Robinson Crusoe: Adventure on the Cursed Island - Special, Brettspiel, Spielkultur
Das Schiff ist gesunken, es gibt nur wenige Überlebende und der Winter naht. Schon nach sieben Tagen muss man drei miese Wetterwürfel über Schnee und Regen entscheiden lassen – oh je! Ob das Dach bis dahin steht, ob wieder wilde Tiere auftauchen? Aber es hätte schlimmer kommen können, denn nur ausgewiesene Spezialisten sind auf der Insel gestrandet. Vier Charaktere mit jeweils vier Fähigkeiten sowie einer potenziellen Erfindung stehen in männlicher und weiblicher Variante zur Wahl, wobei das Geschlecht keine spielerischen Auswirkungen hat: Koch, Handwerker,
Soldat oder Entdecker. Sie alle können bis zu zwei Aktionen ausführen, darunter das Erkunden, Sammeln, Bauen und Jagen.Die Frage der Inselrolle
Nur der Soldat kann die Palisade verstärken oder sich kurzfristig im Kampf steigern, nur der Handwerker spart beim Bau an Holz und kann neue Erfindungen aufdecken, nur der Entdecker darf unliebsame Inselkarten ablegen oder die Moral erhöhen. Und der Koch? Er kann z.B. für Heilung und Nahrung sorgen, denn am Abend müssen die Gestrandeten essen, sonst verlieren sie Lebenspunkte. Haben sie genug gesammelt oder gekocht? Schon vor dem Tod drohen durch zu viel Hunger oder Verletzungen bittere Moralverluste: Dann hat man weniger Spezialaktionen und muss im schlimmsten Fall noch mehr Verwundungen hinnehmen.
Kooperatives Survival-Erlebnis
Es geht also um Erkundungs-, Forschungs- und Rohstoffmanagement. Trotz des komplexen Regelwerks entsteht umgehend angenehmes Abenteuerflair – die Zeichnungen von Hütten, Waffen und Tieren sowie das vergilbte Papier entführen stilistisch ins 19. Jahrhundert. Für Stimmung sorgt vor allem die große und überaus edel designte Karte mit den freien Hexfeldern, auf der man zunächst nur ein Inselteil auslegt und dann weitere anlegt, wenn man weitere Regionen abseits der Basis erforscht. Der rechte Bereich der Karte ist für die knapp 30 Erfindungen reserviert: Dort liegen z.B. Schaufel, Gürtel, Karte, Seil, Feuer, Schild, Messer, Schleuder oder Floß und Trommel. Alles kann nützlich sein, vor allem der Damm: Er sorgt dafür, dass man zwei Nahrung bekommt, die nicht verrotten kann. Wie, was? Richtig gehört: Überschüssige normale Lebensmittel werden am nächsten Tag vernichtet, so dass man nicht einfach alles bunkern kann.
Auch hier zeigt sich also recht früh die angenehme Qual der Wahl: Da kann man lange brüten und natürlich in der Gruppe diskutieren, was gerade besonders nützlich und wichtig ist – irgendwie braucht man immer alles. Sobald man die Voraussetzungen für eine Erfindung erfüllt, was sowohl Rohstoffe als auch andere Erfindungen oder nur ein bestimmtes Terrain (eine klasse Idee, die zur Expansion zwingt!) wie Flussland, Gebirge oder Wiesen sein kann,
wandert die betreffende Karte in die Entwicklungsbox und wird am nächsten Tag verfügbar sein; ein ebenso einfaches wie motivierendes Prinzip.Entwicklung und Gefahren
Noch eine gute Idee ist der Risikofaktor: Egal ob man mit seinem Charakter etwas baut, sammelt oder erkundet, kann man sich entscheiden, ob man auf Nummer sicher geht und zwei seiner Aktionen investiert – dann muss man nicht für den Erfolg würfeln, verliert allerdings Zeit, denn man kann theoretisch zwei Dinge pro Tag erledigen. Wenn man nur eine Aktion investiert, damit man danach noch etwas anderes erledigen kann, muss man allerdings das Risiko des Würfelns eingehen: Je nachdem wie die drei Sechser fallen, kann man direkt Erfolg haben, gleichzeitig verletzt werden oder ein Ereignis auslösen; dann zieht man eine betreffende Karte vom Stapel. Nicht immer, aber sehr oft hat man es dann mit Gefahren wie Feinden, Fallen oder Missgeschicken zu tun.
Fatale Ereignisse und Kampfsystem
Ab und zu muss man auch kämpfen – sowohl gegen wilde Tiere wie Bären, Riesenschlangen oder Jaguare als auch Kultisten oder Kannibalen. Mal geht man auf die Jagd, mal wird man überrascht. Das Kampfsystem ist einfach: Man vergleicht die Stärke des Feindes mit seinem Waffenlevel, der von 1 bis 5 reichen kann, wenn man denn entsprechend geforscht oder erfunden hat. Für jeden Punkt, den man weniger hat, wird man verwundet. Manche Feinde zwingen allerdings dazu, dass man seinen Waffenlevel vor der Berechnung nochmal dezimiert oder sogar die Palisade zerstört. Gewinnt man, bekommt man je nach Feind wertvolle Nahrung oder Rohstoffe wie Felle.
Recht früh merkt man: Das Scheitern gehört zum System, aber der Frustfaktor ist gering, der Wiederspielwert hoch. Abgesehen davon, dass man z.B. gegen frühere Highscores antreten kann, die man auf den Missionskarten notiert, lohnen sich die fünf zusätzlichen Szenarien. Sie locken nicht nur mit anderen Startbedingungen, Regelmodifikationen und Zielen, sondern auch mit einem anderen erzählerischen Flair sowie kleinen Überraschungen. Nach dem recht einfachen „Schiffbrüchige“ folgt z.B. „Verfluchte Insel“, wo man in die Rolle von Exorzisten schlüpft und fünf Kreuze in verschiedenen Regionen anbringen muss. Nur hier taucht z.B. ein mysteriöser Nebel auf, der die Rohstoffernte
behindert, oder ein Altar des Todes, der jedem Entdecker zwei Schaden zufügt. Außerdem schneit es hier evtl. fünf Runden lang!Abwechslungsreiche Szenarien
Hat man die Kultisten überlebt, stellt man sich im dritten Szenario einer Rettungsmission: Jenny ist auf einem einsamen Felsen inmitten des Meeres gestrandet – hier gilt es zuerst ein Floß zu bauen, um sie zu retten und dann ein Schiff, um von der Insel zu entkommen; also ist Holz sehr wichtig. Im vierten Szenario „Vulkaninsel“ muss man vor dem Ausbruch der Lava möglichst viele Tempel erkunden. Danach geht es in „Kannibaleninsel“ blutiger zur Sache, denn man entdeckt eine florierende Menschenfresser-Siedlung – und die muss man vernichten; hier sind Waffenfertigkeiten gefragt. Schließlich geht es im sechsten Abenteuer „Robinson-Familie“ wieder friedlicher zu: Man muss nicht fliehen, sondern soll sich so gut wie möglich einrichten, Werkzeuge sowie eine Unterkunft für die Zukunft herstellen.
Es gab auch mal ein knackschweres Videospiel, das sich der insularen Survival-Thematik in Egosicht annahm: "Robinson's Requiem" von Silmarils aus dem Jahr 1994 für Amiga, Atari und PC. Wer Aktuelleres sucht, wird auf dem DS mit der Lost in Blue-Reihe fündig.Romans (1719) zu tun haben.
Das ist ein tolles Spiel! Wer Lust auf ein ebenso komplexes wie stimmungsvolles kooperatives Erlebnis hat, kommt um Robinson Crusoe nicht herum. Wie geht man mit Hunger, Wetter und wilden Tieren auf einer einsamen Insel um? Das Survival-Abenteuer von Ignacy Trzewiczek überzeugt nicht nur aufgrund seiner ansehnlichen Aufmachung. Vor allem das Ineinandergreifen von Ereignissen, Versorgung, Entwicklung und Risikomanagement faszinieren. Man strandet ohne Werkzeuge, muss sich einen Unterschlupf bauen und um das Essen kümmern. Dabei hat jeder der vier Charaktere (Handwerker, Soldat, Koch, Entdecker) unterschiedliche Spezialfähigkeiten. Für Vielspieler und Strategen unheimlich empfehlenswert, zumal es komplett unterschiedliche Szenarien mit anderen Zielvorgaben und Herausforderungen gibt. Aktuell muss man etwas Glück haben, um eine Version im Internet zu bekommen - falls ihr es schafft, empfehle ich nicht jene mit der schlechten deutschen Anleitung, sondern die englische Variante. Und frohe Botschaft: Pegasus Spiele wird eine offizielle deutsche Version mit sauberer Übersetzung Anfang 2013 veröffentlichen.
Ausblick
Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.
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