Blade Runner - Special, Adventure, Switch, PC, PlayStation4, XboxOne, PlayStation5, XboxSeriesX
Elektronische Sklaven
Obwohl das trostlose Setting in einem verregneten Los Angeles des Jahres 2019 spielt, das vermutlich in acht Jahren nicht mehr Wirklichkeit werden dürfte, hat es kaum etwas von seiner Brisanz eingebüßt. Es geht um existenzielle Fragen nach dem Menschsein, dem Leben und dem Tod. Natürlich ist es auch eine finstere Zukunftsvision von übermächtigen Konzernen und einem willfährigen Staat, den man ganz besonders in den 80ern fürchtete. Jedoch sind wir heute näher dran, Androiden zu haben, als wir es waren, als der Film entstand Wir würden wir dann mit ihnen umgehen? Würden wir sie gleichwertig behandeln? Würde ihr Leben auch auf einer Lüge basieren? Was passiert, wenn die Firma neue Roboter auf den Markt wirft? Werden dann die alten umgebracht? Oder im Wald ausgesetzt wie im Film AI, weil die Besitzer es nicht übers Herz bringen, ihren Liebling abzuschalten?
Umsetzung, wie sie sein soll
Das Spiel ist einem auch deshalb angenehm Erinnerung geblieben, da es eine der gelungensten Filmumsetzungen war, die es je gab. Die Westwood Studios haben die finstere Atmosphäre von Blade Runner derart überzeugend eingefangen, dass man fast denkt, eine Fortsetzung zu sehen. Das futuristische Design wurde weitgehend übernommen und viele der schrägen Figuren, die im Film auftreten, kommen hier vor, wobei aber auch neue hinzukommen. So trifft man neben alten Bekannten wie den zwielichtigen Dr. Tyrell, Chinese Chew oder die schöne Rachel auch unbekannte wie den fetten Eisenduller, die rosahaarige Lucy oder die ständig qualmende Kollegin Crystal, die einem sogar droht. Immer wieder wird die spannende Geschichte von Videoschnipseln vorangetrieben, die man gern anschaut.
Gute alte Detektivarbeit
Das hat auch seine Schattenseiten, da Blade Runner weit linearer ist, als sein Äußeres vermuten ließe. Bis zum vierten von fünf Kapiteln kann man eigentlich gar nix entscheiden. Und das, obwohl die Gesprächsführung es nahe legt, wo man was auswählen kann. Man muss bisweilen schon genau die Reihenfolge einhalten, um zum Ziel zu kommen, was für gelegentliche Logikfehler sorgt. So muss man Eisendullers Passwort genau im richtigen Moment eingeben, denn sonst streikt sein Rechner. Wenn man den vorher zu oft anklickt, lässt sich partout nichts mehr eingeben, egal wie oft man es probiert. Klar dass man immer mehrere Spielstände parat haben sollte, mit denen man notfalls wieder einsteigen kann. Speichern empfiehlt sich auch vorm Voight Kampff-Test, der natürlich nicht fehlen darf und mit dem sich Replikanten identifizieren lassen. Hier hat man nur zehn Fragen, bis es piepst.
Ballern mit Hirn
Darüber hinaus gibt es auch noch höchst seltene Actionseqnzen, bei denen es meist auf die Zeit ankommt. So trifft man in der DNA-Gasse auf einen Mann, der an eine Bombe gefesselt ist. Hier gilt es, kühlen Kopf zu bewahren, blitzschnell zu handeln und dann nix wie raus. Trotz vermeintlich klarer Vorgaben ist es gar nicht leicht, hier nicht in die Luft zu fliegen. Zwar kann man zu Beginn einen Schwierigkeitsgrad wählen, aber der bleibt dann das ganze Abenteuer über zementiert; zudem gewinnt man den Eindruck, dass die Spiele früher schwerer waren. Klar dass es hier Savegames im Internet gibt, die einem über eine solche Stelle helfen. Immerhin sollte man vor solchen Aktionen den Munitionstyp im Menü umschalten, damit nicht die guten Kugeln vergeudet werden, wo auch die stinknormalen reichen würden.
Nachfragen erlaubt
Leider hat das Gefragte erst spät im Spiel eine Auswirkung, da es verschiedene Endsequenzen gibt, je nachdem wie man sich verhält. Wer sich als treuer Blade Runner entpuppt und alles killt wie befohlen, darf am Schluss mit Crystal anbandeln. Ebenso gibt es die Möglichkeit, sich wie Kollege Deckard im Film auf die Seite der Replikanten zu stellen. Hier wäre nur wünschenswert gewesen, dass man schon früher und deutlicher entscheiden kann. Die ganzen Fraktionen wie Polizei, abtrünnige Androiden oder Regimegegner CARS gibt es ja. So sind die Verhöre zu lange nur Mittel zum Zwecke der reinen Informationsgewinnung.
Unterm Strich bleibt trotzdem ein finsteres Adventure der Extraklasse, das sich auch heute 14 Jahre nach Release noch gut spielen lässt (vorausgesetzt man kriegt es zum Laufen). Zwar ist die Grafik nicht mehr up to date, der Schwierigkeitsgrad oft gewöhnungsbedürftig und man muss öfters neu laden, dennoch fühlt man sich von der ersten Minute als echter Blade Runner, der Licht in die Verbrechen bringt, Verdächtige findet und Replikanten killt. Design, Setting und Hauptfiguren des Films wurden bis auf Deckard beibehalten und sogar sinnvoll ergänzt, weshalb es eine der wenigen gelungenen Versoftungen ist. Mehr als im Film wird deutlich, dass es ein Unrechtsstaat ist, der seine eigenen Gesetze hat. Kann es richtig sein, Roboter zu töten, deren einziges Vergehen es ist, auf der Erde leben zu wollen? Wo andere Spiele nur eine wüste Ballerorgie draus machen würden, gilt es hier nachzudenken: Wem kann ich vertrauen? Je nachdem wie man sich verhält, gibt es verschiedene Endsequenzen, was für ein Adventure selten ist und sogar einen gewissen Wiederspielwert beinhaltet. Einmal mehr fragt man sich, warum solche Spiele heute Seltenheitswert haben.
Bodo Naser