Robinson Crusoe: Adventure on the Cursed Island - Special, Brettspiel, Spielkultur

Robinson Crusoe: Adventure on the Cursed Island
02.11.2012, Jörg Luibl

Special: Robinson Crusoe: Adventure on the Cursed Island

Kooperatives Survival-Abenteuer

Auf der Brettspielmesse in Essen hat Robinson Crusoe: Adventure on the Cursed Island sofort neugierig gemacht: Die schönen Zeichnungen, die modulare Inselkarte, das Entdeckerflair. Schon beim ersten Spielen zeigte sich, dass der Kampf ums Überleben auf einem komplexen Regelwerk beruht. Und je öfter man spielt, desto mehr Spaß macht der kooperative Wettlauf gegen den Hunger, das Wetter oder Kultisten.

Das Schiff ist gesunken, es gibt nur wenige Überlebende und der Winter naht. Schon nach sieben Tagen muss man drei miese Wetterwürfel über Schnee und Regen entscheiden lassen – oh je! Ob das Dach bis dahin steht, ob wieder wilde Tiere auftauchen? Aber es hätte schlimmer kommen können, denn nur ausgewiesene Spezialisten sind auf der Insel gestrandet. Vier Charaktere mit jeweils vier Fähigkeiten sowie einer potenziellen Erfindung stehen in männlicher und weiblicher Variante zur Wahl, wobei das Geschlecht keine spielerischen Auswirkungen hat: Koch, Handwerker,

Schon das Artdesign macht neugierig auf Robinson Crusoe: Adventure of the Cursed Island. Und der Survival-Trip für 1 - 4 Spieler hält, was es verspricht! Auf der Spielemesse in Essen war es für 50 Euro erhältlich; die offizielle deutsche Version erscheint 2013 bei Pegasus.
Soldat oder Entdecker. Sie alle können bis zu zwei Aktionen ausführen, darunter das Erkunden, Sammeln, Bauen und Jagen.

Die Frage der Inselrolle

Nur der Soldat kann die Palisade verstärken oder sich kurzfristig im Kampf steigern, nur der Handwerker spart beim Bau an Holz und kann neue Erfindungen aufdecken, nur der Entdecker darf unliebsame Inselkarten ablegen oder die Moral erhöhen. Und der Koch? Er kann z.B. für Heilung und Nahrung sorgen, denn am Abend müssen die Gestrandeten essen, sonst verlieren sie Lebenspunkte. Haben sie genug gesammelt oder gekocht? Schon vor dem Tod drohen durch zu viel Hunger oder Verletzungen bittere Moralverluste: Dann hat man weniger Spezialaktionen und muss im schlimmsten Fall noch mehr Verwundungen hinnehmen.

Die große Karte mit der modularen Insel links und den Erfindungen rechts. Auch der Rest der Ausstattung kann sich sehen lassen: Es gibt zwar keine Spielfiguren, aber sehr gute Zeichnungen.
Das Problem: Stirbt nur einer von ihnen, heißt es für alle Game Over! Also muss man so clever zusammen arbeiten, dass alle überleben und die Ziele erfüllen. Im ersten Szenario gilt es innerhalb von zehn bis maximal zwölf Tagen ein Signalfeuer zu errichten – dafür braucht man fünfzehn Einheiten Holz und muss die Erfindung des Feuers bewerkstelligen. Aber wo gibt es Holz? Und braucht man das nicht auch für seinen Unterschlupf, für Palisade und Dach? Für Werkzeuge und Waffen? Könnte man damit nicht jagen und Felle sammeln? Richtig. Schon früh entpuppt sich die Qual der Wahl als ein Motivationsfaktor, denn man muss jeden Tag sowohl das Überleben sichern als auch die Entwicklung von Lager sowie Erfindungen meistern.

Kooperatives Survival-Erlebnis

Es geht also um Erkundungs-, Forschungs- und Rohstoffmanagement. Trotz des komplexen Regelwerks entsteht umgehend angenehmes Abenteuerflair – die Zeichnungen von Hütten, Waffen und Tieren sowie das vergilbte Papier entführen stilistisch ins 19. Jahrhundert. Für Stimmung  sorgt vor allem die große und überaus edel designte Karte mit den freien Hexfeldern, auf der man zunächst nur ein Inselteil auslegt und dann weitere anlegt, wenn man weitere Regionen abseits der Basis erforscht. Der rechte Bereich der Karte ist für die knapp 30 Erfindungen reserviert: Dort liegen z.B. Schaufel, Gürtel, Karte, Seil, Feuer, Schild, Messer, Schleuder oder Floß und Trommel. Alles kann nützlich sein, vor allem der Damm: Er sorgt dafür, dass man zwei Nahrung bekommt, die nicht verrotten kann. Wie, was? Richtig gehört: Überschüssige normale Lebensmittel werden am nächsten Tag vernichtet, so dass man nicht einfach alles bunkern kann.

Auch hier zeigt sich also recht früh die angenehme Qual der Wahl: Da kann man lange brüten und natürlich in der Gruppe diskutieren, was gerade besonders nützlich und wichtig ist – irgendwie braucht man immer alles.  Sobald man die Voraussetzungen für eine Erfindung erfüllt, was sowohl Rohstoffe als auch andere Erfindungen oder nur ein bestimmtes Terrain (eine klasse Idee, die zur Expansion zwingt!) wie Flussland, Gebirge oder Wiesen sein kann,

Hier hat die Gruppe schon einen Damm entwickelt: Also darf sie einmal normale (gelb) und zweimal nicht verrottende Nahrung (orange) ernten.
wandert die betreffende Karte in die Entwicklungsbox und wird am nächsten Tag verfügbar sein; ein ebenso einfaches wie motivierendes Prinzip.

Entwicklung und Gefahren

Noch eine gute Idee ist der Risikofaktor: Egal ob man mit seinem Charakter etwas baut, sammelt oder erkundet, kann man sich entscheiden, ob man auf Nummer sicher geht und zwei seiner Aktionen investiert – dann muss man nicht für den Erfolg würfeln, verliert allerdings Zeit, denn man kann theoretisch zwei Dinge pro Tag erledigen. Wenn man nur eine Aktion investiert, damit man danach noch etwas anderes erledigen kann, muss man allerdings das Risiko des Würfelns eingehen: Je nachdem wie die drei Sechser fallen, kann man direkt Erfolg haben, gleichzeitig verletzt werden oder ein Ereignis auslösen; dann zieht man eine betreffende Karte vom Stapel. Nicht immer, aber sehr oft hat man es dann mit Gefahren wie Feinden, Fallen oder Missgeschicken zu tun.

Vier Charaktere mit unterschiedlichen Fähigkeiten stehen zur Verfügung: Soldat, Koch, Handwerker, Entdecker.
Egal ob man bei seinen Aktionen auf Risiko geht oder nicht: Die Insel sorgt zusätzlich für Druck, denn es gibt immer Zufallsereignisse sowie Wetterauswirkungen und wilde Tiere, denen man sich stellen muss. Erstere werden dramaturgisch sehr gut in den Tagesablauf integriert, denn zum einen muss man sich manchmal entscheiden, ob man die Karte abwirft oder auslöst. Zum anderen hat man als Gruppe eine gewisse Zeit, um auf kommende Bedrohungen wie Stürme, Überflutungen oder Überfälle zu reagieren - sie liegen für alle sichtbar auf der Karte. Stellt man sich ihnen und meistert man die Gefahr, kann man die negativen Auswirkungen verhindern. Ignoriert man sie, werden sie ausgelöst und das kann zu Verletzungen, Moral- oder Rohstoffverlusten führen.

Fatale Ereignisse und Kampfsystem

Ab und zu muss man auch kämpfen – sowohl gegen wilde Tiere wie Bären, Riesenschlangen oder Jaguare als auch Kultisten oder Kannibalen. Mal geht man auf die Jagd, mal wird man überrascht. Das Kampfsystem ist einfach: Man vergleicht die Stärke des Feindes mit seinem Waffenlevel, der von 1 bis 5 reichen kann, wenn man denn entsprechend geforscht oder erfunden hat. Für jeden Punkt, den man weniger hat, wird man verwundet. Manche Feinde zwingen allerdings dazu, dass man seinen Waffenlevel vor der Berechnung nochmal dezimiert oder sogar die Palisade zerstört. Gewinnt man, bekommt man je nach Feind wertvolle Nahrung oder Rohstoffe wie Felle.

Recht früh merkt man: Das Scheitern gehört zum System, aber der Frustfaktor ist gering, der Wiederspielwert hoch. Abgesehen davon, dass man z.B. gegen frühere Highscores antreten kann, die man auf den Missionskarten notiert, lohnen sich die fünf zusätzlichen Szenarien. Sie locken nicht nur mit anderen Startbedingungen, Regelmodifikationen und Zielen, sondern auch mit einem anderen erzählerischen Flair sowie kleinen Überraschungen. Nach dem recht einfachen „Schiffbrüchige“ folgt z.B. „Verfluchte Insel“, wo man in die Rolle von Exorzisten schlüpft und fünf Kreuze in verschiedenen Regionen anbringen muss. Nur hier taucht z.B. ein mysteriöser Nebel auf, der die Rohstoffernte

Man muss sich nicht nur um Nahrung und Rohstoffe kümmern, sondern auch seinen Unterschlup sowie die Waffen auf Vordermann bringen.
behindert, oder ein Altar des Todes, der jedem Entdecker zwei Schaden zufügt. Außerdem schneit es hier evtl. fünf Runden lang!

Abwechslungsreiche Szenarien

Hat man die Kultisten überlebt, stellt man sich im dritten Szenario einer Rettungsmission: Jenny ist auf einem einsamen Felsen inmitten des Meeres gestrandet – hier gilt es zuerst ein Floß zu bauen, um sie zu retten und dann ein Schiff, um von der Insel zu entkommen; also ist Holz sehr wichtig. Im vierten Szenario „Vulkaninsel“ muss man vor dem Ausbruch der Lava möglichst viele Tempel erkunden. Danach geht es in „Kannibaleninsel“ blutiger zur Sache, denn man entdeckt eine florierende Menschenfresser-Siedlung – und die muss man vernichten; hier sind Waffenfertigkeiten gefragt. Schließlich geht es im sechsten Abenteuer „Robinson-Familie“ wieder friedlicher zu: Man muss nicht fliehen, sondern soll sich so gut wie möglich einrichten, Werkzeuge sowie eine Unterkunft für die Zukunft herstellen.

Auch das Terrain der Felder spielt eine Rolle: Manche Erfindungen wie Feuer bedingen, dass man ins Gebirge der Insel vorgedrungen ist.
Schön ist, dass man sich taktisch immer wieder neu einstellen muss, denn neben den Zielen ändern sich auch die Spezialaktionen sowie die Siegpunkteausschüttung. Ignacy Trzewiczek und sein Team haben sich wirklich kreative Gedanken gemacht, wie man das Inselerlebnis variieren kann. Das Ganze läuft allerdings nicht als Kampagne ab, in der man seine Charaktere entwickelt: Jedes der sechs Szenarien ist quasi ein Erlebnis für sich – die numerische Reihenfolge entspricht jedoch dem steigenden Schwierigkeitsgrad. In einer erfahrenen Gruppe sollte man dennoch die in der Anleitung beschriebene Modifizierung vornehmen, die nur einen Startgegenstand erlaubt sowie eine andere Zusammensetzung des Ereigniskartenstapels empfiehlt. Übrigens kommen auch Solisten auf ihre Kosten: Man kann alleine loslegen, wobei man von einem Hund sowie dem hilfsbereiten Insulaner Freitag begleitet wird - ein Hauch Daniel Defoe (1660 - 1731)  ist also auch dabei, auch wenn die Szenarien ansonsten nicht viel mit den Geschehnissen seines gleichnamigen
Apropos Robinson:

Es gab auch mal ein knackschweres Videospiel, das sich der insularen Survival-Thematik in Egosicht annahm: "Robinson's Requiem" von Silmarils aus dem Jahr 1994 für Amiga, Atari und PC. Wer Aktuelleres sucht, wird auf dem DS mit der Lost in Blue-Reihe fündig.Romans (1719) zu tun haben.

Das ist ein tolles Spiel! Wer Lust auf ein ebenso komplexes wie stimmungsvolles kooperatives Erlebnis hat, kommt um Robinson Crusoe nicht herum. Wie geht man mit Hunger, Wetter und wilden Tieren auf einer einsamen Insel um? Das Survival-Abenteuer von Ignacy Trzewiczek überzeugt nicht nur aufgrund seiner ansehnlichen Aufmachung. Vor allem das Ineinandergreifen von Ereignissen, Versorgung, Entwicklung und Risikomanagement faszinieren. Man strandet ohne Werkzeuge, muss sich einen Unterschlupf bauen und um das Essen kümmern. Dabei hat jeder der vier Charaktere (Handwerker, Soldat, Koch, Entdecker) unterschiedliche Spezialfähigkeiten. Für Vielspieler und Strategen unheimlich empfehlenswert, zumal es komplett unterschiedliche Szenarien mit anderen Zielvorgaben und Herausforderungen gibt. Aktuell muss man etwas Glück haben, um eine Version im Internet zu bekommen - falls ihr es schafft, empfehle ich nicht jene mit der schlechten deutschen Anleitung, sondern die englische Variante. Und frohe Botschaft: Pegasus Spiele wird eine offizielle deutsche Version mit sauberer Übersetzung Anfang 2013 veröffentlichen.

Ausblick

Für alle, die eine Wertung vermissen: Wir werden hier nur unsere Highlights vorstellen. Natürlich gibt es auch in der Brettspielwelt einen bunten Mainstream und billigen Murks, aber wir haben keine Zeit für Verrisse. Das ist zunächst ein Angebot, das wir euch zusätzlich bieten. Deshalb konzentrieren wir uns auf die empfehlenswerten Vertreter und die kreativen Geheimtipps, die man vielleicht nicht in jedem Kaufhaus findet.

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