Wing Commander - Special, Arcade-Action, Spielkultur, PC

Wing Commander
30.09.2010, Michael Krosta

Special: Wing Commander

Es war einmal vor gar nicht allzu langer Zeit in einer gar nicht mal so weit, weit entfernten Galaxis…da befand sich die Menschheit mit einer katzenähnlichen Rasse namens Kilrathi in einem Krieg der Sterne, der auf dem PC neue Maßstäbe setzen sollte. Und genau wie sich George Lucas mit Stars Wars in der Filmgeschichte verewigt hat, ist auch Chris Roberts mit seiner Wing Commander-Saga ein fester Platz in der Geschichte der Computerspiele sicher. Passend zum 20-jährigen Jubiläum küren wir den Erstling zum Oldie des Monats und werfen einen Blick zurück...

Die verdammte Katze ist anvisiert - gleich ziehen wir ihr das Fell über die Ohren!
Wir schreiben das Jahr 1990: Amiga und Konsolen wie das Mega Drive dominieren immer noch die Spielewelt, doch ein lange unterschätzter Konkurrent bekommt langsam aber sicher Aufwind - der PC. Mit VGA- und Soundkarten bewaffnet mausert sich der einstige Bürohengst immer mehr zu einer leistungsfähigen Spieleplattform, der die Zukunft zu gehören scheint. Ganz vorne an der Software-Front mit dabei: das texanische Studio Origin Systems, zu dessen Gründern auch der berühmte Richard Garriot ("Lord British") zählt. Ein Markenzeichen der Entwickler war es, die Hardware an ihre Grenzen zu treiben und dabei gleichzeitig wahnwitzige Mindestanforderungen zu verlangen, durch die nicht wenige User ihr System entweder aufrüsten oder mangels Kohle auf die Erfahrung verzichten mussten. Wing Commander war da keine Ausnahme, als es am 26. September 1990 in den Händlerregalen zur Landung ansetzte: Zwar konnte man bereits mit Abstrichen auf einem 286er den Weltraumkampf erleben, doch erst mit einem 386er mit einem mindestens vier Megabyte großen Hauptspeicher konnte man die actionreichen Duelle gegen die Kilrathi in ihren Salthi- oder Dralthi-Jägern richtig genießen, sofern man vorher noch die Config.SYS-Datei ordentlich für das Spektakel editiert hatte.

Am Limit und darüber hinaus

Zwischen den Einsätzen durfte man in der Bar mit den Piloten-Kollegen plaudern oder am Spielautomaten Probe-Einsätze fliegen.
Was Wing Commander neben den (für damalige Verhältnisse) grandiosen Raumschlachten mit ihren detaillierten Bitmap-Pixel-Gleitern ausgezeichnet hat, waren die langen Zwischensequenzen und Unterhaltungen mit anderen Piloten. Hier hatte man erstmals das Gefühl, ein Teil eines interaktiven Films zu sein. Da wurde sich in der Bar als frischer Kadett langsam mit Kameraden wie Paladin, Maniac oder Angel angefreundet, während man im Briefing vor den Einsätzen aufmerksam den Worten des Kommandanten der Tiger's Claw lauschte. Christopher Blair war hier noch Zukunftsmusik, denn in den ersten beiden Teilen konnte man sich den Namen des Protagonisten noch selbst aussuchen. Erst im dritten Teil schlüpfte Mark "Luke Skywalker" Hamill in die vorgefertigte Heldenrolle des Colonels, in der er zudem die Gespräche durch eine Auswahl an Fragen und Antworten in bestimmte Richtungen lenken konnte. Hier durfte sich der Spieler allerdings nur von vorgefertigten Sequenzen ohne Interaktivität berieseln lassen. Doch dafür bot das erste Wing Commander bereits unterschiedliche Storyzweige, je nachdem, wie man sich in bestimmten Schlüsselmissionen geschlagen hat. Das große Hauptziel bestand darin, die Kilrathi aus dem strategisch wichtigen Vega-Sektor zu vertreiben, in dem es auch zum feindlichen Erstkontakt zwischen der Menschheit und der technologisch weit entwickelten Katzenrasse kam. Dieses Ziel war besonders deshalb von
Der Einsatz ruft! Auf zum Kilrathi-Rösten!
entscheidender Bedeutung, weil sich im Vega-Sektor ein Jump-Point (vergleichbar mit einem Stargate im Weltraum) befand, der direkt zum Sonnensystem und damit dem Hauptquartier sowie Heimatplaneten der Menschheit führte.

Interaktiver Film

So begab man sich auf unzählige Patrouillenflüge, nahm es mit gewaltigen Kreuzern der Kilrathi auf und steuerte sein Schiff mit einem ruhigen Händchen durch bedrohliche Asteroidenfelder. Zuvor durfte man sich im Hangar aber noch um die Bewaffnung kümmern, denn neben dem Standardlaser konnten die Schiffe u.a. auch mit (z.T. zielsuchenden) Raketen ausgerüstet werden. Besonders gelungen waren außerdem die spürbaren Unterschiede zwischen den Gleitern, mit denen man sich in die Missionen stürzte: Ein Hornet-Jäger zeichnete sich z.B. durch seine enorme Wendigkeit aus, konnte im Gegenzug allerdings keine schweren Waffen mitführen. Die Raptor-Klasse war dagegen ein träges Schwergewicht, das aber neben einer starken Bewaffnung auch mit einer ordentlichen Panzerung sowie Schutzschilden aufwarten konnte. 

Der Weltraum ruft

Auf dem 3DO gab es eine überarbeitete Version mit deutlich schönerer Grafik.
Nicht nur inhaltlich, sondern auch technisch setzte Wing Commander neue Maßstäbe in der Welt der Videospiele: Zwar war die Zeit noch nicht reif für echte 3D-Welten, doch da man sämtliche Objekte als Bitmaps auf den Bildschirm zauberte, die je nach Flugrichtung, Abstand und Winkel gedreht bzw. in ihrer Größe skaliert wurden, entstand die glaubhafte Illusion eines dreidimensionalen Weltalls. Der technische Vorsprung des PCs gegenüber anderen Plattformen wurde vor allem bei der Amiga-Umsetzung deutlich, obwohl (oder weil) sie erst einige Zeit später erschien: Ohne Turbo-Karte glichen die Weltraumschlachten einer Diashow und auch die gestutzte Farbpalette (16/32 statt 256 Farben) ließen Wing Commander auf der Freundin verblassen. Ich weiß noch genau, wie sehr ich mich auf die Ankunft des 3D Space Combat Simulators (so der vollmundige Verpackungstext) auf dem Amiga gefreut habe und bitter enttäuscht wurde. Allerdings war ich damals noch so schmerzfrei und habe es ohne Turbokarte mit gefühlten fünf Bildern pro Sekunde tapfer durchgespielt - eben auch deshalb, weil mich die Geschichte so in ihren Bann gezogen hat. Trotzdem war die Amiga-Umsetzung, die übrigens nicht von Origin direkt stammte, insgesamt ein Flop. Ganz anders sah es dagegen auf Trip Hawkins' damaliger Über-Konsole aus, als mit Super Wing Commander im Jahr 1994 ein aufwändiges Remake des Klassikers auf dem 3DO landete: Dank einer höheren Auflösung (S-VHS), mehr Details und einer digitalisierten Sprachausgabe war der erneute Ausflug in den Vega-Sektor ein audiovisuelles Erlebnis und ein Vorbote in die schöne, neue Spielezukunft. Okay, die völlig überbelegte Steuerung über das Pad war eine Katastrophe und die rauschenden Sound-Samples wirkten eher wie 8-Bit-Aufnahmen in Telefonqualität - für die damaligen Verhältnisse war Super Wing Commander allerdings das Maß der Dinge. Daneben fing Origin zumindest am PC mit einer (Un)sitte an, die
Booooom - ein weiteres Pelzknäuel erledigt! Die Gefechte setzten Action-Maßstäbe.
heute zum Alltag gehört: Zusätzliche Spielinhalte, die damals allerdings nicht als Download, sondern als separate Expansion-Packs angeboten wurden. Mit den Secret Missions und Secret Missions 2: Crusade wurde die Geschichte in zwei Kampagnen weitererzählt. 

Technik, die begeistert

Ja, wie so viele andere Klassiker bleibt Wing Commander vielen Piloten heute vor allem wegen den vielen positiven Erinnerungen im Gedächtnis, denn neben der Action und Story hat die Serie auch viele emotionale Momente rund um Verlust oder Verrat zu bieten, die sich eingebrannt haben. Schaut man sich heute die verpixelten Raumschiffe oder den öden Weltraum des Klassikers an, fragt man sich als verwöhnter Polygon-Fetischist, wie man das damals so unglaublich gut finden konnte. Gleichzeitig wird aber auch der Wunsch in mir immer stärker, eine Space-Opera wie Wing Commander mit den Möglichkeiten der modernen Technik zu erleben. Man stelle sich vor, durch echte 3D-Welten zu fliegen, sich in HD an das Heck von liebevoll detaillierten Kilrathi-Jäger zu kleben, während Laser-Salven und Explosionen in einer druckvollen 5.1.-Abmischung das Wohnzimmer zum Wackeln bringen. Chris Roberts, kannst du mich hören?

Schöne Erinnerungen

Michael Krosta