Kindle Fire HD - Special, , Android

Kindle Fire HD
31.01.2013, Jan Wöbbeking

Special: Kindle Fire HD

Ob Ouya, Shield oder Nexus: Im Android-Bereich herrscht Aufbruchstimmung. Vor allem im Tablet-Segment möchten Samsung & Co dem Branchenprimus Apple Marktanteile abknapsen. Amazon versucht es mit dem Kindle Fire HD: Es soll durch einen günstigen Preis und direkt eingebundene Amazon-Inhalte überzeugen. Lohnt es sich auch für Spieler?

Das von Amazon entwickelte Hauptmenü wird horizontal durchgeblättert. Die obere Leiste führt zu Apps, Filmen, Einstellungen & Co.
In den USA ist die zweite Generation des Kindle Fire in zwei Größen erhältlich (mit Bildschirmdiagonalen von 7 bzw. 8,9 Zoll). Nach Europa hat es bisher nur die kleine Variante geschafft. Eine Besonderheit ist das Betriebssystem: Anders als gängige Tablets wie Asus‘ Nexus 7 nutzt die Amazon-Hardware eine stark modifizierte Version von Android 4.0.3.

Eigenwilliges Amazon-Tablet

Die Nutzeroberfläche unterscheidet sich komplett von der üblichen Bedienung. Statt der typischen Android-Menüs greift man auf eine eigens entwickelte Leiste am oberen Rand zu. Mit ihr blättert man schnell und unkompliziert durch gekaufte sowie eigene Medien und Apps. Auch der deutsche Amazon-Store sowie kostenpflichtige Streaming-Dienst Lovefilm sind direkt ins Menü eingebunden. Bei Amazon gekaufte Inhalte lassen sich immer wieder von den Servern herunterladen, z.B. wenn sie aus Speichermangel zuvor gelöscht hat.

- Preis: 199 - 264 EuroDer wichtigste Unterschied zu anderen Android-Tablets: Googles Play-Store lässt sich nicht nutzen. Stattdessen kauft man sich Apps und Spiele direkt im integrierten Amazon-Shop. Der Nachteil liegt auf der Hand. Manche Titel wie etwa das stimmungsvolle Superbrothers: Sword & Sworcery oder das schön designte Horn sind dort nicht erhältlich. Es gibt allerdings zwei Möglichkeiten, die Bevormundung zu umgehen: Wenn man in den Optionen die Installation fremder Apps erlaubt, kann man sich immerhin Programme in Appstores wie 1mobile.com herunterladen. Entweder installiert man eine entsprechende Shop-App des Anbieters oder man lädt sich die Installationspakete zuerst auf dem PC herunter, um sie danach per USB-Kabel aufs Tablet zu kopieren. Bei unserem Test ließen sich manche Programme wie GLBenchmark nach der Prozedur aber nicht zum Laufen überreden.



Kein Google Play


Technische Daten:

- CPU: Zweikern-Prozessor mit 1,2 Ghz

- Grafikeinheit: PowerVR SGX540

- Bildschirmdiagonale: 7" (17 cm)

- Auflösung: 1280 x 800

- Arbeitsspeicher: 1 GB

- Speicherplatz: 16 bzw. 32 GB (nicht erweiterbar)

- Maße: 193 mm x 137 mm x 10,3 mm

- Gewicht: 395 Gramm

Wer kompletten Einfluss über seine Hardware haben möchte, muss sein Gerät „rooten“, um Administrator-Zugriff zu ermöglichen. Dann lässt sich z.B. eine übliche Android-Version installieren, damit sich das Gerät wie ein gewöhnliches Tablet nutzen lässt. Die Änderung birgt natürlich ihre Tücken.

An der rechten Seite befinden sich der Power-Knopf, Lautstärkeregler und ein Kopfhörer-Anschluss, am unteren Rand eine Mini-USB-Anschluss sowie eine Micro-HDMI-Buchse.
Ähnlich wie das iPad Mini liegt auch das Kindle Fire HD erstaunlich gut in der Hand. Griffig wirkt auch die für 42,99 Euro erhältliche Hülle: Sie schaltet das Gerät beim Auf- und Zuklappen automatisch ein und aus, dient als Stütze zum Aufstellen und ermöglicht weiterhin die Bedienung der drei an der rechten Kante angebrachten Knöpfe. Die Ränder rund ums Bild wirken zwar sehr breit, der Bildschirm mit 1280 x 800 Pixeln und IPS-Technik (In-Plane-Switching) liefert aber ein tolles Bild mit kräftigen Farben und tiefem Schwarz, welches auch aus einem spitzen Winkel gut erkennbar bleibt. Im direkten Vergleich mit Asus‘ Nexus 7 wirkt das Bild ein wenig dunkler, aber auch kontraststärker. Schön auch, dass trotz des günstigen Preises widerstandsfähiges Gorilla-Glas verbaut ist. Mit leichten Relexionen bei hellen Lichtverhältnissen muss man aber auch hier leben.



Handliche Form und leuchtende Farben

Text lässt sich angenehm erkennen. Wer hauptsächlich E-Books liest, wird aber mit dem Kindle Paperwhite oder anderen E-Book-Readern besser bedient – sofern sie ein augenfreundliches E-Paper-Display nutzen. Der Sound klingt trotz zwei Stereo-Lautsprechern recht blechern; wer Musik und Filme genießen möchte, sollte also per Bluetooth oder Buchse Kopfhörer nutzen. Wer auf dem gesperrten Bildschirm des Kindle Fire HD keine Werbung sehen möchte, muss etwas tiefer in die Tasche greifen. Das Entfernen der "Spezialangebote" kostet 15 Euro.

Da Google Play sich nicht nutzen lässt, wird das Spielangebot beschnitten: Im Amazon-Store fehlen z.B. Perlen wie Sword & Sworcery.
Auch die Hardware-Power ist nicht beeindruckend, für den günstigen Preis aber noch angemessen.  Im Vergleich zur Konkurrenz wirkt die Kombination aus Doppelkernprozessor mit 1,2 Ghz und der Grafikeinheit PowerVR SGX540 ein wenig schwächlich. Da die aktuelle Version von GLBenchmark auf unserem Gerät ihren Dienst verweigert, können wir keinen direkten Leistungsvergleich durchführen. 2D-Spiele wie Rayman Jungle Run laufen ohne Murren oder Ruckler. Viele grafisch aufwändige Titel leiden aber unter einer niedrigen Framerate. Gamelofts offenes Batman-Spiel „The Dark Knight Returns“ schneidet noch annehmbar ab: Die Bildrate schwankt zwischen 20 und 30 Bildern; gelegentlich stockte das Bild auch etwas länger.

Eingeschränkt spieletauglich?

Beim Shooter N.O.V.A. 3 kommt es in offenem Terrain zu starken Einbrüchen auf rund 10 Bilder pro Sekunde; in schmalen Gängen steigt sie aber wieder auf 25. Erstaunlich gut schneidet dagegen Dead Trigger ab: Der ansehnliche Zombie-Shooter läuft sogar flüssiger als auf dem Nexus 7 und dem technisch starken Google-Handy Nexus 4. Im Gegenzug fehlt in der Kindle-Fassung aber die Grafik-Einstellung Ultra-High, welche auf Nexus 7 eine noch hübschere Beleuchtung sowie Glanz- und Partikel-Effekte erzeugt. Beim Großteil der getesteten Spiele bemerkt man aber, dass im Kindle weniger potente Hardware

Diese Spiele aus dem Amazon-Store können wir empfehlen:

Greedy Spiders: 83%verbaut ist als dem Nexus 7 mit Tegra 3-Technik oder gar dem Nexus 4 mit Qualcomms leistungsstarkem Chip-System Snapdragon S4 Pro. Spielstände werden übrigens auf Wunsch in der Cloud von Amazons Spiel-Dienst GameCircle gespeichert: Ähnlich wie in Apples Game Center kann man bei unterstützen Titeln auch Erfolge und Bestzeiten mit Freunden vergleichen.

Rayman Jungle Run: 87%

Elder Sign: Omens: 85%

Whale Trail: 81%

Angry Birds Space: 82%

Penny Arcade 3: 78%

World of Goo: 88%

Riptide GP: 77%

Wer unterwegs surfen will, ist mangels SIM-Karten-Slot auf eine WiFi-Verbindung angewiesen. Dann funkt die Doppelantenne aber immerhin mit Dualband-Unterstützung auf 2,4 oder 5Ghz. Dank MiMo-Technologie sorgt das laut Amazon für einen 40% schnelleren Datendurchsatz als beim aktuellen iPad. Im Alltagstest liefen sowohl die Online-Funktionen als auch die Bedienung der Nutzeroberfläche flüssig. Nur manchmal blieb beim Durchblättern ein Menü kurz hängen. Der integrierte Web-Browser ruckelte schon etwas häufiger – gerade im Vergleich zu aktuellen Chrome-, Firefox- und Opera-Versionen auf Nexus 7 oder Nexus 4. 

Robust und praktisch: Die klappbare Hülle wird seperat verkauft.




Netzwerk & Co

Auch Touch-Funktionen gehen flott und präzise von der Hand. Ganz so perfekt wie bei Apple klappt die Berührungssteuerung aber nicht: Wie beim Nexus 7 reagieren Menüs und Anwendungen einen Sekundenbruchteil später als auf dem aktuellen iPad. Amazon verspricht eine Akku-Laufzeit von elf Stunden. Ganz so lange hielt unser Gerät nicht durch, es vergingen aber viele Betriebs- und Standby-Stunden, bis es ans Netz musste. Da wir es zwischendurch immer wieder nutzten, lässt sich keine genaue Dauer benennen, es hielt aber deutlich länger durch als unser stromhungriges Google-Tablet von Asus.

Eigene Filme, Musik, Fotos und Dokumente werden nach dem Anschluss an den PC einfach in entsprechende Ordner kopiert. In erster Linie ist das Menü aber darauf ausgelegt, bei Amazon gekaufte Inhalte wie Filme, mp3s oder eBooks zu präsentieren. Dazu gehört zum Beispiel Amazons Online-Videothek Lovefilm . Käufer des Tablets erhalten ein einmonatiges Probe-Abonnement für den Dienst, welcher nicht nur Filme per Post

Die 1,3-Megapixel-Kamera auf der Vorderseite taugt nur für einfache Schnappschüsse oder Video-Telefonie (z.B. via Skype).
versendet, sondern auch das Streaming im PC-Browser, auf diversen Konsolen und natürlich dem Kindle Fire HD ermöglicht.



Mobiles Kino?

Ein Nachteil ist die eingeschränkte Auswahl: Im Gegensatz zum üppigen Angebot in den USA findet man hierzulande z.B. kaum aktuelle Kinofilme oder Serien wie Breaking Bad oder The Big Bang Theory. Schade auch, dass die Anmeldung so umständlich ausfällt, wenn man sie nicht beim ersten Start des Geräts ausführt. Wer Lovefilm später aktiveren will, muss sich erst umständlich auf der Website ein Konto anlegen und es dann auf dem Kindle mit dem eigenen Amazon-Konto verknüpfen. Praktisch ist allerdings die Speicherung des Fortschritts in der Cloud. Einfach dem Film pausieren und zu Hause schaut man z.B. am PC an der gleichen Stelle weiter. Oder man schließt das Tablet direkt an den Fernseher an – dazu benötigt man allerdings einen entsprechenden Adapter für den eingebauten Micro-HDMI-Anschluss.

Das Kindle Fire HD ist ein Allrounder: Es kann vieles, macht aber kaum etwas richtig gut. Als Spielemaschine ist das Tablet eine Enttäuschung. Für Android gibt es ohnehin schon weniger exklusive Highlights als für iOS – und Amazon schränkt sie durch den aufgezwungenen eigenen Store noch weiter ein. Mit dem stark modifizierten Betriebssystem kann man nicht auf Googles Play-Store zugreifen. Den Großteil der Spiele bekommt man auch in Amazons Angebot, es fehlen aber einige Perlen wie Superbrothers: Sword & Sworcery oder Machinarium. Auch die Technik bremst gelegentlich den Spaß aus: Die verbaute Hardware wirkt angesichts des günstigen Preises zwar angemessen, aber auch etwas schwach auf der Brust. Zweidimensionale Titel wie Rayman Jungle Run laufen einwandfrei, aufwändige 3D-Spiele kommen dagegen schnell ins Ruckeln. Für Tablet-Spieler bleibt also nach wie vor das iPad die erste Wahl. Wir sind gespannt, wie sich die kommenden Tablets in unseren Tests schlagen. Wer gerne elektronische Bücher liest, findet mit dem Kindle Paperwhite oder anderen E-Book-Readern augenfreundlichere Alternativen. Als mobiler Videoplayer lohnt sich das Kindle Fire HD aber allemal – vor allem dank des hochwertigen Bildschirms mit seinen kräftigen Farben.

Fazit: