Apidya - Special, Arcade-Action, PC, Spielkultur

Apidya
18.11.2013, Michael Krosta

Special: Apidya

Diese zwei gehören zusammen wie Yin und Yang: Commodores Amiga und das Shoot'em up! Mit R-Type haben wir uns die Spielhalle ins Wohnzimmer geholt, bei Project X unsere Fähigkeiten als Pilot unter Beweis gestellt und in X-Out sind wir sogar unter die Wasseroberfläche abgetaucht. Doch vor allem summt noch ein Klassiker in unseren Köpfen, wenn wir an eines der besten Baller-Erlebnisse von damals zurückdenken: Apidya, das 1992 exklusiv von Kaiko für die „Freundin“ entwickelt wurde...

Honig hin oder her: Ich kann Bienen nicht ausstehen. Und Wespen noch viel weniger. Vielleicht ein Kindheitstrauma? Wenn ich ganz tief in mich gehe, sehe ich den grünen Rasen im Freibad, einen unbedachten Tritt und kurz darauf das große Aua sowie einen Stachel, der in meinem Fuß steckt. Selbst heute können mir die Viehcher im Sommer selbst das leckerste Eis vermiesen, wenn sie ständig um meinen Kopf herum schwirren. Und wenn ich mir dann noch die Bilder von diesen chinesischen Killer-Hornissen anschaue, läuft es mir eiskalt den Rücken runter.

Die Rache der Insekten

Aber selbst diese Monster sind noch harmlos gegen das, was das mutierte Killer-Insekt in Apidya anrichtet: Schwer bewaffnet mit aufrüstbaren Waffensystemen, Bomben und Drohnen legte es sich auf seinem Rachefeldzug u.a. mit riesigen Gottesanbeterinnen, gigantischen Maden oder einer verzottelten Schwester von Chucky der Mörderpuppe an. Auch Stechmücken, diverse Käfer, Spinnen, Schmetterlinge und Raupen waren vor dem Dauerbeschuss nicht sicher. Später wichen die organischen Gegner aber verstärkt mutierten Fantasie-Kreaturen und auch die Schauplätze wurden zunehmend düster: Summte man am Anfang noch durch saftig grüne Wiesen mit bunten Blumen sowie einen einladenden Teich mit schuppigen Fischen und Seerosen, wurde es in der siffigen  Kanalisation mit ihren Spinnen, Kadavern und Müllbergen schon deutlich unangenehmer.

Der fiese Hexaae schickt seine Insektenarmee los.
Danach folgten die hammerharten Abschnitte der Techno-Welt, an denen ich schon damals ordentlich zu knabbern hatte. Nicht umsonst nannte ich Apidya in der Bilderserie mit dem Thema „Unsere schwersten Spiele“. Hier waren fast unmenschliche Reflexe in Kombination mit Feingefühl am Joystick und ein genaues Einprägen der Feindformationen und Wege nötig, um den extra gestärkten Chitin-Panzer heil durch dieses Nest aus Zahnrädern, Lasergeschützen, tödlichen Flammen, Walkern, gepanzerten Roboter-Insekten, engen Gängen und fiesen Fallen zu führen. Ohne maximale Waffen-Power, den Schutz von maximal zwei kleine Drohnen und im Idealfall auch noch einen Schutzschild brauchte man es eigentlich gar nicht erst versuchen, sich den knallharten Herausforderungen zu stellen. Rückblickend kann ich es kaum glauben, dass ich diese Abschnitte damals tatsächlich gemeistert habe. Als ich mich für diesen Rückblick wieder an diesem Höllenritt durch die Techno-Welt versucht habe, hielt ich kaum länger als zehn Sekunden durch.

Techno-Party

Da mit jedem Ableben auch die Waffenstufen Schritt für Schritt zurückgesetzt werden, konnte man sich schon damals irgendwann jeden Neuversuch sparen, denn mit einer schlechten Ausrüstung wurden diese ohnehin schon nahezu unmöglichen Level noch unmöglicher. Damit war aber auch der Höhepunkt erreicht, denn die darauffolgenden Abschnitte wirkten gegen diesen knallharten Techno-Zirkus fast schon wie ein Kinderspiel, obwohl auch hier noch ein paar Schwergewichte wie ein immer größer werdender Fisch, ein skurriler Mutant sowie schließlich eine Mega-Hornisse als ultimativer Endgegner aufgefahren wurden.

Durch das Aufsammeln von Blüten bekommt man Zugriff auf bessere Extras und Waffen-Upgrades.
Und warum all der Stress? Weil ein schwarzer Magier namens Hexaae seinen Schwarm losschickt, um das Liebesglück eines jungen Paares zu zerstören. Wieso? Weil er's kann! Doch anstatt das traurige Schicksal zu akzeptieren, verwandelt sich Ikuro in das Killer-Insekt und fliegt in seinem neuen Körper los, um das Gegengift für seine elendig zerstochene Frau Yuri zu finden und den Urheber dieses Elends zu vernichten. Der klassische Stoff für jede Rache-Geschichte eben, wenn auch etwas unkonventionell verpackt.

Dunkle Magie

Und gerade damit hatte ich am Anfang noch meine Probleme: Ich weiß noch, als ich zum ersten Mal von Apidya hörte und mir nur dachte: „Was zum Geier? Warum soll ich da mit einer ballernden Biene durch die Gegend fliegen?“ Für mich gehörte in ein Shoot'em Up ein echtes Raumschiff. Oder die Kombination aus Heli und Jeep wie in SWIV. Oder ein Typ im Turrican-Anzug. Aber doch kein blödes Insekt – also Viehcher, gegen die ich gefühlt schon immer eine gewisse Aversion hatte. So eine abgedrehte Idee können auch nur wieder die Japaner haben. Glaubte ich zumindest. Aber weit gefehlt: Obwohl die Entwickler unter Kaiko firmierten, das weiß-rote Logo an die Flagge der Videospiel-Nation erinnerte und sogar der Apidya-Schriftzug mit Katakana unterlegt wurde, kam das Team aus Deutschland und bestand u.a. aus Peter Thierolf (Programmierer), Frank Matzke (Grafik) und dem Soundmagier Chris Hülsbeck, der auch hier wieder mit seinen melodischen Tracks bewies, warum er zu den besten Komponisten der Amiga-Ära gehörte. Alleine die Techno-Stücke waren eine Wucht, in denen er sich an L.A. Styles Klassiker „James Brown is Dead“ orientierte und sogar das eine oder andere Sample übernahm. Schön: Die Musik ließ sich im Start-Menü auch unabhängig vom Spiel auswählen und anhören. Später veröffentlichte Hülsbeck den kompletten und z.T. erweiterten Soundtrack von Apidya auf dem gleichnamigen Album, bei dem vor allem die orchestrale Titelmelodie viel besser zur Geltung kam, aber auch die Qualität der anderen Tracks mit satten Synthesizerklängen deutlich aufgepeppt wurden. Leider hatte die zweite Hälfte der Scheibe rein gar nichts mehr mit der Spielemusik zu tun und war stilistisch...nun ja...Geschmackssache.

Kommt man in der Kanalisation mit Gift in Berührung, steht die Welt plötzlich kopf.
Aber zurück zu meiner anfänglichen Skepsis: Ich hatte echte Zweifel daran, dass mich ein Shoot'em Up mit einem verdammten Insekt als Raumschiff-Ersatz ähnlich begeistern könnte wie all die R-Types, Uridiums und Z-Outs da draußen. Wie es der Zufall wollte, wurden auf der Amiga-Messe in Köln damals Zeitschriften verteilt, inklusive einer Diskette, auf der sich eine Demo zu Apidya befand. Und ausgerechnet diese landete in einer meiner Taschen...und kurze Zeit später im Laufwerk meines A500. Was folgte, war die Erleuchtung: Nach der Probeversion, die aus den ersten drei Abschnitten inklusive des Endkampfs gegen die Gottesanbeterin bestand, fragte ich mich, wie ich jemals die Qualität dieser Perle in Frage stellen konnte. Die Steuerung reagierte vortrefflich und grafisch war das Spiel der Hammer! 32 prächtige Farben, ein butterweiches Scrolling, Parallax-Ebenen und zahlreiche Gegner mit fantastischen Formationen, die sich da auf dem Bildschirm tummelten – sowas sah man auf dem Amiga nicht alle Tage, auch wenn es in späteren Abschnitten einige krasse Slowdowns zu verschmerzen gab, die es im Rahmen der Demo selbstverständlich noch nicht zu sehen gab.

Die Demo-Bekehrung

Und dann noch dieses fantastische Waffensystem: Mit jeder aufgesammelten Blüte rückte man auf der Symbolleiste am unteren Bildschirm ein Feld weiter nach rechts und bekam so den Zugriff auf immer durchschlagendere Extras und Power-ups, die sich teilweise sogar in mehreren Stufen verbessern ließen. Klar: Für Spielhallen-Besucher und NES-Virtuosen, die sich bereits mit Gradius vergnügt hatten, war das nichts Neues. Doch für mich als Konsolen-Verweigerer und Amiga-Enthusiast war das Taktieren mit den verschiedenen Möglichkeiten und die schrittweise Erarbeitung für stärkere Waffen in dieser Form eine kleine Offenbarung. Und dann noch diese coolen, zum Teil auch wunderbar abgedrehten Ideen: Sammelte man beim ersten Zwischengegner z.B. das umherfliegende Engelchen ein, landete man anschließend in einem kleinen Reaktionstest, bei dem man Engelchen einsammeln und Teufelchen ausweichen musste. Und nach dem Sieg über den aggressiven Maulwurf wartete schon das nächste Bonus-Level, wenn man sein mutiertes Insekt umgehend in dessen Bau manövrierte. Eine eher unangenehme Überraschung konnte man dagegen in den Kanalschächten entdecken: Flog man hier aus Versehen durch die giftigen Gase, wurde das Bild kurzerhand auf den Kopf gestellt.

Die Techo-Level sind ein Härtetest - und das gilt nicht nur aufgrund der harten Bosskämpfe.
Die Inspiration und Faszination von japanischen Konsolenspielen spiegelte sich nicht nur im Intro wider, das vom fernöstlichen Manga-Stil geprägt war. Mal ganz davon abgesehen, dass die Mehrzahl westlicher Action-Spiele damals gar nicht erst ein Intro vorweisen könnte, das über einen einführenden Textbildschirm hinaus ging. Doch auch bei der Spielmechanik wollte das Team dieses gewisse „Konsolen-Feeling“ einfangen: Deshalb integrierte man  neben den Standard-Joysticks auch die Unterstützung eines Mega-Drive-Controllers – immerhin waren die Anschlüsse identisch zu Competition Pro & Co. Dabei ging man sogar so weit, zwei Knöpfe mit unterschiedlichen Funktionen zu belegen! Was auf Konsolen zum Standard gehörte, war am Computer eine ganz neue Erfahrung, denn hier hatte der Joystick in der Regel EINEN Feuerknopf...der Rest wurde auf die Tastatur ausgelagert. Selbst an einen Zweispieler-Modus wurde gedacht: Nicht nur einfach nacheinander, obwohl das auch möglich war. Nein, hier durfte man sogar kooperativ los summen, wobei der zweite Spieler lediglich eine kleine Drohne steuern und Ikuro dadurch beschützen konnte.     

Konsolen-Feeling am Amiga

Die letzte große Herausforderung ist - wie könnte es anders sein - eine gigantische Killer-Hornisse.
Darüber hinaus leisteten sich die Entwickler noch einen Gag, der zu vielen Diskussionen führte: So prangt auf dem Titelbild neben dem Apidya-Schriftzug und den japanischen Zeichen auch noch eine römische Zwei. Und die führte zu der berechtigten Annahme, dass es einen Vorgänger zu Apidya geben muss. Auch hörte ich davon, dass in Japan bereits ein Spiel mit identischem Namen existieren sollte, dass mit diesem Apidya aber inhaltlich nichts zu tun hatte. Doch aus rechtlichen Gründen sah sich Kaiko dazu gezwungen, die „II“ im Spiel-Logo zu integrieren. Alles Bullshit: Wie die Entwickler in späteren Interviews zugaben, handelte es sich dabei nur um einen Witz, um die Spieler zu verwirren. HA. HA. HA.

Ein Clown zum Frühstück

Langer Rede, kurzer Sinn: Für mich zählt Apidya immer noch zu den besten Shoot'em Ups, die ich jemals spielen durfte – und das nicht nur am Amiga. Und schon wieder gerate ich ins Träumen: Diese Pracht in HD, mit flüssigen 60 Bildern pro Sekunde, noch mehr Parallax-Ebenen, krachenden Surround-Soundeffekten und aufbereiteten Musik-Tracks. Dafür würde ich glatt über meinen Schatten springen und mir freundschaftlich das nächste Sommer-Eis mit einer Wespe teilen. Ohne ihre Spezies danach ausrotten zu wollen.