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Independent Games
30.04.2013, Julian Dasgupta

Special: Independent Games

Vor zwei Jahren existierte es nur in den Köpfen der Organisatoren, aber 2012 feierte das A MAZE. Indie Connect bereits seine Premiere. Obwohl das Team um Thorsten "Storno" Wiedemann in der vergangenen Woche erst zum zweiten Mal zu der Veranstaltung lud, ist sie nicht mehr aus den „Deutschen Gamestagen“ wegzudenken.

Da sind sie: munter diskutierende Indie-Entwickler in freier Wildbahn.


Quo Vadis und A MAZE: Zwei Gesichter der Spielebranche

Wenn man durch den Veranstaltungsort tigert, sieht man sie immer irgendwo: Um einen Bildschirm versammelte Grüppchen, die angeregt diskutieren. Es ist ein Anblick, der die auch in diesem Jahr extrem familiäre Atmosphäre des Indie Connect versinnbildlichte. Während man auf der Quo Vadis oft von Leuten zu hören bekommt, man arbeite an sehr tollen Projekten, von denen man aber leider, leider, leider nichts erzählen darf, ist der typische Besucher des Indie-Events - gänzlich ohne Übertreibung - stets bereit, sein/ihr Notebook, Tablet oder Smartphone zu zücken, um jemandem, den er/sie drei Sekunden zuvor noch gar nicht kannte, auch den absolut unfertigsten aller Prototypen zu präsentieren und sich Feedback einzuholen. Und das, obwohl seit der vergangenen Woche wieder viel über das Klonen von Spielideen geredet wird - mehr dazu in einem anderen Artikel.

Während die "Großen" Absatzzahlen nur im Erfolgsfall preisgeben und diese ansonsten hüten wie ein Staatsgeheimnis, legen die "Kleinen" Downloads auf Nachfrage oft sehr detailiert dar. Flops werden dabei mal gleichgültig mit einem Schulterzucken kommentiert, mal mit dem Stolz eines Kindes, das seine erste Narbe präsentiert.

Nun ist die Quo Vadis ebenso wenig eine Schlipsträgeransammlung mit reinem Businessfokus wie der Indie Connect ein Hort naiver Kreativspinner mit Faible für philosophisch verkopfte Debatten über das "Meta" der Spielewelt. Dennoch haben die beide Veranstaltungen einen unterschiedlichen Charakter und als Mittdreißiger ist man auf der einen eher unter, auf der anderen in jedem Fall über dem Altersschnitt. Während die Quo Vadis an einem typischen Konferenzort, dem Café Moskau, stattfindet, hat man für den Indie Connect eine alte Fabrikhalle nebst improvisiertem Vortragsraum hergerichtet.

Der jüngere der beiden Events scheint das Wahrnehmungsradar des älteren etwas zu unterfliegen. Die Zahl der Leute, die beide besuchen ist eher gering - vorwiegend sind es Branchenvertreter, die dem Kreativbereich zuzuordnen sind. So liefen wir z.B. Benny Faibish (Mind Expanding Projects) über den Weg, der auf der Quo Vadis einen der eher zum Nachdenken anregenden Vorträge gehalten hatte.

Mittig: Ed Key gewann im vergangenen Jahr mit seinem Proteus den ersten A MAZE Award
Umgekehrt ist es ähnlich: Wer glaubt, die "jungen Wilden" würden sich größtenteils an der Einfallslosigkeit oder den Monetarisierungsbestreben der etablierten Hersteller abarbeiten, irrt gewaltig. Man beschäftigt sich lieber mit eigenen Themen.

Auffällig ist nicht nur, worüber geredet wurde, sondern worüber nicht: Während sich auf der Quo Vadis gefühlt die Hälfte aller Präsentationen rund um das Thema Kickstarter drehten, war Crowdfunding auf dem Indie Connect höchstens abseits der Vortragsfläche im Gespräch. Etwas aus dem Rahmen fiel einzig die Sponsor-Session von Gamesload. Dass die Telekom-Tochter auch Indie-Entwicklern den Weg in die "Cloud" schmackhaft machen will, entbehrt nicht einer gewissen Ironie angesichts der Tatsache, dass der Mutterkonzern und sicherlich auch bald andere Anbieter bestrebt sind, das Datenvolumen bei Festnetzanschlüssen zu begrenzen.

Kickstarter und Theorie hier, Kreativität und offene Karten da

Ed Keys Präsentation war fast ausschließlich eine Diashow, in der man Fotos der Flora und Fauna im ländlichen England zu sehen bekam. Und dennoch: Wer den Anmerkungen des Briten darüber lauscht, wie die Unkenntnis über natürliche Strukturen, aber auch das fehlende Wissen über uralte von Menschen erschaffene Werke dazu anregt, diesen selbst Bedeutung zuzuschreiben und eigene Erklärungen zu konstruieren, versteht das Ansinnen hinter seinem Proteus etwas besser.

Eher mahnende Worte gab es von Vlambeer. Die beiden Macher von Super Crate Box und Ridiculous Fishing zählen mittlerweile zu den Schwergewichten in der Indie-Szene aufgrund ihrer Präsenz und ihres Engagements. Es sei eine großartige Zeit, um Indie zu sein, merkt Rami Ismail dann auch in seinem Vortrag an. Allerdings müsse die Szene auch darauf achten, Trends aus dem Massenmarkt zu umschiffen. Dabei bezog sich Ismail vor allem auf den auch von Publishern oft beklagten/erwähnten Einbruch des Marktes für mittelgroße Produktionen. Das obere Ende des Spektrums werde von wenigen großen, sehr bekannten Marken dominiert, während am unteren Ende kleine Titel und Nischenproduktionen um Kunden werben.

Die Lehren aus dem Massenmarkt

Rami Ismail von Vlambeer (2. v. r.) forderte alle Anwesenden auf, die Vielfalt der der Szene zu schützen

Die Indie-Szene habe sich bisher dadurch ausgezeichnet, dass dort auch ungewöhnliche, neurartige Konzepte und unbekannte Leute Erfolge feiern konnten. Immer häufiger würde sich die Aufmerksamkeit aber auf die etablierten Kräfte und deren Produktionen konzentrieren. Und auch wenn Steam Greenlight vielleicht ein gutes Konzept sei, müssten dort No-Names gegen Titel wie den Euro Truck Simulator antreten. Indie-Entwickler stünden in der Pflicht, wachsam zu sein und aufzupassen, dass Juwelen jedweder Art eine Chance haben und auch gefördert werden, damit die Vielfalt der Szene bewahrt wird. Ein Spiel wie Papers, Please (heute bei uns in der Vorschau) sei fast nur durch Zufall bekannt geworden. Eine Patentlösung habe er selbst nicht, so Ismail. Statt sich darüber zu freuen, ein interessantes Spiel aufgestöbert zu haben, sollte man sich einfach stets fragen, welche interessanten Werke noch ihrer Entdeckung harren.

Mattias Ljungström von Spaces of Play (Spirits) stellte Future Unfolding vor, ein mit einem hübschen Pastell-Look aufwartendes Abenteuer, das von Spielen wie Zelda, Another World, Shadow of the Colossus, Proteus und Journey beeinflusst wurde. Es gehe um die Erkundung einer stets sich verändernden Welt, die nach und nach zerfällt. Da der in Berlin wohnhafte Schwede Inspiration als eine Funktion begreift, deren Ergebnis sich im Rahmen des vom Input vorgegebenen Spektrums bewegt, hieß es aber auch: Wirklich Neues könne nur entstehen, wenn sich Entwickler auch außerhalb der Welt der Spiele bedienen.

Was tut sich in hiesigen Gefilden?

Ljungström erläutert einem anderen Entwickler eine frühe Version von Future Unfolding.

Im Falle von Future Unfolding hätten ihm diverse Bücher wie Boring Postcards oder A Pattern Language als Ideenquelle gedient. Letzteres beschäftige sich mit Architektur und Raumplanung. Infos zum genauen Aufbau eines Restaurants und den Bewegungsmustern der Kunden darin seien geradezu eine Goldmine für Gamedesigner, so Ljungström. Als Beispiel für die Tranformation von Bekanntem in ein anderes Medium nennt er noch Johann Sebastian Joust von Die Gute Fabrik: Das auf den Move-Controller setzende Partyspiel sei letztendlich nur eine Umsetzung des Kinderspiels Fangen.

Zahlreiche Überstunden werden derzeit in Hamburg bei den Threaks geschoben, wo sich die Produktion von Beatbuddy langsam der entscheidenden Phase nähert. Wolf Lang schaffte es dennoch, den Crunch-Klauen kurzzeitig zu entfleuchen und dem Indie Connect einen Besuch abzustatten. Um dort dann etwas über die Lektionen zu plaudern, die man im Laufe der Zeit gelernt hat. Neben technischen Herausforderungen habe sich insbesondere das Lizenzthema als äußerst kompliziert erwiesen. Bei manchen Liedern müsse man aufgrund der Rechtslage sowohl mit dem Komponisten als auch mit dem Texter verhandeln, zusätzlich dann auch noch für bestimmte Märkte Verträge abschließen. Dank eines starken Partners aus dem Musikbereich sei man aber in einer komfortablen Lage. Dort erkenne man immer mehr den Nutzwert von Spielen, so Lang, der schon mal eine entsprechende Ankündigung in Aussicht stellte

In der Mittagspause trafen sich die Vertreter der deutschprachigen Szene, um Pläne für ein gemeinsames Forum zu erörtern.
Lea Schönfelder hingegen geht es oft um gesellschaftlich und politisch interessante Themen. Die Absolventin der Kunsthochschule Kassel redete auf dem Indie Connect etwas über ihren Werdegang und legte auch Erkenntnisse aus Werken wie Ulitsa Dimitrova , Ute und Perfect Woman dar. Letzteres ist ein satirisches Kinect-Spiel, in dem der Nutzer teils sehr knifflige Posen einnehmen muss, um die "perfekte Frau" zu sein.

Es handelt sich dabei nur um drei von zahlreichen Vertretern der deutschsprachigen Indie-Szene, in der sich langsam etwas tut. Mit Studios wie Newtracks, Rat King Entertainment, Brightside Games, Sharkbomb Studios, Mimimi Productions, den bereits erwähnten Spaces of Play und Threaks sowie diversen anderen Teams läuft eine neue Entwicklergeneration vom Stapel, die gleich von Anfang an auf internationale Vernetzung aus ist, die Twitter, Facebook & Co. nicht nur als lästige Pflicht aus Seminaren für Marketing und Communitymanagement kennt, sondern sie seit jeher als Werkzeuge für den Dialog untereinander und mit den Spielern verwendet.

Abseits der Vortragsfläche hatten die Veranstalter eine Austellungsfläche für allerlei Werke reserviert. Neben den für den A MAZE. Indie Connect Award 2013 nominierten Titeln konnte man auch die Spiele anderer auf dem Event vertretener Spieleschöpfer (z.B. eben Perfect Woman oder Luftrausers von Vlambeer) und einige Projekte der HTW Berlin anspielen. Am auffälligsten war dabei sicherlich The Gaudy Woods von Thi Binh Minh Nguyen und Robert Frentzel von der Kunsthochschule Halle. Auf in einer neigbaren Stahlkonstruktion drehbar gelagerten Reifen balancierend musste der Nutzer dort quasi eine Tonne durch einen psychodelischen Wald rollen, was sich aufgrund des "Controllers" als durchaus anstrengendes Unterfangen erwies. Knapp zwei Monate hatte das Duo an dem Projekt gewerkelt, welches allerdings immer noch nicht durch die Hochschule bewertet wurde. Man habe noch nicht die notwendige Dokumentation abgeliefert, so Frentzel: Wie bei Studenten typisch sei man mit dem Kopf eigentlich schon wieder beim nächsten Projekt.

Der A MAZE. Award: Das Spaceteam hebt ab

The Gaudy Woods war neben zehn anderen Werken für den Preis des Festivals nominiert. Den die fünfköpfige Jury dann schon - wie bereits von uns berichtet - an den iOS-Koop-Titel Spaceteam von Henry Smith vergab.

Ohne Balance keine Chance: The Gaudy Woods in Aktion

Was bleibt? Mit knapp 500 Fachbesuchern konnte das Indie Connect 2013 die Marke aus dem Vorjahr laut Angaben der Organisatoren um das Dreifache übrtreffen. Im Laufe der zweieinhalb Tage hätten außerdem noch über 1000 weitere Personen - Spielefans wie neugierige Passanten - dem Festival und seinen öffentlich zugänglichen Teilen wie dem Multiplayer-Picknick am Donnertag einen Besuch abgestattet. Wer langfristig plant, kann schon mal den Kalender zücken und den Zeitraum vom 9. bis zum 11. April 2014 markieren: Dann wird das nächste A MAZE. Indie Connect stattfinden.

Ein paar weitere Impressionen von der 2013er Veranstaltung gibt es in unserer Bildgalerie.