Munchkin - Special, Brettspiel, Spielkultur

Munchkin
27.08.2012, Jörg Luibl

Special: Munchkin

Tür eintreten, Schätze rauben!

Ihr habt die Schnauze gestrichen voll vom Ernst unter Tage? Auch im Dungeon soll gelacht werden? Schluss mit Pathos und Heroisierung?  Dann empfiehlt sich eine fiese Partie Munchkin! Das flotte Kartenspiel genießt seit Jahren Kultstatus unter Fantasyfans und ist kürzlich in neuer Edition erschienen. Wir haben laufende Nasen der zehnten Stufe bekämpft, grellgrüne Strumpfhosen angezogen und faule Schätze gesammelt.

Ein echter Held fackelt nicht lange, sondern haut drauf. Also zieht man eine Karte vom Dungeon-Stapel und hofft auf ein Monster, das man besiegen kann. Tja, so ein Mist: Aufgedeckt werden die Gruftigen Gebrüder mit Stufe 16. Und die kann der Witzbold von Krieger am Tisch mit Stufe 2 nicht schlagen. Selbst wenn er weitere Karten auslegt oder um Hilfe bittet, sieht es schlecht aus. Also muss er wegrennen, indem er auf einem Sechserwürfel mindestens eine Fünf erzielt. Tja, schon wieder  Mist: Er würfelt eine Eins und seine Kumpel grinsen schon hämisch…

Zuerst: Tür eintreten!

Munchkin ist 2011 in neuer Edition bei Pegasus Spiele erschienen. Es kostet knapp 15 Euro und ist für 3 bis 6 Spieler ausgelegt.
Denn das Monster erwischt ihn und tut ihm „Schlimme Dinge“ an: In diesem Fall wird er auf Stufe 1 zurückgestuft und fällt damit recht sanft. Aber wie soll er so erbärmlich das Spiel gewinnen? Die anderen sind schrecklich gemein und schon viel weiter, manche haben Klasse, Rasse, Waffen und sogar Rüstungen vor sich ausliegen. Immerhin gilt es als Erster aller beteiligten Abenteurer (3 - 6) die zehnte Stufe zu erreichen. Manchmal lassen einen Schatzkarten direkt aufsteigen, man kann Gegenstände im Wert von 1000 Gold für eine Stufe eintauschen oder eben Monster besiegen, um nach oben zu klettern.

Jetzt ist sein Nachbar dran, ein hässlicher blonder Elf der vierten Stufe mit Domina-Lederrüstung +1 sowie einem Bogen mit bunten Bändern +4. Seine addierte Schlagkraft liegt also bei neun Punkten. Welches Monster er wohl aufdeckt? So ein Pech aber auch: Es ist kein Monster, sondern ein Fluch in Form einer Ente des Schreckens – der Elf verliert umgehend zwei Stufen! Alles grinst, der Elf zieht noch eine Karte nach und gibt bei mehr als fünf Handkarten den Schrott an den Spieler der niedrigsten Stufe weiter – der arme Krieger bekommt also immerhin die Arschtrittstiefel +2. Ob das für ein Comeback reicht?

Dann: Auf Ärger aus sein!

So sieht der Tisch aus, wenn das Dungeon noch geschlossen ist und jeder seine acht Startkarten bekommen hat. Das Grundspiel enthält 168 Spielkarten, einen Würfel sowie die Anleitung.
Als der Zwergen-Zauberer die nächste Tür eintritt, wird es etwas stiller am Tisch: Immerhin ist er auf Stufe 8, besitzt einen mächtigen Napalm-Zauberstab +5 , einen wirklich beeindruckenden Titel +3 und eine kurze, breite Rüstung +3. So kommt er also auf eine Kampfkraft von 19! Und was deckt er auf? Unfassbar: es ist der Plutoniumdrache Stufe 20! Wenn er den besiegen sollte, hat der Zwerg das Spiel gewonnen, denn bei diesem Monster steigt man umgehend zwei Stufen auf. Jetzt fliegen auf einmal die Karten über den Tisch, die den Drachen stärker machen: Ein gefrierender Explosivtrank +3, dazu hübsche Luftballons +5 und ein Fluch „Verliere deine Klasse!“…

Vor sich legt man Rasse, Klasse sowie Waffen und Rüstungen aus. Alle Werte ergeben zusammen mit der eigenen Stufe die Schlagkraft.
Die Stimmung am Tisch ist verteilt auf dreimal breites Grinsen und einmal Grummeln. Der Zwerg kann nämlich auch nicht fliehen und wird vom Drachen geröstet, gefressen und ist somit tot. Er behält seine Stufe und Rasse, aber alle Gegenstände vor ihm und auf der Hand sind futsch. Schlimmer noch: Die anderen Spieler dürfen seine Leiche plündern und sich tolle Karten aussuchen. Allerdings müssen sie beim Anlegen die Beschränkungen beachten: Manche Dinge setzen eine bestimmte Klasse, Rasse oder ein Geschlecht voraus; mal braucht man eine, mal zwei freie Hände. Und jeder Abenteurer darf nur einen großen Gegenstand ins Dungeon mitnehmen, wie z.B. die „Schweizer Armee-Hellebarde +4“.

Und: Raum bzw. Leiche plündern!

Munchkin ist schnell, witzig und kommt immer wieder auf den Tisch! Es geht nichts über einen martialischen Besuch im Dungeon, wenn man von fiesen Freunden, bösen Fallen und dummen Sprüchen umgeben ist – das ist eine herrliche Parodie auf all die ernsten Rollenspiele. Hier kann man bei sehr leichten Regeln sehr viel Spaß bzw. Schadenfreude haben: aggressiv powerleveln, alles weghauen und verfluchen. Nicht nur das witzige Kartendesign und die obskuren Flüche wie die „Geschlechtsumwandlung“, Viecher wie „Bekiffter Golem“ und Gegenstände wie die „Fertigmauer“ haben viel dazu beigetragen, dass das 2001 von Steve Jackson (GURPS) entwickelte Spiel diesen Kultstatus erreicht hat. Hier kann bei allem Glück auch taktisch punkten und clever zurückschlagen! Mittlerweile gibt es zig Erweiterungen mit noch wahnwitzigeren Gegenständen, abstruseren Monstern, Zombies und Vampiren. Dieser urkomische Klassiker sollte jedenfalls in keiner gut sortierten Fantasysammlung fehlen.

Ausblick

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir wollen euch alle zwei Wochen kreative Geheimtipps und ungewöhnliche Spieleperlen empfehlen, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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