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Electronic Arts
19.03.2013, Julian Dasgupta

Special: Electronic Arts

Vor sechs Jahren und einem Monat zog sich Larry Probst aus dem Tagesgeschäft von Electronic Arts zurück und übergab das Zepter an John Riccitiello. Der kehrte nach einer dreijährigen Pause zu seinem einstigen Brötchengeber zurück, wo er sich zuvor schon als rechte Hand von Probst auf dem Posten des Chief Operating Officers verdingt hatte. Am gestrigen Abend verkündete Riccitiello seinen Rücktritt zum 30. März.

Ein Bild aus den Anfangstagen als CEO bei EA: John Riccitiello wird zum Ende des laufenden Geschäftsjahres am 30. März abtreten. Sein Vorgänger, der aktuelle Chef des Aufsichtsrats Larry Probst, wird den Posten zunächst übernehmen.
Probst & Co. loben in ihren Abschiedsbotschaften vor allem, dass der bald ausscheidende CEO den Konzern für das digitale Zeitalter und die kommende Konsolengeneration fit gemacht hat. Schon seit Jahren verweist der Publisher in seinen Quartalsberichten gebetsmühlenartig auf den wachsenden Umsatzanteil von DLC, Mikrotransaktionen und online verkauften Spielen.

Digitales Wachstum vs. Milliardenverluste

Blickt man zurück auf die "Ära Riccitiello", bleibt ein mehr als durchwachsener Eindruck - und die Frage, ob die Bilanz des Mannes seinen goldenen Fallschirm in Form des Gehalts und der Aktienoptionen für zwei Jahre rechtfertigt. Jeder Errungenschaft steht mindestens ein heftiger Fehlschlag gegenüber.

Das rein wirtschaftliche Urteil fällt trotz aller Bemühungen und Ergebnisse im Digitalbereich eindeutig aus: In vier der fünf vergangenen Geschäftsjahre unter Riccitiello musste EA rote Zahlen verzeichnen. Addiert man die Resultate, steht insgesamt ein Verlust von satten 2,419 Mrd. zu Buche - und das laufende Geschäftsjahr (1. April 2012 bis 30. März 2013) wird aller Voraussicht nach ebenfalls mit einem Minus abgeschlossen.

Auf seiner Habenseite kann Riccitiello sicherlich den Umstand verbuchen, dass EA in technischer Hinsicht besser aufgestellt ist für die Ankunft der nächsten Konsolen. Mit

Auch die Free-to-play-Umsetzung von Command & Conquer beruht auf Frostbite 2.
Frostbite 2 hat der Publisher endlich eine hauseigene Grafik-Engine, die nicht nur zwei Technikgenerationen überspannt, sondern sich auch relativ flexibel nutzen und das Unternehmen etwas unabhängiger von Drittanbietern wie Epic werden lässt. Damit scheint das zu gelingen, was vor knapp neun Jahren gescheitert war: Mit der Übernahme von Criterion hatte EA eigentlich auch darauf gehofft, Renderware als Haus- und Hof-Engine etablieren zu können. Daran, dass der Hersteller in technischer Hinsicht in die aktuelle Konsolengeneration reinstolperte, hat Riccitiello allerdings sicherlich auch einen kleinen Anteil, war er doch bis 2004 der COO der Firma gewesen.

Als Riccitiello 2007 dem Probst‘schen Lockruf folgte, war er sich der Reputation EAs durchaus bewusst. Der damalige Marktführer galt als träge und innovationsarm, als Konzern, der die eigentlich bessere Konkurrenz in einigen Genres u.a. durch massives Marketing, aber auch Exklusivlizenzen wie NFL oder FIFA auf Abstand hielt oder gar ausschaltete. Dank der Nachwehen des Blogs von Erin "EA Spouse" Hoffman galt der Publisher zudem als Paradebeispiel für die schlechten Arbeitsbedingungen in der Branche.

Ein versuchter Imagewandel

Riccitiello gelobte mehr Risiko, neue Marken sowie eine Qualitätsoffensive. Auch gab er sich selbstkritisch und sinnierte öffentlich darüber, EA sei zu fett geworden und habe außerdem Studios wie Bullfrog und Origin in Grund und Boden gewirtschaftet.

Zu den prominentesten Zukäufen gehörte 2007 die Rollenspielschmiede BioWare um Ray Muzyka und Greg Zeschuk. Beide gaben im September 2012 ihren Abschied bekannt.
Als man 2008 durch den Zusammenschluss von Activision und Vivendi Games plötzlich die Stellung als größter Dritthersteller verlor, versuchte man sich als der geläuterte, freche und wagemutige Gegenentwurf zum Konkurrenten zu positionieren. Den Scheidungskrieg zwischen Vince Zampella, Jason West und Activision begleitete EA mit einigen süffisanten Kommentaren und stellte den Mitbewerber als undankbaren Arbeitgeber dar, der das Unternehmertum und die Kreativität seiner Angestellten unterdrücken würde. Ganz unschuldig am Streit waren Riccitiello und sein Team bekanntermaßen nicht, hatte man doch das Duo zuvor abwerben wollen und darüber hinter den Kulissen verhandelt. Mit Brütal Legend wollte man wohl außerdem Mut zum Risiko beweisen und nahm man sich eines Projekts an, das Activision zuvor abgelegt hatte.

Der versuchte Imagewandel klappte nur bedingt, blieb EA doch auch durch Ereignisse wie die DRM-Debatte bei Spore im Gespräch. Über die Server-Probleme und die Offline-Möglichkeiten von SimCity berichteten zuletzt auch Portale wie Spiegel Online und die BBC. Über neue Marken wurde beim Hersteller seltener gesprochen, nachdem Spiele wie Mirror's Edge oder Boom Blox zwar wertungstechnisch, nicht aber kommerziell erfolgreich waren - stattdessen waren bald wieder vertrautere Töne zu hören.

Mit "Project $10" gab man dem Vorhaben einen Namen, der mittlerweile als Online Pass gängig ist. Die 'Krönung' gab es im letzten Jahr: Bei einer Online-Abstimmung des bekannten US-Verbrauchermagazins Consumerist setzte sich EA selbst gegen Großbanken und Ölkonzerne durch und wurde zum schlechtesten Unternehmen Amerikas gekürt. Als Titelverteidiger ist der Publisher als einziger Vertreter der Branche auch in diesem Jahr wieder am Start .

Für 860 Millionen Dollar wurde BioWare/Pandemic im Jahr 2007 gekauft.
Ende 2007 verkündete EA einen Megadeal: Für über 860 Mio. Dollar übernahm der Publisher BioWare/Pandemic. Riccitiello hatte den Zukauf eingefädelt und profitierte zudem noch: Er war einer der Gründer der Investmentfirma Elevation Partners, die 2005 Geld in die beiden Studios gepumpt und ihre Fusion initiiert hatte.

BioWare: Aufgekauft und aufgeblasen

Auch hier ist die Bilanz durchwachsen. Pandemic brachte es gerade mal auf zwei weitere Veröffentlichungen und eine unangekündigte Versoftung von The Dark Knight, bevor das Team aufgelöst wurde. BioWare kann mit den Marken Dragon Age und dem actionlastigen Mass Effect immerhin ein Genre bearbeiten, das bei EA seit den Ultima-Spielen ziemlich brach lag. Beide Marken/Projekte existierten aber auch bereits vor der Übernahme - neue Serien hat das Studio unter der Flagge des Publishers bis dato nicht hervorgebracht. Während Dragon Age recht gut aufgenommen wurde, blieb das in anderthalb Jahren mit Fließbandeifer produzierte Dragon Age II unter den Erwartungen. Eine einst angekündigte Erweiterung wurde später eingemottet.

Die Reputation BioWares wollte man sich auch noch anderweitig zu Nutze machen und fing damit an, andere Studios anzugliedern. Den Auftakt machte Mythic Entertainment, aus dem BioWare Mythic wurde. Es folgten Victory Games (BioWare Victory), EA2D (BioWare San Francisco) sowie Klicknation (BioWare Sacramento). Letztere bildeten zusammen "BioWare Social". Irgendwann hatte man aber wohl ein Einsehen: Die Studios werden mittlerweile wieder unter ihrem alten Namen geführt oder wurden wie im Fall von BioWare San Francisco geschlossen.

Als der Konzern 2007 sein Übernahmeangebot an BioWare/Pandemic unterbreitete, dürfte Star Wars: The Old Republic sicherlich eine der wesentlichen Gründe gewesen sein. Nur allzu gerne wollte der Publisher wieder im seinerzeit vom Hype um World of Warcraft beherrschten MMO-Markt mitmischen, in dem man seit Ultima Online keinerlei Erfolge mehr zu vermelden hatte.

Der Rest ist bekannt: Das Projekt, in das der Hersteller sicherlich einen dreistelligen Millionenbetrag gesteckt hat, legte einen flotten Verkaufsstart hin, verlor danach aber ebenso schnell seine Nutzer. EA versuchte, die Entwicklung immerhin zwei Quartale lang zu beschönigen, um dann nach einem halben Jahr doch das anzukündigen, was viele angesichts des Trends vorausgesagt hatten: Star Wars: The Old Republic wird um ein Free-to-play-Modell erweitert. Gleichzeitig wurde bei BioWare Austin der Rotstift angesetzt und Stellen gekürzt.

Riccitiellos Stellung im Unternehmen war aufgrund der Verluste und der Entwicklung des Aktienkurses  ohnehin schon angeschlagen. Als EAs teuerste Rakete nicht wie erhofft zündete, wurde es langsam eng für ihn.

Nach sechs Jahren bei EA hört John Riccitiello auf.
Ebenfalls aus der Schublade der nicht erfolgreichen Unterfangen stammt das Werben um Take-Two. Wohl auch als Reaktion auf die Hochzeit von Activision und Vivendi Games hatten die Mannen um Riccitiello ein Auge auf das Mutterschiff von Rockstar und 2K geworfen. Strauss Zelnick & Co. wehrten sich allerdings vehement gegen jene Begehrlichkeiten und schafften es trotz monatelanger Bemühungen EAs, die eigenen Aktionäre davon zu überzeugen, nicht auf die Offerte des Konkurrenten einzugehen. Der hatte immer zwei Mrd. Dollar in Aussicht gestellt bei einem damaligen Marktwert Take-Twos von 1,2 Mrd. Dollar.

Eine unwillige Braut & Social-Verstärkung

Keinerlei Bedenken hatte man bei Playfish, als EA das Scheckbuch zückte: Für mehr als 300 Mio. Dollar übernahm man 2009 die Social-Games-Schmiede, um auch in jenem Markt mitmischen zu können. 2011 gönnte man sich noch PopCap und zahlte dafür mindestens 750 Mio. Dollar. Dort lief allerdings nicht alles nach Plan: Aufgrund eines "veränderten Marktumfelds" setzten die Gründer des Studios den Rotstift an und kürzten 50 Stellen. Zu den Betroffenen gehörte sogar George Fan, der Erfinder von Plants vs. Zombies. EAs Finanzchef Blake Jorgensen merkte vor einigen Tagen schließlich an: Der Ausflug in Social-Gefilde sei insgesamt nicht so erfolgreich gewesen wie erhofft.

Während mit Battlefield 3 der Großangriff auf das Shootergenre recht erfolgreich vonstatten lief und FIFA von Absatzrekord zu Absatzrekord eilt und zweifelsohne auch qualitativ zulegte, krachte es an anderen Stellen im Gebälk. Nachdem man der Medal of Honor-Reihe eine dringend benötigte Auszeit spendiert hatte, orientierte sich EA bei der Konkurrenz und setzt ähnlich wie Call of Duty: Modern Warfare zum Sprung in die Gegenwart an. Darf sich der Reboot immerhin noch als Achtungserfolg betrachten, so lief Medal of Honor: Warfighter deutlich schlechter als erhofft. Aufgrund der Kooperation mit einigen Waffenherstellern trat der Publisher zudem noch öffentlichkeitswirksam in das eine oder andere Fettnäpfchen. Der letzte Stand der Dinge: MoH befindet sich in der Mottenkiste.

Marken: Wenn der Neu- zum Fehlstart wird

Das Management um Larry Probst wird die kommenden Wochen damit verbringen, einen neuen Geschäftsführer für den Publisher ausfindig zu machen.
Während FIFA und Madden zu den Prunkstücken im Aufgebot von EA Sports gehören, hatte man beim Basketball den Anschluss an die Konkurrenz von 2K Sports verloren. Mit NBA Elite wollte man dem einst als NBA Live bekannten Produkt einen Neustart verpassen, der jedoch in letzter Sekunde abgeblasen wurde aufgrund zahlreicher technischer Mängel. Nach einem Studiowechsel und einer Auszeit sollte die Serie 2012 wieder antreten - und wieder entschied sich EA letztendlich gegen eine Veröffentlichung. Die konkurrenzlose NBA 2K-Reihe stellt derweil neue Absatzbestmarken auf.

Große Hoffnungen hatte man auch in Spore gesetzt, welches für EA quasi das nächste Sims werden sollte. Die Maxis-Produktion machte letztendlich nur noch über die bereits erwähnte DRM-Diskussion von sich reden - dann waren ihre 15 Minuten auch schon vorüber. Das Studio versuchte, einen Teil des Konzepts in DarkSpore wiederzuverwenden; auch jenes Spiel verschwand ebenso flott vom Radar wie die zum Shooter mutierte Neuauflage von Syndicate. Gar nicht zur Marktreife brachte es der Shooter Tiberium, während das einst als Command & Conquer: Generals 2 angekündigte Spiel nur noch Command & Conquer heißt und zum F2P-Titel mit Mehrspieler-Fokus umgestrickt wurde.

Das Management um Larry Probst wird die kommenden Wochen damit verbringen, einen neuen Geschäftsführer für den Publisher ausfindig zu machen. Dabei wolle man sowohl interne als auch externe Kandidaten berücksichtigen. Aus den eigenen Reihen könnte sich vermutlich Peter Moore Hoffnungen machen, der bei Microsoft die Xbox-Division geleitet und zuvor Sega of America als Präsident geführt hatte. Als Chief Operating Officer wäre er auch eine der Hierarchie entsprechende Wahl. Dass er Seit' an Seit' mit Riccitiello gearbeitet hatte, könnte sich dann nachteilig auswirken, falls Probst auf wirklich frische  Wind im Management aus sein sollte. Das gilt auch für Frank Gibeau, der derzeit als Chef aller EA-Labels schaltet und waltet.

Wer tritt die Nachfolge an?