanz eingebüßt. Es geht um existenzielle Fragen nach dem Menschsein, dem Leben und dem Tod. Natürlich ist es auch eine finstere Zukunftsvision von übermächtigen Konzernen und einem willfährigen Staat, den man ganz besonders in den 80ern fürchtete. Jedoch sind wir heute näher dran, Androiden zu haben, als wir es waren, als der Film entstand Wir würden wir dann mit ihnen umgehen? Würden wir sie gleichwertig behandeln? Würde ihr Leben auch auf einer Lüge basieren? Was passiert, wenn die Firma neue Roboter auf den Markt wirft? Werden dann die alten umgebracht? Oder im Wald ausgesetzt wie im Film AI, weil die Besitzer es nicht übers Herz bringen, ihren Liebling abzuschalten?

Die Handlung des Films wird sinnvoll ergänzt.
Das Spiel gibt nicht einfach die vielschichtige Handlung des Films wieder, es erweitert sie sogar um den einen oder andern Nebenstrang. So spielt man nicht einfach Deckard, sondern seinen jüngeren Kollegen McCoy, der gerade frisch befördert wurde und sich nun auch um „Hautjobs“ kümmern darf, wie die Roboter im rauen Umgangston heißen. Sein erster Fall führt ihn zu einer Tierhandlung, wo ein wertvolles Tier umgebracht wurde. Das klingt seltsam und ist nur zu verstehen, wenn man weiß, dass echte Tiere in der Welt von Blade Runner sehr selten sind. Nach einem Massensterben will jeder ein Tier haben - und sei es auch nur eine billige Kopie aus der Animoid Allee. Sogar der Protagonist hält sich in seinem engen Appartement einen Hund, für den er ein Vermögen geblecht hat.



Umsetzung, wie sie sein soll

Das Spiel ist einem auch deshalb angenehm Erinnerung geblieben, da es eine der gelungensten Filmumsetzungen war, die es je gab. Die Westwood Studios haben die finstere Atmosphäre von Blade Runner derart überzeugend eingefangen, dass man fast denkt, eine Fortsetzung zu sehen. Das futuristische Design wurde weitgehend übernommen und viele der schrägen Figuren, die im Film auftreten, kommen hier vor, wobei aber auch neue hinzukommen. So trifft man neben alten Bekannten wie den zwielichtigen Dr. Tyrell, Chinese Chew oder die schöne Rachel auch unbekannte wie den fetten Eisenduller, die rosahaarige Lucy oder die ständig qualmende Kollegin Crystal, die einem sogar droht. Immer wieder wird die spannende Geschichte von Videoschnipseln vorangetrieben, die man gern anschaut.

Detektivarbeit ist ebenso gefragt wie elektronische Ermittlung.
Zumal es sich um einen interaktiven Thriller handelt, der die Bezeichnung wirklich verdient hat, da es was zu tun gibt. Zunächst ermittelt man direkt am Tatort, wo es gilt, alle Hinweise zu finden. Das ist mangels moderner Hilfen wie Hot-Spot-Anzeige oder sich verändernder Mauszeiger gar nicht so einfach, denn hier wird der Cursor gerade mal grün, wenn man auf dem richtigen Weg ist. Es gilt also mehr denn je, die Grundregel des Adventures, immer alles anzuklicken. Darüber hinaus muss man auch immer wieder an bereits besuchte Orte zurückkehren, um Sachen notfalls noch mal anzuschauen. Genau hinschauen gilt auch für die Fotos, die man wie im Film nach Verdächtigen scannen muss. Da es kein Inventar gibt, muss man aber zum Glück nix einstecken. Alle Gegenstände sind automatisch an Bord und werden auch wieder so ausgeworfen, wenn man am richtigen Ort klickt.



Gute alte Detektivarbeit

Das hat auch seine Schattenseiten, da Blade Runner weit linearer ist, als sein Äußeres vermuten ließe. Bis zum vierten von fünf Kapiteln kann man eigentlich gar nix entscheiden. Und das, obwohl die Gesprächsführung es nahe legt, wo man was auswählen kann. Man muss bisweilen schon genau die Reihenfolge einhalten, um zum Ziel zu kommen, was für gelegentliche Logikfehler sorgt. So muss man Eisendullers Passwort genau im richtigen Moment eingeben, denn sonst streikt sein Rechner. Wenn man den vorher zu oft anklickt, lässt sich partout nichts mehr eingeben, egal wie oft man es probiert. Klar dass man immer mehrere Spielstände parat haben sollte, mit denen man notfalls wieder einsteigen kann. Speichern empfiehlt sich auch vorm Voight Kampff-Test, der natürlich nicht fehlen darf und mit dem sich Replikanten identifizieren lassen. Hier hat man nur zehn Fragen, bis es piepst.

Nix für Luschis, denn man kann sogar sterben.
Um sich als richtig als Polizeikiller zu fühlen, braucht es natürlich auch ein wenig Action, die aber nicht auf ungeteilte Liebe stößt. Gerade die Adventure-Fans tun sich hier erfahrungsgemäß schwer: Was für den einen ne nette Ballerei am Rande ist, ist für den anderen ein echter Stolperstein. Zudem lassen sich die Schießeinlagen auch nicht umgehen, so dass jeder durch muss, der ein Blade Runner werden will. Völlig unvermutet wird man da oft attackiert, ohne dass man eine Vorwarnung bekäme. Dann heißt es draufhalten, was sich im Übungsparcours der Polizei trainieren lässt. Dort lernt man auch, dass man nicht auf Zivilisten schießen soll, da das dem Ruf schadet. Allerdings bekommt man auch der Straße doch die Gelegenheit, einen Menschen um die Ecke zu bringen und dann verschwinden zu lassen. Eine Prämie bekommt man aber nur für tote Replikanten.

Ballern mit Hirn

Darüber hinaus gibt es auch noch höchst seltene Actionseqnzen, bei denen es meist auf die Zeit ankommt. So trifft man in der DNA-Gasse auf einen Mann, der an eine Bombe gefesselt ist. Hier gilt es, kühlen Kopf zu bewahren, blitzschnell zu handeln und dann nix wie raus. Trotz vermeintlich klarer Vorgaben ist es gar nicht leicht, hier nicht in die Luft zu fliegen.  Zwar kann man zu Beginn einen Schwierigkeitsgrad wählen, aber der bleibt dann das ganze Abenteuer über zementiert; zudem gewinnt man den Eindruck, dass die Spiele früher schwerer waren. Klar dass es hier Savegames im Internet gibt, die einem über eine solche Stelle helfen. Immerhin sollte man vor solchen Aktionen den Munitionstyp im Menü umschalten, damit nicht die guten Kugeln vergeudet werden, wo auch die stinknormalen reichen würden.

Das innovative Voxel-Grafiksystem sorgte für weich animierte, wenn auch etwas pixelig dargestellte Figuren.
Während man sich per Fluggerät oder ganz altmodisch zu Fuß durch die futuristische Metropole bewegt, kann man sich mit vielen Bewohnern unterhalten. So hat etwa fast jeder in der Animoid Allee was zu sagen. Auch wenn viele Gespräche einen nicht immer weiterbringen wie etwa bei der Barfrau, dem Ägypter oder Fischhändler, gehören sie doch dazu, sind bisweilen sogar witzig und tragen so zur Atmosphäre bei. Wo man die Fragen dann auswählen kann, gibt aber es handfeste Hinweise, wer für die einzelnen Straftaten verantwortlich sein könnte. Alle Gespräche sind sehr professionell vertont, was sogar für das gilt, was der Protagonist aus dem Off von sich gibt.

Nachfragen erlaubt

Leider hat das Gefragte erst spät im Spiel eine Auswirkung, da es verschiedene Endsequenzen gibt, je nachdem wie man sich verhält. Wer sich als treuer Blade Runner entpuppt und alles killt wie befohlen, darf am Schluss mit Crystal anbandeln. Ebenso gibt es die Möglichkeit, sich wie Kollege Deckard im Film auf die Seite der Replikanten zu stellen. Hier wäre nur wünschenswert gewesen, dass man schon früher und deutlicher entscheiden kann. Die ganzen Fraktionen wie Polizei, abtrünnige Androiden oder Regimegegner CARS gibt es ja. So sind die Verhöre zu lange nur Mittel zum Zwecke der reinen Informationsgewinnung.

Unterm Strich bleibt trotzdem ein finsteres Adventure der Extraklasse, das sich auch heute 14 Jahre nach Release noch gut spielen lässt (vorausgesetzt man kriegt es zum Laufen). Zwar ist die Grafik nicht mehr up to date, der Schwierigkeitsgrad oft gewöhnungsbedürftig und man muss öfters neu laden, dennoch fühlt man sich von der ersten Minute als echter Blade Runner, der Licht in  die Verbrechen bringt, Verdächtige findet und Replikanten killt. Design, Setting und Hauptfiguren des Films wurden bis auf Deckard beibehalten und sogar sinnvoll ergänzt, weshalb es eine der wenigen gelungenen Versoftungen ist. Mehr als im Film wird deutlich, dass es ein Unrechtsstaat ist, der seine eigenen Gesetze hat. Kann es richtig sein, Roboter zu töten, deren einziges Vergehen es ist, auf der Erde leben zu wollen? Wo andere Spiele nur eine wüste Ballerorgie draus machen würden, gilt es hier nachzudenken: Wem kann ich vertrauen? Je nachdem wie man sich verhält, gibt es verschiedene Endsequenzen, was für ein Adventure selten ist und sogar einen gewissen Wiederspielwert beinhaltet. Einmal mehr fragt man sich, warum solche Spiele heute Seltenheitswert haben.

Bodo Naser