Diablo - Special, Rollenspiel, PC, Spielkultur

Diablo
09.05.2012, Mathias Oertel

Special: Diablo

Seit etwa Mitte der 90er Jahre ticken die Uhren des Action-Rollenspiels anders. Denn auch wenn der Grundstein in groben Zügen von Midways Gauntlet gelegt wurde, hat Blizzard für die Definition gesorgt. Genauer gesagt, hat das Ende 1996 in den USA und wenig später auch in Europa veröffentlichte Diablo (ab 19,89€ bei kaufen) das Genre quasi im Alleingang definiert. Anlässlich der anstehenden Veröffentlichung von Teil 3 werfen wir einen Blick zurück.

Haufenweise Gegner, noch mehr Beute und zufallsgenerierte Abschnitte: So hat man Diablo lieben gelernt.
Sacred. Dungeon Siege. Baldur’s Gate Dark Alliance. Dungeons & Dragons Heroes. Fallout - Brotherhood of Steel. Darkstone. Dark Secrets of Africa. Legend: Hand of God. Dawn of Magic. Silverfall. Loki. Hellgate: London. Summoner. Champions of Norrath. Dungeon Hunter Alliance. Evil Islands: Curse of the Lost Soul. Torchlight. Kingdoms of Amalur: The Reckoning.

Es kann nur einen geben

Eine stattliche, wenngleich weder repräsentative noch den Anspruch der Vollständigkeit erhebende Sammlung von Titeln, die alle (auf unterschiedlichen Systemen) versucht haben, an den Erfolg von Diablo anzuknüpfen. Doch mit Ausnahme von Torchlight und mit Einschränkungen Darkstone sind sie alle gescheitert - mal mehr, mal weniger auffällig.

Dabei war Diablo seinerzeit auch nur ein Titel von vielen. David Brevik sowie die Brüder Max und Erich Schaefer, die das Projekt als Hauptdesigner mit ihrer Firma Condor begannen, waren von klassischen rundenbasierten Dungeon-Crawlern à la Might & Magic inspiriert, die wiederum auf Klassikern wie Bard's Tale beruhen. Erst mit dem Kauf durch Blizzard, der Umbenennung des Studios in Blizzard North sowie einer Neuausrichtung des Konzepts hin zum Echtzeitkampf wurden andere, überaus erfolgreiche Weichen gestellt. Eine interessante Randnotiz: Während die drei auch bei der Fortsetzung noch ihre Finger federführend im Spiel hatten und Anfang dieses Jahrtausends konzeptionell noch an Diablo 3 mitarbeiteten, haben sie schon lange nichts mehr mit dem Projekt zu tun. Doch

Torchlight ist einer der wenigen nennenswerten Titel, der als moderne Alternative zu Diablo längerfristig Erfolg hatte.
vor allem die Schaefer-Brüder sind dem Konzept treu geblieben: Sie haben mit den Runic Studios sowie dem dort entsprungenen Torchlight ihre überzeugende Alternative auf die Beine gestellt.

Doch irgendwie passte alles. Das mittlerweile rudimentär auf Gauntlet aufbauende Prinzip war gleichermaßen interessant wie schnell erlernbar: Mit einem von drei Arche-Charakteren (Kämpfer, Jäger, Zauberer) musste man sich durch isometrische Gewölbe bewegen, sich dabei hunderter Gegner entledigen sowie Beute einsammeln und ausrüsten. Zusätzlich konnte man sich z.B. bei Schmieden verstärken oder bei einem Charakteraufstieg seine Figur aufwerten, bevor die Schlacht weiterging.

Ob man, damals noch unter der kreativen Leitung von Bill "Nach Blizzard habe ich kein Bein mehr auf den Boden bekommen" Roper, gewusst hat, was für ein Juwel man seinerzeit unter die Leute gebracht hat? Vermutlich nicht!

Und das macht Spaß? Verdammt, und wie! Natürlich hat Diablo mittlerweile in jeder

Die zufällig generierte Kulisse kann die "Baukastenherkunft" nicht verheimlichen, sieht aber trotzdem gut aus.
Hinsicht unter dem Zahn der Zeit sowie der Last des grandiosen Nachfolgers zu leiden. Doch damals waren die Point&Click-Kämpfe und die Jagd  nach dem unter einer Kathedrale in einem finsteren Gewölbe hausenden Lord des Terrors namens Diablo ein Garant für spannende Unterhaltung – und das auf Windows-PCs, dem Mac sowie 1998 auch auf der guten alten PlayStation, bei der man seine Figur direkt steuerte und kooperativ gegen die Dämonen kämpfen konnte.

Geplante Zufälle

Den Erfolg sowie die beständig hochgehaltene Motivationskurve konnte man vor allem dem Zufallsprinzip zuschreiben, das von Blizzard eingebaut wurde: Es gab außerhalb der im Skript vorgesehenen Dialoge und Missionen sowie dem Finalkampf nahezu nichts, was festgelegt war. Die Gewölbe (insgesamt 16 Abschnitte) wurden ebenso zufällig erzeugt wie deren monsterliche Bevölkerung.

Natürlich wirkten die Abstecher in die Tiefen unter der Stadt Tristram trotz abwechslungsreicher Kulisse auf Dauer etwas eintönig und nach einem Baukastensystem gestrickt. Doch das kümmerte nicht – ebensowenig das Kampfsystem, das auf Dauer wenig

Das blaue Portal in die Hölle (und zurück)...
Abwechslung bot, sich taktisch hauptsächlich um die Auswahl des Sekundärangriffes drehte und die Basis dessen war, was wir gut zehn Jahre und hunderte Klone später als "Kloppmist" oder "Klick&Blöd-Mechanik" bezeichnen würden. Aber leicht waren die Auseinandersetzungen dennoch nicht: Man musste seine Figur geschickt aufbessern, seine Fähigkeiten kurzfristig an die (natürlich zufälligen) Resistenzen der Zwischenbosse anpassen und den richtigen Moment zum Einwurf eines Heil- oder Manatranks auswählen.

Wichtig war letztlich ohnehin nur eines: Die Beute! Was werfen die Monster als Belohnung ab? Mit der Einordnung in verschiedene Seltenheitskategorien (ähnlich Sammelkartenspielen), die besondere Boni versprechen, hatte Blizzard einen Köder ausgeworfen, dem man nicht widerstehen konnte. Und wo ein Zufallsprinzip normalerweise die berechtigte Sorge auslöst, dass die Mechanik bzw. die Inhalte entweder beliebig wirken oder es zu unfairen Momenten kommt, gab es bei Diablo keine Klage. Mit der Teufelsjagd hat Blizzard einen weiteren Mosaikstein seines exzellenten Rufes ausgelegt, dass man Spiele mit einem nahezu perfekten Balancing produziert.

Auch deutsche Entwickler ließen sich von Diablo bzw. der Fortsetzung inspirieren. Das Ergebnis: Sacred (2004).
In diesem Zusammenhang sollte die musikalische Untermalung aus der Feder von Matt Uelmen mit ihren getragenen, melancholisch-hoffnungslose Stimmung verbreitenden Klängen nicht vergessen werden. Und mit dem herrlich düster-aussichtslosen Intro hat Blizzard früh bewiesen, dass man quasi „seit Urzeiten“ der einzige westliche Konkurrent für die japanischen CG-Meister u.a. aus dem Hause Squaresoft oder Capcom war.

Dass von vielen seinerzeit die vergleichsweise kurze Kampagne moniert wurde, hat Blizzard schon damals mit einem motivierenden Mehrspieler-Modus auszugleichen versucht - anfänglich sogar recht erfolgreich. Man konnte über eine Direktverbindung, Modem, IPX oder das frühe Battle.net mit- und gegeneinander antreten. Dabei wurde der Status der Figur in regelmäßigen Abständen gespeichert.

Gemeinschaftliches Höhlen-Krabbeln-Cheaten

Doch so motivierend die Ausflüge in die mit Gegenständen zum Bersten gefüllte Hölle unter Tristam auch war, gab es massive Probleme: Da das Battle.net damals noch nicht feucht hinter den Ohren war und Blizzard erst mit folgenden Spielen immer stärkere

Hack&Slay, Dungeon-Crawler, Action-Rollenspiel, "Kloppmist": Der Spaß hat viele Namen.
Anti-Cheat-Mechanismen entwickelte und integrierte, gab es schnell Tools sowie Editoren, um seine  Figuren in allen möglichen Bereichen anzupassen – was letztlich das Ende des Mehrspieler-Spaßes bedeutete.

Dabei hat Blizzard sogar visionäre Einfälle gehabt, um so viele Spieler wie möglich neugierig auf die Teufelsjagd zu machen: Während der Installation konnte man entscheiden, ob man die Vollversion oder die so genannte "Spawn"-Variante installieren wollte. Der Unterschied: "Spawn" war quasi eine Demo-Variante, die keinen Key erforderte, aber sowohl solo als auch mit Freunden das Spiel mit zwei Figuren in den ersten beiden Abschnitten ermöglichte.

Doch dies allein dürfte nicht dafür ausschlaggebend gewesen sein, dass Diablo Verkaufszahlen und vor allem die Wertungen dominierte. Der Metacritic-Schnitt liegt bei

Diablo ist bis heute einer der am besten bewerteten PC-Titel.
satten 94% und bei den amerikanischen Kollegen von Gamespot ist der Titel mit 96% der bis heute am höchsten bewertete PC-Titel (Stand: 9.5.2012). Da Diablo ein paar Jahre vor der 4P-Zeitrechnung liegt, können wir leider keine Vergleichswertung anbieten…aber rückblickend hätte es wohl bei mir auch um Platin gekämpft.

Eine weitere Randnotiz: Damals konnte noch keiner ahnen, dass die Teufelsaustreibung von Blizzard North und das im folgenden Jahr erscheinende Baldur's Gate von Bioware den Grundstein für eine Diskussion legen würden, die bis heute anhält und die sich um die Frage "Was kennzeichnet ein Rollenspiel?" dreht. Denn natürlich sind Diablo-Fans ebenso wie Bioware-Anhänger der berechtigten Meinung, dass sie jeweils mit Rollenspielen ihre Zeit verbringen. Genauso wie ein Darsteller in GZSZ behauptet, dass er ein Schauspieler sei, was auf der anderen Seite Ben Becker oder Ulrich Tukur ebenfalls von sich sagen.

Mit dem von Blizzard begonnenen und dann an Sierra abgegebenen Add-On gab es nicht nur acht neue Abschnitte, eine offizielle frische spielbare Klasse (Mönch) und mit dem Barden sowie dem Barbaren zwei inoffizielle (da nur über Veränderungen der config-Datei verfügbare) Figuren, sondern auch die Möglichkeit, in der Stadt zu rennen, Öle, um seine Waffen zu verstärken oder eine Kiste, um seine überschüssigen Gegenstände lagern zu können. Gleichzeitig musste man auch anfangs auf den Mehrspieler-Modus verzichten (per Patch nachgeliefert), hatte einige Bugs bis hin zu Abstürzen zu beklagen (höchst

Mit der "Hellfire"-Erweiterung betrat nicht nur der Mönch die Hölle, sondern kam auch gleich eine ganze Bugflut...
ungewöhnlich für ein Spiel, das man mit Blizzard assoziiert) und musste damit leben, dass die zusammengeschusterte Geschichte nicht in die Diablo-Legende eingebaut wurde. Ob dies der Grund dafür ist, dass weder bei Sierra (bzw. den daraus hervorgegangenen Firmen) noch bei Blizzard das Add-On in irgendeiner Form auf der Seite geführt wird? Man weiß es nicht...

Nachschub im Höllenfeuer

Vergessen wir also Hellfire. Denn natürlich war Diablo nur der Anfang. Mit der etwa drei Jahre später erscheinenden Fortsetzung wurde der Standard hinsichtlich ausgewogener Figuren auf der einen und einem unnachahmlichen Jäger- und Sammlertrieb auf ein neues Niveau gehievt, das für viele Hack&Slay-Anhänger bis heute Bestand hat und die zahlreiche Konkurrenz seit Jahren regelmäßig verzweifeln lässt. Zudem hat das Prinzip der Zufälligkeit bis hin zu Bossen und ihren Anfälligkeiten hinsichtlich der Ausgewogenheit zu bislang unerreichten Ufern geführt. Man kann gespannt sein, ob Teil 3 in dieser Hinsicht endlich für neue Verhältnisse sorgt. Denn nicht nur unser Chefredakteur, auch ich bin es langsam leid, in jedem Test zu einem frischen Hack&Slay die "ollen Kamellen" Diablo 1 und 2 als Referenz zitieren zu müssen - auch wenn sie sich bis heute ihren Charme bewahrt haben und ich die mittlerweile zahllos scheinenden Stunden nicht missen möchte, die ich bei der Jagd auf den Terror-Lord verbracht habe.