Wing Commander Saga - Special, Simulation, Spielkultur, PC

Wing Commander Saga
30.03.2012, Paul Kautz

Special: Wing Commander Saga

Das letzte offizielle Wing-Commander-Spiel ist mit Prophecy bereits satte 15 Jahre her (ich weigere mich, den Schund »Arena« mit zu der glorreichen Serie zu zählen), ein Nachfolger weit und breit nicht in Sicht. Was macht man da als beinharter Fan? Es einfach selbst!

Da vergeht er in einer dicken Explosion, der dreckige Pelzsack - Wing Commander ist wieder da!
Ich hatte sie alle, wirklich alle (jedenfalls am PC): Die ersten vier Teile verschlungen, als wären sie mit Nektar und Ambrosia gefüllte M&M’s. Die Special Operations und Secret Missions der beiden ersten Teile zu lieben gelernt. Selbst die nutzneutrale Wing Commander Academy und die nur im Netzwerk unterhaltsame Wing Commander Armada habe ich mir gegönnt; einfach, weil Wing Commander draufstand. Prophecy habe ich anfangs sehr skeptisch betrachtet (Keine Kilrathi? Behave!), bin schlussendlich aber doch darin versunken, als ich endlich meine Orchid Righteous 3D im Rechner hatte. Selbst den unendlichen Scheißdreck Wing Commander Arena habe ich getestet, weil ich die Hoffnung nicht aufgeben konnte. Ich habe die Soundtracks gekauft, die Bücher gelesen und selbst den grauenhaften Film überstanden - einfach, weil ich die Serie liebe. Und jetzt soll mir eine Bande von Fans, die genauso bekloppt sind wie ich, das geben können, was mir die Original-Entwickler seit vielen Jahren nicht mehr zu geben imstande sind?

Wing Commander - meine Serie.

Wing Commander Saga (WCS) ist von Enthusiasten für Fans. Ich betone extra »Enthusiasten«, denn es gehört schon eine gehörige Mischung aus Liebe und Wahnsinn dazu, um satte zehn Jahre lang an einer umfangreichen Mod zu schrauben, niemals wissend, ob man wirklich jemals damit fertig werden wird -

Äh, viel Spaß beim Schmökern: Die Handlung wird in kaum überschau- und schlecht lesbaren Textmassen präsentiert.
und das stets mit dem Damoklesschwert der potenziell jederzeit beißbereiten Rechteinhaber von Electronic Arts über den Köpfen! Aber alles hat irgendwie geklappt, seit dem 22. März 2012 steht das fertige, ohne das »Hauptprogramm« Freespace 2 lauffähige Paket für jedermann kostenlos zum Download bereit. Flug gesaugt, schnell installiert - und schon finde ich mich auf der Brücke der TCS Hermes wieder. Und nun?

Wing Commander - das Textadventure

Bevor man sich auf die Kampagne stürzt, empfiehlt es sich, den Prolog in Angriff zu nehmen. Nicht nur erfährt man dadurch, wie man überhaupt auf der Hermes gelandet ist, auch gibt es nur an dieser Stelle eine Art Tutorial. Zugegebenermaßen braucht das der echte Fan nicht, schließlich musste früher auch einfach die Tastaturbelegung auswendig gelernt werden. Aber die Zeiten haben sich geändert, und wie gesagt - es schadet nicht.

Was an dieser Stelle schon deutlich wird ist, dass das Spiel eben von Fans und nicht von Origin entwickelt wurde. Wer mit Wing Commander in erster Linie aufwändige Zwischensequenzen, Mark Hamill und Schnackseleien in der Schiffsbar verbindet, wird zwangsläufig enttäuscht sein - all das gibt es hier nicht. Was es dagegen gibt, ist Text. Massen über Massen an schlecht lesbarem, ausschließlich Versalien nutzendem,

Für den Raumjäger gibt es kaum ein befriedigerendes Gefühl, als nach langer, harter Schlacht endlich das Großkampfschiff bersten zu sehen.
schlecht auf hohe Auflösungen skalierendem Text. Ich bin sicher, dass sich die Jungs wirklich viele Gedanken zur Handlung in WCS gemacht haben - aber ich habe schon nach kurzer Zeit die Waffen gestreckt. Das ist einfach viel zu viel in zu schlechter Darstellungsqualität!

Hat man die echt langen Ladezeiten hinter sich gebracht, wird man begrüßt von einer… Eskortmission. Äh. Danke. Ideenloser wäre es eigentlich nur, wenn man den Spieler zu Beginn durch Lüftungsschächte klettern ließe. Aber okay, spiele ich halt den Babysitter, so habe ich wenigstens genug Gelegenheit, mich mit der Steuerung vertraut zu machen. Der Origin-Tradition entsprechend sind sowohl das olle Keyboard als auch der Joystick bis an den Rand belegt. Ohne Stick solltet ihr definitiv nicht an den Start gehen - WCS funktioniert zwar auch mit Tastatur und Maus, aber die Qualen bei dieser Konstellation sind schrecklicher als die, die man erleidet, wenn man Thrakhaths Klaue im Magen hat. Das erfordert natürlich eine gewisse Lernprozess-Bereitschaft, aber wenn man erstmal wie im Schlaf die Kanonen bündelt, die Schilde umschichtet, die Flügelmänner zum Angriff schickt oder die Geschwindigkeit dem Ziel anpasst, dann entwickelt sich ein wunderbarer Flow, der stark an frühere Ausflüge in den Vega-Sektor erinnert.

Dei Mudda braucht ein Katzenklo!

Die Renderfilme sind... nun... zumindest haben sich die Entwickler bemüht. Man kann und sollte sie überspringen.
Die Kampagne spielt direkt vor den Ereignissen von Wing Commander 3: Man schlüpft in den Raumanzug von 2nd Lt. David »Sandman« Markham, der frisch auf der TCS Hermes eintrifft - und für alle natürlich erstmal das Wasser tragende Frischfleisch ist. Im Laufe der etwa zehn Stunden langen Kampagne verdient er sich den Respekt seiner Kameraden, eskortiert Rettungsschiffe, fliegt Patrouille, verteidigt die eigene Flotte oder stürmt mit kreischenden Torpedos auf Kilrathi-Großkampfschiffe los. Der Schwierigkeitsgrad der Aufträge ist nicht ohne und lässt sich zwischen den Missionen dem eigenen Können anpassen. Allerdings sollte man immer auf der Hut sein: Innerhalb der Aufträge gibt es keine Checkpunkte. Wer kurz vor Missionsende draufgeht, weil er z.B. (wie ich) etwas zu nahe an einem explodierenden Großschiff vorbei fliegt, der darf in der Mission nochmal ganz von vorn anfangen.

Die Grafik ist angesichts der alten Engine erstaunlich gut - und sehr flüssig.
Die Raumschlachten, das Fleisch jedes Wing Commanders, bilden auch hier den Großteil der Kampagne. Wie bei den Vorbildern gibt es auch hier immer wieder mal Leerlauf beim Sprung von Navigationspunkt zu Navigationspunkt - aber wenn es zur Sache geht, geht es richtig zur Sache! Da zischen die Laser, da fauchen die Torpedos, das Funkgerät kommt kaum mal zur Ruhe, Kameraden lassen lässige Sprüche ab, Kilrathis spucken Gift und Galle - herrlich! Das ist Wing Commander, Freunde! Begleitet von einem erstaunlich speziell an die atmosphärischen Stücke von George Oldziey erinnernden Soundtrack, der die Action sehr angenehm begleitet. Das Ganze ist übrigens ausschließlich in Englisch verfügbar, wobei die Sprecher einen bemerkenswert guten Job machen - so viel Enthusiasmus am Mikro ist man nicht mal von den AAA-Hochglanzproduktionen gewohnt!

Das Bunte im Auge des Feindes

Dem Namen entsprechend gibt es hier auch ein Wing zu commandern: Die Flügelmänner kämpfen erstaunlich gut, gelegentlich sogar etwas zu gut - da konzentriert man sich auf einen Gegner, und bevor man zu irgendwas kommt, wird der von gleich zwei Kameraden zu Qualmpelz verarbeitet. Die Pilotenkollegen nehmen jede Menge

Der Schwierigkeitsgrad der Kampagne ist nicht ohne, was auch daran liegt, dass es keine Checkpunkte innerhalb der Missionen gibt. Immerhin hat man gut mitkämpfende Flügelmänner.
Anweisungen entgegen, das Kommunikationssystem ist vielschichtig. Prolog und Kampagne sind gegenwärtig die einzigen Optionen; der Multiplayermodus, der schon in Hauptmenü eingebaut ist, funktioniert noch nicht.

Ausgehend davon, dass die Präsentation von WCS auf einem 13 Jahre alten Spiel fußt, sollte man grafisch nicht allzu viel erwarten. Und ja, 3D-Objekte und Effekte entsprechen nicht modernen Standards - aber sie sehen auch bei weitem nicht hässlich aus! Dieses Adjektiv bleibt den Renderfilmen und -figuren vorbehalten, die tatsächlich aus dem letzten Jahrtausend zu stammen scheinen. Davon abgesehen gibt es gerade bei intensiveren Gefechten gute Bilder zu sehen: Angeschossene Raumschiffe qualmen, werden von bratzenden Stromblitzen überzogen und bröckeln dramatisch auseinander, bevor sie in mächtigen Explosionen vergehen. Der alten Engine sei Dank hat das Ganze auch minimale Hardwareanforderungen.

Den Download von WCS findet ihr z.B. bei uns. Das zip-File ist 3,3GB groß, das entpackte Spiel verschlingt 7,4GB auf eurer Festplatte.
Hach, all die Erinnerungen: Die Schiffe, die Musik, die rasanten Gefechte, die mistigen Pelzknäuel - Gratulation an das WCS-Team. Diese Fans haben es geschafft, das Wing-Commander-Spielgefühl nahezu perfekt einzufangen. Die Schiffe fühlen sich vertraut an, man kennt die Systeme, die Flugmanöver, die fiesen Sprüche. Die Hand ruht schwer auf dem dicken Flightstick, die Tastatur ist vollgepackt - ich bin glücklich! Beim Drumherum merkt man aber an allen Ecken und Enden, dass es sich um ein Werk enthusiastischer Fans und nicht eines dick budgetierten Entwicklungsstudios handelt: Das cineastische, das Wing Commander von Anfang an auszeichnete, fehlt hier nahezu komplett. Genauso mangelt es an Persönlichkeiten - zu den Pappnasen in den Statusanimationen kann man unmöglich eine Verbindung aufbauen. Und die Handlung mag nett gemeint sein, geht aber in viel, viel, viel, viiiiiiiiel zuviel unleserlichem Text hoffnungslos unter. Ist ja echt schön, dass sich die Hobby-Entwickler so viel Mühe mit der Geschichte gegeben haben. Aber dann hätten sie sich vielleicht auch ein paar Gedanken über die Lesbarkeit derselben machen sollen. Wie auch immer: Es ist kostenlos, es fühlt sich sehr wingcommanderig an, es macht viel Spaß. Und ist in jedem Fall etwa acht Millionen Mal besser als die letzte offizielle Wing-Commander-Pein Arena.

Fazit:

Eindruck: gut