Village - Special, Brettspiel, Spielkultur
Er hat seine Heimat schon früh verlassen, ist weit in die Welt hinaus gewandert und hat seiner Familie bereits einiges an Ruhm gebracht, weil er fremde Städte erkundet hat. Aber jetzt muss der Großvater wohl für immer Lebewohl sagen, denn der Zahn der Zeit fordert den Tod eines Verwandten der ersten Generation. Jetzt hat der Spieler allerdings die Wahl, wen es treffen soll - und hier sollte man genau hinschauen: Kann der Wanderer vielleicht noch mehr Ruhm erreichen als einer seiner ebenfalls alten Brüder, die Handwerker oder Ratsherren sind?
Ein guter Tag zum Sterben?
Fünf Berufe, begrenzte Ruhestätten
Allerdings sollte man nicht zu lange warten, denn die konkurrierenden Familien sind auch irgendwann am Zug - außerdem droht die Pest. Denn sobald man sich für eine Aktion entscheidet, nimmt man einen farbigen Stein vom enstprechenden Feld, auf dem eine zufällige und begrenzte Anzahl davon liegt, darunter evtl. auch schwarze Steine. Wer die nehmen muss, zahlt umgehend mit zwei Runden Lebenszeit. Das hört sich nach einer Strafe an, aber selbst diese Krankheit kann über den frühen Tod dafür sorgen, dass man den letzten Platz in der Dorfchronik ergattert.
Das Schöne an Village ist, dass es ähnlich wie in Agricola, mit dem es einiges gemein hat, sehr viele Möglichkeiten für die Entwicklung der eigenen Familie gibt. Und selbst wenn man schon zwei, drei Generationen an Figuren verteilt hat, darf man nur eine Aktion ausführen – da kann es schon darauf ankommen, wer als Erster zieht. Aber was ist jetzt gerade am Sinnvollsten? So ertappt man sich bei einem strategischen Grübeln, während man den idyllisch illustrierten, angenehm großen Dorfplan betrachtet. Das charmante Artdesign sorgt umgehend für Mittelalterflair, alles wirkt farbig markant und ist nach einem Probespiel selbsterklärend.
Unter der bunten Oberfläche von Kirche, Rathaus und grünen Weiden steckt ein anspruchsvolles, unheimlich gut verzahntes Spiel, das vor allem eines auszeichnet: Die Zeit ist der wertvollste Rohstoff. Man sammelt zwar auch kleine farbige Einflusssteine, Münzen und Getreide, mit denen man direkt Waren oder Aktionen bezahlen kann. Der wandernde Großvater musste z.B. für jede Etappe einen Planwagen sowie zwei oder drei farbige Steine zahlen. Um Ersteren zu bekommen, musste die Familie dort entweder einen ausgebildeten Handwerker haben oder die Steine, um ihn zu kaufen.
Wertvoller Rohstoff: Lebenszeit
Das ist ein German Boardgame at it’s best! Stimmungsvolles Artdesign, angenehm offene Spielmechanik, flotter Zugrhythmus, gut verzahntes Regelwerk und vor allem der wichtige kreative Impuls: Dank des strategischen Generationswechsels wirkt dieses Spiel markant und frisch. Es geht nicht um Trauer, Schuld und Sühne: Nur wer sowohl Leben als auch Tod seiner Familie clever managt, wird am Ende den größten Nachruhm ernten. Da kann es schon mal helfen, wenn Großvater etwas zügiger den Platz in der Dorfchronik sichert. Die Möglichkeiten der Ausbildung, Reise und Ernte, des Verkaufs und der Karriere sind so vielfältig, dass immer mehrere Wege zum Ziel führen. Dabei ist die Zeit der wichtigste Rohstoff und der Ehrgeiz der anderen Familien der größte Feind. Wer anspruchsvolle Spiele der Marke Agricola mag, kann hier bedenkenlos zugreifen, zumal Village auch zu zweit sehr gut unterhält. Mittlerweile wurde es bei der Wahl zum „Kennerspiel des Jahres“ als Kandidat nominiert – meine Stimme hat es.
Ausblick
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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