Rayman - Special, Plattformer, PC, Spielkultur

Rayman
24.07.2013, Michael Krosta

Special: Rayman

Er hat zwar keine Arme und Beine, teilt aber trotzdem kräftig mit seiner Faust aus und rennt wie ein Weltmeister – und das schon seit 1995! Wer hätte gedacht, dass sich Rayman selbst heute noch in neue Abenteuer stürzen würde, als die Schöpfung von Designer Michel Ancel damals das Licht der Spielewelt erblickte? Gerade die Rückkehr zu 2D mit Origins und Legends lässt die Erinnerung an den Klassiker wach werden, der die Grundlage für viele typische Elemente der Reihe legte, auf die auch der moderne Rayman gerne noch zurückgreift...

Die Zeit als inoffizielles Maskottchen der gefloppten Jaguar-Konsole währte nur kurz...
Maskottchen sind immer eine feine Sache. Vor allem, wenn sie einen gewissen Knuddelfaktor und hohen Wiedererkennungswert mitbringen, über den sich besonders das Marketing freut. Nintendo hat seinen Super Mario, während sich beim alten Erzrivalen Sega schnell der blaue Flitze-Igel Sonic als Firmenmaskottchen durchsetzte. Bei Sony wollte man zunächst dem australischen Nasenbeutler Crash Bandicoot den Stempel aufdrücken, doch mittlerweile hat man mit Sackboy, Ratchet & Clank sowie Jak & Daxter eine ganze Riege an prominenteren Figuren. Microsoft hatte weniger Glück, Langweiler Blinx als Xbox-Gegenstück zu etablieren. Mit dem Master Chief ist man auf jeden Fall besser gefahren, auch wenn der gesichtslose Spartan mit seiner mächtigen Rüstung und Waffen vom üblichen Niedlichkeits-Klischee bei Maskottchen abweicht.

Das Gesicht des Jaguars

Warum ich das alles erwähne? Weil Rayman oft als das inoffizielle Maskottchen für Ataris gefloppte Jaguar-Konsole gehandelt wurde – und das, obwohl das Jump'n'Run ursprünglich für das SNES erscheinen sollte. Als Ubisoft beschloss, den Titel lieber auf CD-ROM zu veröffentlichen, wurden Animations-Spezialisten angeworben, welche die Grafik ordentlich aufmöbelten. Doch wie es das Schicksal wollte, erschien das CD-ROM-Laufwerk für das SNES niemals und war angeblich einer der Gründe, weshalb Sony mit der PlayStation selbst den Schritt in die Spieleindustrie wagte. Gut für Atari, denn aufgrund seiner starken Hardware und trotz der Rückkehr zu Modulen wurde schließlich der Jaguar als neue Plattform ausgewählt, bevor das Spiel später für die PlayStation, Segas Saturn und den PC umgesetzt wurde. Auf dem SNES erschien Rayman übrigens nie – genauso wenig wie auf dem Amiga und Mac, obwohl die Versionen ursprünglich noch angedacht waren. Interessanterweise dachte man schon beim ersten Konzept über einen Mehrspielermodus nach, doch es sollte bis Rayman Origins dauern, bis Michel Ancel seine ursprüngliche Vision verwirklichte.

Musiknoten können ganz schön gemein sein!
Auf dem Jaguar begeisterte Rayman in erster Linie durch die wunderschönen 2D-Kulissen und die grandiosen Animationen sämtlicher Figuren bei 60 Bildern pro Sekunde und 65.000 Farben – eine Stärke, welche die Serie bis heute auszeichnet, wenn man sich anschaut, was das Team in Montpellier gerade mit Rayman Legends auf den Bildschirm zaubert. Auch der beschwingte Soundtrack war schon auf dem Jaguar ein Markenzeichen, doch erst in den CD-ROM-Versionen ertönten die Stücke dank qualitativ hochwertiger Audio-Tracks in ihrem vollen Glanz.

Harte Nuss

Selbst beim Spieldesign spielte die Musik indirekt eine Rolle, führte eine der sechs Welten doch ins „Band Land“, in dem Rayman mit bösen Trompeten sowie anderen Instrumenten konfrontiert wurde und dabei u.a. Maracas als Sprungschanzen missbrauchte. Die meisten Level bekam Otto-Normal-Hüpfer aber gar nicht erst zu sehen, da der Schwierigkeitsgrad sehr hoch angesetzt wurde. Die Tatsache, dass Rayman seine mitunter hartnäckigen Gegner zunächst nur mit der Faust umnieten konnte, mag seinen Teil dazu beigetragen haben. Zum Glück kann er seine Widersacher mittlerweile auch mit einem beherzten Sprung auf den Kopf ausschalten, wie es in Hüpfspielen wie diesem eigentlich gang und gäbe ist. Aber früher war eben alles anders: Fähigkeiten, sich am Rand einer Plattform festzuhalten, musste der Held bei seiner Premiere genauso mit Hilfe der Fee Betilla erlernen wie die Verwandlung der blonden Mähne zum markanten Haar-Helikopter. In manchen Abschnitten musste er sogar Samen pflanzen, um sich über die entstehenden Blumen vor dem steigenden Wasserpegel nach oben zu retten. An anderer Stelle wurde er außerdem geschrumpft, um durch kleine Spalten und Lücken zu kommen. Interessanterweise aber nur bei den Umsetzungen für die anderen Plattformen, denn auf dem Jaguar gab es davon nichts zu sehen. Zudem fehlten dort komplette Areale, ein Bosskampf sowie Minispiele.

Schon damals eine wertvolle Unterstützung: Betilla, die hilfsbereite Fee.
Und warum die ganzen Strapazen? In Raymans Heimatwelt hat der fiese Mr. Dark das mysteriöse „Great Protoon“ gestohlen, das Frieden und Harmonie aufrecht erhalten sollte. Gleichzeitig wurden seine Beschützer, die so genannten Electoons, über den Planeten zerstreut und Darks Schergen gefangen genommen. In jedem Level ließen sich bis zu sechs von ihnen finden und befreien. Damit sind die Electoons quasi die geistigen Vorfahren der putzigen Kleinlinge, die ebenfalls ständig in Käfigen landeten und von Rayman gerettet werden mussten. Fleißig gesammelt wurde damals ebenfalls schon – statt Lums wanderten aber die blauen „Tings“ in die Tasche, mit denen man sich bei einem Magier nicht nur Zugang zu Bonus-Leveln erkaufen konnte, sondern bei 100 Stück auch mit einem Extraleben belohnt wurde.

Keine Kleinlinge, dafür Electoons

Und das hatte man bitter nötig: Während man sich heutzutage auf faire Checkpunkte und unendliche Versuche bei Raymans Abenteuern verlassen kann, wehte damals noch ein anderer Wind. Neben einer begrenzten Anzahl an Leben konnte man sich auch nur wenige

Besonders in Großbritannien zählt Rayman zu den absoluten Lieblingen auf der PSone: Laut Charttrack hat sich auf der Insel kein Titel auf der Plattform besser verkauft – selbst Schwergewichte wie Tomb Raider 2 und Gran Turismo mussten hinter der Hüpf-Ikone anstehen.Berührungen mit Gegnern erlauben, denn in diesem Fall wurde jedes Mal einer der wenigen Hitpoints abgezogen. Später wurde die Leiste zwar erweitert, doch gleichzeitig stieg auch mit jedem weiteren Abschnitt das Risiko, sie schnell wieder aufzubrauchen. Entsprechend oft bekam man den Game-Over-Bildschirm zu sehen. Was Hardcore-Hüpfer als willkommene Herausforderung ansahen, ließ viele Spieler frustriert zurück. Trotzdem legte Ubisoft mit Rayman den Grundstein für eine exzellente Jump&Run-Reihe, die nicht nur den Sprung in die dritte Dimension erstaunlich gut gemeistert hat, sondern auch nach der Rückbesinnung auf 2D-Tugenden immer noch rockt. Und all das ohne einen offiziellen Maskottchen-Status...

Rayman - Superstar